769/AB XXII. GP

Eingelangt am 10.10.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Verkehr, Innovation und Technologie

 

Anfragebeantwortung

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 767/J-NR/2003 betreffend Vernichtung von
Steuergeldern, die die Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde am 12. August 2003 an
mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

Vorweg ist festzuhalten, dass es tatsächlich absurd wäre, für ein Schienenfahrzeug eine
behördliche Baugenehmigung zu erteilen und danach die Betriebsbewilligung zu verweigern. Dies
ist auch bisher nie geschehen und zwar auch dort nicht, wo (wie seit einigen Jahren) das bmvit für
die Erteilung der Genehmigung aufgrund von Typenplänen und der Landeshauptmann danach für
die Erteilung der Betriebsbewilligung zuständig ist. Es ist richtig, dass es vor zweieinhalb Jahren im
Zuge der Genehmigung der von Ihnen angeführten Niederflurstraßenbahn des Siemens-Typs Ulf
zu einer mehrmonatigen Verzögerung der Erteilung der Typengenehmigung kam, wofür damals
eklatante Mängel der technischen Dokumentation des Fahrzeugs seitens des Herstellers Ursache
waren. Diese Probleme sind aber längst beseitigt, und derzeit gehen die fabrikneuen Straßen-
bahnen nach Auslieferung und einer behördlichen Erprobung im Auftrag des Landeshauptmanns
binnen weniger Tage in den Planbetrieb. Es gibt keine Bestrebungen, das hohe technische Niveau
dieses Fahrzeugtyps zu senken - schon gar nicht auf Betreiben meines Ressorts - wohl aber
haben die Wiener Linien eine Anfrage gestellt, die extrem störungsanfällige Absenkhydraulik der
Fahrzeuge vorerst versuchsweise durch eine manuell zu bedienende Rollstuhlrampe (wie bei
hunderten Niederflurstraßenbahnen und Niederflurbussen in Europa bewährt) zu ersetzen. Da
diese Anfrage erst vor wenigen Wochen eingegangen ist, erfolgte noch keine Beantwortung durch
das bmvit.

Die von Ihnen mehrfach angeregte nationale österreichische Fahrzeugbauordnung gibt es vor
allem deshalb nicht, weil seit einigen Jahren auf Ebene der europäischen Union eine solche im
Entstehen ist, die unter dem Titel „Technische Spezifikation für die Interoperabilität" seit April 1999
für Hochgeschwindigkeitsverkehr und voraussichtlich ab 2006 für den konventionellen Eisenbahn-
verkehr technische Rahmenbedingungen festlegen und den von Ihnen kritisierten, aber auch
langfristig unentbehrlichen weltweit geltenden UIC-Kodex ergänzen und partiell ablösen wird. Ein
nationaler Alleingang wäre weder zweckmäßig noch mit geltendem EU-Recht vereinbar. Dieser
UIC-Kodex war und ist eine notwendige technische Richtlinie, damit Fahrzeuge grenzüber-
schreitend eingesetzt werden können.

Die Experten des bmvit sind über die Entwicklung der Fahrzeugtechnik im Ausland, insbesondere
der Europäischen Union sowie der Schweiz informiert, auch gibt es mehrmals im Jahr
gemeinsame Besprechungen mit den Zulassungs- und Aufsichtsbehörden Deutschlands, der


Schweiz, Italiens und in jüngster Zeit auch der Tschechischen Republik. Ziel ist eine weitgehende
Harmonisierung der Zulassungsverfahren, was naturgemäß auch im Interesse der weitgehend
europäisierten Schienenfahrzeugindustrie liegt.

