702/AB XXII. GP

Eingelangt am 10.09.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Finanzen

 

Anfragebeantwortung

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage vom 10. Juli 2003, Nr. 695/J,
der Abgeordneten Dr. Gabriele Moser und Kollegen, betreffend Vergabe der
Beratungs- und Verkaufsleistungen für die Veräußerung der Bundeswohn-
baugesellschaften, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

Schon einmal wurde versucht - damals von einer SP-geführten Bundesre-
gierung - im Eigentum des Bundes befindliche Wohnungen zu verkaufen.
Mangels einer professionellen Vorbereitung bzw. Abwicklung kam dieser Ver-
kauf aber nicht in der geplanten Form zu Stande.

Im Jahr 1997 sollten die 3 Eisenbahnsiedlungsgesellschaften des Bundes
sich um 180 Mio ATS selbst kaufen und sich sodann mit einer weiteren
ÖGB-nahen Wohnbaugesellschaft verschränken.

Dieser Betrag entsprach nur rund 1,5% des Verkehrswertes der
3 Gesellschaften, der bei ungefähr 12,2 Mrd ATS lag. Allein der Mietvertrag
der Gesellschaften wurde damals mit 700 Mio ATS beziffert.


Da auch die neue Regierung der Ansicht ist, dass es nicht zu den Kern-
aufgaben des Staates gehört, Wohnungen zu besitzen, hat diese bereits in
der vergangenen Legislaturperiode beschlossen, die Wohnbaugesellschaften
bestmöglich zu verwerten. Auch das jetzige Regierungsprogramm sieht die
Fortführung der Privatisierung der Bundeswohnbaugesellschaften vor.

Es ist daher ein effizienter Weg der Verwertung unter gleichzeitiger Wahrung
des Besitzstandes der Mieter zu beschreiten.

Auch andere Staaten haben diesen Weg eingeschlagen und ihren im Staats-
besitz befindlichen Wohnungsbestand veräußert. Als Beispiele seien in
diesem Zusammenhang folgende Projekte angeführt:

Veräußerung des umfangreichen Immobilienbesitzes der Telecom Italia, der
Ferrovie Dello Stato (Italienische nationale Eisenbahngesellschaft) und von
sieben italienischen Sozialversicherungsbehörden.

Allen diesen Beispielsfällen ist gemeinsam, dass sich der italienische Staat
zur bestmöglichen Verwertung Berater mit internationaler Erfahrung
bediente.

Aber auch in anderen Ländern wie den USA und Großbritannien war
Lehman als Berater bei großen Liegenschaftstransaktionen tätig. Aus
Gründen der Verpflichtung zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen und
den Bestimmungen des § 21 Abs. 5 und des § 40 Bundesvergabegesetz kann
ich hier aber keine näheren Details nennen, da bei Verletzung dieser
Bestimmungen auch Schadenersatzansprüche für die Republik Österreich
entstehen können.


Zur Problematik der Bekanntgabe aller in der Anfrage gewünschten Daten
ist zu bemerken, dass in einem Vergabev
erfahren nach dem Bundesvergabe-
gesetz zwischen Ausschreibenden und Anbietern ein besonderes Vertrauens-
verhältnis entsteht. Im Zuge der Prüfung der Eignungskriterien aber auch
zur Ermittlung der wirtschaftlichen und technischen Leistungsfähigkeit
haben die Anbieter bzw. Bewerber (im Verhandlungsverfahren) Fakten,
Zahlen und Daten bekannt zu geben, die vielfach unter das sogenannte
Firmergeheimnis fallen und aus Konkurrenzgründen nicht dazu geeignet
sind, in der Öffentlichkeit bekannt gegeben zu werden.

Nicht zuletzt aus diesem Grund ist im § 21 Abs. 5 Bundesvergabegesetz
folgendes normiert:

"Auftraggeber, Bewerber und Bieter haben den vertraulichen Charakter allen
den Auftraggeber als auch die Bewerber und Bieter und deren Unterlagen
bet
reffenden Angaben zu wahren."

