605/AB XXII. GP

Eingelangt am 28.08.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für WIRTSCHAFT UND ARBEIT

 

Anfragebeantwortung

 

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 584/J betreffend
EU-Verfassung und gemeinsame Handelspolitik, welche die Abgeordneten Bettina
Stadlbauer und GenossInnen am 3. Juli 2003 an mich richteten, stelle ich fest:

Am 18. Juli 2003 überreichte der Präsident des Europäischen Konvents Giscard
d'Estaing den Abschlussbericht und den Entwurf „Vertrag über eine Verfassung für
Europa" dem amtierenden Präsidenten des Europäischen Rates in Rom.

Am 15. Oktober 2003 wird eine Regierungskonferenz einberufen werden, die auf
Basis des vorliegenden Entwurfs die endgültige Verfassung der Europäischen Union
ausarbeiten soll. Teilnehmer der Regierungskonferenz sind die EU-Staats- und
Regierungschefs, die EU-Außenminister sowie Vertreter der Europäischen
Kommission und des Europäischen Parlaments. Auch die zehn Beitrittsländer
werden von Anfang an (trotz des späteren Erweiterungstermins 1. Mai 2004)
gleichberechtigt und ohne Einschränkungen an den Verhandlungen teilnehmen.

Ziel der Staats- und Regierungschefs ist es, die Regierungskonferenz zügig
abzuschließen und den Schritt der Ratifizierung der neuen Verfassung möglichst
rasch nach dem 1. Mai 2004 - dem Tag der Erweiterung - zu setzen.

Nach derzeitiger Einschätzung werden bis Abschluss der Verhandlungen im
derzeitigen (vom Konvent vorgelegten) Verfassungsentwurf noch eine Reihe von


Änderungen vorgenommen werden. Eine abschließende Beurteilung kann daher erst
nach Abschluss der Regierungskonferenz vorgenommen werden.

Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:

Angesichts der eingangs angeführten Bemerkungen ist festzuhalten, dass eine
abschließende Beantwortung dieser Frage von mehreren Faktoren abhängt, die
derzeit noch nicht endgültig feststehen. So ist es einerseits derzeit nicht absehbar,
ob bzw. in welchen Bereichen es im Zuge der Beratungen der Regierungskonferenz
über den vom Konvent ausgearbeiteten Verfassungsentwurf noch zu inhaltlichen
Änderungen des Verfassungstextes kommen wird; gerade im Bereich der
Handelspolitik lassen die bisherigen Beratungen im Konvent eine nochmalige
Überarbeitung nicht unwahrscheinlich erscheinen. Andererseits ist es derzeit noch
nicht absehbar, ob das in Doha beschlossene ehrgeizige WTO-
Verhandlungsprogramm in allen vorgesehenen Bereichen fristgerecht (d.h. bis 1.
Jänner 2005) abgeschlossen werden kann. Erst wenn das endgültige
Verhandlungsergebnis feststeht, wird anhand der dann in Geltung stehenden EU-
Verfassung sowie der österreichischen Verfassung zu prüfen sein, welche
Ratifikationserfordernisse sich aus dem Verhandlungsergebnis in all seinen
Teilbereichen unter Einbeziehung aller europarechtlichen und
verfassungsrechtlichen Aspekte ergeben.

Bereits jetzt kann jedoch grundsätzlich festgehalten werden, dass nationale
Ratifikationserfordernisse für von der EU verhandelte Abkommen in jenen Bereichen
bestehen, in welchen es noch eigene bzw. Mitkompetenzen der EU-Mitgliedstaaten
gibt. Dies ist z.B. beim Dienstleistungsverkehr, der mit einem Grenzübertritt von
Personen verbunden ist, der Fall. Das sich aus der EU-Verfassung ergebende EU-
interne Beschlussfassungsquorum (qualifizierte Mehrheit oder Einstimmigkeit) gibt
per se nicht über ein allfälliges Ratifikationserfordernis Aufschluss.


Antwort zu Punkt 2 der Anfrage:

Im derzeit vorliegenden Entwurf für eine EU-Verfassung sind zwar die
Mitwirkungsrechte des Europäischen Parlaments im Vergleich zum EGV
ausgeweitet, doch ist für den Bereich der Handelspolitik keine Mitentscheidung,
sondern - wie generell beim Abschluss internationaler Übereinkünfte durch die
Gemeinschaft - ein Anhörungsrecht des EP vor Abschluss der Übereinkunft
vorgesehen. Darüber hinaus ist jedoch im Verfassungsentwurf ausdrücklich normiert,
dass die Kommission dem Europäischen Parlament regelmäßig über den Stand der
Verhandlungen Bericht zu erstatten hat (die Formulierung legt eine gleichartige
Berichtspflicht der EK wie gegenüber dem Art.133-Ausschuss, i.e. künftig
"Sonderausschuss", nahe).

Antwort zu Punkt 3 der Anfrage:

Hiezu ist auf die Anmerkungen zu Frage 1 zu verweisen. Aus heutiger Sicht ist
davon auszugehen, dass eine Ratifikation der Ergebnisse der laufenden WTO-
Verhandlungsrunde jedenfalls erforderlich sein dürfte, wenn das
Verhandlungsergebnis im Dienstleistungsbereich neue Verpflichtungen im Bereich
des "mode 4" (Anwesenheit ausländischer natürlicher Personen zur
Dienstleistungserbringung) oder im Bereich der Direktinvestitionen im Ausland
beinhaltet.