Frage 1:

Welche technischen Regelungen hat das BMVIT für die Ausgestaltung und Ausrüstung von
Schienenfahrzeugen erlassen, die folgende Werte regeln:

- Prallplatten für Rollstuhlfahrer (falls für Rollstuhlplatz erforderlich)

- Zulässige Beschleunigungs- oder Verzögerungswerte

- Platzbedarf pro Fahrgast

- Hörbehindertengerechte Ausrüstung

(Die Straßenbahnverordnung ist aufgrund ihrer Nebulosität als Antwort nicht geeignet, empfohlen

wird hier der Blick nach Deutschland)

Antwort:

Erforderliche Mindest-Beschleunigungswerte sind in der österreichischen Straßenbahnverordnung
(§ 36 bzw. Anlage 1) übereinstimmend mit der deutschen BOStrab geregelt, ebenso die den
verschiedenen Berechnungsgrößen zugrundeliegenden Flächenbedarfsermittlungen für
Fahrgäste. Was die von Ihnen angesprochenen Prallplatten betrifft, so sind diese auf Grund der
Wünsche von Behinderten in einigen wenigen Straßenbahnen realisiert, sie stammen jedoch vom
Autobus, dessen in der Kraftfahrzeugverordnung definierten mittleren Mindestbremsverzöge-
rungen deutlich höher liegen als in sämtlichen Schienenfahrzeugen. Es erscheint wesentlich
realitätsnäher, die Wünsche der lokal vertretenen Behindertenorganisationen zu respektieren, statt
eine starre bundeseinheitliche Regelung zu erlassen. Der hörbehindertengerechten Gestaltung
wird durch verbesserte optische Anzeigen außen am Zug (Linie, Fahrziel), sowie innen (nächste
Haltestelle, Fahrziel) entsprochen. Die Mindestanforderungen hierfür stehen in § 48 der
Straßenbahnverordnung.

Frage 2:

Wieso kann eine Baugenehmigung für ein Schienenfahrzeug erteilt werden, wenn anschließend
für das gemäß eben dieser Baugenehmigung hergestellte Fahrzeug vom BMVIT die Betriebs-
bewilligung verweigert wird?

Antwort:

Diese rechtliche Situation würde keinen Sinn machen und kommt daher auch nicht vor. Vielmehr
wird in fast jedem Fall bei der behördlichen Genehmigung von Schienenfahrzeugen Bau-
genehmigung und Betriebsbewilligung miteinander verbunden. Wie bereits in der Einleitung
richtiggestellt, wurde einem baugenehmigten Fahrzeug noch nie die Betriebsbewilligung
verweigert, sofern die baugleiche Ausführung sichergestellt war.

Frage 3:

Was werden Sie tun, damit durch diese "Verwaltungs"praxis des BMVIT bei der Genehmigung von
Fahrzeugen keine Wettbewerbsverzerrungen für den Wettbewerb zwischen Eisenbahnunter-
nehmen oder den Wettbewerb zwischen den Herstellern von Schienenfahrzeugen entstehen?

Antwort:

Wie bereits einleitend festgestellt, kommt es in gewissen Fällen (Straßenbahnen, Nebenbahnen)
zur Kompetenzteilung, aber immer in der Reihenfolge:


1. Typengenehmigung durch das bmvit oder Baugenehmigung im Einzelfall durch den
Landeshauptmann und

2. Betriebsbewilligung durch den Landeshauptmann und nie umgekehrt! Ich möchte Sie im
übrigen darauf aufmerksam machen, dass diese von Ihnen kritisierte Rechtslage auf einen
Initiativantrag der Abgeordneten des Nationalrates, der von diesen auch beschlossen wurde,
zurückzuführen ist.

Zu den Maximalwerten der Beschleunigungen wurden vor einigen Jahren Messungen (Zeitverlauf)
durchgeführt. Da hier die Physik klare Grenzen zieht (Reibungsverhältnisse Rad/Schiene,
Kräftespiel Bremsscheibe/Bremszange usw.) und durch moderne Bremssteuerungen hier ein
wesentlich glatterer Verlauf (geringere Ruckwerte) als noch vor einigen Jahren unter allen
Bedingungen gewährleistet ist, sieht das bmvit weder diesbezüglichen Handlungsbedarf noch
internationale Vorbilder hierfür. Die Festlegung eines maximal zulässigen Beschleunigungswertes
scheitert aber auch daran, dass (zum Unterschied zum über den Weg gemittelten Wert der
Mindestbremsverzögerung das kritische Verhalten des Fahrzeuges hinsichtlich der
Insassensicherheit nicht durch einen Mittelwert der Verzögerung sondern durch einen kurzzeitig
auftretenden Momentanwert bestimmt wird bzw. durch den sog. Ruck. Außerdem muss es im
Ermessen des Fahrers bleiben, einen der entsprechenden Verkehrssituation angemessenen
Bremsvorgang einzuleiten.

