329/AB XXII. GP

Eingelangt am 16.06.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Justiz

Anfragebeantwortung

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen
haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Steigende Häftlingszahlen in
überquellenden Gefängnissen" gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1, 5 und 8:

Derzeit bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Zusammenhang zwischen der

2001 vorgenommenen Herabsetzung der Obergrenze für die Anwendung des Ju-
gendstrafrechts vom 19. auf das 18. Lebensjahr und den steigenden Häftlingszahlen
besteht. Ein solcher Zusammenhang könnte dann angenommen werden, wenn die
Altersgruppe der Achtzehnjährigen (für die seit 2001 nicht mehr Jugendstrafrecht,
sondern Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung kommt) überproportional für den
Anstieg der Häftlingszahlen verantwortlich wäre. Nach den vorliegenden Daten ist
der Anstieg der Häftlingszahlen aber vor allem bei Jugendlichen, also bei den Vier-
zehn- bis Siebzehnjährigen, festzustellen.

Parallel zur Herabsetzung der Obergrenze für die Anwendung des Jugendstrafrechts
vom 19. auf das 18. Lebensjahr wurden für die Achtzehn- bis Zwanzigjährigen milde-
re Strafdrohungen eingeführt und bestimmte Verfahrensbestimmungen des Jugend-
Strafverfahrens für anwendbar erklärt. Dieses „Heranwachsendenstrafrecht" gibt es
also seit nicht einmal ganz zwei Jahren. Ich sehe derzeit keinen Anlass, nach so
kurzer Zeit bereits wieder eine Reform der Reform vorzunehmen.


Zu 2:

Im Suchtmittelrecht wurden in den letzten Jahren lediglich zwei Maßnahmen ergrif-
fen, die als „Verschärfungen" angesprochen werden können: zum einen die Anhe-
bung der Strafdrohung für Drogenhändler, die in einer Verbindung einer größeren
Zahl von Menschen zur Begehung des Drogenhandels mit einer großen Menge
Suchtgift führend tätig sind, von 20 Jahren Freiheitsstrafe auf lebenslange Freiheits-
strafe; zum anderen die Herabsetzung der Grenzmenge bei Heroin von 5 Gramm
auf 3 Gramm. Vom Grundsatz „Helfen statt Strafen" wurde in keiner Weise abge-
gangen. Die beiden erwähnten punktuellen Maßnahmen mögen in wenigen Einzel-
fällen zu einer strengeren Bestrafung geführt haben. Für den Anstieg bei den Häft-
lingszahlen können sie daher höchstens zu einem ganz kleinen Teil beigetragen ha-
ben. Der weit überwiegende Anteil des Anstiegs ist auf andere Ursachen zurückzu-
führen, etwa auf Veränderungen der Kriminalität, geänderte Anzeigepraxis der Si-
cherheitsbehörden oder geänderte Haft- und Strafenpraxis der Gerichte.

Zu 3:

Im Bereich Jugendvollzug konnten durch die nun abgeschlossene Generalsanierung

der Justizanstalt für Jugendliche Gerasdorf sowie durch die Strukturmaßnahmen für
die Unterbringung Jugendlicher und Heranwachsender im Großraum Wien (Auflas-
sung der von den baulichen Gegebenheiten überalterten Justizanstalt für Jugendli-
che Wien-Erdberg; Einrichtung eines gesonderten Departements für Jugendliche
und Heranwachsende in der Justizanstalt Wien-Josefstadt mit begleitenden Schu-
lungs-, Behandlungs- und Betreuungseinrichtungen) die notwendigen Adaptierungs-
erfordernisse umgesetzt. Damit kann der Jugendvollzug an diesen Standorten zeit-
gemäßen Anforderungen entsprechend geführt werden.

Zu 4:

Als eine legislative Maßnahme habe ich im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes

2003 den Vorschlag eines Bundesgesetzes, mit dem vorübergehende Maßnahmen
im Bereich des Strafaufschubs getroffen werden, unterbreitet. Mit diesem - bis Mitte
2005 befristeten - Gesetz soll kurzfristig eine Möglichkeit geschaffen werden, den
Zugang zur Strafhaft in vertretbarem Ausmaß abflachen zu lassen, indem die Vor-
aussetzungen für einen Strafaufschub geringfügig gelockert werden bzw. der Rah-
men hiefür etwas erweitert wird. Das Gesetz wurde bereits vom Plenum des Natio-
nalrats beschlossen.


Darüber hinaus sieht das Regierungsprogramm für die laufende Gesetzgebungspe-
riode eine "Ausweitung der bedingten Entlassung unter gleichzeitiger Setzung von
Auflagen und Bedingungen" vor. Vorarbeiten für eine Neugestaltung der bedingten
Entlassung sind in meinem Ressort derzeit im Gange.

Den insgesamt steigenden Häftlingszahlen wird durch die Vollzugsverwaltung - nach
Maßgabe der zur Verfügung gestellten Ressourcen - durch kurz-, mittel- und lang-
fristige Organisationsmaßnahmen, wie etwa die Neustrukturierung der Belagsplätze
und Bauplanungen - Rechnung getragen.

Zu 6 und 7:

Ich halte die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Jugendarbeitslosigkeit und

Jugendkriminalität für durchaus plausibel. Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosig-
keit fällt zwar nicht in die Zuständigkeit meines Ressorts, gehört aber zu den Prioritä-
ten der Bundesregierung.