597/AB XXII. GP
Eingelangt am 28.08.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für
soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz
Anfragebeantwortung
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche
parlamentarische Anfrage der
Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde (Nr. 613/J)
wie folgt:
Fragen 1 bis 16:
Mit einer Entschließung des Nationalrates, 388/A (E)
20. GP, wurde die Bundesre-
gierung ersucht, mit den Ländern Gespräche über die Weiterentwicklung der
Sozial-
hilfe aufzunehmen. Die Länder haben mit Beschluss der darauf folgenden
Landessozialreferentenkonferenz unter Maßgabe des Konsultationsmechanismus ihr
Interesse an der Weiterentwicklung bekundet und sich darüber hinaus bereit
erklärt,
dabei mitzuarbeiten. Als Grundlage dafür sollte ein Querschnittsvergleich der
Sozialstrukturen angestellt werden. Dies führte in weiterer Folge zur Vergabe
einer
rechtsvergleichenden Studie zu den Sozialhilfesystemen der Länder durch das
Sozialministerium an Univ. Prof. Dr. Walter J. Pfeil. Im Anschluss an deren
Veröffentlichung wurde die Arbeitsgruppe „Weiterentwicklung des Sozialhilferechts"
mit Vertretern aller Länder im Sozialministerium eingesetzt, die vom Verfasser
der
Studie wissenschaftlich begleitet wird.
Die Arbeitsgruppe hat sich in ihren Sitzungen mit den Bereichen
- Weiterentwicklung des Verfahrensrecht
- Weiterentwicklung des Leistungsrechts
- Weiterentwicklung der Leistungsvoraussetzungen sowie
- Weiterentwicklung des
Ersatzrechts
auseinander gesetzt.
Im Juni 2003 konnte der Landessozialreferentenkonferenz ein
Zwischenbericht
vorgelegt werden, der dieser Anfragebeantwortung angeschlossen ist. In dem
Bericht
sind die bisherigen Ergebnisse der Arbeitsgruppe zusammengefasst.
Die Landessozialreferentenkonferenz hat
den Zwischenbericht mit Beschluss vom
13. Juni 2003 zustimmend zur Kenntnis genommen und festgestellt, dass sie zu
einer raschen Umsetzung der darin enthaltenen Vorschläge im Rahmen einer
Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern bereit ist.
Dies setzt nach Ansicht der Länder voraus, dass auch der Bund in seinem
Zuständigkeitsbereich entsprechende Mindeststandards auf Basis des Konzeptes
definiert.
Die Landessozialreferentenkonferenz hat daher den
Bundesminister für soziale
Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz, den Bundesminister für
Wirtschaft und Arbeit sowie die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen
ersucht,
gemeinsam mit den Ländern im Herbst 2003 die Voraussetzungen für die
Weiterentwicklung und Harmonisierung der materiellen Existenzsicherung im
Rahmen einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zu schaffen.
Beilage:
Zwischenbericht
Weiterentwicklung des Sozialhilferechts Zwischenbericht der Arbeitsgruppe im BMSG redigiert
von a. Univ. Prof. Dr. Walter J. Pfeil |
Übersicht
I. Grundsätzliches
1. Auftrag der Arbeitsgruppe und festgelegte Vorgangsweise
2. Zusammensetzung der Arbeitsgruppe und Sitzungen
3. Zum Stellenwert des Zwischenberichtes
II. Weiterentwicklung des Verfahrensrechts
1. Prämissen und Zielsetzungen
2. Konkrete Vorschläge
III. Weiterentwicklung
des Leistungsrechts
1. Lebensunterhalt, Richtsätze: Stärkere Pauschalierung
2. Sonderzahlungen
3. Sonderbedarf
4. Wohnen
5. Hilfe bei Krankheit und Schwangerschaft
IV. Weiterentwicklung bei den Leistungsvoraussetzungen
1. Einsatz von Vermögen
2. Einsatz von Einkommen
3. Berücksichtigung von Leistungen Dritter
4. Einsatz der Arbeitskraft
5. Persönliche Voraussetzungen, insb. Staatsangehörigkeit
V. Weiterentwicklung beim Ersatz
1. Allgemeines
2. Ersatz durch (ehemalige) HilfeempfängerInnen
3. Ersatz durch Unterhaltspflichtige
4. Ersatz durch Geschenknehmer
5. Verfahren
I. Grundsätzliches
1. Auftrag der Arbeitsgruppe und festgelegte Vorgangsweise
Der
Auftrag für eine gemeinsame Weiterentwicklung des Sozialhilferechts geht auf
mehrere Beschlüsse der
Landessozialreferentenkonferenz zurück: So wurde am
14. 11. 1997, eine entsprechende Entschließung des Nationalrates
aufgreifend (vgl.
388/A [E] 20. GP), das Interesse der Länder an einer Weiterentwicklung der
Sozial-
hilfegesetzgebung
unter Maßgabe des Konsultationsmechanismus ebenso unterstri-
chen wie deren
Bereitschaft, daran mitzuarbeiten. Der damals eingeforderte Auftrag,
durch das (damalige) BMAGS einen Querschnittsvergleich erstellen zu lassen,
führte
insb. zur Vergabe der Studie „Vergleich der Sozialhilfesysteme der
österreichischen
Bundesländer", die 2001 präsentiert wurde.
Im
Rahmen der Landessozialreferentenkonferenz am 10. 12. 1999 wurde sodann
be-
schlossen, einen Arbeitskreis
unter Federführung des (damaligen) BMAGS einzu-
richten, der eine
Einigung über die Schwerpunkte einer Vereinheitlichung von Quali-
tätsstandards in der
Sozialhilfe herbeiführen sollte.
Diese Arbeitsgruppe wurde nach Vorliegen
der oa. Studie im Spätherbst 2001 vom
(nunmehrigen) BMSG einberufen. Dabei wurde Einigung über folgende Vorgangs-
weise erzielt:
> Verständigung auf Eckpunkte/ Themenbereiche
> Erörterung der Instrumentarien für Umsetzung (zB. Art 15a-Vereinbarung,
Grundsatzgesetz)
> Vorbereitung der Beschlussfassung bei
Landessozialreferentenkonferenz
> Einbindung weiterer
Organisationen (Gemeindeverband, Städtebund, NGOs
etc).
Die
in dieser Arbeitsgruppe zu bearbeitenden Themenbereiche wurden in der
Folge
der Landessozialreferentenkonferenz vorgelegt und von dieser mit Beschluss vom
19. 4. 2002 wie folgt genehmigt.
