697/AB XXII. GP

Eingelangt am 09.09.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bundeskanzler

 

Anfragebeantwortung

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Riepl und GenossInnen haben am 10. Juli 2003
unter der Nr. 661/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend
Erhöhung der Sitzungsgelder für den Bundeskommunikationssenat gerichtet.

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Bei der Erstellung der Verordnung über die Sitzungsgelder der Mitglieder des
Bundeskommunikationssenates im Jahr 2001 musste zunächst auf Erfahrungswerte
mit der Privatrundfunkbehörde und der Kommission zur Wahrung des
Rundfunkgesetzes zurückgegriffen werden. Es hat sich jedoch anhand der Praxis
gezeigt, dass der Arbeits- und Zeitaufwand des sowohl als Berufungsinstanz im
Privatrundfunkbereich als auch als Beschwerdeinstanz über den ORF tätigen
Senates erheblich unterschätzt wurde.

Es hat sich auch erwiesen, dass aufgrund der Neuregelungen des
Privatradiogesetzes und des Privatfernsehgesetzes (hiezu hat die
Privatrundfunkbehörde keine vergleichbaren Verfahren geführt) einerseits wesentlich
mehr Zulassungsverfahren zu führen waren, andererseits sind dabei äußerst
komplexe und in der Judikatur und Lehre bisher überhaupt nicht behandelte
Rechtsfragen unterschiedlichster Art zu beurteilen. Von der Privatrundfunkbehörde
war zum Beispiel kein einziges Verfahren im Bereich des Frequenz- oder
Sitesharings zu führen, da ihr diesbezüglich auch keine Kompetenz zukam. Genauso
wenig hatte die Privatrundfunkbehörde Verwaltungsverfahren im Bereich des
terrestrischen Fernsehens zu führen.

Die Erfahrung hat weiters gezeigt, dass aufgrund der vorbildlichen erstinstanzlichen
Ermittlungen äußerst umfangreiches Aktenmaterial zu behandeln ist, das nicht nur -
da es sich regelmäßig um durch Sammelbescheid zu erledigende
Mehrparteienverfahren handelt - unterschiedlichste Vorbringen enthält, sondern
auch umfangreiche Gutachten z.B. technischen und wirtschaftswissenschaftlichen


Inhalts umfasst. So ist z.B. von einem Durchschnittswert von 800 bis 900 Seiten für
das Aktenstudium in einem einzigen Berufungsverfahren auszugehen.

Der für die Höhe der Sitzungsgelder relevante Umfang der zu behandelnden
Rechtssachen ist daher jeweils beträchtlich und wie bereits ausgeführt, unerwartet
hoch. Der vom jeweiligen Berichterstatter zu leistende Aufwand außerhalb der
Sitzungen für eine sachgerechte und detaillierte Vorbereitung der Entscheidung und
das dafür nötige Aktenstudium bzw. die anfallende Literatur- und Judikaturrecherche
haben drastisch zugenommen. Hinzu tritt der Zeitaufwand für die Erstellung eines
Entscheidungsentwurfes. Die Praxis hat gezeigt, dass die einzelnen Berichterstatter
im Durchschnitt für die Vorbereitung eines Entwurfs zumindest 4 Arbeitstage
benötigen, einzelne Rechtssachen aber einen Berichterstatter auch über fast zwei
Wochen ganztägig beschäftigen.

Hervorzuheben ist insbesondere, dass mit dem Sitzungsgeld auch jeder wie immer
geartete Aufwand außerhalb der Sitzungen abgegolten wird.

