358/AB XXII. GP

Eingelangt am 26.06.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfragebeantwortung

 

BM FÜR LAND- UND FORSTWIRTSCHAFT;

UMWELT UND WASSERWIRTSCHAFT

 

 

Auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Rest-Hinterseer, Kolleginnen und Kollegen
vom 29. April 2003, Nr. 344/J, betreffend Agrarverhandlungen der WTO, beehre ich mich
Folgendes mitzuteilen:

In der Ministererklärung von Doha haben die WTO-Mitglieder klar zum Ausdruck gebracht,
dass die besondere und differenzierte Behandlung der Entwicklungsländer ein integraler
Bestandteil der Landwirtschaftsverhandlungen ist. Es ist unbestritten, dass die Verbesserung
der wirtschaftlichen Situation in den Entwicklungsländern notwendig ist. Es sollte dabei aber
nicht die Argumentation der Cairnsländer verwendet werden, wonach die Abschaffung aller
landwirtschaftlicher Subventionen - sowohl Exportstützungen als auch interne Stützungen -
und der radikale Abbau der Zölle die Lösung für ein funktionierendes landwirtschaftliches
Handelssystem, insbesondere für die Entwicklungsländer wäre. Dies würde nur den großen
Agrarexporteuren nützen, nicht aber die Armut in den Entwicklungsländern vermindern.

Die Europäische Gemeinschaft als Ganzes und Österreich im Speziellen haben immer die
Position vertreten, dass die Multifunktionalität der Landwirtschaft von besonderer Bedeutung
ist und sowohl bei den Entwicklungsländern als auch den Industrieländern eine Rolle spielt.
Der Beitrag der Landwirtschaft zum Gemeinwohl muss anerkannt werden. Die zweifellos
wichtigste Aufgabe der Landwirtschaft ist es, Nahrungsmittel für die Menschen zur
Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sind aber auch andere Aspekte von Bedeutung, wie


       der Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung,

       der Umweltschutz,

       die Lebensfähigkeit des ländlichen Raums,

       die Armutsbekämpfung,

       die Lebensmittelsicherheit und das Vorsorgeprinzip,

       der Schutz der Verbraucherinteressen durch Kennzeichnung,

       der Tierschutz,

       die biologische Vielfalt,

       der Katastrophenschutz und

       die Erhaltung traditioneller Werte.

Dies muss bei den Agrarverhandlungen immer berücksichtigt werden. Ich möchte daher aus
dem Blickwinkel der Multifunktionalität auf die vorliegenden Fragen wie folgt eingehen:

Zu Frage 1:

Exporterstattungen sollen die Differenz zwischen Inlandspreis und dem Weltmarktpreis
abdecken. Das Auslaufen der Erstattungen kann aber nicht befürwortet werden, solange
nicht alle Formen des Exportwettbewerbs (z.B. Exportkredite der USA) gleich behandelt
werden. Für die europäischen Staaten würde es schwierig sein, am Weltmarkt wett-
bewerbsfähig zu bleiben und den Entwicklungsländern würde dadurch nicht geholfen.

Zu den Fragen 2 und 7:

Was den Marktzugang für Produkte aus Entwicklungsländern anlangt, darf ich darauf
hinweisen, dass die EU mit ihrer Initiative „everything but arms" bereits zollfreie Importe aus
den am wenigsten entwickelten Ländern erlaubt. Ein weitergehender Vorschlag, nämlich die
Hälfte der Importe aus Entwicklungsländern zollfrei zu stellen, ist im Modalitätenpapier der
EU enthalten und wurde von Österreich mitgetragen.

Zu Frage 3:

Eine multifunktionale Landwirtschaft erfüllt auch Aufgaben, deren Kosten nicht durch den
Marktpreis abgegolten werden. Daher ist es wichtig, und dafür hat sich Österreich auch
eingesetzt, dass das System der Blue und Green Box aufrechterhalten bleibt. Diese
Förderungsmaßnahmen sind nicht (Green Box) bzw. nur minimal (Blue Box)
handelsverzerrend und rufen auch keine Marktstörungen in den Entwicklungsländern hervor.