- Verfahren
- Leistungskatalog/ Richtsätze
- Einsatz bzw. Anrechnung von Einkommen/ Vermögen
- Ersatz
- Statistik (dieser Punkt wurde in
der Folge nicht weiter behandelt, weil dazu
eine andere Arbeitsgruppe eingesetzt ist).
Auch
das von der Arbeitsgruppe vorgeschlagene Ziel ihrer Arbeit wurde von der
Lan-
dessozialreferentenkonferenz am 19. 4. 2002 genehmigt. Der Auftrag der
Arbeits-
gruppe liegt somit in
der Vorbereitung einer weitestmöglichen Harmonisierung der
verschiedenen Vorschriften, welche sich insb. an folgenden Punkten orientieren
soll:
* Annäherung, aber nicht unbedingte
völlige Angleichung der landesrechtlichen
Regelungen
* Klarstellung, welche Leistungen es geben soll und
* welche Leistungen mit Rechtsanspruch ausgestattet sind
* Einheitliche Terminologie
* Leistungshöhe soll aus einem fixen und einem
variablen Teil bestehen, wobei die
Deckung des Unterkunftsbedarfes zum variablen (also länderspezifisch festzu-
setzenden) Teil zählt.
Schließlich
wurde von der Landessozialreferentenkonferenz am 19. 4. 2002 be-
schlossen, dass die Ergebnisse der Arbeitsgruppe innerhalb eines Jahres in einem
Rohbericht vorgelegt werden sollen.
Diesem Auftrag soll mit dem vorliegenden Zwischenbericht entsprochen werden.
2. Zusammensetzung der Arbeitsgruppe und Sitzungen
Die
Arbeitsgruppe steht unter der Leitung von SCh Dr. Gruber, der bei Abwesenheit
vom stv. Sektionsleiter Mag. Pallinger vertreten wird; die weiteren
Vertreterinnen
des BMSG, Frau Mag. Otter und Frau Mag. Käfer, sind auch für das Protokoll der
Sitzungen verantwortlich.
Die
wissenschaftliche Begleitung liegt bei Prof. Pfeil., der auch mit der Erstellung
und Redigierung des Zwischenberichtes betraut wurde.
In
der Arbeitsgruppe sind alle Bundesländer vertreten. An den bisherigen
Sitzungen
haben teilgenommen für...
Burgenland: Dr. Pongracz;
Kärnten: Dr. Wissiak/ teilweise vertreten durch Dr. Fresacher;
Niederösterreich: HR Dr. Gröss;
Oberösterreich: HR Dr. Huemer/ teilweise vertreten durch Dr. Roller/ OAR Wall;
Salzburg: HR Dr. Prucher und/ oder Dr. Kuchner;
Steiermark: HR Dr. Knapp/teilweise vertreten durch Dr. Url/ Dr. Feeberger;
Tirol: Mag. Mauracher/ Dr. Bidner/ Mag. Hengl/ Dr. Knapp/ Dr. Bischof;
Vorarlberg: HR Dr. Rhomberg/teilweise mit Dr. Oberhauser;
Wien: DSA Stanzl/ Mag. Eitel/ Mag. Pober/ Dr. Rosenauer/AR Wittine/ Mag.
Worell.
Bisher
fanden zwölf (meist ganztägige) Sitzungen statt, konkret am 5. 11. 2001, 31.
1.,4.4., 13.
5.,28. 6., 10. 7.,27. 9., 31. 10.,22. 11. und 13.12. 2002 sowie
30. 1.
und 15.5. 2003.
3. Zum Stellenwert des Zwischenberichtes
Der
an die Arbeitsgruppe erteilte Auftrag war in einigen Themenbereichen insofern
leicht zu erfüllen, als in diesen Fragen auf Expertinnenebene schon länger
weitge-
hend unstrittig ist, in welche Richtung eine Weiterentwicklung und
Harmonisierung
gehen müsste. Dies gilt namentlich für das Verfahrensrecht, aber auch für eine
Reihe
von Fragen bei den Leistungsvoraussetzungen und sogar im Leistungsrecht selbst.
In
anderen Fragen, insb. im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Ersatzrechtes,
bestanden zunächst gewisse Auffassungsunterschiede. Dennoch ist es auch hier
ge-
lungen, zu gemeinsamen Vorschlägen zu kommen, bei denen es sich nicht
bloß
um „kleinste gemeinsame Nenner" handelt, sondern durchwegs um qualitative
Lö-
sungen, die in allen Ländern ohne substantielle Abstriche umsetzbar erscheinen.
Die
zu all diesen Punkten erarbeiteten Vorschläge wurden zwar nicht formell
abge-
stimmt. Die im vorliegenden Zwischenbericht in der folgenden Weise ...
• aufgelisteten und durch größere Schrift
hervorgehobenen Empfehlungen
beruhen jedoch auf dem Grundkonsens aller Teilnehmerinnen der
Arbeitsgruppe.
Die
zur Erläuterung und argumentativen Untermauerung dieser Empfehlungen auf-
genommenen Zwischentexte
versuchen die wesentlichen Elemente der entspre-
chenden Diskussionen
zusammenzufassen und sind
zur besseren Unterscheidbarkeit in
kleinerer Schrift gehalten, wobei die Verantwortung für
die konkreten Formulierungen beim wissenschaftlichen Begleiter der
Arbeitsgruppe liegt.
In
einigen Punkten war ein solcher Grundkonsens nicht erzielbar. Das lag vor allem
daran, dass sich die jeweiligen Vertreterinnen in diesen Fragen außer Stande
sahen,
eine Zustimmung ohne (insb. politische) Rückkoppelung bzw. ohne vertiefende Be-
rechnungen oder Verhandlungen abzugeben. Die in diesen Fragen bestehenden Op-
tionen und Entwicklungsmöglichkeiten wurden dennoch andiskutiert und
werden
in diesem Zwischenbericht...
als
dunkel unterlegte Passagen kenntlich gemacht, wobei der wissenschaftliche
Begleiter
der Arbeitsgruppe nicht nur für die konkreten Formulierungen, sondern
auch für die unter-
breiteten Vorschläge verantwortlich zeichnet.
Alle
Teilnehmerinnen der Arbeitsgruppe waren sich freilich bewusst, und dieser Um-
stand sollte auch für die politisch Verantwortlichen außer Streit stehen, dass die
Wei-
terentwicklung
der Sozialhilfe
zu einem Instrumentarium, das eine Vermeidung
und nachhaltige Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung wirklich zu ge-
währleisten vermag,
insgesamt nicht ohne höhere Aufwendungen erzielbar ist,
selbst wenn einzelne der vorgelegten Vorschläge zu Einsparungen führen würden.