Das Bundesvergabegesetz sieht zur Wahrung der Transparenz und zur
Sicherung der Verpflichtung zur Gleichbehandlung aller Bieter vor, dass
bestimmte Angaben über Bieter, Zuschlag und Preis zu veröffentlichen sind.
§ 40 Bundesvergabegesetz schränkt jedoch ein, dass der Inhalt der Ver-
öffentlichung "............. die berechtigten geschäftlichen Interessen öffent-
licher oder privater Unternehmen bzw. den Wettbewerb zwischen den Unter-
nehmen nicht beinträchtigen darf.

Da bei Verletzung dieser Bestimmungen unter Umständen auch Schadener-
satzpflichten für die Republik Österreich entstehen könnten, ersuche ich um
Verständnis dafür, dass ich bei der Beantwortung der konkreten Fragen auf
diese Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes, des Datenschutzgesetzes
und auf die Bestimmungen zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit bzw. des
Geschäftsgeheimnisses Rücksicht nehmen muss.


Zu 1.:

Es ist geradezu eines der Charakteristika des Verhandlungsverfahrens mit
öffentlicher Bekanntmachung gemäß § 23ff BVergG, dass in der ersten Stufe
aus den eingelangten Teilnahmeanträgen nach Kriterien, die vorher im
Rahmen zur Aufforderung zur Teilnahme am Verhandlungsverfahren ver-
öffentlicht wurden, eine beschränkte Anzahl von Bewerbern zur weiteren
Teilnahme am Verfahren ausgesucht wurden.

Die Vorgangsweise, wie aus der theoretisch unbeschränkten Anzahl von
Teilnahmeanträgen die beschränkte Anzahl von Bietern auszuwählen ist, die
am weiteren Verfahren teilnehmen kann, ist im § 34 BVergG festgelegt.

Alle entsprechenden Bestimmungen wurden im konkreten Vergabeverfahren
eingehalten. Weiters wurden alle Akten, Niederschriften, Protokolle etc.
während des gesamten Verfahrens in Kopie dem Rechnungshof übermittelt.
Im § 34 (5) BVergG ist festgelegt, dass die Anzahl der zuzulassenden Teil-
nehmer bei Vorhandensein genügend geeigneter Bewerber nicht unter drei
liegen darf; das Bundesministerium für Finanzen hat fünf Teilnehmer zuge-
lassen.

Im ganzen Bundesvergabegesetz gibt es keine Bestimmung, dass der Preis
der angebotenen Leistung zwischen 30 und 70% zu gewichten ist, die fest-
gesetzten Eignungs-, Auswahl- und Zuschlagskriterien haben in nichtdis-
krimi
nierender Art und Weise festgelegt zu werden und sind im Vorhinein
bekannt zu machen. Dies ist im gegenständlichen Verfahren selbstverständ-
lich geschehen.

Ich kann die Frage, warum der Preis keine Rolle gespielt hätte - was natür-
lich unzutreffend ist - mir so verstehen, dass die Anfragesteller vom soge-
nannten "Billigstbieterprinzip" ausgehen, das Bundesministerium für


Finanzen aber nach dem "Bestbieterprinzip" im Sinne des BVergG die Aus-
wahl getroffen hat.

Zu 2. - 5.:

Alle Kriterien, nach denen die Teilnahmeanträge zu bewerten waren, waren
selbstverständlich im Vorhinein festgesetzt und wurden sowohl im
Supplement zum Amtsblatt der EU als auch im amtlichen Teil der Wiener
Zeitung eu-weit bzw. innerstaatlich veröffentlicht; die Frage nach der Nach-
weislichkeit des öffentlichen Bekanntseins der Auswahlkriterien erübrigt
sich daher.

Dass die Kriterien sowohl dem Gleichbehandlungs- als auch dem Nichtdis-
krimmierungsgrundsatz entsprachen ist selbstverständlich und ist auch
daran zu sehen, dass kein Bieter ein Rechtsmittel dagegen ergriffen hat,
obwohl derartige Einwendungen durch das BVergG zulässig sind. Die Aus-
wahl der 5 Bieter erfolgte nach den veröffentlichten Kriterien aufgrund einer
einstimmigen kommissioneilen Entscheidung auf Basis einer Vorauswertung
aller Teilnahmeanträge durch die beiden am Verfahren beteiligten externen
Sachverständigen (zwei Universitätsprofessoren).

