698/AB XXII. GP

Eingelangt am 10.09.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM FÜR SOZIALE SICHERHEIT GENERATIONEN UND KONSUMENTENSCHUTZ

 

Anfragebeantwortung

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage
Nr. 669/J der Abgeordneten Krist, Schöpf, Keck und GenossInnen
wie folgt:

Fragen 1 bis 5 und 7 bis 9:

Das Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumenten-
schutz verfügt nicht über die angefragten Daten. Ich verweise daher auf die Beant-
wortung der Fragen 1 bis 5 und 7 bis 9 der Anfrage Nr. 652/-NR/2003 durch den
Herrn Bundesminister für Justiz.

Frage 6:

Das Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumenten-
schutz verfügt nicht über die angefragten Daten. Die Dachorganisation der Schuld-
nerberatungsstellen Österreich, die ASB Schuldnerberatungen GmbH, übermittelte
auf Ersuchen die folgende Daten:

Nachfrage in den Schuldnerberatungen

Alle Daten bundesweit:

 

 

2000

 

2001

 

2002

 

ERSTKONTAKTE

 

16.503

 

17.281

 

18.575

 

ERSTGESPRÄCHE

 

10.901

 

10.925

 

11.153

 


Aufschlüsselung nach Bundesländern:

ERSTKONTAKTE

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2000

 

2001

 

2002

 

Burgenland

 

267

 

401

 

469

 

rnten

 

1.343

 

1.334

 

1.325

 

Niederösterreich

 

2.151

 

2.495

 

2.752

 

Oberösterreich

 

3.212

 

3.507

 

3.423

 

Salzburg

 

779

 

679

 

1.171

 

Steiermark

 

1.743

 

1.699

 

2.368

 

Tirol

 

1.594

 

1.757

 

1.507

 

Vorarlberg

 

857

 

971

 

1.028

 

Wien

 

4.557

 

4.438

 

4.532

 

Gesamt

 

16.503

 

17.281

 

18.575

 

ERSTGESPRÄCHE

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2000

 

2001

 

2002

 

Burgenland

 

174

 

308

 

279

 

rnten

 

953

 

929

 

1.045

 

Niederösterreich

 

1.816

 

1.901

 

2.177

 

Oberösterreich

 

2.266

 

2.525

 

2.386

 

Salzburg

 

721

 

531

 

613

 

Steiermark

 

1.640

 

1.559

 

1.563

 

Tirol

 

824

 

891

 

825

 

Vorarlberg

 

558

 

627

 

602

 

Wien

 

1.949

 

1.654

 

1.663

 

Gesamt

 

10.901

 

10.925

 

11.153

 

Aufgliederung nach Geschlecht:

 

 

2000

 

2001

 

2002

 

männlich

 

57,05%

 

59,17%

 

59,12%

 

weiblich

 

42,95%

 

40,83%1)

 

40,88%2)

 

¹) auf Erstgespräche bezogen, erhoben in 6 Schuldnerberatungsstellen
²
) auf Erstgespräche bezogen, erhoben in 9 Schuldnerberatungsstellen

Anteil der Arbeitslosen am Klientel:

2000: 23,68%
2001: 26,74%
2002: 29,64%

Die Datenauswertung für das 1. Halbjahr 2003 ist noch nicht abgeschlossen, sodass
die Zahlen noch nicht zur Verfügung gestellt werden können.

Frage 10:

Die Verschuldung ist selten auf einen einzelnen Faktor zurückzuführen, sondern be-
ruht meist auf einer Kombination mehrerer Faktoren. Die am häufigsten genannten
Gründe für Verschuldung sind nach Auskunft der ASB Schuldnerberatungen GmbH
folgende:

Umgang mit Geld (26%)
ehemalige Selbständigkeit (25%)


Arbeitslosigkeit (21%)
Scheidung / Trennung (20%)
Wohnraumschaffung (16%)
Bürgschaft / Haftungen (9%)
Unfall/Krankheit/Tod (6%)

Gläubigerverteilung:

Reiht man die Gläubiger von Verschuldeten nach der Häufigkeit, so sind Kreditinsti-
tute (31%), gefolgt von Versandhäusern (11%) und Dienstleistungsbetrieben (11%)
die am häufigsten vertretenen Gläubigergruppen. Gemessen am Verschuldungsvo-
lumen nehmen die Kreditinstitute mit Abstand den ersten Rang ein.

