494/AB XXII. GP

Eingelangt am 24.07.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

Anfragebeantwortung

 

Auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig, Kolleginnen und Kolle-
gen vom 4. Juni 2003, Nr. 495/J, betreffend AKW Temelin - mangelndes Engagement der
Bundesregierung, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

Eingangs halte ich fest, dass sich die Bundesregierung in ihrem Arbeitsprogramm klar und
eindeutig zu einer Fortsetzung der aktiven österreichischen Nuklearpolitik bekennt. Als Um-
weltminister fühle ich mich diesem Arbeitsprogramm vollinhaltlich verpflichtet. Diesbezüglich
aber auch hinsichtlich einiger Aspekte der gegenständlichen Anfrage verweise ich auf meine
Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 467/J.

Vor diesem Hintergrund beantworte ich die Fragen wie folgt:
Zu den Fragen 1 und 2:

Da die von mir beauftragten Experten zwar einerseits die bisher erzielten Fortschritte aner-
kennen, jedoch andererseits - wie in der Anfrage festgehalten - auf noch offene Fragen
hinweisen, habe ich diese Berichte am 30. Mai 2003 im Sinne des in der „Vereinbarung von

Brüssel" vorgesehenen „Monitoring" auf politischer Ebene an den Außenminister und Vize-
premier der Tschechischen Republik mit dem Ersuchen übermittelt, dahingehend zu wirken,
dass diese Fragen einer weiteren bilateralen Behandlung zugänglich gemacht werden, wie
dies auch unsere Experten für sinnvoll erachten.

Zu den Fragen 3 bis 5:

Betreffend die Aussagen des tschechischen Industrie- und Handelsministers URBAN zur
Kernenergie in der Tschechischen Republik halte ich fest, dass diese nicht die Position der
tschechischen Regierung in ihrer Gesamtheit darstellen. Dies wurde in einer Aussendung
der tschechischen Botschaft in Wien eindeutig dargelegt. Ich musste jedoch auch feststellen,
dass sich die persönliche Ansicht des Ministers URBAN auch in dem kürzlich vom tschechi-
schen Industrie- und Handelsministerium veröffentlichten Entwurf für mögliche tschechische
Energiekonzepte niederschlägt. Dieser Entwurf wird derzeit einer innertschechischen Dis-
kussion unterzogen. Ein endgültiger Regierungsentwurf liegt daher noch nicht vor. Ich ver-
sichere Ihnen, dass Österreich seine ablehnende Haltung zum Ausbau der Kernenergie
weiter vertreten wird.

Zu den Fragen 6 bis 8 und 12 bis 14:

Die österreichische Kernenergiepolitik ist durch die Einsicht geprägt, dass die Kernenergie
nicht mit den Prinzipien und Prioritäten einer nachhaltigen und aufrechterhaltbaren Entwick-
lung in Einklang zu bringen ist. Die österreichische Kernenergiepolitik ist auch von der Über-
zeugung getragen, dass die Kernenergie keine kostengünstige und tragfähige Option zur
Bekämpfung des anthropogenen Treibhauseffekts darstellt. Die österreichische Kernener-
giepolitik steht daher unter dem Leitmotiv, eine „Schrittmacherfunktion" auf dem Weg zu
einer kernenergiefreien Energieversorgung einzunehmen.

Um dieser österreichischen Haltung Glaubwürdigkeit zu verleihen, ist Österreich gefordert,
sowohl national als auch international, nichtnukleare Energieoptionen zu fördern, welche
eine zukunftsverträgliche, umweltschonende, sozialverträgliche und kostengünstige Energie-
versorgung ermöglichen, vor allem aber alle Anstrengungen zu unternehmen bzw. zu unter-
stützen, die Energieintensität aller Wirtschaftssektoren zu senken.

In diesem Zusammenhang verweise ich insbesondere auf das Konzept der „Energiepartner-
schaften", die wesentlich dazu beitragen, jene energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen
durch Steigerung der Effizienz der Energienutzung einerseits und durch die Forcierung vor
allem erneuerbarer Energieträger andererseits zu schaffen, die den Reformstaaten Mittel- u.
Osteuropas einen Verzicht auf die Nutzung der Kernkraft ermöglichen. Auf europäischer
Ebene hat sich Österreich im Rahmen der EU- Förderprogramme PHARE und TACIS stets
für Projekte zur Steigerung der Effizienz der Energienutzung sowie zur Unterstützung erneu-
erbarer Energieträger eingesetzt und wird auch in Zukunft konsequent daran festhalten.

Betreffend die Tschechische Republik sei daran erinnert, dass die sogenannte „Null-Option"
ein von Österreich mit Nachdruck eingebrachter Bestandteil des „Melker Prozesses" war.
Grundsätzlich ist aber zu beachten, dass Entscheidungen über die nationale Energiepolitik
weitestgehend (Ausnahmen: z.B. Erdölbevorratung) der nationalen Souveränität unterliegen.
Österreich selbst hat sich die schriftliche Verankerung dieses Grundsatzes in Form einer
gemeinsamen Erklärung in seinem Beitrittsvertrag zur EU ausbedungen. Ausstiegsszenarien
können somit nur gemeinsam mit dem betroffenen Staat - dessen Regierung und dessen
Unternehmen - entwickelt werden. Eine Diskussionsbereitschaft war bislang auf tschechi-
scher Seite nicht zu erkennen. Ich darf in Erinnerung rufen, dass der damalige tschechische
Ministerpräsident im Herbst 2001 unter Verweis auf die nationale Souveränität hinsichtlich
energiepolitischer Entscheidungen eine auch vom Europäischen Parlament angeregte „Aus-
stiegskonferenz" abgelehnt hat. Unbeschadet dessen hat sich Bundeskanzler Dr. Wolfgang
SCHÜSSEL diesbezüglich am 22. Juli 2002 schriftlich an den neuen Ministerpräsidenten der
Tschechischen Republik, Vladimir SPIDLA, gewandt und dabei abermals bilaterale Gesprä-
che über Alternativen zur kommerziellen Nutzung des KKW Temelin vorgeschlagen, die al-
lerdings neuerlich abgelehnt wurden.