Selbstverständlich werden alle Fahrzeughersteller und Eisenbahnunternehmen bei Anfragen oder
im konkreten Genehmigungsverfahren gleich behandelt. In vielen Fällen werden von den
Technikern des bmvit Probleme - oft sogar in gemeinsamen Besprechungen mit mehreren
konkurrierenden Firmen / Betreibern - eingehend erörtert.

Fragen 4 und 5:

Wie hoch ist der finanzielle Aufwand für dieses HINTERHER-'VERWALTEN" des BMVIT?

Wie hoch ist der finanzielle Schaden, der Eisenbahnunternehmen durch dieses HINTERHER-
"VERWALTEN" des BMVIT entsteht? Werden Sie z.B. den Wiener Linien ihrer Schaden ersetzen?

Antwort:

In der Praxis findet eine entwicklungsbegleitende Begutachtung durch unabhängige Prüfstellen
und die Sachverständigen des bmvit statt, wodurch nicht genehmigungsfähige Fehlentwicklungen
frühzeitig erkannt werden. Die Kontakte, die die Sachverständigen des bmvit zu Herstellerfirmen
im In- und Ausland sowie zu allen Betreibern unterhalten, sollen solche Fehlentwicklungen
vermeiden. Dennoch gibt es Fälle, bei denen durch ungenügende Spezifikationen im Pflichtenheft
bei der Bestellung oder Ausschreibung im Nachhinein Probleme entstehen, die bei Abstimmung
der Pflichtenhefte mit der Behörde vermeidbar gewesen wären.

Frage 6:

Wie viele Planstellen im BMVIT können eingespart werden, wenn diese skurrile
"Verwaltungs"praxis des BMVIT endlich abgestellt wird?

Antwort:

Mit der Genehmigung von Fahrzeugen sind derzeit im bmvit drei A-Bedienstete und eine B-
Bedienstete - neben anderen Aufgaben - befasst.


Frage 7:

Bis wann werden Sie dieses HINTERHER-'VERWALTEN" des BMVIT endlich abstellen? Bis wann
wird das BMVIT von Genehmigungsversuchen zu haltbaren Genehmigungen übergehen, d.h.
bescheidkonform gebauten Fahrzeugen die Betriebsbewilligung auch zu erteilen?

Antwort:

Im Rahmen der Umsetzung der Interoperabilitätsrichtlinien der EU wird in Zukunft das Teilsystem
Fahrzeug mit einer Konformitätsbescheinigung einer europäischen benannten Stelle auszustatten
sein, mit der eine Betriebsbewilligung nur in begründeten Ausnahmefällen verweigert werden darf.

Frage 8:

Wieso greifen die von Ihnen entsandten Vertreter im ÖBB-Aufsichtsrat nicht ein, um derartige
Fehler zu vermeiden?

Antwort:

Da die Entscheidung zugunsten dieser Triebwagenfamilie in den Absatzbereich der ÖBB fällt, steht
dem bmvit seit Inkrafttreten des Bundesbahngesetzes 1992 hinsichtlich des
Beschaffungsvorganges kein Weisungsrecht zu.

Frage 9:

Die ÖBB-Version des "Talent" ist NICHT BEHINDERTENGERECHT.

Wieso wurde die Frage 7 der Anfrage 347/J-NR/2003 in der Anfragebeantwortung 361/AB XXII.

GP UNRICHTIG beantwortet worden? Wurde die Beantwortung durch die ÖBB erstellt?

