835/A(E) XXII. GP
Eingebracht am 21.06.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Heinzl, Eder
und GenossInnen
betreffend Verkehrssicherheit in Tunnels und Unterführungen sowie Schaffung einer
Eisenbahnsicherheitsagentur
Im Zuge das Ausbaues der Westbahn zur Hochleistungsstrecke wurde im Bereich St.
Pölten/Wagram auf Basis einer eisenbahnrechtlichen Genehmigung ein Tunnelbauwerk
errichtet, welches aufgrund seiner Länge als „Unterführung" eingestuft wurde und von der
HL-AG lediglich mit den für Unterführungen notwendigen Sicherheitseinrichtungen
ausgestattet wurde.
Die Länge des abgedeckten Teiles dieser „Unterführung" ist mit 495m um genau 5m unter
jener Länge, ab der ein derartiges Bauwerk als Tunnel eingestuft wird (d.s. 500 Meter).
Um die Sicherheitsaspekte eines Unfalles von Zügen im Tunnel zu überprüfen, wurde von der
Freiwilligen Feuerwehr St. Pölten eine Übung durchgeführt. Übungsannahme war ein
Zugunglück mit Kesselwaggons und Personenwaggons, wobei sich laut Übungsannahme in
den Kesselwaggons kein Gefahrengut befand.
Aus den Erkenntnissen der FF St. Pölten aus der Übung ist eindeutig ablesbar, dass ein Unfall
mit einem Reise- oder gar Pendlerzug als höchst problematisch einzustufen ist. Eine Rettung
von hunderten Personen ist sehr schwer möglich oder sogar unmöglich, da die wesentlichen
Infrastruktureinrichtungen für solche Einsätze zur Gänze fehlen (normgerechte
Fluchtwegorientierungsbeleuchtung mit Fernauslösung, für die Rettung von liegenden
Personen geeignete Stiegen etc.).
Auch die Brandbekämpfung ist in diesem Bereich nur mit erschwerten Bedingungen möglich,
da keine Löschwasserentnahmestellen unmittelbar bei den Zufahrts- und Aufstellflächen
vorhanden sind und aufgrund der Einstufung als „Unterführung" auch keine
dementsprechende Löschleitung eingebaut ist. Als Alternative bleibt daher nur eine
Löschwasserversorgung mittels Pendelverkehr mit Tanklöschfahrzeugen, was einen hohen
Zeit- und Personalbedarf erfordert.
Aus den oben erwähnten Gründen ist ein Einsatz im Tunnel mit einem hohen Personalbedarf
(ca. 500 Mann) verbunden, wodurch es zu einer massiven Sicherheitsgefahrdung deshalb
kommt, da die Verfügbarkeit einer so hohen Zahl an Einsatzkräften speziell während des
Tages erfahrungsgemäß ein großes Problem darstellt.
Es wurde zwar den gesetzlichen Bestimmungen
für „Unterführungen" entsprechend gebaut,
die Sicherheitsaspekte einer „Unterführung" mit einer
Länge von einem halben Kilometer
wurden in der Planung und in der
Bauausführung aber nicht entsprechend berücksichtigt. Die
Sicherheit der Fahrgäste und der im Unglücksfall an einer
Rettung beteiligten Einsatzkräfte
wird damit in unverantwortlicher Weise aufs Spiel gesetzt.
Diesem Antrag ist eine Abschrift des
Protokolls zur behördlich vorgeschriebenen
Einsatzübung im Pottenbrunner Tunnel auf
der Westbahn-Hochleistungsstrecke
angeschlossen.
Dieser Fall zeigt eindrücklich, wie notwendig die
Einrichtung einer Eisenbahn-
sicherheitsbehörde im Zuge der
Vervollständigung der Umsetzung der Sicherheitsrichtlinie
der EU ist, die unter anderem einheitliche Richtlinien für die
sicherheitstechnische
Ausrüstung von Eisenbahn-Infrastruktureinrichtungen zu erstellen haben
wird.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher nachstehenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen.