Frage 11:

Das Ansteigen der Verschuldung von privaten Haushalten erfordert ein rasches
Handeln der Konsumentenpolitik. Maßnahmen zur Gegensteuerung werden auf un-
terschiedlichen Ebenen ergriffen:

Ich setze in diesem Bereich vor allem auf die gezielte und zielgruppenorientierte
Verbraucherinformation. Die Publikationen des Ressorts setzen sich zum einen mit
präventiven Maßnahmen zur Verhinderung der Verschuldung auseinander und zei-
gen zum anderen Auswege aus der Verschuldung. In Planung ist eine gesonderte
Publikationsreihe zum Thema Verschuldung, die sich speziell an Jugendliche wen-
det, um diese in einer ihrem Alter entsprechenden Weise über die wichtigsten Ursa-
chen der Verschuldung bzw. Überschuldung sowie darüber zu informieren, was im
Falle von Problemen zu tun ist.

Weiters ist es mir ein wichtiges Anliegen, den Belangen des Konsumentenschutzes
im Rahmen der Verbrauchererziehung in den Schulen mehr Raum zu verschaf-
fen. Dem Thema „Geschäfte von Jugendlichen und Umgang junger Menschen mit
Geld" sollte hier besonderes Augenmerk geschenkt werden. Dazu habe ich bereits
Gespräche mit Frau Bundesministerin Dr. Gehrer geführt und eine interministerielle
Arbeitsgruppe eingerichtet.

Als weitere Maßnahme ist mir die Rechtsdurchsetzung im Zusammenhang mit
Verschuldung ein wichtiges Anliegen. Im Rahmen des Klagsprojektes des Ressorts
mit dem Verein für Konsumenteninformation ist ein Schwerpunkt dem Thema Fi-
nanzdienstleistungen und damit auch der Verschuldung gewidmet. Sittenwidrige
Bürgschaften mittelloser Angehöriger waren mehrmals Gegenstand von Musterpro-
zessen. Ein konkreter Fall dazu steht unmittelbar vor Genehmigung. Weiters sind
aktuell mehrere Verfahren wegen falscher Anlageberatung anhängig, die erhebliche
finanzielle Nachteile für Konsumenten nach sich gezogen hat (Argentinien Anleihen,
Boden-lnvest Beteiligungs GesmbH).

Der verbesserte Zugang Verschuldeter zum Privatkonkurs ist ebenfalls Gegenstand
des Engagements des Konsumentenschutzressorts. Die Insolvenzrechtsnovelle
2002 hat hier wesentliche Verbesserungen gebracht. Gleichwohl sind bestimmte
Personen nach wie vor vom Privatkonkurs ausgeschlossen. Seitens des Ressorts
wird eine Studie in Auftrag gegeben werden, im Rahmen derer die Erfahrungen mit


dem Privatkonkurs ausführlich beleuchtet werden. Insbesondere sollen Gründe für
ein Scheitern des Verfahrens erhoben und abgeklärt werden, ob bzw. inwieweit die
Anforderungen des Privatkonkurses zu hoch sind.

Auch im Bereich des Zivilrechts setzt sich das Konsumentenschutzressort für Ver-
besserungen ein, die die Verschuldung hintanhalten sollen. Insbesondere wird eine
Regelung eingefordert, wonach Zahlungen vorrangig auf das Kapital und erst nach-
rangig auf Zinsen und Kosten angerechnet werden sollen.

Weiters ist im europäischen Kontext das Engagement des Konsumentenschutzres-
sorts bezüglich des Vorschlags der Europäischen Kommission zur Verbraucherkre-
dit-Richtlinie
zu erwähnen. Diskutiert werden Bestimmungen über eine verantwor-
tungsvolle Kreditvergabe, erhöhte Informationspflichten der Kreditinstitute sowie eine
restriktivere Handhabung von Kontoüberziehungen.

Frage 12:

Die Förderung der Schuldnerberatungsstellen ist in den Sozialhilfegesetzen von
Oberösterreich und Niederösterreich ausdrücklich als Leistung des Landes definiert.
In allen anderen Bundesländern erfolgt die Finanzierung faktisch ebenfalls durch das
Land (in der Regel zu 75 % durch das Land und zu 25 % durch Förderungen der
AMS-Landesstellen). Nach meinem Informationsstand hat der Bund bisher keine
Förderungen an einzelne Schuldnerberatungsstellen der Länder gewährt.