Der
Auftrag der Arbeitsgruppe ist daher letztlich nur erfüllbar, wenn
der Vermeidung und nachhaltigen Bekämpfung
von Armut und sozia-
ler Ausgrenzung auf Landes- wie auf Bundesebene entsprechende
politische Priorität beigemessen wird.
II. Weiterentwicklung des Verfahrensrechts
(Diese Vorschläge wurden - mit Ausnahme des dunkel
unterlegten Teils - von der
Landessozialreferentenkonferenz bereits mit Beschluss vom 19. 4. 2002 gebilligt)
1. Prämissen und Zielsetzungen
Die
völlige Inadäquanz des „allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts" (AVG) für
die Be-
dürfnisse in der
Sozialhilfe und die auf diese angewiesenen Personen wird schon seit lan-
gem bemängelt. Obwohl
auf Auftrag der Landessozialreferentenkonferenz bereits 1994 ein
entsprechender „Musterentwurf" für eine Neuregelung vorgelegt wurde, haben
bisher nur we-
nige Länder von der
Möglichkeit Gebrauch gemacht, entsprechende Sonderregelungen zu
schaffen.
Die
zentrale Forderung für eine nachhaltige Weiterentwicklung des
sozialhilferechtlichen
Verfahrens und des Zugangs zum Recht besteht daher in einer Adaptierung des ...
-> AVG mit adäquaten Sonderregelungen ...
-> zur Gewährleistung rascher, nachhaltiger und effektiver Hilfe ...
-> mit hoher Rechtssicherheit und Transparenz ...
-> bei möglichst geringem Aufwand.
2. Konkrete Vorschläge
Gesetzestechnisch wären diese Ziele zunächst durch Etablierung eines ...
• eigenen Abschnitts „Verfahrensrecht" in den Sozialhilfegesetzen ...
•
unter Klarstellung der Anwendbarkeit des AVG mit dem Vorbehalt
„soweit
dieses Gesetz nichts anderes bestimmt" sowie ...
• Aufnahme adäquater Sonderregelungen
zu
erreichen. An der grundsätzlichen Behördenzuständigkeit sollte sich
hingegen nichts
ändern. Danach wären also ...
• in erster Instanz die
örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden
und
in zweiter Instanz
die jeweiligen Landesregierungen sachlich zuständig;
....
• nur im Ersatzrecht sollte die Entscheidung
weitgehend den Gerichten
übertragen werden (s. unten V.5.).
Die
wichtigsten verfahrensrechtlichen Vorkehrungen zur unmittelbaren Verbesserung
des
Zugangs zum Recht in der Sozialhilfe bestehen in der...
• Ermöglichung der Antragseinbringung bei
allen Stellen, ohne dass da-
raus Nachteile für
Hilfe Suchende resultieren, sowie der...
• Klarstellung/ Erweiterung der Antragsberechtigung bzw.
Vertretungsbe-
fugnis; insb. für Haushalts-/ Familienangehörige der Hilfe
Suchenden; evt.
auch (in
eingeschränktem Umfang) für Einrichtungen.
Perspektivisch wäre überdies die Einrichtung von
niederschwelligen und dezentralen
Anlauf- und Beratungsstellen zu überlegen, die möglichst mit
anderen Sozialleistungsträ-
gern vernetzt sein sollten („Sozialzentren").
Für
die Entwicklung solcher (zumindest Vorstufen für) one-desk-Formen
sollten möglichst
rasch Pilotprojekte in Kooperation mit anderen Trägern eingerichtet
werden.
Im
Hinblick auf das Ermittlungsverfahren müsste das AVG jedenfalls um eine
ausdrück-
liche ...
• Informations- und
Anleitungspflicht (wie sie bereits im Bgld-, NÖ- und
OÖSHG vorgesehen ist)
ergänzt werden. Gerade, aber nicht nur in diesem Zusammenhang sind Regelungen der...
• (Vorkehrungen für) fachliche Qualifikation der MitarbeiterInnen ...
und natürlich auch deren unverzügliche Umsetzung unabdingbar.
• Die ausdrückliche Verankerung einer Mitwirkungspflicht
(mit entspre-
chender Sanktionsmöglichkeit nach Belehrung) sowie einer Anleitungs-
pflicht (wie sie ebenfalls bereits im Bgld-, NÖ- und OÖSHG vorgesehen
sind)...
würde wesentlich zur Transparenz und Verfahrensökonomie beitragen.
Bei der Entscheidung über Anträge auf Sozialhilfe ist dafür Vorsorge zu treffen, dass ...
•
eine Aussetzung des Verfahrens bei Vorfragen nur in besonderen Aus-
nahmefällen in Betracht kommt, sowie ...
• eine Bindung der SH-Behörde auch an gerichtliche
Vergleiche (insb. Un-
terhalt)
besteht. Besonders vordringlich ist freilich die ausdrückliche Verankerung einer...
• Verpflichtung der Behörde zur Soforthilfe durch
Mandatsbescheid, sowie
der...
• grundsätzlichen Pflicht, Bescheide nur schriftlich zu erlassen, wobei...
• keine Bescheidpflicht in (allenfalls noch näher zu
definierenden) Baga-
tellfällen und bei der Anpassung von Dauerleistungen bestehen soll, au-
ßer die Hilfe suchende Person verlangt
dies binnen angemessener Frist.
Weiters muss es zu einer...
•
Verkürzung der Entscheidungspflicht kommen, die im Hinblick auf
regel-
mäßige (Geld-)Leistungen längstens drei Monate betragen darf, sowie
sind ...
•
ausdrückliche Regelungen über die Einstellung, Neubemessung der
Hil-
fe zu treffen.
Im Rechtsmittelverfahren ist vor allem ...
• die Berufungsfrist auf sechs Wochen zu verlängern,
• die Möglichkeit eines Berufungsverzichtes auszuschließen, und ebenso....
• die aufschiebende Wirkung von Berufungen in
Leistungsangelegenheiten
auszuschließen, sowie ...
• die Mitwirkungspflicht (samt Sanktionen) auch im
Berufungsverfahren
ausdrücklich zu verankern.
Weitere
im Zuge einer Weiterentwicklung des Verfahrensrechtes zu berücksichtigende we-
sentliche Punkte wären die in allen Ländern erforderliche ausdrückliche
Verankerung ...
• eines (Ver-)Pfändungsverbotes für Sozialhilfeleistungen sowie
• eines Übertragungsverbotes, das aber Ausnahmen
zulässt, wie sie der-
zeit im OÖSHG
vorgesehen sind,
und schließlich die ...