Vor dem Hintergrund der schon angeführten nationalen Souveränität bezüglich energie-
strategischer Entscheidungen ist auch eine positive Reaktion betreffend eine EU-weite Aus-
stiegskonferenz seitens der EK und/oder anderer EU-Mitgliedstaaten als höchst unrealistisch
einzustufen.

Angesichts dieser Situation ist es für die Bundesregierung nach wie vor vorrangig, den
Schutz der österreichischen Bevölkerung und Umwelt in höchstmöglichem Ausmaß sicher-

zustellen und anfällige negative Auswirkungen auf die österreichische Energiewirtschaft ab-
zuwenden.

Zu Frage 9:

Als Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft erlaube ich
mir mitzuteilen, dass die Aktivitäten meines Ressorts betreffend das KKW Temelin derart
zahlreich sind, dass es den Rahmen der Verwaltungsökonomie sprengen würde, diese
sämtlich aufzulisten. Beispielhaft seien nachstehende konkrete Aktivitäten hervorgehoben.
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass darüber hinaus für zahlreiche andere
Aktivitäten die Federführung bei anderen Mitgliedern der Bundesregierung liegt.

-  10./11. Sept. 2002: Zweites Treffen der Arbeitsgruppe zu Punkt 7a der „Road Map" in
Prag (Ziel: die Berechnungen von radiologischen Folgen von auslegungsüberschreiten-
den Störfällen zu vergleichen, um Grundlagen zur Notfallvorsorge zu harmonisieren).

-   12. Oktober 2002: Arbeitstreffen von BM MOLTERER mit dem tschechischen Außenmi-
nister SVOBODA in Vranov.

7./8. November 2002: Thematisches Expertentreffen zu den Punkten 1 und 2 der „Road
Map" (Hochenergetische Rohrleitungen auf der +28,8 m Bühne und Qualifikation der
Ventile) in Prag.

-  9./10. Dezember 2002: Thematisches Expertentreffen zum Punkt 5 der „Road Map"
(Qualifikation sicherheitsrelevanter Komponenten und Systeme) in Prag.

-     11. Dezember 2002: Jährliches Expertentreffen im Rahmen des bilateralen „Nuklearin-
formationsabkommens" mit der Tschechischen Republik in Prag; erste Informationen
zum Umsetzung des Anhang II der „Vereinbarung von Brüssel".

-   27./28. März 2003: Thematisches Expertentreffen zum Punkt 6 der „Road Map" (Erdbe-
bengefährdung des Standortes) in Prag.

-   28/29. April 2003: Drittes Treffen der Arbeitsgruppe zu Punkt 7a der „Road Map" in Wien
(Ziel: die Berechnungen von radiologischen Folgen von auslegungsüberschreitenden
Störfällen zu vergleichen, um Grundlagen zur Notfallvorsorge zu harmonisieren).

-   17./18. Juni 2003: Thematisches Expertentreffen zu Punkt 7b der „Road Map" (Fragen im
Zusammenhang mit schweren Unfällen) in Prag.

 

Zu den Fragen 10 und 11 und 16 bis 18:

Zunächst weise ich darauf hin, dass es sich bei diesem Thema um eine Zuständigkeit des
Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit handelt.

Ich halte jedoch fest, dass sich unbeschadet der komplexen rechtlichen Lage das Bundes-
ministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft schon seit jeher für
die Kennzeichnung von Strom im Hinblick auf seine Herkunft, für eine Wahlfreiheit des Kon-
sumenten und für die Forcierung von Ökostrom eingesetzt hat.

Durch die nun im EIWOG vorgesehene Auszeichnungspflicht werden den Konsumenten jene
Informationen zur Verfügung gestellt, die es Ihnen ermöglichen, von ihrer Wahlfreiheit in
überlegter Weise Gebrauch zu machen. Ich bin zuversichtlich, dass die Bürgerinnen und
Bürger dieses Landes als mündige Konsumenten diese Informationen in ihren persönlichen
Entscheidungen berücksichtigen werden.

Zu Frage 15:

Laut Auskunft des Völkerrechtsbüros des Bundesministeriums für auswärtige Angelegen-
heiten (BMaA) gehört das dem Gutachten zugrundeliegende Schiedsgerichtsabkommen
nicht mehr dem bilateralen Rechtsbestand an. Im Übrigen wird auf die Beantwortung dieser
Frage durch das BMaA verwiesen.

Zu Frage 19:

Wie eingangs angeführt, stellt das Regierungsprogramm unsere Leitlinie dar. Dieses nimmt
explizit Bezug auf die Entschließung E 143-NR/XXI.GP vom 10. Juli 2002. Meiner Ansicht
nach haben die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner dieser Entschließung eine hinrei-
chend präzise Formulierung gewählt, sodass sich ein Aktionsplan erübrigt.

 


Zu Frage 20:

Diesbezüglich verweise ich auf meine Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen An-
frage Nr. 467/J.