656/AB XXII. GP

Eingelangt am 05.09.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM FÜR JUSTIZ

 

Anfragebeantwortung

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen
haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Ahndung von Vergehen gegen
das Lebensmittelrecht" gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Das Bundesministerium für Justiz hat keine Kenntnis über die in Deutschland
anhängigen oder abgeschlossenen Strafverfahren im Zusammenhang mit dem
"Schweinemastskandal". Zwischen den deutschen und österreichischen Justizbe-
hörden findet regelmäßig ein direkter Rechtshilfeverkehr statt (Art.
XII Abs. 1 des
Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland
über die Ergänzung des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens über die Rechts-
hilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 und die Erleichterung seiner Anwendung,
BGBI 36/1977), sodass eine zentrale Erfassung nicht vorgesehen ist. Die öster-
reichischen Justizbehörden können deutsche Behörden nur aus Anlass einzelner
Strafsachen um bestimmte Informationen aus einem konkreten deutschen Verfahren
ersuchen. Für eine Anfrage auf breiter Basis existiert keine Rechtsgrundlage, sodass
ein Überblick zum Stand und Ausgang der Verfahren in München bzw. Bayern nicht
verschafft werden kann. Es ist aber bekannt, dass beim Landesgericht Regensburg
ein Tierarzt wegen des unerlaubten Handels mit Tierarzneimitteln in großem Umfang
in erster Instanz zu einer - auf Bewährung ausgesetzten - zweijährigen Freiheits-
strafe verurteilt wurde.


Zu 2, 3, 7 und 8:

Nach den mir vorliegenden Berichten der Staatsanwaltschaften aus dem Raum
Oberösterreich sind Verzögerungen bei der Bearbeitung von Strafverfahren rund um
den Schweinemastskandal im justiziellen Bereich nicht eingetreten. Auch die für
Einzelstrafsachen zuständige Abteilung meines Hauses konnte eine verzögerte
Bearbeitung der Fälle durch die Staatsanwaltschaften nicht wahrnehmen. Diesen
Verfahren wurde - schon weil die Gesundheitsschädigung einer Vielzahl von
Menschen im Raum stand - zweifellos die entsprechende Bedeutung beigemessen.

Die Freistellung eines Staatsanwaltes zur Bearbeitung des Verfahrens betreffend die
"Kiener-Deponie" war auf Grund des Umfanges, der bereits langen Dauer (allein die
Gutachtenserstellung durch den Sachverständigen nahm zwei Jahre in Anspruch)
und deshalb erforderlich, weil es sich um eine - jedenfalls vordringlich zu behan-
delnde - Haftsache gehandelt hat.

Zu 4:

Betriebssperren fallen nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums

für Justiz.

Zu 5:

Bei der Staatsanwaltschaft Linz wurden Verfahren gegen fünf Personen eingestellt.

Bei den Staatsanwaltschaften Wels und Steyr erfolgten in insgesamt 29 Fällen, bei
der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis in 33 Fällen Verfahrenseinstellungen.

Zu 6:

Bei den Staatsanwaltschaften Oberösterreichs ist lediglich gegen einen Betrieb ein

Verfahren anhängig. In dieser Strafsache hat die Staatsanwaltschaft Steyr Ende des
Jahres 2002 einen Strafantrag gestellt. Das Verfahren befindet sich im Rechts-
mittelstadium.

Zu 9:

Aufgabe der in der Anfrage genannten Enquete-Kommission war es, drei Fragen

„einer eingehenden Diskussion mit dem Ziel (zu) unterziehen ..., die Grundlagen für
gesetzliche Maßnahmen ... zu erarbeiten" (Zitat aus dem vom Hauptausschuss am
27.4.2000 angenommenen Antrag betreffend die Einsetzung der Enquete-
Kommission,
XXI. GP-23 HA). Die Enquete-Kommission hatte daher weder den


Auftrag noch die Kompetenz, Empfehlungen an den Gesetzgeber zu erstatten, und
sie hat dies auch nicht getan.

