667/AB XXII. GP
Eingelangt am 05.09.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für
Verkehr, Innovation und Technologie
Anfragebeantwortung
Die
schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 712/J-NR/2003 betreffend Infraschall
und Mobilfunk, die
die Abgeordneten Dr. Moser, Freundinnen und Freunde am 10. Juli 2003 an mich
gerichtet haben,
beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
Frage 1:
Wann
werden Sie Ihrer Verpflichtung aus §67 bzw. künftig §73 TKG endlich nachkommen
und
„den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen" tatsächlich
„gewährleisten", was bis-
lang nachweislich - siehe Beispiel Müllendorf - nicht der Fall ist?
Antwort:
Ihre
Behauptung, mein Ressort würde der Verpflichtung zum Schutz des Lebens und der
Gesund-
heit der Menschen beim Betrieb von Funkanlagen nach dem TKG nicht nachkommen,
entbehrt
jeder Grundlage.
Viel
mehr wurde der Verpflichtung gemäß § 67 Telekommunikationsgesetz (TKG alt) bzw.
§ 73
TKG (neu), bei Errichtung und dem Betrieb von Funkanlagen den Schutz des Lebens
und der Ge-
sundheit der Menschen zu gewährleisten schon bislang Rechnung getragen und dem
Schutz der
Gesundheit größte Aufmerksamkeit geschenkt.
Das Telekommunikationsgesetz sieht in seinem § 67 (alt)
bzw. § 73 (neu) vor, dass bei der Errich-
tung und dem Betrieb
von Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen der Schutz des
Lebens und der Gesundheit von Menschen gewährleistet sein muss. Nähere
Bestimmungen, unter
welchen Bedingungen dieser Schutz gewährleistet ist, enthält das TKG nicht.
Dies ist eine in der
österreichischen Rechtspraxis regelmäßig verwendete Form der Regelung, um zu
vermeiden,
dass eine Rechtsnorm durch regelungsfremde Tatbestände zersplittert wird. Damit
wird das Ge-
setz jedoch solange nicht inhaltlich
unbestimmt und damit verfassungswidrig, solange der unbe-
stimmte Gesetzesbegriff „Schutz des Lebens und der Gesundheit"
anhand objektiv feststehender
Kriterien eindeutig inhaltlich ausgelegt werden kann. Die von der Judikatur
dazu herangezogenen
Techniken sind vor allem gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse und die aus
solchen Erkennt-
nissen erfließenden Normen.
Als
Norm ist hier die EU-Ratsempfehlung vom 12. Juli 1999 zur Begrenzung der
Exposition der
Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern im Bereich von 0 Hz bis 300
GHz
(1999/519/EG) zu erwähnen, welche die derzeit gültigen Referenzwerte enthält.
Diese Grenzwerte,
die sich auf die unmittelbar von der Funkanlage ausgehenden elektromagnetischen
Felder
(nicht-ionisierende Strahlung) beziehen, werden jedoch bei
Basisstationen im Hauptsendebereich
in der Regel bereits im Abstand von wenigen Metern deutlich unterschritten.
Die
Basis dieser Norm sind die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
sowie der
unter dem Dach der WHO arbeitenden ICNIRP (International Commission for Non
lonizing
Radiation Protection).
Die darin angeführten Werte wurden auf der Grundlage der
Analyse einer Vielzahl von wissen-
schaftlichen Studien ermittelt und sind nach dem heutigen Stand der
wissenschaftlichen Erkennt-
nisse als sicher einzustufen.
Die
Einhaltung der Referenzwerte wird von den Organen der Fernmeldebehörde
überwacht. Sollte
also der Verdacht bestehen, dass die vorgeschriebenen Grenzwerte bei einer
konkreten Anlage
überschritten werden, kann dies beim zuständigen Fernmeldebüro angezeigt
werden. Im Rahmen
des Aufsichtsrechtes gemäß § 86 TKG (neu)
kann diesfalls eine Überprüfung der Telekommunika-
tionsanlage durch die Fernmeldebüros hinsichtlich der Einhaltung der
Auflagen und sonstigen
telekommunikationsrechtlichen Vorschriften erfolgen.
Ich
darf jedoch ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Frage nach der Sicherheit
der Grenzwerte
immer nur unter dem Hinweis auf den Stand der Technik beantwortet werden kann
und es niemals
auszuschließen ist, dass die Wissenschaft irgendwann Kenntnisse gewinnt, die
die heutige Sicht-
weise modifizieren.