Antwort:

In der Anfragebeantwortung durch das bmvit, wurde der "Talent" nicht als "behindertengerecht",
sondern als "behindertenfreundlich" bezeichnet. Dies entspricht der im deutschsprachigen Raum in
Fachkreisen eingeführten Wortwahl.

Fragen 10 und 13:

Wieso wird im Gegensatz zur UNRICHTIG beantworteten Anfrage 347/J-NR/2003 der
entsprechende UIC-Kodex über Rollstuhlgerechtigkeit bei der ÖBB-Version des Talent" NICHT
EINGEHALTEN?

Werden die "Desiro" behindertengerecht ausgestattet oder besteht die Gefahr, dass die ÖBB den
gleichen Fehler wie beim Talent machen?

Antwort:

Das bmvit hat wegen der sich abzeichnenden Fragen der Bewegungsfreiheit von Rollstühlen in
Nahverkehrsfahrzeugen der Typen „Talent" und „Desiro" im deutschsprachigen Raum eine
Erhebung durchgeführt und kam zum Schluss, dass ebenso wie in der Schweiz und Deutschland
geringfügige Abstriche hinsichtlich des Raumangebots gegenüber dem für den Fernverkehr
gültigen U IC-Merkblatt 565-3 unvermeidbar bzw. dermaßen mit anderwärtigen Nachteilen behaftet
ist, dass dies mit Ausnahme von Fahrzeugen skandinavischer Überbreite nicht zumutbar ist. Dies
entspricht u.a. auch einer Einigung, die nach Information des verantwortlichen Herstellers (Firma
Stadier) mit der Schweizer Fachstelle "Behinderte und öffentlicher Verkehr" anlässlich der neuen
S-Bahntriebzüge des Typs "Flirt" für die Schweizerischen Bundesbahnen erzielt wurde.


Frage 11:

Am Wiener Westbahnhof gibt es einen einzigen 55 cm hohen Bahnsteig. Die Bahnhöfe Wien Süd,
Wien Nord, Wien Heiligenstadt, Wien Hütteldorf, Wien Franz Josefsbahnhof, St. Polten, Wels,
Salzburg, Bregenz, Graz, alle Bahnhöfe an der Linie S 45 in Wien, Leoben, Brück an der Mur etc.
haben ebenso wie die meisten anderen Bahnhöfe Österreichs KEINEN einzigen 55 cm hohen
Bahnsteig.

Eine Rampe für Rollstuhlfahrer für die "Doppelstockwagen" sowie die "Talente" müsste
entsprechend ÖNORM daher 210 cm lang sein (HÖHENUNTERSCHIED 21 cm!!) Der
Rollstuhlfahrer sollte zur Rampe gelangen können, wodurch sich eine FREIZUHALTENDE
MINDESTBREITE von ÜBER 3 METERN ergibt (210 + 100 cm). Dies ist auf keinem der oben
angeführten Bahnhöfe auf ausreichender Länge vorhanden.

Auf wie viel Prozent der Bahnsteige in Österreich wäre eine derartige Rampe überhaupt
einsetzbar?

Antwort:

Die technisch mögliche Bahnsteighöhe hängt von der Gleisgeometrie ab, das heißt bei einem
Bogenhalbmesser von unter 500 m ist nur eine maximale Regelbahnsteighöhe von 38 cm möglich,
da sonst der Spalt zwischen Waggon und Bahnsteigkante zu groß wäre.

Die frei zu haltenden Breiten auf einem Bahnsteig ergeben sich aus der ÖBB-Dienstvorschrift DV
B 50. Diese lässt zu, dass die Breite von Bahnsteigen in begründeten Einzelfällen reduziert werden
kann.

Es kann daher nur eine freie Breite im Regelfall an der Bahnsteigkante von 1,30 m gewährleistet
werden, da ansonsten in topographisch schwierigen Bereichen (z.B. Leoben, Brück an der Mur)
keine Bahnsteige errichtet werden könnten. Auch kann der Altbestand nicht in jedem Fall in dem in
der Anfrage geforderten Ausmaß nachgerüstet werden.