• Reduzierung der Strafbestimmungen
und die Vereinheitlichung des
Strafausmaßes, wobei
Verwaltungsstrafen
* nur mehr bei Vorsatz,
* nicht auch bei Versuch,
*
und nicht kumulierend mit einer gerichtlichen Verurteilung
vorgesehen sein sollten.
III. Weiterentwicklung des Leistungsrechts
1. Lebensunterhalt, Richtsätze: Stärkere Pauschalierung
Die
große konzeptionelle und ursprünglich auch faktische Stärke der Sozialhilfe,
das Indivi-
dualitäts- oder noch deutlicher: Bedarfsdeckungsprinzip, ist im Laufe
der Zeit zunehmend
ausgehöhlt und in der Praxis weitgehend vom Subsidiaritätsprinzip verdrängt
worden. Dies
gilt vor allem für die (laufenden) Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes. Ein zen-
traler Ansatz, um die Sozialhilfe in diesem Bereich (wieder) zu einem
effektiven und effizien-
ten Instrument der Bekämpfung und Vermeidung von Armut und sozialer Ausgrenzung
zu
machen, wäre die Ergänzung der Individualität um ein Mindestsicherungsprinzip
in Form ei-
ner stärkeren Pauschalierung bei den (insb. laufenden) Geldleistungen.
Damit würde auch
das Prinzip der „Hilfe zur Selbsthilfe" aufgewertet sowie die Transparenz
und Rechtssicher-
heit für die Betroffenen erhöht. Zudem käme es zu wohl beträchtlichen Verwaltungsverein-
fachungen.
• Im Rahmen des Lebensunterhaltes soll es daher in
Hinkunft nur mehr ei-
nen pauschalierten Betrag im Sinne eines Mindeststandards geben,
der
grundsätzlich alle Bedarfe abdeckt, außer jenen für Unterkunft
und einige
- näher zu definierende - anlassbezogene Bedarfe (Sonderbedarfe, dazu
unten lII.3.).
Diese Mindeststandards müssten daher in
der Mehrzahl der Länder deutlich über den bis-
herigen Richtsätzen liegen und wären unter Berücksichtigung der für den
Wohnbedarf vor-
zusehenden Leistungen (s. unten III.4.) festzusetzen.
Obwohl
eine Vereinheitlichung nach oben aus sozialpolitischer Sicht
wünschenswert und
aus armutspolitischer Sicht unbedingt indiziert wäre, müssen hier doch die
unterschiedlichen,
aber durchwegs nur schmalen Möglichkeiten in budgetärer und politischer
Hinsicht realis-
tisch eingeschätzt werden: Zwar könnten durch Festlegung einer Bandbreite der
Höhe der
zukünftigen Mindeststandards, die in mehreren Etappen sukzessive
verringert werden
könnte, die Spielräume für eine Angleichung nach oben wesentlich erhöht werden.
Ohne
korrespondierende Maßnahmen auf Bundesebene (insb. durch stärkere
Berücksichtigung
des Wohnaufwandes im Rahmen der Ausgleichszulagenrichtsätze oder Etablierung
von Min-
deststandards in der Arbeitslosenversicherung), die ausschließen, dass
Verbesserungen in
der Sozialhilfe zu einer deutlichen Lastenverschiebung in Richtung Länder und
Gemeinden
führen, scheint diese Form einer Weiterentwicklung der Sozialhilfe freilich
kaum vorstellbar.
In jedem Fall soll es an Stelle der Differenzierung
zwischen Allein-, Haupt- und Mitunterstütz-
ten und der zum Teil unzureichenden Erfassung von Lebens- oder
Wohngemeinschaften ...
•
je einen „Mindeststandard" für Alleinstehende und für
Personen in Haus-
haltsgemeinschaften geben,
wobei
es als Vorstufe zu einer Annäherung der Höhe dieser Leistungen (s. oben) zumindest
einheitliche Äquivalenzrelationen (danach könnte der Mindeststandard für
eine Person in
Haushaltsgemeinschaft etwa bei 75% des Mindeststandards für Alleinstehende,
vgl. die ge-
nau auf diesen Wert -
in Anlehnung an die Standardisierungen im „Europäischen Haushalts-
pane!"
abstellende jüngste Anhebung der Ausgleichszulagenrichtsätze durch das SVÄG,
BGBI l 2003/8) geben sollte.
• Dazu kommt ein Mindeststandard für Kinder, der
(als Orientierungshilfe)
bei 30% des Betrages für Alleinstehende liegen soll, wobei die
Familienbei-
hilfe wie bisher nicht angerechnet wird (s. unten lV.2.).
Zur Sicherstellung einer wirklichen Bedarfsdeckung darf eine...
• Unterschreitung dieses Mindeststandards nur mehr bei einer
Anrechnung
eigener Mittel und als Sanktion bei Arbeitsunwilligkeit...
in
Betracht kommen. In allen anderen Fällen, insb. bei „Verschwendung" könnte
mit einem
ausnahmsweise Ausweichen auf Sachleistungen bzw. der Auszahlung in Raten und/
oder di-
rekt an die
Unterhaltsberechtigten das Auslangen gefunden werden.
Diese
pauschalierten Mindeststandards sollten auch nicht durch (wiederholt gewährte)
Aus-
hilfen
„unterlaufen" werden. Vielmehr sollten ...
• ab einer Hilfsbedürftigkeit von voraussichtlich
mindestens drei Monaten
(wiederkehrende) Dauerleistungen zuerkannt werden, während bei einer
bloß vorübergehenden Notlage (= bis drei Monate) auch vorerst einmalige
Leistungen oder nur befristeten Zuerkennungen möglich sein sollen.
2. Sonderzahlungen
Sonderzahlungen
sind ein fixer Bestandteil der österreichischen Gehaltsstrukturen und
fin-
den sich daher auch
bei Sozialleistungen, insb. in der Pensionsversicherung. Aus sozialhilfe-
rechtlicher Sicht sind sie daher als Beitrag zur „Normalisierung" sowie
als Betonung des
„Hilfe zur Selbsthilfe"-Prinzips und damit als wesentliche Ergänzung der
verstärkten Pau-
schalierung bei den
„Mindeststandards" zu sehen, wobei aber die bisher teilweise vorgese-
henen
Zweckbindungen entfallen müssten.
• Daher sollten zwei jährliche Sonderzahlungen
beibehalten werden, aber
nur bei Dauerleistungen (im obigen Sinn, dh. ab dreimonatigem
Bezug)
gebühren.
Diese
pauschalierten Mindeststandards sollten auch nicht durch (wiederholt gewährte)
Aus-
hilfen „unterlaufen" werden. Vielmehr sollte ...
