475/AB XXII. GP

Eingelangt am 23.07.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Verkehr, Innovation und Technologie

 

Anfragebeantwortung

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 450/J-NR/2003 betreffend laufende Kosten und
Fertigstellung des Semmering-Basis-Tunnels, die die Abgeordneten Marizzi und GenossInnen am
23. Mai 2003 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

Im Allgemeinen:

Das System Südbahn ist Teil eines "baltisch-adriatischen" Verkehrskorridors, dessen hohe
verkehrsstrategische Bedeutung sich aus seiner räumlichen Integrationswirkung und den
erwarteten nationalen und internationalen Verkehrsströmen ergibt. In Österreich nehmen die
Abschnitte Wien - Graz und Graz - Klagenfurt - Villach - Tarvis strategische Schlüsselpositionen
ein. Diese beiden Abschnitte wirken im großräumigen Korridor zusammen, dennoch kommen den
einzelnen Projekten sehr unterschiedliche Wirkungen zu:

Der Nutzen des Semmering-Basistunnels beruht im Wesentlichen auf einer ausgeprägten
Fahrzeitverkürzung von rund 30 Minuten sowie auf der Beseitigung eines technischen Engpasses
hinsichtlich des Lichtraumes, der erhaltungsintensiven engen Kurvenradien und Steigungen,
welche entscheidende Erleichterungen für den Bahnbetrieb mit sich bringen. Die kürzeren
Reisezeiten werden bedeutende Erreichbarkeitsverbesserungen vor allem für die Mur-Mürz-
Furche ergeben.

Die Koralmbahn wird nicht nur Fahrzeiten verkürzen, sondern auch - nicht zuletzt durch die
vollwertige Einbindung von Graz in das hochrangige Schienennetz - das Erreichbarkeitsgefüge im
Süden Österreichs von Grund auf verbessern. Die sich daraus ergebende Standortaufwertung
erschließt und begünstigt eine verkehrsgeografisch benachteiligte Region mit insgesamt fast einer
Million Menschen. Dieser vom Semmering-Basistunnel unabhängige Effekt wurde in einer Studie
der Technischen Universität Wien mit rund 170 Mio. € pro Jahr beziffert.

Gerade im Hinblick auf die Standortnachteile der südlichen Bundesländer hat sich die
Bundesregierung immer klar zum Ausbau der Südbahn als Gesamtsystem bekannt und dies mit


einem Realisierungszeitraum von maximal 20 Jahren im Generalverkehrsplan Österreich 2002
verankert. Mit Rücksicht auf die Tatsache, dass die Realisierung des Semmering-Basistunnels
aufgrund eines Rechtsstreites kurzfristig nicht möglich ist, musste dieses Projekt in das Paket 1b
mit einem Baubeginn zwischen 2007 und 2011, jedenfalls bis zur Klärung der Rechtslage,
zurückgereiht werden. Bei einer Bauzeit von z.B. 8 Jahren würde das eine mögliche Fertigstellung
ab etwa 2015 bedeuten.

Für die Koralmbahn ist auf Grund der Länge des Basistunnels eine deutlich längere Bauzeit,
nämlich zumindest 12-15 Jahre, zu veranschlagen. Es war daher sinnvoll, jene Mittel, die für den
Semmering-Basistunnel reserviert waren, dort aber bis auf weiteres ohnehin nicht eingesetzt
werden können, zur Koralmbahn umzuschichten. Mit diesem Finanzvolumen ist es möglich, die
Planungen abzuschließen, den Grunderwerb durchzuführen, Lückenschlüsse im Zulaufbereich zu
realisieren und Sondierungen für den Tunnel durchzuführen. Wesentlich ist die durchgehende
Verkehrswirksamkeit der Koralmbahn durch den Koralmtunnel, für den aus aktueller Sicht etwa
1,2 Mrd. € an Baukosten anfallen.

Alle in Betracht stehenden Eisenbahnstrecken sind durch Verordnungen der Bundesregierung zu
Hochleistungsstrecken erklärt worden und Bestandteil der Transeuropäischen Netze (TEN). Es
können daher auch TEN-Förderungen beansprucht werden.

Derzeit wird von der Europäisch Kommission eine „große Revision" der TEN-Leitlinien vorbereitet.
Hintergrund ist einerseits die nun definitiv festgelegte Erweiterung der EU im Jahr 2004, womit
gleichzeitig auch eine Erweiterung der TEN erfolgt, andererseits die Notwendigkeit, die knappen
TEN-Fördermittel effizient zu bündeln.