Die Festsetzung der Auswahlkriterien und deren Gewichtung erfolgte durch
den Auftraggeber in Zusammenarbeit mit den beiden externen Sachverstän-
digen sowie einer auf Vergaberecht spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei.

zu 6. - 9.:

Da sie jetzt vom Leistungsverzeichnis sprechen, gehe ich davon aus, dass ab
Frage 6 die zweite Stufe des Verhandlungsverfahrens gemeint ist. dh. das
konkrete Verfahren mit den in der 1. Stufe ausgewählten 5 Bietern.


Die Zulässigkeit von Subunternehmern, deren Eignungsnachweiserbringung
und die Möglichkeit zur Weitergabe von Teilen der Leistung, war in den Aus-
schreibungsunterlagen unter Punkt A15 festgelegt.

Im folgenden zitiere ich den wesentlichsten Inhalt dieses Punktes:
"Die Weitergabe des gesamten Auftrags ist unzulässig. Die Weitergabe von
Teilen der Leistung ist nur so weit zulässig, als der Subunternehmer die für
die Ausführung seines Teiles erforderliche Eignung besitzt. Diese Eignung ist
durch den Bieter nachzuweisen.

Der Bieter hat im Angebot bei den Teilen des Auftrages, die er möglicher-
weise im Wege von Subaufträgen an Dritte zu vergeben beabsichtigt, de-
tailliert anzugeben:

- sämtliche Leistungsteile die an Subunternehmer vergeben werden sollen
an welche Subunternehmer diese vergeben werden sollen, und hat

- zum Beweis der Plausibilität seiner Angebotspreise verbindliche Subunter
nehmerangebote für diese Teile vorzulegen."

Zu 10.:

Der Zuschlag an den Bestbieter Lehman Brothers erfolgte innerhalb der vor-
gesehenen Zuschlagsfrist.

Allein die Mindestfristen, die das BVergG den Bietern zur Angebotsabgabe
ein
räumt, betragen rund 3 Monate. Hinzu kommen die Zeiträume für Aus-
wertungen, schriftliche Beantwortung aller Bieterfragen, Verhandlungs-
runden, Prüfung von Unterlagen, Kommissionssitzungen etc. Ein derartig
komplexes Verfahren wie das vorliegende erfordert aufgrund des enormen
Arbeitsaufwandes und nicht zuletzt auch wegen der gebotenen Genauigkeit
(Gefahr von Anfechtungen) seine Zeit.


Zu 11.:

Lehman Brothers haben, sowie die meisten Mitbieter angeboten

entweder Anteilsverkauf (Share Deal),

oder         Verwertung der Gesellschaften und deren Vermögen

oder         die sogenannte "Verbriefungsvariante" (= Verkauf der zukünftigen

Erträge der Gesellschaften).

Weiters hat Lehmann Brothers ein optimiertes Kombinationsverfahren aus
Anteilsverkauf und Verbriefung angeboten.

Zu 12.:

Für ein derart komplexes und umfangreiches Verfahren ist zur Erzielung des
bestmöglichen Gewinnes für die Republik Österreich die Expertise eines auf
diesem Gebiet international erfahrenen externen Beraters/Investment-
Bankers notwendig. Wie man aus den im Ausschreibungsverfahren vorge-
legten Referenzen entnehmen kann, ist diese Vorgangsweise auch in anderen
EU-Mitgliedstaaten durchaus nicht ungewöhnlich. Ich verweise hiezu auf die
in der Einleitung angeführten Beispielsfälle, deren Liste jederzeit erweiterbar
ist. Im übrigen bedient sich auch die ÖIAG bei derart umfangreichen und
komplexen Projekten externer Berater.

Zu 13.:

Wie ich bei dieser Anfrage äußerst ausführlich dargelegt habe, wurde der
Bestbieter in einem eu-weiten öffentlichen Ausschreibungsverfahren er-
mittelt. Eine Vermittlung eines Bieters an das Bundesministerium für
Finanzen war daher schon technisch nicht möglich.

Zu 14. und 15.:

Wie ich bereits mehrmals anlässlich der Beantwortung von parlamentari-
schen Anfragen ausgeführt habe, erfolgten an Herrn Muhr durch mich oder
das Bundesministerium für Finanzen keine Provisionszahlungen, da er - wie
ich zu 13. dargelegt habe - auch keine Vermittlungsleistungen für das


Bundesministerium für Finanzen erbracht hat. Im übrigen verweise ich auf
meine einleitenden Ausführungen.