Entschließung
Der Nationalrat hat beschlossen:
Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert
1)
eine Evaluierung
sämtlicher Tunnels und Unterführungen der ÖBB hinsichtlich ihrer
sicherheitstechnischen Ausrüstung
für den Fall eines Unglücks im abgeschlossenen
Bereich unter besonderer Berücksichtung des Entstehens eines Brandes
umgehend
durchzuführen,
2)
verbindliche und
ausreichende Sicherheitskriterien für räumlich abgeschlossene
Eisenbahnführungen -
unabhängig von der Qualifizierung als Tunnel oder
Unterführung - zu normieren und
3)
eine eigene Eisenbahnsicherheitsbehörde
mit ausreichendem Personal, ausgestattet mit
Kontroll- und Strafbefugnissen, die gemäß der
EU-Sicherheitsrichtline (Art. 16) auch
ausdrücklich nicht an „Fahrwegbetreiber, Eisenbahnunternehmen oder
Beschaffungsstellen übertragen oder als Auftrag vergeben wird" zu
schaffen.
Zuweisungsvorschlag: Verkehrsausschuss
PROTOKOLL
zur behördlich vorgeschriebenen Einsatzübung im Pottenbrunner Tunnel auf der
Westbahn-Hochleistungsstrecke
Übungsannahme:
Es wurde eine Zuggamitur
mit Kesselwaggon und Personenwaggons in den Tunnel
eingebracht, wobei eine Zugsentgleisung mit verletzten Personen und Brand der
Lokomotive
angenommen wurde.
In den Kesselwaggons
befand sich kein Gefahrengut.
Übungsablauf:
Die Freiwilligen
Feuerwehren St. Pölten-Ratzersdorf und St. Pölten-Pottenbrunn
übernahmen
einen Angriff in die Tunnelröhre vom Ostportal aus mittels den
vorgehaltenen Rollpaletten. Die
Freiwillige Feuerwehr St. Pölten-Wagram übernahm einen Angriff in die
Röhre von dem
Westportal aus. Die Freiwillige Feuerwehr St. Pölten-Stadt übernahm
die Gesamteinsatzleitung
und trug ihren Einsatz einmal mit dem vorgesehenen
Rüstlöschfahrzeug-Tunnel vor und
zusätzlich
über den Stiegenabgang direkt zum Westeingang in den Tunnel.
Das Rüstlöschfahrzeug-Tunnel wurde
beim Bahnhof St Pölten aufgegleist und mit einer
Begleitperson der ÖBB zum Einsatzort
gebracht. Die vorgesehene Sichterdung wurde von
Personen der ÖBB vorgenommen. Zusätzlich wurde seitens der Feuerwehr
der
Erdungsschalter am westlichen Portal durch die Feuerwehr Wagram betätigt.
Zusammenfassung:
•
Insgesamt wurden 60 Atemschutzgeräteträger, davon ein Trupp mit PG-4
vorgenommen. 19
nicht gehfähige Patienten wurden durch
die Atemschutzrettungstrupps ins Sicherheit gebracht.
Erkenntnis:
1.
Die vorgesehene
Fluchtwegsbeschilderung ist im Brandfall (mit leichter Verrauchung)
nicht mehr lesbar. Hier wäre es dringend anzuraten eine dementsprechende
normgerechte Fluchtwegorientierungsbeleuchtung wie sie auch im Hochbau
verwendet
wird anzubringen.
2.
Der beleuchtete
Handlauf muss unbedingt bei Unfallmeldungen automatisch von der
Fahrdienstleitung bzw.
zuständigen Bahnhof eingeschaltet werden um eine
dementsprechende Fluchtwegsorientierung für die flüchtenden Personen zu
gewährleisten.
3.
Die Rollpaletten
müssten wie folgt umstationiert werden, da die Anmarschwege bereits
jetzt über einen Kilometer betragen. Die Rollpaletten beim Westportal
sollten unmittelbar
nach dem Stiegenabgang
direkt beim westlichen Eingang zum Tunnel stationiert werden
und die östlichen
von Pottenbrunn weg zum Unterwerk Wagram, wo sich auch in
Zukunft der Aufgleisplatz für das RLF-T befinden wird.