3. Sonderbedarf
In
besonderen Einzelfällen sollte das Individualitätsprinzip dennoch erhalten
bleiben und
Überschreitungen der jeweiligen Mindeststandards vorgesehen sein.
• Bei individuellen Sonderbedarfen sollen daher Leistungen
über den Min-
deststandard hinaus gewährt werden können, wobei dies für bestimmte
Personengruppen/ Bedarfsbereiche auch in Form von pauschalierten Zu-
schlägen möglich sein soll.
• Ein Rechtsanspruch sollte dabei jedenfalls bei
wiederkehrenden krank-
heits- und pflegebedingten Mehraufwändungen (zB. Diätkost) vorgese-
hen sein.
• Andere Sonderbedarfe sollten als „Hilfe in besonderen
Lebenslagen" (dh.
grundsätzlich ohne Rechtsanspruch) abgedeckt werden.
4. Wohnen
Der
Bedarf an Unterkunft ist der wichtigste Sonderbedarf, der zusätzlich zum
Mindeststan-
dard im obigen Sinn und zwar in Form von Rechtsansprüchen abzudecken
ist. Wegen der
hier nicht zu überwindenden regionalen Unterschiede sollte dieser
Bereich gesondert gere-
gelt werden. Eine Harmonisierung in den Grundstrukturen und Kriterien für die
Bemessung
dieser Leistungen scheint dennoch sinnvoll und auch möglich.
• Die Deckung des Wohnbedarfes soll durch ein vom
Mindeststandard gänz-
lich entkoppeltes „Wohngeld" mit
Rechtsanspruch erfolgen.
• Damit sollen auch die Betriebskosten gedeckt
werden, der Aufwand für
Strom und Heizung soll dagegen bereits vom Mindeststandard
erfasst
sein.
• Die Festlegung der Höhe des „Wohngeldes" soll unter
Berücksichtigung der
regionalen Unterschiede erfolgen, wobei es Obergrenzen geben soll
(zB,
durch Festlegung einer angemessenen Miete pro m2).
• Für die Ermittlung einer derartigen
„angemessenen Miete" sollen aber ein-
heitliche
Kriterien zugrundegelegt
werden, insb. durch Festlegung einer
zumutbaren Wohnfläche je nach Familien- bzw Haushaltsgröße.
Die
Höhe eines solchen „Wohngeldes" kann nur mit Blick auf das Niveau
der Mindeststan-
dards (s. oben III.1.) diskutiert werden. Angesichts der unterschiedlichen
Systeme in den
einzelnen Ländern (hohe Richtsätze und de facto geringe Zusatzleistungen für
Wohnen auf
der einen, niedrige Richtsätze und Übernahme fast des gesamten Wohnaufwandes
auf der
anderen Seite, mitunter aber auch niedrige Richtsätze und bescheidene
Zusatzleistungen)
kann die politische Umsetzung eines „Wohngeldes" in einer bedarfsdeckenden
Höhe nur ab-
gestimmt mit der Weiterentwicklung von den Richtsätzen zu echten
Mindeststandards erfol-
gen.
Wie
dort gilt auch für Erhöhungen durch ein solches „Wohngeld", dass es korrespondieren-
der Maßnahmen im Bundesrecht bedarf. So könnte etwa ein
„Wohnzuschlag" für Aus-
gleichszulagenbezieherlnnen mit nachgewiesenem hohen Wohnaufwand eine bessere
Be-
darfsdeckung auch für diese Personengruppe ermöglichen und gleichzeitig einen
Einstieg in
die bereits oben III. 1. als erforderlich angeführte nachhaltige
Anhebung der Mindeststan-
dards auf Bundesebene bewirken.
Für
die Finanzierung eines „Wohngeldes" müssten auch das Instrumentarium und
die Mittel
aus der Wohnbauförderung nutzbar gemacht werden. Deren bundesweite
Öffnung für alle
Wohnformen gerade für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen wäre
sicher ein ers-
ter Schritt dafür.
5. Hilfe bei Krankheit und Schwangerschaft
Die
gesonderte Erfassung von Personen ohne (hinreichenden) Schutz der
Krankenversiche-
rung (als Versicherte oder als Angehörige) in der Sozialhilfe ist wenig effizient
und verwal-
tungsaufwändig. Eine umfassende Lösung dieses Problems kann freilich nur im Zusammen-
spiel mit Änderungen im Bundesrecht erfolgen.
• Vor allem sollten Sozialhilfeempfängerinnen ohne
Krankenversicherungs-
schutz in das Krankenversicherungssystem
integriert werden, wobei der
Bund die Einbeziehung vornehmen soll, die Länder aber einen
pauschalen
Beitrag leisten könnten.
Wie
Beispiele in anderen Bereichen zeigen (vgl. die Erfassung von Kriegsopfern oder
die
Einbeziehung von Asylwerberinnen in der Krankenversicherung), wäre dieser Weg
wesent-
lich zweckmäßiger als die bisher
bestehenden Möglichkeiten einschließlich der aufwändigen,
vergleichsweise teuren und zudem erst nach einer Wartezeit wirksamen
Selbstversicherung,
die (teilweise) von der Sozialhilfe finanziert wird.
Da
auch im Fall einer Einbeziehung in die Krankenversicherung nicht alle Bedarfe
gedeckt
sein würden, bedarf es zusätzlicher Vorkehrungen, insb. müssten ...
•
Sozialhilfebezieherlnnen hinsichtlich von Begünstigungen wie etwa
einer
Rezeptgebührenbefreiung den Empfängerinnen einer Ausgleichszulage
gleichgestellt werden, sowie
• für die Tragung der Kosten, die von den
Krankenversicherungsträgern nicht
(zur Gänze) übernommen werden (zB.
Selbstkosten für bestimmte Behand-
lungen, Heilbehelfe etc.) und dadurch den Betroffenen entstehen, von den
Ländern (zumindest im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung) Vorsorge
getroffen werden.
IV. Weiterentwicklung bei den
Leistungsvoraussetzungen
1. Einsatz von Vermögen
Auch
in einem weiterentwickelten Sozialhilferecht wird der Einsatz eigener Mittel
vor oder zur
Inanspruchnahme von Leistungen unverzichtbar sein. Im Rahmen der
Regelungen über
den Einsatz von Vermögen sollte es aber in allen Ländern einheitliche
Standards und ent-
sprechende Klarstellungen geben.
• Gegenstände zur Erwerbsausübung
und zur Deckung geistig-kultureller
Bedürfnisse sind nicht
als verwertbar anzusehen.