Zu Frage 4:

Bei Lieferungen in Entwicklungsländer ist es natürlich notwendig, dass die dortige
Landwirtschaft nicht geschädigt wird. Daher ist es besonders wichtig, dass - wie ich bereits
bei Beantwortung der Frage 1 bemerkt habe - alle Formen der Exportförderung gleich
behandelt werden. Andernfalls könnten mit Exportkrediten ermöglichte Ausfuhren zu einer
nachhaltigen Schädigung der Landwirtschaft in den Entwicklungsländern führen.

Zu Frage 5:

Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass Nahrungsmittelhilfe nur im ursprünglichen
Sinn, d.h. in Notfällen und nur als Schenkung gewährt wird und nicht dem Abbau von
Überschüssen dient.

Weiters darf ich auf die im EU-Modalitätenpapier vorgeschlagene „food security box"
hinweisen, die Folgendes beinhaltet: die Zollreduktionen für Produkte, die aus Sicht der
Ernährungssicherung sensibel sind, die Möglichkeit für landwirtschaftliche Subventionen,
insbesondere unter einer überarbeiteten de minimis Regel.

Zu Frage 6:

Um Mittel für die Subventionierung der Landwirtschaft in die Entwicklungshilfe umzuleiten,
bedarf es einer Änderung der derzeitigen rechtlichen Grundlagen. Abgesehen davon darf ich
darauf hinweisen, dass sich die EU in ihrem von allen Mitgliedstaaten mitgetragenen
Modalitätenpapier für eine nachhaltig finanzierte technische Unterstützung der
Entwicklungsländer ausspricht. Aus diesem Titel hat die EU in den Jahren 1996 - 2000
bereits 680 Mio € zur Förderung einer nachhaltigen und wirtschaftlichen Entwicklung
aufgewendet. Es ist beabsichtigt, diese Unterstützung fortzusetzen.

Zu den Fragen 8,10, 13,14 und 15:

Ich werde mich weiterhin auf allen Ebenen für eine multifunktionale, nachhaltige
Landwirtschaft einsetzen. Darunter fallen alle in diesen Fragen erwähnten Themen wie


Ernährungssicherung, ländliche Entwicklung, Konsumenteninteressen, Lebensmittel-
sicherheit und Vorsorgeprinzip, Umweltschutz und Tierschutz. Für das Prinzip der
Multifunktionalität treten alle EU-Mitgliedstaaten ein, daher wird Österreich alle Vorschläge
unterstützen, welche die eingangs erwähnten Ziele verfolgen.

Zu Frage 9:

Im Rahmen des TRIPS-Abkommens sieht Art. 15 der UPOV-Bestimmungen (Internationales
Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen), Akte 91 (beschlossen am 19. März
1991) als freigestellte Ausnahme vor, dass der Landwirt Saatgut geschützter Sorten unter
Wahrung der berechtigten Interessen der Züchter nachbauen (=Verwendung
wirtschaftseigenen Saatguts) darf. Diese Bestimmung wurde auch in das österreichische
Sortenschutzgesetz aufgenommen.

Zu Frage 11:

Die Klärung des Verhältnisses zwischen multilateralen Umweltabkommen (MEAs) und den
WTO-Bestimmungen zählt zu einer der wichtigsten Verhandlungspunkte im WTO-Komitee
für Handel und Umwelt. Österreich hat sich zusammen mit der EU stets für die
Gleichrangigkeit der Regelungen in beiden Bereichen ausgesprochen und wird auch
weiterhin an dieser Position festhalten.

Zu Frage 12:

Alle Mitgliedstaaten der WTO haben entsprechend dem TRIPs-Abkommen für die
Gewährung eines Schutzes für Pflanzenzüchtungen durch Patent oder durch ein geeignetes
Recht sui generis zu sorgen.

Nach der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den
gemeinschaftlichen Sortenschutz und dem Sortenschutzgesetz 2001, BGBl. I Nr. 109, hat
Österreich für die Gewährung des Schutzes von Pflanzenzüchtungen durch ein geeignetes
Recht sui generis Rechnung getragen.


Zu den Fragen 16 und 17:

Ich bin der Meinung, dass davon ausgegangen werden muss, dass alle EU-Mitgliedstaaten,
allen voran ihre Entscheidungsträger, die Menschenrechte respektieren. Die Befürchtung,
die WTO-Abkommen könnten dazu verwendet werden, Menschenrechtsverletzungen zu
begehen, halte ich für unbegründet, weil ein internationales Abkommen, das dies zulassen
würde, keine Chancen auf eine Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten hätte.