Eine Forderung nach einer „... freizuhaltenden Mindestbreite von über 3 Metern... (210 + 100 cm)
..."würde eine Bahnsteigbreite von zweimal 3,10 m + ca. 2,00 m = gesamt ca. 8,20 m verlangen.
Diese Breite ist selbst bei vielen Neubauvorhaben nur schwer realisierbar.

Fahrleitungsmaste, sicherungstechnische Einrichtungen sowie Steher für Bahnsteigdächer liegen
zum Teil ebenfalls in dem Bereich innerhalb von 3,10 m, der laut dieser Anfrage frei zu halten
wäre.

Die ÖBB haben in den letzten Jahren in enger Zusammenarbeit mit den Vertretern von
Selbsthilfeorganisationen behinderter Menschen gute Lösungen für einige Probleme gefunden,
wofür nicht zuletzt die Verleihung des Verkehrssicherheitspreises 2001 des KfV für das
Blindenleitsystem der ÖBB gemeinsam an ÖBB und Blindenverbände spricht.

Neben den technischen Bestimmungen für die Entscheidung einer Bahnsteigkantenhöhe von 38
bzw. 55 cm ist darauf zu verweisen, dass eine Reihe der aufgezählten Bahnhöfe dem Altbestand
angehört bzw. im Rahmen der Bahnhofsoffensive, wo technisch und wirtschaftlich möglich, eine
Bahnsteigkantenhöhe von 55 cm vorgesehen wird.

Zur Rampe wird bemerkt, dass die angegebenen Breitenmaße in der Regel nicht erforderlich sind,
jedoch ist die laut Anfrage geforderte Mindestbreite von 3,10 m im Regelfall nicht vorgesehen, da


dadurch die Breitenentwicklung des Bahnsteiges ein Ausmaß annimmt, das sowohl technisch
(Einschränkung bzw. Entfall des erforderlichen Verkehrsweges bzw. Fluchtweges, beengte örtliche
Verhältnisse, etc.) als auch wirtschaftlich gar nicht bzw. nur schwer realisierbar ist.
Aus den oben angeführten Gründen wurde die Fragestellung einer Rampe im Sinne der Anfrage
auf dem Bahnsteig bisher auch nicht thematisiert.

Zur Frage, wie viel Prozent der Bahnsteige in Österreich mit einer derartigen Rampe ausgerüstet
werden könnten, darf ich darauf hinweisen, dass dazu eine entsprechende Erhebung der örtlichen
Verhältnisse aller Bahnsteige erforderlich wäre.

Frage 12:

Im Rahmen der Vorstellung des "Talent" in einer Sitzung am Praterstern haben Vertreter der ÖBB
zugesagt, die noch heuer anzuschaffenden "Steuerwagen" für schnelle Reisezüge (IC) mit
fahrzeuggebundenen Hebeliften auszurüsten. Bis wann werden diese Fahrzeuge zur Verfügung
stehen?

Antwort:

Wie mir die ÖBB mitteilen, wurde das gegenständliche Fahrzeugprojekt aus kommerziellen
Gründen abgesagt. Ursache hierfür war, dass das gegenständliche Fahrzeug auf Grund der
aufwändigen Ausschreibung zu einem zu hohen Kaufpreis angeboten wurde.
Meinem Ressort steht diesbezüglich seit Inkrafttreten des Bundesbahngesetzes 1992 kein
Weisungsrecht zu.

Frage 14:

Wie viele Eisenbahnwaggons (Personenwaggons) genügen der schweizerischen Norm für
Barrierefreiheit, d.h. haben (durch technische Hilfsmittel oder intelligente Konstruktion) einen Spalt
von maximal 5 cm und eine Höhendifferenz zum Perron (Bahnsteig) von maximal 3 cm?

