341/AB XXII. GP

Eingelangt am 23.06.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfragebeantwortung

 

BM für Wirtschaft und Arbeit

 

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 376/J betreffend die
Optimierung der Netzkosten in Österreich, welche die Abgeordneten Georg
Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen am 7. Mai 2003 an mich richteten, halte ich
grundsätzlich fest, dass gem. Art. 52 Abs. 1 B-VG der Nationalrat befugt ist, die
Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle
Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu
verlangen. Dieses Interpellationsrecht umfasst aber nicht zukünftig geplante oder be-
absichtigte Maßnahmen und auch nicht die Auslegung von bestehenden Bundes-
oder Landesgesetzen. Ebenso ist die Erstellung von Expertisen, Analysen von Vor-
gehensweisen etc. nicht vom Interpellationsrecht umfasst. Ungeachtet dessen
nehme ich zu den an mich gerichteten Fragen wie folgt Stellung:

Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:

In folgender Tabelle sind die Änderungen der Systemnutzungstarife, bezogen auf die
Gesamteinnahmen der Netzbetreiber und nach Netzbereichen gegliedert, für den
Zeitraum vom 30.9.2001 bis 1.10.2002 angegeben:


 

Netzbereich

 

 

Durchschnittliche Tarifsenkung

 

 

Ersparnis in
Mio. EUR/Jahr

 

Steiermark

 

-16,50%

 

42,00

 

Salzburg

 

-12,00%

 

20,50

 

Verbund - APG

 

-7,50%

 

10,00

 

Burgenland

 

-12,00%

 

8,00

 

Wien

 

-8,40%

 

31,00

 

Oberösterreich

 

-5,00%

 

16,00

 

Niederösterreich

 

-4,40%

 

12,00

 

Vorarlberg

 

-2,20%

 

1,60                          

 

Kärnten

 

-1 ,30%

 

0,30

 

Tirol

 

-3,20%

 

3,60

 

Summe

 

 

 

145,00

 

Für die verschiedenen Kundengruppen können sich dabei aufgrund der Bezugs-
charakteristiken verschiedene Auswirkungen ergeben, auch gibt es unterschiedliche
Änderungen in den jeweiligen Netzebenen. Aufgrund der Fülle der Tarife und Be-
zugscharakteristiken sind allgemeine Vergleiche jedoch sehr schwierig anzustellen.

Antwort zu Punkt 2 der Anfrage:

Entsprechend der Regelung des § 25 EIWOG werden die Netzkosten nach aner-
kannten betriebswirtschaftlichen Grundsätzen aus dem betrieblichen Rechnungs-
wesen ermittelt. Bei der Überprüfung der Netzkosten wurde auf die individuellen Ge-
gebenheiten jedes Unternehmens Rücksicht genommen ohne dabei den Gleichbe-
handlungsgrundsatz zu verletzen. So wurden handelsrechtliche, vom Abschluss-
prüfer testierte Ausgangswerte zugrundegelegt und die Finanzierungskosten einheit-
lich festgelegt. Die Festlegung der Tarifierung erfolgte ausnahmslos auf Vorschlag
der Netzbetreiber.

Zu betonen ist, dass bislang sämtliche Tarifierungsverfahren im Strom im Konsens
mit den beteiligten Unternehmen abgewickelt wurden und über alle Prüfungen


umfassende schriftliche Berichte, die mit den betroffenen Unternehmen abgestimmt
wurden vorliegen und dem Elektrizitätsbeirat vor Beschlussfassung der Energie-
Control Kommission zur Verfügung gestellt wurden.

Die Energie-Control Kommission führt in Zusammenhang mit der Festsetzung der
Systemnutzungstarife umfassende Ermittlungsverfahren durch. Diese Verfahren
gehen über die Vorschriften des § 55 EIWOG hinaus und sehen mehrere Möglich-
keiten zur Abgabe von Stellungnahmen durch die betroffenen Netzbetreiber vor.
Darüber hinaus finden im Auftrag der Energie-Control Kommission Arbeitsgruppen-
sitzungen statt, die von der Energie-Control GmbH einberufen werden und an denen
Vertreter der Netzbetreiber teilnehmen. In diesen umfangreichen Arbeitsgruppen-
sitzungen erfolgt die eingehende Erörterung sämtlicher tarifrelevanter Fragen, wie
etwa der Kostenbasis, der Tarifstruktur sowie des Regulierungsmodells. Die in
diesen Arbeitsgruppen vorgebrachten Argumente fließen in das Verfahren ein. Da-
rüber hinaus wird nicht nur der für die Festsetzung der Systemnutzungstarife zu-
ständige „kleine" Elektrizitätsbeirat vor Festsetzung der Tarife gehört, sondern auch
der „große" Elektrizitätsbeirat, dem auch von den Bundesländern zu entsendete Ver-
treter angehören, wird in mehreren Sitzungen zur neuen Festsetzung der System-
nutzungstarife gehört. Schließlich finden von der Energie-Control GmbH organisierte
Veranstaltungen statt, die die Thematik der Systemnutzungstarife beinhalten. Insge-
samt kann somit davon ausgegangen werden, dass die Festsetzung der System-
nutzungstarife unter permanenter und intensiver Einbindung der betroffenen Netzbe-
treiber sowie der Sozialpartner erfolgt.