Unter diesen Vorgaben galt es auch, den Anhang III der TEN-Leitlinien, die 1994 vom
Europäischen Rat von Essen gebilligte Liste von .14 prioritären Vorhaben", insbesondere im
Hinblick auf die EU-Erweiterung weiter zu entwickeln und eine Anzahl von höchstens 20 Projekten
von überragender europäischer Bedeutung zu identifizieren. Dazu hat die Europäische
Kommission eine „Hochrangige Gruppe für das Transeuropäische Verkehrsnetz TEN-T unter der
Leitung des ehemaligen Kommissionsvizepräsidenten und Verkehrskommissars Karel van Miert
eingesetzt. Der Ergebnisbericht dieser sog. „Van Miert-Gruppe" wurde am 30. Juni 2003 von der
für Verkehrsfragen zuständigen EU-Kommissarin Loyola de Palacio vorgestellt; es wurden in Liste
1 nur 18 vorrangige Projekte benannt, die bis 2020 abzuschließen sind.

Von österreichischer Seite sind der Brenner-, der Donau- und der „baltisch-adriatische" Korridor
eingebracht worden. Unsere Einschätzung, dass diese letztgenannte Achse von größter
Bedeutung gerade für den Zusammenhalt des künftigen Europas ist, wurde zwar von Herrn van
Miert und den Vertretern der Europäischen Kommission zur Kenntnis genommen, im Hinblick auf
die der „Van Miert-Gruppe" vorgegebenen Restriktionen war aber eine Aufnahme in die Liste der
vorrangigen Vorhaben nicht möglich.

Es wurde betont, dass dieser Bericht zwar einen hohen politischen Stellenwert habe, aber keine
endgültige Festlegung darstellen wird, denn die sachliche Entscheidung über den für Ende des
Jahres 2003 geplanten Kommissionsvorschlag für die „ große Revision" der TEN-Leitlinien liegt
allein bei der Europäischen Kommission. Die definitive Entscheidung wird erst in weiterer Folge
vom Rat und vom Europäischen Parlament im Mitentscheidungsverfahren beschlossen werden
und wegen der langen Verfahrensdauer voraussichtlich nicht vor 2005 in Kraft treten.


In diesem Zusammenhang möchte ich nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass die Kriterien,
die zur Priorisierung des Südbahnausbaus auf nationaler Ebene geführt haben, vor allem die hohe
Raumwirksamkeit, auch durch die Bewertungen auf EU-Ebene nicht außer Kraft gesetzt werden.
Der GVP-Ö bleibt daher weiterhin gültig und wird umgesetzt.

Fragen 1,2 und 6:

Sind Sie für eine möglichst rasche Fertigstellung des Semmering-Basis-Tunnels?

Welche Möglichkeiten sehen Sie, einen sofortigen Baubeginn des Semmering-Basis-Tunnels
durchzusetzen?

Warum bestehen Sie nicht auf einer Aktualisierung der Prioritätensetzungen im
Generalverkehrwegesplan, um nicht zuletzt dadurch den Semmering-Basistunnel durchzusetzen?

Antwort:

Ausständig ist nach wie vor nur die naturschutzrechtliche Genehmigung gemäß NÖ
Naturschutzgesetz 2000. Da es sich dabei um eine landesgesetzliche Regelung handelt, kommt
dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie keine Zuständigkeit für eine
derartige Genehmigung und auch keine Eingriffsmöglichkeit zur Beschleunigung dieses
Verfahrens im Wege des Aufsichtsrechtes zu.

Als Voraussetzung für die Weiterführung dieses Projektes müssen die laufenden Rechtsverfahren
zugunsten des Projektes abgeschlossen sein. Zuletzt wurde seitens der HL-AG im Juli 2001
Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof gegen den negativen NO-Naturschutzbescheid
erhoben.

Deshalb wurde ein entsprechend späterer Realisierungszeitraum im GVP vorgesehen, den ich
auch beizubehalten beabsichtige.

Frage 3:

Wird der Semmering-Basis-Tunnel Teil des TEN-Projektes "Baltisch-Adriatische Achse" sein?

Antwort:

Die sogenannte "Pontebbana-Achse", insbesondere auch die Verbindung Wien - Graz, ist
jedenfalls Teil dieser hochrangigen Verkehrsachse, die hohe Bedeutung für Verkehre zwischen
dem Nordadriaraum einerseits und - über den Raum Wien hinaus - bis Tschechien, Polen und
das Baltikum andererseits aufweist. Deshalb wurde der gesamte österreichische Abschnitt
zwischen Hohenau und Tarvis in der „Van Miert-Gruppe" als vorrangiges Projekt eingebracht.

Frage 4:

Welche Investitionssummen wurden bisher bereits für Planung, Probebohrung und
Baustellenerrichtung sowie Baustellenerhaltung in das Projekt Semmering-Basis-Tunnel investiert?

Antwort:

In das Projekt Semmering-Basistunnel wurden bisher insgesamt rund 86 Mio. € investiert.


Frage 5:

Was kostet die Erhaltung der Baustelle jährlich?

Antwort:

Zur Aufrechterhaltung des Pumpbetriebes im Pilotstollen sind jährlich rund 170.000 €
aufzuwenden.