Eine der von der Enquete-Kommission behandelten Fragen war die nach der Ver-
hältnismäßigkeit der Strafdrohungen im gerichtlichen Strafrecht (Strafgesetzbuch
und strafrechtliche Nebengesetze). Aus aktuellem Anlass - dem sogenannten
„Schweinemast-Skandal" - beschäftigte sich die Enquete-Kommission im Mai und
Juni 2001 im Rahmen der Diskussion der strafrechtlichen Nebengesetze in zwei
Sitzungen eingehender mit dem Lebensmittel- und Futtermittelrecht, gab jedoch
auch zu diesem Bereich keine Empfehlungen ab. Bei den schriftlichen Stellungnah-
men, die drei Mitglieder der Enquete-Kommission zu diesem Thema erstattet haben,
handelte es sich um deren Meinungen und nicht um solche der Kommission. Die
Frage nach den „Konsequenzen aus den Empfehlungen der parlamentarischen
Enquete-Kommission" geht daher von unzutreffenden Prämissen aus.

Dass einige der in den erwähnten Sitzungen der Enquete-Kommission vorgetrage-
nen Stellungnahmen zur Gestaltung der Strafbestimmungen des Tierarzneimittel-
kontrollgesetzes (TAKG), BGBI. l Nr. 28/2001, beigetragen haben, das einen vom
Lebensmittelgesetz 1975 nicht ausreichend definierten Bereich einer eingehenden
Regelung unterzieht, wurde bereits in der Beantwortung der parlamentarischen
Anfrage vom 20. März 2002, ZI. 3646/J-NR/2002, ausgeführt.

Außerdem wurde seit 2001 auch eine Reihe von anderen legislativen Maßnahmen
im Bereich des Lebensmittelrechts getroffen: Als Beispiele seien das Biozid-
Produkte-Gesetz (BGBI l Nr. 105/2000), das Gesundheits- und E
rnährungssicher-
heitsgesetz (BGBI l Nr. 63/2002) und das Agrarrechts-Änderungsgesetz 2002
(BGBI l Nr. 110/2002), mit dem unter anderem das Futtermittelgesetz 1999 geändert
wurde, sowie Änderungen des Fleischuntersuchungsgesetzes, des Tierseuchenge-
setzes, des Gentechnikgesetzes, des Tierärztegesetzes und des Lebensmittelge-
setzes erwähnt.

Einen Beitrag zur effektiven Ahndung von Verstößen gegen die gerichtlichen Straf-
bestimmungen des Lebensmittelrechts sollte die Einführung einer Verantwortlichkeit
von Verbänden (juristische Personen, Handelsgesellschaften) leisten, weil dann
Verbände neben Entscheidungsträgern, Mitarbeitern und anderen natürlichen Per-
sonen bestraft werden können. Ein Entwurf zu einem diesbezüglichen Bundesgesetz
wird derzeit im Bundesministerium für Justiz vorbereitet. Von dieser Maßnahme ist


insbesondere ein präventiver Effekt in der Weise zu erwarten, dass die
Unternehmen verstärkt Maßnahmen ergreifen werden, um die Begehung von
Straftaten durch ihre Mitarbeiter und eine daraus abgeleitete eigene Verant-
wortlichkeit zu vermeiden.

Zu 10:

Das Bundesministerium für Justiz und die Strafjustiz sind generell bestrebt, die Ver-
fahrensdauer kurz zu halten. Der Beschleunigung sind aber durch die Notwendigkeit
sorgfältiger Ermittlungen (zB Einholung von Sachverständigengutachten) und der
Einhaltung von Verfahrensgarantien Grenzen gesetzt. Eine vorrangige Durchführung
sieht das Gesetz nur für Verfahren vor, in denen Beschuldigte in Untersuchungshaft
genommen wurden.

Eine generelle „vorrangige strafrechtliche Behandlung" von Verstößen gegen das
Lebensmittel- und Veterinärrecht kann ich nicht befürworten. Dies würde bedeuten,
dass anderen Straftaten, wie Gewalt- und Sexualverbrechen oder Drogendelikten,
geringere Priorität zukommen würde, was in der Praxis wohl dazu führen würde,
dass Strafverfahren in diesen Bereichen langsamer durchgeführt würden. Dies wäre
sachlich nicht zu rechtfertigen.