Gleichwohl fördert das Konsumentenschutzressort seit vielen Jahren - ebenso wie
das Bundesministerium für Justiz - den Dachverband der Schuldnerberatungsstel-
len, die ASB Schuldnerberatungen GmbH und damit indirekt die Schuldnerberatun-
gen der Länder: Die ASB organisiert die bundeseinheitliche Ausbildung der Schuld-
nerberater, was angesichts des Umstandes, dass kein gesetzliches Berufsbild für
Schuldnerberater besteht, von großer Bedeutung ist und hat weiters qualitätssi-
chernde Maßnahmen für die Tätigkeit der Schuldnerberatungen ergriffen (Audito-
ring). Weiters wurde über die ASB Schuldnerberatungen GmbH sichergestellt, dass
sich die bei ihr organisierten Schuldnerberatungen an ein Haftungssystem für ihre
Beratungstätigkeit angeschlossen haben. Die ASB genießt allgemeine Anerkennung,
was auch darin seinen Niederschlag gefunden hat, dass dem Dachverband bei An-
trägen von Schuldnerberatungsstellen auf Bevorrechtung gem. Artikel
XII der Kon-
kursordnung ein Recht auf Stellungnahme eingeräumt wurde.

Aktuell ist die Konsumentenschutzsektion in Gesprächen mit der Geschäftsführung
der ASB Schuldnerberatungen GmbH über weitere Förderungen an den Dachver-
band im Zusammenhang mit folgenden Themen:

    Wie erwähnt, existiert kein gesetzliches Berufsbild für Schuldnerberater. Dies hat
erkennbar Nachteile für Konsumenten und KonsumentInnen. Angesichts des An-
steigens der Zahl der Verschuldeten reicht die Kapazität der gemeinnützigen
Schuldnerberatungsstellen der Länder nicht aus, um den Ansturm der Ratsu-
chenden zu bewältigen. In Wien muss ein neuer Klient derzeit mit einer Warte-
zeit von 5 Monaten für einen Beratungstermin rechnen. Folge dieser langen
Wartezeit ist, dass Schuldner zu kommerziellen Schuldnerberatern ausweichen,
und dadurch (zumindest) finanzielle Nachteile haben. So bezeichnen sich zuwei-


len Inkassobüros als Schuldnerberater und bieten „Hilfe" an. Problematisch ist
jedenfalls die Tätigkeit von Kreditvermittlern, die Umschuldungen anbieten, die
letztlich zu einer Erhöhung der Verschuldung führen. Ganz grundsätzlich stellt
sich die Frage der rechtlichen Qualifikation sowie der Vorsorge für einen Haf-
tungsfall. Vorläufig kann nicht abgeschätzt werden, in welcher Größenordnung
„Schuldnerberatung" von nicht gemeinnützigen Schuldnerberatungsstellen
durchgeführt wird. Zu dieser Frage ist eine Erhebung durch die ASB geplant, um
nähere Informationen über die Arbeitsweise und die Haftungsvorsorge dieser
Einrichtungen zu erlangen. Möglicherweise wird diese Erhebung einen gesetzli-
chen Handlungsbedarf für ein gesetzliches Berufsbild aufzeigen.

        Weiters soll die ASB Schuldnerberatungen GmbH mit der Auswertung der bisher
abgeschlossenen Privatkonkursverfahren betraut werden. Im Jahr 2002 sind die
ersten „Abschöpfungsverfahren" des neuen Privatkonkurses abgeschlossen wor-
den. Nunmehr sollen die Erfahrungen mit der neuen Rechtsmaterie ausgewertet
werden. Insbesondere soll auch abgeklärt werden, in welcher Größenordnung
und aus welchen Gründen Privatkonkurse nicht erfolgreich abgeschlossen wer-
den konnten. Die Ergebnisse dieser Auswertungen können möglicherweise ei-
nen legistischen Handlungsbedarf für Änderungen des Privatkonkurses aufzei-
gen. Zu denken ist hier insbesondere an eine Herabsetzung der Mindestquote
von 10% der Forderung, um in den Genuss der Restschuldbefreiung zu kom-
men.

Das Ergebnis beider Erhebungen soll Basis für die konsumentenpolitische Tätigkeit
meines Ressorts im Zusammenhang mit der Verschuldung bilden.

Eine weitere Unterstützung der Schuldnerberatungen durch mein Ressort erfolgt
durch die Zurverfügungstellung von Informationsbroschüren und F
oldern zum Thema
Verschuldung. Diese Publikationen werden in großer Stückzahl an die Schuldnerbe-
ratungsstellen abgegeben und von diesen an Rat suchenden Klienten weitergege-
ben.