• Im Hinblick auf Bar- und Sachwerte sollten jedenfalls
bei der Hilfe in (teil)-
stationären Einrichtungen zur Sicherung etwa der Begräbniskosten Frei-
grenzen vorgesehen sein.
• Ein Auto ist dagegen grundsätzlich zu verwerten, es sei
denn, es wird be-
rufs- oder behinderungsbedingt sowie in ländlichen Gebieten mangels ent-
sprechender Infrastruktur benötigt. Jedes weitere Auto stellt einen Luxus-
gegenstand dar und ist zu verwerten.
• Auch bei Vorhandensein von mehreren Wohnungen
und soweit der ange-
messene Eigenbedarf gedeckt ist, soll eine Verwertung erfolgen. Im Übri-
gen kommt es bei Eigenheimen zu einer Sicherstellung im Grundbuch.
• Schmerzengeld und Erträgnisse daraus zählen nicht zum
zu verwerten-
den Vermögen.
2. Einsatz von Einkommen
Der
Einsatz von eigenem Einkommen wird in einem weiterentwickelten Sozialhilferecht
sogar
erhöhte Bedeutung erlangen, da im Zuge der stärkeren Pauschalierung der
Leistungen
auch die Ausnahmekataloge der nicht zu berücksichtigenden Einkommen gestrafft
und
vereinheitlicht werden sollen.
Überdies sollten die bestehenden Differenzierungen beibehalten
werden, nach denen insb.
das Pflegegeld oder die Familienbeihilfe zwar grundsätzlich nicht als Einkommen
angesehen
werden, bei Inanspruchnahme von pflegerischen Leistungen (Pflegegeld) bzw
stationären
Leistungen (auch die Familienbeihilfe) aber sehr wohl zu berücksichtigen sind.
Demnach sollten in Hinkunft...
• das Kinderbetreuungsgeld sowie aus einem Übergabevertrag fließende
Leistungen als Einkommen angerechnet werden, wobei auch der Bund
Überlegungen in ebendiese Richtung in Bezug auf das Ausgleichszulagen-
recht anstellen sollte;
• die Familienbeihilfe beim Einsatz des Einkommens nicht berücksichtigt
werden. Vielmehr soll es auch in Hinkunft einen eigenen Mindeststandard
für Kindergeben;
• auch Familienförderungen für einkommensschwache
Familien nicht als
Einkommen bewertet werden.
3. Berücksichtigung von Leistungen Dritter
Auf
die Anrechnung faktischer Leistungen kann auch in einer
weiterentwickelten Sozialhilfe
ebenfalls nicht verzichtet werden. Allerdings sollten ...
• die
Ausnahmen bei der Anrechnung von Leistungen Dritter vereinheitlicht
werden (insb. Zuwendungen der freien Wohlfahrt, andere freiwillige Leis-
tungen).
Die
praktisch größten Probleme liegen aber wohl in einer fairen und möglichst wenig
aufwän-
digen ...
• Erfassung von Haushalts- oder Lebensgemeinschaften,
die bereits im
System der
Mindeststandards erfolgen sollte (s. oben ///. 1.).
Darüber
hinaus bedarf es einer Klarstellung, wie mit nicht realisierten Ansprüchen
Hilfe Su-
chender gegen Dritte umgegangen werden soll. Daher sollte in Hinkunft...
• eine Rechtsverfolgungspflicht ähnlich wie im
OÖSHG ausdrücklich ver-
ankert
werden.
4. Einsatz der Arbeitskraft
Grundsätzlich
wird auch in einer weiterentwickelten Sozialhilfe der Einsatz der eigenen Ar-
beitskraft verlangt werden müssen. Hier sollten aber zunächst Doppelgeleisigkeiten
und
Widersprüche im Verhältnis zur primär
zuständigen Arbeitslosenversicherung abge-
baut werden. Das bedeutet konkret insb., dass ...
• sich weiterentwickelte und harmonisierte
Sozialhilfebestimmungen bei der
Definition der Zumutbarkeitskriterien hinsichtlich der Begriffe „Erwerbs-
unfähigkeit" und „angemessene" Entlohnung sowie des Berufschutzes
am AIVG orientieren sollten; und
• die Ausnahme vom Einsatz der Arbeitskraft
„Pensionsalter" mit dem Regel-
pensionsalter (derzeit 65/60) klargestellt werden sollte.
Auf
der anderen Seite sind in der Sozialhilfe auf Grund ihrer besonderen Funktion
zum Teil
großzügigere Regelungen als in der Arbeitslosenversicherung erforderlich,
so insb. ...
•
im Hinblick auf die Ausnahme von der Pflicht zum Einsatz der
Arbeitskraft
bei „Erwerbsausbildung", die grundsätzlich mit dem 18. Lebensjahr
bzw.
mit dem Abschluss einer ersten Erwerbsausbildung, die vor dem 18. Le-
bensjahr begonnen wurde, begrenzt werden sollte, wobei ein Studium kei-
ne geschützte Erwerbsausbildung im Rahmen der Sozialhilfe darstellen
kann;
• hinsichtlich der Berücksichtigung der familiären
Situation beim Einsatz der
Arbeitskraft, wo sich weiterentwickelte Sozialhilfebestimmungen an die jet-
zigen Regelungen zur (Un-)Zumutbarkeit des Einsatzes der Arbeitskraft bei
Kinderbetreuungspflichten im OÖSHG anlehnen sollten;
•
im Hinblick auf die Unzumutbarkeit des Einsatzes der eigenen
Arbeits-
kraft, wenn die Pflege eines Angehörigen eine bestimmte Intensität er-
reicht, was jedenfalls durch die Inanspruchnahme der begünstigten Weiter-
versicherung (§ 76 ASVG) oder durch Vorliegen der Pflegegeldstufe 3 indi-
ziert wäre;
•
hinsichtlich der Sanktion bei Arbeitsunwilligkeit, die nur zu einer
stufenwei-
se Kürzung der Sozialhilfe und höchstens ausnahmsweise bis zu einem
völligen Entfall der Leistung führen darf. Die erforderliche Versorgung der
Angehörigen ist dabei auf jeden Fall (und zwar nach Möglichkeit auch im
AIVG) sicherzustellen.
Auch
sonst müssten Harmonisierungen mit der Arbeitslosenversicherung durch Anpassun-
gen im AIVG erfolgen. Insb. sollte ...
• auch
in der Arbeitslosenversicherung bei der Zumutbarkeit die familiäre Si-
tuation verstärkt berücksichtigt werden, indem auf Kinderbetreuung und
die Pflege von Angehörigen mehr als bisher Bedacht genommen wird.