Daher ist durch die im TKG gewählte
Form der Regelung bestmöglich sichergestellt, dass bei Auf-
treten neuer
wissenschaftlicher Erkenntnisse entsprechend rasch reagiert werden kann.
Frage 2:
Auf
welcher rechtlichen Grundlage kommt Ihr Haus zur Einschätzung, dass das TKG nur
spezielle
und nicht alle gesundheitlichen Auswirkungen von „funktechnischen
Einrichtungen" des Telekom-
bereiches erfasse?
Antwort:
Das TKG erfasst, ausgehend von der Bundeskompetenz „Fernmeldewesen" in Art. 10 Abs. 1 Z. 9
B-VG, wie dies auch
der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Juni 1995, ZI.
93/05/0244, erkannt hat, alle Aspekte des Schutzes des Lebens und der
Gesundheit gegenüber
den von einer Fernmeldeanlage typischerweise ausgehenden Gefahren.
Als Teile der Fernmeldeanlage sind dabei sämtliche nicht substituierbare Teile
zu verstehen, die
unmittelbar der Aussendung bzw. dem Empfang elektromagnetischer Felder / nicht
ionisierender
Strahlen dienen.
Kommt es jedoch durch exogene Faktoren wie etwa durch fehlende
Schallisolierung bei Neben-
aggregaten zu
Störungen, so würde in diesem Fall ein Eingreifen der Fernmeldebehörden auf-
grund der baurechtlichen Zuständigkeit der Länder eine verfassungsrechtliche
Kompetenzüber-
schreitung darstellen, da diese Mängel keine Mängel der Fernmeldeanlage als
solche, sondern
Mängel z.B. baurechtlicher Natur sind.
Frage 3:
Welche
Schritte werden Sie setzen, falls amtsärztlich Gefahr im Verzug in
gesundheitlicher Hin-
sicht aufgrund von Emissionen von Telekom-Anlagen besteht?
Antwort:
Sollte
nachweislich von einer Fernmeldeanlage - im Sinne der Ausführungen zu Frage 2 -
eine
Gesundheitsgefährdung ausgehen, so würden die Fernmeldebehörden unverzüglich
die not-
wendigen Schritte bis hin zur Abschaltung der Anlage setzen.
Frage 4:
Wann werden Sie eine sachgerechte und dem Vorsorgeprinzip
entsprechende Regelung der Fra-
ge des Schutzes der Bevölkerung vor nichtionisierender Strahlung unter anderem
im Zusammen-
hang mit Strahlungsquellen im Bereich der Telekommunikation herbeiführen?
Antwort:
Die geforderte sachgerechte Regelung
hinsichtlich des Schutzes der Bevölkerung bestand sowohl
bereits nach dem TKG alt und besteht ebenso nach dem TKG neu; ich verweise dazu
auf die Aus-
führungen zu Fragepunkt 1.
Überdies
hat sich der Nationalrat eingehend mit der Mobilfunkproblematik befasst und in
einer
Entschließung die Bundesregierung aufgefordert, nach Vorliegen auch
international abgesicherter
wissenschaftlicher Erkenntnisse die Arbeiten an einem Bundesgesetz, das dem
Schutz vor nicht-
ionisierender Strahlung dienen soll, beziehungsweise an allfälligen
Verordnungen über die Be-
grenzung der Strahlenemission, fortzusetzen.
Selbstverständlich werden nach Vorliegen
international abgesicherter wissenschaftlicher Erkennt-
nisse alle weiteren Schritte im Sinne der erwähnten Entschließung gesetzt
werden.
Frage 5:
Wann
werden Sie eine sachgerechte Regelung der Frage des Schutzes der Bevölkerung
vor
Infraschallemissionen, die von Emittenten im Bereich der Telekommunikation
ausgehen, herbei-
führen, und wie wird diese aussehen?
Antwort:
Auch
im Bereich Infraschallemissionen ist die Rechtslage eindeutig, soweit diese
tatsächlich un-
mittelbar von einer Fernmeldeanlage ausgehen (siehe dazu die Ausführungen zu
Fragepunkt 2).