Antwort zu Punkt 3 der Anfrage:

Vorausschicken darf ich, dass ich mir den Verpflichtungen als Aufsichtsbehörde über
die Energie-Control GmbH wohl bewusst bin. Doch ersuche ich zu bedenken, dass
den ausdrücklichen Intentionen des Gesetzgebers zufolge, schon die Energie-
Control GmbH weitestgehend als unabhängige Regulierungsbehörde konstruiert ist
und die Energie-Control Kommission überhaupt als weisungsfreie Kollegialbehörde
mit richterlichem Einschlag gemäß Art. 133 Z 4 B-VG füngiert. Vor diesem Hinter-


grund sind der Erlassung einer „Verordnung über die Grundsätze, die bei der Be-
stimmung der Systemnutzungstarife gemäß § 25 ElWOG ... anzuwenden sind"
gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 lit.c Energie-Regulierungsbehördengesetz (E-RBG), BGBl. l
Nr. 121/2000 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. l Nr. 148/2002, sehr enge
juristische Grenzen gezogen. Näheres ersuche ich der angeschlossenen Expertise
meines Hauses zu entnehmen.

Dessen ungeachtet widme ich der Frage der Gestaltung und Neuausrichtung der
Grundlagen für die Bestimmung der Systemnutzungstarife große Aufmerksamkeit.
Insbesondere habe ich veranlasst, dass im Elektrizitätsbeirat (in dem die Bundes-
länder sowie die Wirtschafts- und Sozialpartner vertreten sind) die grundsätzlichen
Fragen der Systemnutzungstarife einer breiten und ausführlichen Erörterung, welche
insbesondere alle Aspekte aus der Sicht der Elektrizitätsunternehmen und der
Stromkonsumenten umfasst, unterzogen werden.

Antwort zu Punkt 4 der Anfrage:

Grundlage ist die Verordnung der Elektrizitäts-Control GmbH, mit der die Ausgleichs-
zahlungen zwischen Netzbetreibern geregelt werden (Ausgleichszahlungsverord-
nung, AGZ-VO), kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 29. Mai 2002.
Sie ist das Regulativ für die Festlegung der Höhe der Ausgleichszahlungen und
deren organisatorische Abwicklung.

Die Netzbetreiber eines gemeinsamen Netzbereiches führen die Abwicklung der
erforderlichen Ausgleichszahlungen grundsätzlich im Einvernehmen durch. Wird
jedoch kein Einvernehmen erzielt, so wird die Höhe der Ausgleichszahlungser-
fordernisse von der Energie-Control mittels Bescheid festgestellt. Die Grundlage für
die Festlegung der Ausgleichszahlungen sind jene Kosten und Abgabemengen, die
die Basis für die Bestimmung der Systemnutzungstarife des betreffenden Netzbe-
reichs durch die Energie-Control Kommission bilden. Im Bescheid wird den ver-
pflichtenden Netzbetreibern die regelmäßige Leistung von Ausgleichszahlungen auf
ein von der Energie-Control verwaltetes Konto vorgeschrieben. Die auf diesem


Konto eingegangenen Zahlungen werden an die durch Bescheid begünstigten Netz-
betreiber weitergeleitet.

Die Tatsache, dass unter Mitwirkung der Energie-Control GmbH sämtliche Frage-
stellungen der Ausgleichszahlungen im Konsensweg gelöst werden konnte, verdeut-
licht, dass die vom Gesetzgeber vorgesehenen Rahmenbedingungen eine funktio-
nierende Basis darstellen. Als unabhängige Regulierungsbehörde ist die Energie-
Control Garant für eine objektive und dauerhafte Bewältigung dieser Problematik.

Antwort zu Punkt 5 der Anfrage:

Zum ersten Teil der Frage siehe die Antwort zu Frage 2.