* Perspektivisch sollte eine Mindestsicherung für
Bezieherinnen von Ar-
beitslosengeld und Notstandshilfe (vor allem die bisherigen „Aufstocker")
angestrebt werden.
Damit
könnte bereits ein wesentlicher Abbau der vielfach bestehenden und
unnötigen Auf-
wand für die Arbeitslosen wie für die jeweilige Administration verursachenden Doppelzu-
ständigkeiten zwischen AMS-Geschäftsstellen und Sozialämtern erreicht
werden.
Die
zum Teil schon bestehenden Kooperationsformen zwischen AMS und
Sozialhilfebehör-
den sollten dennoch ausgebaut und durch Pilotprojekte ergänzt
werden.
Auf Sicht sollte aber eine einheitliche Erfassung
möglichst aller arbeitsfähigen Arbeitslo-
sen bei einer
Stelle angestrebt
werden. Aus vielen Gründen ist dafür das AMS besser ge-
eignet als die Sozialhilfe.
*
Zunächst ist zu betonen, dass die Sozialhilfebehörden für die notwendigen Betreuungs-,
Vermittlungs- und Qualifizierungsaufgaben strukturell und von ihrer
fachlichen und per-
sonellen Ausrichtung nicht geeignet sind, und daher eine nachhaltige
Überwindung der Not-
lage Arbeitslosigkeit in geringerem Ausmaß bzw. weniger rasch zu erwarten ist,
*
Daneben würde diese Verschiebung eine deutliche Verschlechterung der
Rechtspositi-
on von Notstandshilfebezieherlnnen bewirken, die derzeit weder ihr Vermögen
einsetzen
noch mit Kostenersatzpflichten (zumal solchen für ihre Eltern oder Kinder)
rechnen müssen,
aber andererseits Ansprüche in der Krankenversicherung sowie auf die
Anerkennung von Er-
satzzeiten in der Pensionsversicherung haben.
*
In vielen Fällen würde es zudem zu einer erheblichen Reduzierung der
Leistungshöhe
für die Anspruchsberechtigten kommen, wobei weibliche Arbeitslose
ganz besonders betrof-
fen sein würden.
*
Schließlich würde eine Verlagerung der Notstandshilfe zur Sozialhilfe zu einer
dramati-
schen zusätzlichen Kostenbelastung für die Länder und vor allem die Gemeinden
führen.
Im Falle einer Zusammenführung auf der Ebene des AMS durch Einbau von
Mindestsiche-
rungselementen im AIVG sollten die Länder und Gemeinden aber entsprechend an
der Fi-
nanzierung beteiligt sein.
Ungeachtet
dessen müssten auch in der Sozialhilfe (allenfalls in Kooperation mit dem AMS
und anderen Einrichtungen) Vorkehrungen getroffen werden, um die Qualifikation
und Inte-
gration von arbeitsfähigen Hilfe Suchenden zu fördern (vgl. auch die „Hilfe
zur Arbeit" im
OÖSHG).
* Daher sollen zur Integration von arbeitslosen
SH-Empfängern in das Er-
werbsleben in den Sozialhilfegesetzen Anreize geschaffen werden.
* Diese
Anreizsysteme sollen zumindest vorübergehender Art (zB. sechs
Monate) sein und können beispielsweise in Form von Wiedereinstiegshil-
fen, Freibeträgen etc. bestehen.
5. Persönliche Voraussetzungen, insb. Staatsangehörigkeit
Die
mit einer Ausnahme in allen Ländern vorgesehene - meist sogar mehrstufige -
Differen-
zierung nach der Staatsangehörigkeit Hilfe Suchender verursacht hohen und oft
unnötigen
Verwaltungsaufwand, erzeugt viele Härten und Ungerechtigkeiten und versucht
Probleme zu
bewältigen, die auf ganz anderen Ebenen als bei den Anspruchsvoraussetzungen in
der So-
zialhilfe gelöst werden müssten.
Einheitliche Grundregel für eine weiterentwickelte Sozialhilfe müsste daher sein, dass ...
• Anspruch auf Sozialhilfe grundsätzlich alle Personen
haben, die sich (im
Sinne des Fremdenrechts) rechtmäßig in Österreich aufhalten.
Für
einzelne Personengruppen müssten dennoch Sonderregelungen getroffen
werden.
Dies gilt insb. für...
•
Personen, die nur zu einem vorübergehenden Aufenthalt (= bis
zu drei
Monaten) berechtigt sind (insb. „Touristen"), für die (wie etwa
bereits jetzt
im StmkSHG) nur ein eingeschränkter Anspruch bestehen sollte bzw. an
die (weitergehende) Leistungen nur im Privatrechtsweg erbracht werden
sollten.
Für
andere Personen, insb. AsylwerberInnen, rechtlich oder faktisch nicht
abschiebbare
Personen sollte die zwischen Bund und Ländern bereits weitgehend
akkordierte Art. 15a B-
VG- Vereinbarung „über die vorübergehende Grundversorgung für hilfs- und
schutzbedürfti-
ge Fremde" so rasch als möglich abgeschlossen und umgesetzt werden.
V. Weiterentwicklung beim Ersatz
1. Allgemeines
Der
Kostenersatz ist erwartungsgemäß einer der politischen heikleren Bereiche
für eine
Weiterentwicklung und Harmonisierung. Dies gilt umso mehr, als einige Länder
ganz be-
wusst Erleichterungen beim Kostenersatz vorgenommen haben, andere dagegen -
ebenso
bewusst - bei den bisherigen Modellen geblieben sind. Eine ernsthafte
Diskussion der Mög-
lichkeiten einer Weiterentwicklung erfordert daher in diesem Bereich ganz
besonders eine
differenzierte Betrachtungsweise.
In
diesem Sinne gibt es einige Bereiche der Ersatzpflicht, die im wesentlichen
unverändert
bleiben sollten. Insb. sollte ...
• der Kostenersatz durch Erben ehemaliger
Hilfeempfängerinnen, deren
(ehemalige) EhegattInnen sowie durch Eltern für Leistungen an
ihre min-
derjährigen Kinder (jeweils im Rahmen der Unterhaltspflicht bzw.
soweit
für das Kind Familienbeihilfe bezogen wird) ebenso grundsätzlich beibe-
halten werden ...
• wie der Ersatz durch Sozialversicherungsträger (s. aber unten V.3.)...
• und durch sonstige Erbringer kongruenter Leistungen (einschließlich
der
schon bisher berücksichtigen Transferleistungen wie die Familienbeihilfe).
