349/AB XXII. GP

Eingelangt am 23.06.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfragebeantwortung

 

BM für Verkehr, Innovation und Technologie

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 322/J-NR/2003 betreffend geschlechtsspezifische
Aufschlüsselung der Verursachung von Verkehrsunfällen, die die Abgeordneten Petrovic,
Freundinnen und Freunde am 23. April 2003 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu
beantworten:

Frage 1:

Bitte geben Sie die geschlechtsspezifisch aufgeschlüsselten Daten betreffend die Verursachung
von Verkehrsunfällen für die Jahre 2001 und 2002 an.

Antwort:

In Österreich ist keine gesonderte Statistik verfügbar, anhand derer die Verursachung von Unfällen
geschlechtsspezifisch untersucht werden könnte.

Allerdings lässt sich anhand der vom Kuratorium für Schutz und Sicherheit, Abteilung Verkehrs-
technik, erstellten Statistik folgendes feststellen:

1. Männer sind öfter in schwerwiegende Verkehrsunfälle als Frauen verwickelt.

 

Jahr

 

Anteil der Frauen bei Unfällen mit
Todesfolge

 

Anteil der Frauen am gesamten
Verkehrsaufkommen

 

2001

 

27,4%

 

33,4%

 

2002

 

27,9%

 

32,9%

 

32,9 % aller Lenkerinnen im Straßenverkehr sind Frauen. Bei Unfällen mit Todesfolge bilden
Frauen mit 27,9 % einen geringeren Anteil. Obwohl Frauen knapp ein Drittel des Verkehrsauf-
kommens ausmachen, sind sie also nur mit etwas mehr als einem Viertel an allen Unfällen mit
Todesfolge beteiligt.
Die Hauptunfallursache von Unfällen mit Todesfolge ist überhöhte Geschwindigkeit.

2. Frauen sind diszipliniertere Verkehrsteilnehmer u.a. hinsichtlich
o   Anschnallquoten
o   Alkohol am Steuer


Anschnallquoten - PKW:

Anschnallquote PKW-Lenker

 

Jahr

 

männlich

 

weiblich

 

2001

 

69,5%

 

76,4%

 

2002

 

72,1%

 

78,9%

 

Die Anschnallquote von Männern steigt kontinuierlich an. Frauen verwenden aber nach wie vor
häufiger den Gurt - dies gilt ebenso für Beifahrerinnen und Mitfahrerinnen im Fonds.

Anzahl der in Alkoholunfällen involvierten PKW-Lenkerinnen nach Geschlecht:

Jahr

 

Anteil der Frauen bei Alkoholunfällen

 

Verkehrsbeteiligung der Frauen

 

2001

 

9,6%

 

33,4%

 

2002

 

10,5%

 

32,9%

 

Während die Beteiligung der Frauen am Gesamtverkehrsgeschehen 32,9 % beträgt, ist ihr Anteil
bei Unfällen mit Alkoholeinfluss deutlich geringer (10,5%).

3. Männer sind öfter in Alleinunfälle verwickelt. Bei diesem Unfalltyp spielt Kontrollverlust
(unangepasste Geschwindigkeit) eine besondere Rolle.

Jahr

 

Anteil der Frauen

 

Anteil der Männer

 

2001

 

11,1%

 

14,3%

 

2002

 

10,5%

 

14,1%

 

10,5 Prozent aller Unfälle mit weiblicher Lenker-Beteiligung sind Alleinunfälle. Dieser Wert ist bei

Männern mit 14,1 % deutlich höher.

Alleinunfälle sind ein Indiz für Kontrollverlust und unangepasste Geschwindigkeit.

Frage 2:

Welche Aktivitäten setzen Sie, um den Genderaspekt bei der Verursachung von Verkehrsunfällen
stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken (mit dem Ziel, auch dadurch eine Verminderung von
Verkehrsunfällen zu erreichen)?

Antwort:

Abgesehen davon, dass die in das Ressort des bmvit fallenden Gesetze laufend an Verkehrs-
sicherheitsforderungen (z.B. „Drogennovelle") angepasst werden, muss hier im Besonderen die
Mehrphasenfahrausbildung erwähnt werden. Gerade die Mehrphasenfahrausbildung ist eine we-
sentliche Maßnahme zur Reduktion der durch männliche Fahranfänger verursachten Verkehrsun-
fälle. So konnten z.B. in Finnland die PKW-Unfälle, an denen männliche Fahranfänger (ab dem Alter
von 21 Jahren) beteiligt waren, im 2. Jahr nach Einführung des Mehrphasenmodells um 50% redu-
ziert werden. Im Rahmen der Mehrphasenfahrausbildung werden aber nicht nur alle Fahranfänger
sondern auch einige hundert Multiplikatoren (Fahrlehrer und Instruktoren) durch Psychologen ge-
schult: Dabei wird ein neues Bild des sicheren Autofahrers in den Mittelpunkt gerückt, wonach
nicht nur Geschicklichkeit und Fahrdynamik, sondern soziale Verantwortung, maßgebend ist.


Selbiges wird bereits seit Jahrzehnten im Rahmen der verkehrspsychologischen Nachschulung
und der verkehrspsychologischen Eignungsdiagnostik erfolgreich praktiziert.
Auch die Einführung von L 17 brachte Verbesserungen: Die Vergleiche zwischen traditionell aus-
gebildeten Kraftfahrern (SE, Standard education) und Absolventen der vorgezogenen Lenkberech-
tigung für die Klasse B (L17) anhand der Daten im Zentralen Führerscheinregister und einer Fra-
gebogenstudie des Kuratoriums für Schutz und Sicherheit mit 1849 vorliegenden beantworteten
Fragebogen zeigen deutlich, dass L17 vor allem bei männlichen Führerscheinwerbern wirkt. L17-
Ausgebildete weisen eine bessere Legalbewährung auf, sie begehen vor allem weniger Alkoholde-
likte und Geschwindigkeitsüberschreitungen, die wie oben ausgeführt vermehrt von Männern be-
gangen werden.