Wie in jedem Verfahren vor der Energie-Control Kommission steht es den betroffe-
nen Unternehmen frei, Gutachten, die zur Klärung der Sachlage dienlich sind, der
Behörde vorzulegen. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit kann keine
Auskunft darüber geben, in welcher Form diese unabhängige und weisungsfreie
Energie-Control Kommission in etwaig vorgelegten Gutachten dargelegte Schluss-
folgerungen für ihre Entscheidung als Grundlage heranzieht.

Antwort zu Punkt 6 der Anfrage:

Derzeit ist bei Engpässen im Leitungsnetz ein „First come, first serve" Prinzip und
eine Rangfolge gemäß § 19 EIWOG anzuwenden. Für den Herbst wird eine Ver-
ordnung des Rates und des Europäischen Parlaments erwartet, die alle Angelegen-
heiten von grenzüberschreitenden Lieferungen und des Engpassmanagements bei
Grenzüberschreitung regeln soll. In dieser Verordnung sind marktorientierte Ver-
fahren vorgesehen.


Antwort zu den Punkten 7 und 8 der Anfrage:

Langfristige Entwicklung und Anreize für die Netzbetreiber, Netze auszubauen und
Engpässe zu beseitigen, sind in den Vorschlägen enthalten, welche die Energie-
Control GmbH im Auftrag der Energie-Control Kommission als Grundlage für eine
Diskussion über die Neuausrichtung der Netztarifstruktur vorgelegt hat. Insbeson-
dere soll es durch definierte Qualitäts- und Zuverlässigkeitsmerkmale möglich sein,
die Versorgungssicherheit der unterschiedlichen Netze zu evaluieren und gegebe-
nenfalls regulatorische Maßnahmen bei Bedarf einzusetzen.


Beilage (zu Punkt 3)

Gemäß § 16 E-RBG sind der Energie-Control Kommission u.a. die Bestimmung der
Systemnutzungstarife und sonstiger Tarife gemäß § 25 EIWOG als Aufgabe zuge-
wiesen.

§ 3 Abs. 3 E-RBG ermächtigt den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zur Er-
lassung von Verordnungen im Rahmen seiner Richtlinienkompetenz. § 3 Abs. 2 Z. 3
leg.cit. umschreibt als Richtlinienkompetenz des Bundesministers für Wirtschaft und
Arbeit ausschließlich grundsätzliche Vorgaben für die Tätigkeit der Energie-Control
GmbH. Nicht umfasst von der Richtlinienkompetenz sind Vorgaben für die Tätigkeit
der Energie-Control Kommission. Diese als unabhängige Behörde mit richterlichem
Einschlag konzipierte Kommission ist gemäß § 19 E-RBG weisungsfrei und unter-
liegt damit in ihrer Tätigkeit lediglich der nachprüfenden Kontrolle durch die Höchst-
gerichte.

Gemäß § 25 Abs. 4 EIWOG kann die Bestimmung dieser Tarife in der Rechtsform
einer Verordnung oder durch Bescheid erfolgen. Da Art. 18 B-VG den Gesetzgeber
zu einer ausreichenden Determinierung von Gesetzen verpflichtet, und es mit dem
Prinzip der inhaltlichen Bestimmtheit von Gesetzen unvereinbar ist, dass ein zur Er-
lassung von Verordnungen zuständiges Organ durch die Verordnung einer anderen
Behörde gebunden ist (formalgesetzliche Delegation), hätte eine über den Wortlaut
des § 3 Abs. 3 Z 1 lit. c) E-RBG hinausgehende Auslegung zur Folge, dass § 25 EI-
WOG iVm § 3 E-RBG dem Determinierungsgebot des Art. 18 B-VG widerspräche,
was die Verfassungswidrigkeit dieser gesetzlichen Bestimmungen sowie der darauf
beruhenden Rechtsakte zur Folge hätte. Da gesetzliche Bestimmungen, sofern dies
nach ihrem Wortlaut möglich ist, verfassungskonform auszulegen sind, ist davon
auszugehen, dass die im Rahmen der Richtlinienkompetenz bestehende Verord-
nungsermächtigung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit nur hinsichtlich
jener Aufgaben besteht, die der Energie- Control GmbH etwa durch § 55 EIWOG zur
Besorgung zugewiesen sind, oder die die Geschäftstätigkeit (selbständige Ermittlun-
gen oder Behandlung der eingebrachten Unterlagen) der Energie-Control GmbH
betreffen.


Eine Einschränkung des Ermessensspielraums der Energie-Control Kommission bei
der Gestaltung der Tarife gemäß § 25 EIWOG ist jedoch durch die Verordnungser-
mächtigung des § 3 Abs. 3 Z. 1 lit. c) E-RBG nicht gedeckt.