Frage 6:
Können
Sie rechtliche und finanzielle Risken für die Republik und damit für die
SteuerzahlerInnen
etwa im Zusammenhang mit Amtshaftungsklagen und dergleichen wegen Nichtumsetzung
oder
nicht ausreichender Umsetzung von §67alt/§73neu TKG ausschließen, und wenn ja,
auf welcher
Grundlage kommen Sie zu dieser angesichts der Sachlage mehr als erstaunlichen
Einschätzung?
Antwort:
Die mir
unterstehenden zuständigen Behörden sind nach dem Gesetz verpflichtet, den
Stand der
Wissenschaft bei ihren Vollziehungshandlungen zu berücksichtigen. Ich kann
daher ausschließen,
dass es zu einer fahrlässigen „Nichtumsetzung oder nicht ausreichenden
Umsetzung" kommt.
Frage 7:
In
welcher Weise wurden, wie unter anderem von Ihrem Staatssekretär behauptet,
athermische
Effekte bei der Festlegung angeblich gültiger Grenzwerte und Normen
berücksichtigt?
Antwort:
Zu
dieser Frage ist auf die umfangreichen Studien der WHO sowie der ICNIRP zu
verweisen, in
denen umfassend das Phänomen des Mobilfunks untersucht wurde.
Frage 8:
Ist
Ihrer Ansicht nach eine Mehrheitsentscheidung über einen Antrag dazu geeignet,
zugleich die
Wissenschaftlichkeit der in diesem Antrag enthaltenen Aussagen zu
Gesundheitsfolgen be-
stimmter in der Telekommunikation verwendeter Techniken zu beweisen oder zu
widerlegen, und
wenn ja warum?
Antwort:
Zu dieser Frage kann ich mangels Kenntnis
der konkreten wissenschaftlichen Fragestellung und
der allenfalls kontroversiellen Argumente nicht Stellung nehmen.
Frage 9:
In
welcher Weise ist durch die im TKG gewählte Form der Regelung sichergestellt,
dass bei Auftre-
ten neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse entsprechend rasch reagiert werden
kann?
Antwort:
Ich verweise auf meine Ausführungen zu Fragepunkt 1.
Fragen 10 und 11:
Welche kurzfristige Lösung in diesem Sinn auf
verallgemeinerbarer, haltbarer rechtlicher Grundla-
ge ist im speziellen für die nachweislich von im Telekombereich verursachten
Infraschallimmissio-
nen gesundheitlich beeinträchtigten Betroffenen etwa in Müllendorf denkbar?
Werden Sie eine solche Lösung herbeiführen, und wenn nein, warum nicht?
Antwort:
Bei
den in Teilen von Müllendorf auftretenden Phänomenen handelt es sich um
Infraschall und
Vibrationsimmissionen.
Die
meinen Ressort diesbezüglich vorliegenden Gutachten kommen zu dem Schluss, dass
auf
einen kausalen Zusammenhang einer Mobilfunk - Basisstation mit Luftschall- und
Vibrationsim-
missionen in den untersuchten Gebäuden nicht geschlossen werden kann. Vielmehr
legen die
Messergebnisse die Vermutung nahe, dass die
geschilderten Phänomene durch ein Zusammen-
spiel verschiedener endogener und exogener Faktoren verursacht werden.
Dafür spricht auch,
dass bei kontinuierlich dokumentierten Immissionsmessungen belegt wurde, dass
bei Abschaltung
der Mobilfunkanlage keine Änderungen der Immissionen, weder im Bereich der
Vibrationen noch
im Bereich des Luftschalls, erkennbar
waren.
Der Fernmeldebehörde meines Hauses ebenfalls vorliegende
Gutachten, die einen solchen Kau-
salzusammenhang
behaupten, stellten sich bei näherer Untersuchung als nicht ausreichend re-
produzierbar, sowie in sich widersprüchlich dar.
Würde
ein nachweislich im Telekombereich liegender Zusammenhang zwischen den
unmittelbar
von der Fernmeldeanlage (im Sinne der Ausführungen zu Frage 2) ausgehenden
elektromagneti-
schen Feldern und den beschriebenen Phänomenen bestehen, so würde die
Zuständigkeit zur
Beseitigung der Störungen zweifelsfrei bei den Fernmeldebehörden
liegen, die in diesem Fall un-
verzüglich jede
geeignete Maßnahme zu ergreifen hätten.