4. Ein Atemschutzeinsatz mit
herkömmlichen Atemschutzgeräten (2 x 4l 200 bar) ist selbst
bei dieser Tunnellänge bzw. Unterführung
von 495 m nicht zielführend und nicht ohne
der Selbstgefährdung der Einsatzmannschaften durchzuführen. Die
mindeste
Atemschuteausrüstung für solche
Einsätze selbst bei dieser Tunnellänge ist ein
Doppelpack mit 2 x 6,8 l 300 bar Atemschutzsystem vorzunehmen. Zu
bedenken ist
auch dass ein dementsprechender Schutzanzugseinsatz (Einsatzzeit 15 bis max. 30
Minuten) bei Gefahrengutunfällen aus der heutigen Sicht der Technik uns
unmöglich
erscheint. Als Alternative würde sich hier ähnlich wie im
Plaputschtunnel in Graz ein
dementsprechende Luftleitung für eine
Fremdbelüftung von Anzügen eigenen.
Ansonsten ist auf Grund der vorgesehenen Einsatzzeiten dieser Einsatz
mit
Chemikalienschutzanzügen unsererseits
unmöglich.
5.
Die vorgesehene
Stiege (Abgang) vom Weichenplatz ist für eine Menschenrettung nicht
verwendbar, da diese so steil angesetzt ist,
dass das Retten von Personen nur unter
schwersten Bedingungen möglich wird. Ebenfalls die Stiegenbreite ist
für solche
Rettungen nicht ausreichend. Auf unsere
Intervention dahingehend wurde uns mitgeteilt,
dass die Stiege eine freiwillige Errichtung seitens der HL AG ist und
keineswegs
vorgeschrieben ist. Also stellt sich für uns nur die Alternative entweder
diese Stiege zu
entfernen oder mit dieser auszukommen. Stellt sich nur in diesem Zusammenhang
die
Frage wie kann man Personen generell retten,
wenn auch diese Stiege nicht vorhanden
wäre.
Zusammenfassung:
•
Bei diesem Einsatz hat sich gezeigt, dass lediglich 19 Personen nicht
gehfähig zu retten
sind. Als Überlegung
für eine Übungsannahme z. B. eines Reise- oder Pendlerzuges, wo
man von mehreren hundert Personen ausgeht wird dies sicher sehr problematisch
wenn
nicht auch
unmöglich dementsprechende Rettungen vorzunehmen, da die wesentliche
Infrastruktur für solche Einsätze zur Gänze fehlt. Auch eine
Brandbekämpfung in diesem
Bereich ist nur mit erschwerten Bedingungen möglich, da keine
Löschwasserentnahmestellen
unmittelbar bei den Zufahrts- bzw. Aufstellflächen vorhanden
sind und aufgrund der
Tunnellänge auch keine dementsprechende vorgesehene
Löschleitung eingebaut wurde. Als Alternative bleibt nur eine
Tanklöschversorgung, wobei
hier ein sehr aufwendiger Pendelverkehr mit Tanklöschfahrzeugen
eingerichtet werden
müsste, was ebenfalls einen hohen Zeit- und Personalaufwand darstellt.
Weiters wurde
festgestellt, dass sogenannte
Dreikantschlüssel zur Öffnung von Zugstüren unbedingt im
RLF-T nachgerüstet werden müssen.
Fazit:
Sollte es im Bereich von
unterirdischen Verkehrsanlagen vor allem in Tunnelanlagen zu
einem dementsprechenden Unfall kommen, so ist
seitens der Einsatzkräfte ein sehr hoher
Personalaufwand (ca. 500 Mann)
erforderlich, damit verbunden ist die Verfügbarkeit von
Einsatzkräften während des
Tages sicher ein großes Problem, wobei sich die Einsatzzeiten
dementsprechend verzögern werden. Weiters wird festgestellt, dass auf
Grund von teilweise
fehlenden Infrastrukturen für einen etwaigen Einsatz eine Rettung von
Personen sowie auch
eine Brandbekämpfung und
Behebung von Unfallszenarien äußerst erschwert wird.