Es darf auch nicht übersehen werden, dass eine Vorbereitungszeit auch für die nicht
als Berichterstatter in einer Rechtssache füngierenden - weiteren Mitglieder
notwendig ist. Vom Vorsitzenden wird selbstverständlich genauso eine detaillierte
Kenntnis des Aktenmaterials verlangt und es tritt die Aufgabe der Vorsitzführung
hinzu. Der Vorsitzführung kommt vor allem bei (mittlerweile wiederholt abgehaltenen)
mündlichen Verhandlungen besondere Bedeutung zu. Der Senat ist schließlich auch
mit einer gegenüber den vergangenen Jahren erhöhten Zahl (in ihrem Vorbringen
wesentlich umfassenderen) Beschwerden nach dem ORF-Gesetz befasst, bei denen
ebenfalls - im Hinblick auf die hinsichtlich der Anforderungen an das Programm des
ORF geänderte Rechtslage sowie das neue Wettbewerbsumfeld - komplizierte
Rechtsfragen auftreten. In dieser Hinsicht ist hervorzuheben, dass der
Bundeskommunikationssenat in diesen Fällen jedenfalls selbst ein
Ermittlungsverfahren nach dem AVG durchzuführen hat. Die Arbeitsweise des
Senates in der Vergangenheit hat gezeigt, dass die Frequenz und die Dauer der
Sitzungen trotz des hohen Arbeitsanfalls nicht gestiegen sind. Vielmehr wurde bisher
vom Senat im Sinne eines effizienten und kostensparenden Sitzungsmanagements
darauf geachtet, dass stets mehrere Rechtssachen in einer Sitzung erledigt werden
(eine Aufteilung ihrer Fälle auf mehrere Sitzungen hätte für die Berichterstatter und
den Vorsitzenden wesentlich höhere Abgeltungen zur Folge).

Bisher hat der Bundeskommunikationssenat ca. 80 Berufungsverfahren
(Mehrparteienverfahren) zu erledigen. Insgesamt wurden bisher (im Zeitraum
November 2001 bis Juli 2003) rund 170 Rechtssachen (Beschwerden, Berufungen,
Gegenschriften im verfassungsgerichtlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahren)
vom Bundeskommunikationssenat erledigt.

Die gesetzliche Grundlage für die Verordnung über die Sitzungsgelder sieht auch
vor, dass bei der Festsetzung der Höhe der Sitzungsgelder neben dem Umfang auf
die Bedeutung der Aufgaben Bedacht zu nehmen ist. Hiezu ist zu bemerken, dass
den Entscheidungen des Bundeskommunikationssenates in mehrerlei Hinsicht
besondere Bedeutung zukommt:

Abgesehen von der medienpolitischen Bedeutung der Entscheidungspraxis des
Bundeskommunikationssenates im Hinblick auf die Etablierung eines dualen
Rundfunksystems stehen bei den Entscheidungen regelmäßig nicht unerhebliche


finanzielle Interessen der Beteiligten (sowohl des ORF als auch der Privaten) auf
dem Spiel, wenn man etwa an die Entscheidungen im Privatfe
rnsehbereich über die
Zulassung der ersten terrestrischen Sender (bundesweit und in den Ballungsräumen)
denkt. Von besonderer Bedeutung für die finanziellen Interessen der
Privatrundfunkbetreiber und des ORF sind auch die jüngst entschiedenen Verfahren
über die Nutzung von Sendeanlagen.

Zu Frage 2:

Im Interesse der Medienvielfalt und der Rechtssicherheit war die Initiative
unausweichlich. Die Vorlage wurde vom Bundeskanzleramt erarbeitet und vom
Ministerrat beschlossen.

Zu Frage 3:

Seit der Konstituierung des Senates im September 2001 haben

im Jahr 2001                   5 Sitzungen

im Jahr 2002                   10 Sitzungen

und im Jahr 2003                   bisher 8 Sitzungen

stattgefunden.

Die jeweiligen mehrstündigen Sitzungen sind von unterschiedlicher Dauer und nur in
Verbindung mit dem in Beantwortung der Frage 1. näher dargelegten erheblichen
Aufwand bei der Vorbereitung und Bescheiderstellung zu bewerten.

Zu Frage 4:

Angesichts der zu Frage 1 geschilderten Umstände ist die Erhöhung der
Sitzungsgelder gerechtfertigt. Es wird damit auch dem Anliegen einer effizienten und
raschen Erledigung der anfallenden Rechtssachen Rechnung getragen. Mit dem
Bundeskommunikationssenat wurde auch eine im Vergleich mit anderen Beispielen
in europäischen Staaten kostengünstige Rechtsmittelbehörde eingerichtet.

Zu den Fragen 5 und 6:

Dem Bundeskanzleramt sind diesbezüglich keine anderen Kollegialbehörden oder

Gremien bekannt.