Grundsätzlich
beibehalten (aber vereinheitlicht) sollten auch die Nebenbestimmungen wer-
den, nach denen von der Einbringung des Ersatzes in Härtefällen
abzusehen ist oä.
2. Ersatz durch (ehemalige) HilfeempfängerInnen
Bereits
im Lichte der bisher geltenden Grundprinzipien der Sozialhilfe ist die
Beibehaltung
der Ersatzpflicht für (ehemalige) Hilfeempfängerinnen unhaltbar, auch wenn
diese praktisch
durch Härteklauseln und Verjährungsfristen entschärft sind. Daher...
•
soll der Kostenersatz durch die Hilfeempfängerinnen grundsätzlich entfal-
len. Davon ausgenommen sind die Fälle von sichergestelltem Vermögen.
Mit
einer solchen Sicherstellung sollte freilich sehr behutsam vorgegangen
werden. Dies gilt
vor allem, wenn die Überwindung der Notlage möglich erscheint und/ oder die
Sozialhilfe
nicht auf Dauer (insb. stationäre) Leistungen zu erbringen hat. Aus dem
gleichen Grund soll-
te ...
• der Ersatz auch bei einem nachträglichen Vermögenszuwachs
(zB. Erb-
schaft; Ansparung von Einkommen, auch wenn es an sich der Anrechung
entzogen ist) nur bei stationären Leistungen zum Tragen kommen.
Grundsätzlich
keine Änderung sollte es hingegen bei missbräuchlicher Inanspruchnahme
von Leistungen geben. Daher sollte ...
• die Rückerstattungspflicht grundsätzlich beibehalten, aber auf Fälle
der
Verletzung der Anzeigepflicht bzw. Erschleichung beschränkt werden.
3. Ersatz durch Unterhaltspflichtige
Neben
den oben V.1. genannten unterhaltspflichtigen Personen sind in der
Mehrzahl der
Länder auch noch die Eltern für Leistungen an ihre volljährigen Kinder sowie
Kinder für Leis-
tungen an ihre Eltern ersatzpflichtig. Aus sozialpolitischer Sicht spricht
vieles dafür, auch im
Hinblick auf diese Personen eine Entkoppelung vom Unterhaltsrecht (wie bereits
im Verhält-
nis Enkel/ Großeltern) vorzunehmen. Auf der anderen Seite wird befürchtet, dass
damit eine
hohe Zusatzbelastung für die öffentlichen Haushalte sowie eine -
gesellschaftspolitisch
nicht erwünschte - de-facto-Aushöhlung des Unterhaltsrechtes bewirkt
würde. Angesichts
dieser Gegensätze konnte in dieser Frage kein Konsens erzielt werden.
Perspektivisch
bieten sich aber
durchaus Möglichkeiten an, hier doch zu einer Harmoni-
sierung zu kommen. So könnte dem ersten oa. Einwand insofern begegnet werden,
als ein
Abgehen von der Ersatzpflicht von Eltern für Leistungen an ihre volljährigen
Kinder bzw. von
Kindern für Leistungen an ihre Eltern in allen Ländern durch eine (mit der
Pensionshöhe pro-
gressiv ansteigende) Erfassung von Teilen
der Pensions-Sonderzahlung im Zuge der Le-
galzession (vgl. insb. § 324 ASVG) „kompensiert" werden könnte.
Dies
könnte etwa in der Form erfolgen, dass die Legalzession auch jene Beträge
(teilweise)
erfasst, um welche die Summe aus
Pensionssonderzahlungen und den allmonatlich von
der Legalzession freibleibenden Pensionsteilen einen bestimmten Grenzbetrag (zB.
in
Höhe des n-fachen des Mindeststandards/ Ausgleichszulagenrichtsatzes für
Alleinstehende)
übersteigt. Wie bisher in § 324 Abs 3 ASVG müsste aber die Versorgung
unterhaltsberech-
tigter Angehöriger der stationär versorgten Person vorrangig gesichert sein.
Die
befürchtete de-facto-Aushöhlung des Unterhaltsrechts wird wohl nur im Hinblick
auf die
Ersatzpflicht von Eltern für Leistungen an ihre großjährigen (zB.
arbeitslose oder erwerbs-
unfähige) Kinder in Betracht kommen. Hier könnte die uU. durch Rücknahme
der Ersatz-
pflicht indizierte erhöhte Inanspruchnahme von Sozialhilfe insb. durch stärkere
Betonung der
Pflicht zum Einsatz der Arbeitskraft und
genaue Berücksichtigung, von Naturalunterhalt ver-
mieden werden.
4. Ersatz durch Geschenknehmer
Die
mittlerweile in vier Ländern vorgesehene Möglichkeit, auch ohne herkömmliche
zivil-
rechtliche Instrumente (Anfechtung, Scheingeschäfte etc) auf Begünstigte einer
Schenkung
oder eines sonst auffällig günstigen Rechtsgeschäftes im Ersatzweg greifen zu
können, ist
rechtspolitisch fragwürdig und zudem verfassungsrechtlich bedenklich. Sollte
dennoch ein
Bedarf bestehen, an diesen Regelungen festzuhalten, sollte in einer
weiterentwickelten Sozi-
alhilfe ...
• in Hinkunft beim Kostenersatz durch
Geschenknehmer zumindest von einer
höheren Erheblichkeitsgrenze ausgegangen und den Ersatzpflichtigen
die Möglichkeit eines Gegenbeweises eröffnet werden.
5. Verfahren
Auch
bei den Regelungen über die Durchsetzung von Ersatzforderungen besteht einiger
Klarstellungs- und
Harmonisierungsbedarf. Insb.
sollte in allen Ländern ...
• für den Ersatz in der „offenen" Sozialhilfe
eine einheitliche Verjährungs-
frist von drei Jahren, für den stationären Bereich eine
Verjährungsfrist von
fünf Jahren gelten; sowie ...
•
einheitlich eine ausdrückliche Vergleichsmöglichkeit zur
außerstreitigen
Bereinigung von Ersatzforderungen geschaffen werden.
Die
Vollziehung von Ersatzforderungen ist überdies wegen deren teilweisen civil-rights-
Charakters verfassungsrechtlich bedenklich und zudem im Hinblick auf den damit verur-
sachten Verfahrensaufwand verwaltungsökonomisch nicht sinnvoll. Daher
sollten zwar...
• Ersatz- oder Rückerstattungsforderungen gegen ehemalige
Hilfeempfän-
gerInnen weiterhin im Verwaltungsweg erledigt werden;
•
in allen übrigen Fällen sollten Streitigkeiten in
Ersatzangelegenheiten je-
doch durch die Gerichte entschieden werden.