Auch arbeitet das bmvit seit Jahren eng mit Verkehrssicherheits-Institutionen wie dem Kuratorium
für Schutz und Sicherheit und auch Autofahrerclubs zusammen. Im Rahmen des Verkehrssicher-
heitsfond (VSF) werden zudem vielfach Projekte gefördert, die zur Erhöhung und Verbesserung
der Verkehrssicherheit beitragen sollen. So fördern zum Beispiel schulische Lehrmittel in ihrer
Darstellung bereits seit Jahren defensive Fahrweisen und setzen sich mit den Folgen der
"männlichen" Fahrweisen kritisch auseinander.

Im Rahmen von EU-Projekten wird ebenfalls dieses Ziel mehr ins öffentliche Bewusstsein - insbe-
sondere bei Entscheidungsträgern und Personen, die in der Fahrausbildung tätig sind - gerückt.

Frage 3:

Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dem Faktum, dass überwiegend Männer Unfälle im
Straßenverkehr verursachen?

Antwort:

Wie oben schon dargestellt, muss diese Aussage differenzierter getroffen werden und vor allem
auf Alleinunfälle und Unfälle mit schweren Folgen bezogen werden.

Eine Konsequenz ist aber jedenfalls, bereits in der Ausbildung (Mehrphasenführerschein) einen
eher defensiven rücksichtsvollen und den jeweiligen Fahrverhältnissen angepassten Fahrstil zu
vermitteln, wobei nicht nur das richtige Wissen und Können, sondern vor allem das richtige Wollen
im Vordergrund steht - "Bereitschaft zur Verkehrsanpassung".

Frage 4:

Wird auf die genannten geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Unfallverursachung - konkret
gesagt, auf die weitaus häufigere Unfallverursachung durch Männer - in der Politik Ihres Ressorts
in irgendeiner Weise reagiert? Wenn ja: In welcher Form?

Antwort:

Hier möchte ich ebenfalls auf die oben aufgezeigten Ausführungen verweisen.

Überdies sind die Verkehrspsychologen, die im Rahmen der neuen Mehrphasenfahrausbildung,

der Nachschulung und der verkehrspsychologischen Eignungsdiagnostik tätig sind, mehrheitlich

Frauen.

Frage 5:

Welche Aktivitäten werden seitens Ihres Ministeriums gesetzt, um den „weiblichen Fahrstil" stärker
zu propagieren, wie das vom Ministerium selbst vorgeschlagen wurde?


Antwort:

Neben dem oben Gesagten wird insbesondere bei der Mehrphasenfahrausbildung seitens der
Verkehrspsychologie vor Augen geführt, dass die absolute Mehrheit der tödlichen Fahranfängerun-
fälle dem Typ Alleinunfall zuzuordnen ist - also meist die Folge eines risikofreudigen Fahrstils. In
den Gruppendiskussionen werden die psychodynamischen Hintergründe und alternative
Strategien erarbeitet.

Fragen 6 bis 8:

Welche Aktivitäten werden seitens Ihres Ministeriums gesetzt, um Frauen stärker in Verkehrs-
sicherheitsarbeit und Fragen der Infrastruktur mit gleichem Mitspracherecht einzubinden?

Wie ist der Genderanteil bei den Mitarbeiterinnen Ihres Ressorts, die sich mit Verkehrssicherheits-
arbeit und Fragen der Verkehrsinfrastruktur beschäftigen? Wie hat sich die Genderquote bei
diesen Mitarbeiterinnen in den letzten 2 Jahren verändert?

Im Verkehrsministerium wurde vor einigen Jahren ein Frauenfachbeirat gegründet. In einer

Anfragebeantwortung dazu wurde wenig später angegeben, dass der Beirat aufgrund einer

Personaleinsparung "lahmgelegt", d.h. mit Null Personal ausgestattet ist.

Hat sich diese Situation inzwischen geändert?

Wenn ja: Wie sieht die Ressourcenausstattung des Frauenfachbeirates im Verkehrsministerium

derzeit aus? Welche Aktivitäten setzt der Frauenfachbeirat?

Werden Sie den Frauenfachbeirat mit den oben ausgeworfenen Fragen befassen bzw. haben Sie

dies schon getan?

Wenn nein: Wann gedenken Sie dem Frauenfachbeirat, der ja ansonsten Makulatur bleibt, wieder

personelle Ressourcen zuzuweisen?

Antwort:

Ich bedaure, gegenüber der in Ihrer Anfrage genannten parlamentarischen Anfragenbeantwortung
derzeit keine positive Antwort geben zu können. Die Frage der Zielsetzung der Personalein-
sparung im öffentlichen Bereich ist nach wie vor aufrecht.

Durch die aufgabenspezifische Zuordnung der Agenden der Straßenverkehrssicherheit und der
Tatsache, dass die Arbeitsplätze geschlechtsneutral definiert sind, lässt sich der Genderanteil der
Mitarbeiterinnen auf diesem Gebiet nicht eindeutig definieren. Es gibt jedoch keinen Zweifel darüber,
dass weibliche Mitarbeiter mit demselben Mitspracherecht in die Verkehrssicherheitsarbeit
eingebunden wurden und werden, wie ihre männlichen Kollegen.