Frage 13:

Das Konsumentenschutzressort ist im Jahr 2002 eine strategische Entwicklungs-
partnerschaft hinsichtlich des EU-Projektes EQUAL eingegangen.

EQUAL ist eine europäische Gemeinschaftsinitiative mit dem Ziel der Bekämpfung
von Diskriminierung und Ungleichheiten im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt.
Im Rahmen dieses Projektes sollen insbesondere neue Methoden entwickelt wer-
den, die Diskriminierungen und Ungleichheiten entgegenwirken bzw. die der präven-
tiven Bekämpfung der Arbeitslosigkeit dienen. Alle EU-Mitgliedsstaaten sind in diese
Initiative eingebunden. Das österreichische Programm wurde im Mai 2001 seitens
der Europäischen Kommission genehmigt; dessen Umsetzung erfolgt durch einzelne
Entwicklungspartnerschaften.

Das Konsumentenschutzressort ging über Initiative der ASB Schuldnerberatungen
GmbH, eine Entwicklungspartnerschaft zum Projekt „Schulden-Shredder" ein. Im
Rahmen dieses Projektes will man sich mit dem Thema der Gemeinschaftsinitiative
EQUAL aus dem Blickwinkel der Verschuldung auseinander setzen.


Die Erfahrung der Schuldnerberatung zeigt nämlich, dass der „Privatkonkurs" für
bestimmte Personengruppen nicht greift. Arbeitslose, Personen in kurzzeitigen Ar-
beitsverhältnissen bzw. mit geringem Einkommen (insbes. auch AlleinerzieherInnen
bzw. Karenzgeldbezieherlnnen) haben de facto die Möglichkeit eines Schuldenregu-
lierungsverfahrens nicht.

Weiters sind aufgrund des erhöhten Zeit- und Arbeitsaufwandes für den Arbeitgeber
Personen, die von einer Exekution bedroht sind, vom Verlust des sicheren Arbeits-
platzes bedroht bzw. haben geringere Chancen, wieder in den Arbeitsprozess einge-
gliedert zu werden. Geplant sind daher Maßnahmen für eine zielgruppenspezifi-
sche Unterstützung
verschuldeter bzw. überschuldeter Personen mit dem Ziel,
schnellere und gezielte Entschuldungsvarianten zu entwickeln und damit eine höhere
Chancengleichheit am Arbeitsmarkt zu erreichen. Für die Betroffenen sollen speziel-
le Angebote entwickelt werden; ArbeitgeberInnen sowie ArbeitsvermittlerInnen
sollen für diese Personengruppe und ihre Probleme sensibilisiert werden, aktiv
selbständige Kleinunternehmer
Innen sollen bei der ordnungsgemäßen Beendi-
gung des Unternehmens und der Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit (Ar-
beitsmarktintegration) unterstützt werden. Durch die geplanten Maßnahmen soll ins-
besondere auch die Qualität der Beratung in den Schuldnerberatungen wesent-
lich gesteigert werden.
Derzeit ist Schwerpunkt der Schuldnerberatungen die Bera-
tung bzw. Begleitung von Personen im Zusammenhang mit dem „Privatkonkurs".
Demgegenüber kann bestimmten Personengruppen - für die der Privatkonkurs nicht
greift, kaum Hilfe geboten werden. Unterstützende Maßnahmen wären aber gerade
für diese Gruppen, nämlich die sozial Schwächsten, notwendig. Maßnahmen könn-
ten unter anderem in die Richtung gehen, dass Unterstützung bei der Erlangung von
Förderungen gewährt wird bzw. eine spezifische Haushaltsberatung durchgeführt
wird.

Erste Zwischenergebnisse liegen vor: Nach Fertigstellung der zielgruppenspezifi-
schen Beratungskonzepte und einer ersten Probephase zeigt sich, dass insbesonde-
re im Langzeitarbeitslosenbereich, bei Alleinerzieher
Innen in Wohngemeinschaften
und Haftinsassen sehr hoher Beratungsbedarf besteht. Positiv angenommen wurden
Gruppeninformationsabende, die von den TeilnehmerInnen als sehr motivierend und
konstruktiv bezeichnet wurden. Im November wird ein mehrtägiges internationales
ExpertInnentreffen zum Thema "Arbeitslosigkeit und Verschuldung" stattfinden.