565/AB XXII. GP
Eingelangt am 14.08.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
Anfragebeantwortung
In Beantwortung der schriftlichen
parlamentarischen Anfrage Nr. 615/J betreffend die
Ankündigung der Zusammenführung von Notstandshilfe und Sozialhilfe in Regie-
rungsprogramm sowie die drohende Umsetzung dieser Absicht, welche die Abge-
ordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen am 8. Juli 2003 an mich
richteten,
stelle ich fest:
Antwort zu den Punkten 1 bis 7 der Anfrage:
Die österreichische Bundesregierung hat im
Regierungsprogramm für die XXII.
Gesetzgebungsperiode unter der Überschrift "Überführung der Notstandshilfe
in eine
"Sozialhilfe neu "" vereinbart, dass geprüft werden soll,
"die Notstandshilfe von der
Zuständigkeit des AMS in die Sozialhilfe der Länder zu verlagern".
Wesentliche
Voraussetzung dafür ist eine durch ein Sozialhilfegrundsatzgesetz oder eine
Artikel
15-a-Vereinbarung harmonisierte Regelung der gesamten "Sozialhilfe
neu".
Diese Prüfung soll mit der Zielrichtung
erfolgen, Vollbeschäftigung unter Berück-
sichtigung der wirtschaftlichen Bedürfnisse nach Flexibilität und Wahrung des
An-
spruchs auf Sicherheit und Solidarität im Zusammenhang mit einem gerechten
Zugang zum Arbeitsmarkt wiederzugewinnen.
Aus meiner Sicht zeichnen sich unter
Berücksichtigung der Ergebnisse der auf
Wunsch der Länder unter dem Vorsitz des nunmehrigen Bundesministeriums für
soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz und mit wissenschaft-
licher Begleitung durch Herrn Prof. Dr. Pfeil eingerichteten Arbeitsgruppe zur
umfassenden Analyse der Sozialhilfe folgende Eckpunkte einer Reform ab.
• Erarbeitung der Reform unter
Einbeziehung aller relevanten Akteure, insbeson-
dere der Länder, Sozialpartner und NGOs
• Sozial ausgewogene einheitliche Existenzsicherung
zur Abwehr von Armutsge-
fährdung
• Gleichbehandlung gleich gelagerter
Problemlagen (bspw. Arbeitslosigkeit mit/
ohne Leistungsanspruch nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz)
• Bereinigung von Schnittstellen
zwischen Sicherungssystemen und ihren Träger-
organisationen
• Verfahrenssicherheit, -rationalisierung und -beschleunigung
• One Desk Prinzip
Dabei ist zu berücksichtigen, dass
• erwerbsfähige, arbeitslose
Sozialhilfeempfänger im Erwerbsalter durch das AMS
beraten und vermittelt werden, wobei die Vormerkung bei den Geschäftsstellen
des AMS eine Voraussetzung des Sozialhilfebezuges darstellt und entsprechend
dem Arbeitsmarktservicegesetz und den dazu ergangenen Richtlinien den
vorgemerkten Sozialhilfeempfängern das gesamte Dienstleistungs- und Beihilfen-
angebot des AMS zur Integration in den Arbeitsmarkt zur Verfügung steht
• Personen mit Erreichen des
Regelpensionsalters einheitlich beim Pensionsver-
sicherungsträger betreut und unter Berücksichtigung des Ausgleichzulagen-
systems materiell abgesichert werden; die budgetäre Beteiligung der Länder
erfolgt über Gegenverrechnung des tatsächlichen Aufwandes
• erwerbsunfähige Personen im
Erwerbsalter rasch und einfach lokalen Zugang zur
Sozialhilfe finden.
Dabei steht eine noch bessere Betreuung
der arbeitsfähigen Erwerbsbevölkerung,
unabhängig davon, ob die einzelnen Personen nun eine Leistung aus der Arbeits-
losenversicherung oder der Sozialhilfe erhalten, im Vordergrund. Nahe liegend
be-
deutet dies, dass nach dem auch in anderen
Bereichen forcierten, kundenorientier-
ten „One-Desk-Prinzip" auch die existenzsichernden
Einkommensersatzleistungen
bei Arbeitslosigkeit von einer Stelle ausbezahlt werden. Wer zur Leistung nicht
oder
nicht mehr fähig ist oder beispielsweise durch eine familiäre Krise in
finanzielle
Notlage geraten ist, soll zunächst Anspruch auf Hilfe und Existenzsicherung
ohne
Rücksicht auf die Ursache haben. Statt wie in der BRD die Arbeitslosenhilfe auf
das
niedrigere Niveau der Sozialhilfe zu senken, wird in Österreich eine
„Sozialhilfe neu"
angestrebt, die Synergien zwischen der vom AMS gewährten Notstandshilfe und der
vom Land und den Kommunen betreuten Sozialhilfe bewirken soll.
Es ist nicht daran gedacht, das mit der
Notstandshilfe verbundene Niveau und Ver-
fahren materieller Unterstützung aufzugeben. Immerhin beträgt der
Notstandshilfe-
aufwand bspw. im Bundesland Wien nahezu das Doppelte des Sozialhilfeaufwandes
(rd. 343 Mio. € zu 179 Mio. € im Jahr 2000); dies bedeutet eine massive
Entlastung
der Länderbudgets zu Lasten der Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung und
dementsprechender Teillast bei den Lohnnebenkosten. Allerdings sind erhebliche,
auch budgetär wirksame Einsparungseffekte in der Art und Weise der Leistungser-
bringung und der Synergien in der Verfahrensabwicklung zu erwarten.
Jedenfalls soll die Sozialhilfe zu einem
effizienten Mittel gegen Armut ohne büro-
kratische „Hürdenläufe" werden.
Damit verbindet sich nicht nur die
nachhaltige Sicherung im Rahmen der sozialen
Marktwirtschaft (wirtschaftlich verantwortungsvoller Umgang mit erforderlichen
Le-
bensressourcen), sondern insbesondere auch die Schaffung der Grundlagen zur
ver-
lässlichen und berechenbaren finanziellen Sicherung des Solidarsystems. Dieser
Grundsatz bezieht sich insbesondere auch auf die Neugestaltung der Sozialhilfe
als
wirkungsvolles Instrument zur Abwendung von Verarmungsgefährdung und mate-
rieller Notlage.