Antwort:

Die von Ihnen angeregten extrem kleinen Werte sind nur durch mechanische Hilfsmittel
realisierbar. Auf massive Forderung des bmvit werden die derzeit 20 von den ÖBB bestellten
Nahverkehrstriebwagen des Typs Desiro dank der Ausstattung mit elektrischen Schiebetritten - im
Gegensatz zu den Ausgangsfahrzeugen der Deutschen Bahn - dieses Kriterium erfüllen.

Frage 15:

In einigen Anfragebeantwortungen (AB03207 AB 3541 AB 3970, XXI GP.), in denen Ihre
Vorgänger das Fehlen jegliche Regelwerke des BMVIT über die Errichtung von Bahnhöfen oder
Waggons zu entschuldigen versucht haben, wurde von diesen stattdessen das ersatzweise
Heranziehen von "UIC-Merkblättern" an Stelle der fehlenden Regelwerke behauptet. Abgesehen
davon, dass der Sinn einer "Behörde" a la BMVIT, die sich vom Privat-Verein UIC sagen lässt, was
sie zu genehmigen hat, nicht sehr sinnvoll erscheint, wird dieses UIC-Merkblatt anscheinend nur
sehr selektiv angewendet.
Weshalb genehmigt Ihr Ministerium den Talent, obwohl er nicht dem UIC-Merkblatt 565-3 genügt?

Antwort:

Der UIC-Kodex umfasst mehrere hundert Merkblätter und stellt derzeit und wohl auch in abseh-
barer Zukunft das umfassendste technische Regelwerk für den grenzüberschreitenden
Eisenbahnverkehr weltweit dar. Allerdings stellen diese Merkblätter ein technisches Regelwerk
dar, das nicht in allen Einzelfällen zur Gänze angewendet werden kann. Die Einhaltung aller


Regeln der UIC-Merkblätter ist für Nahverkehrsfahrzeuge weder international üblich noch in jedem
Fall sinnvoll (z.B. Strukturfestigkeitsanforderungen, Bremssysteme usw.).

Frage 16:

Weshalb hat Ihre Behörde es wieder verabsäumt, Behindertenverbände zu konsultieren, obwohl
diese ihre Mitarbeit den verantwortlichen Beamten angeboten haben? Entspricht diese
behindertenfeindliche Haltung Ihren Wünschen oder handelt es sich um Alleingänge der Beamten
dieser "Behörde"?

Antwort:

Das bmvit hat auf die Notwendigkeit des Nachweises der Eignung des Fahrzeugtyps für
Mobilitätsbehinderte einschließlich Rollstuhlbenutzer im Zuge des Genehmigungsverfahrens
wiederholt hingewiesen. Im Zuge einer mit Nachdruck geforderten Demonstration
(Einstiegsvorgang mit Rollstuhl) stellten sich im August dieses Jahres einige Schwachstellen
heraus, denen zufolge das Fahrzeug ohne Modifikation vor allem im Einstiegsbereich nicht
genehmigungsfähig ist. Das bmvit regt bereits seit längerem mit Nachdruck eine Kontaktnahme
des Herstellers (Antragstellers) mit Behindertenverbänden an. Antragsteller ist der Hersteller und
somit verantwortlich für die Berücksichtigung möglichst aller Interessen.

Frage 17:

Wenn einer der Beamten Ihrer "Behörde" dem Vertreter einer Behindertenorganisation mitgeteilt
hat, die Genehmigung sei nicht zu versagen, da bereits 51 Fahrzeuge gebaut seien, wozu braucht
man diese "Behörde" dann noch? Man muß nur genüg Stück bauen, dann kommt die
Genehmigung automatisch?

Antwort:

Es ist unzutreffend, dass derzeit bereits 51 Fahrzeuge des Typs „Talent" gebaut sind, zur Zeit
handelt es sich um Probefahrten von Einzelgarnituren.

Frage 18:

Sind Sie als Minister über derartige unglaubliche Zustände Ihrer "Behörde" informiert, wenn ja,
warum dulden Sie diese??

Antwort:

Ich bin als Vorgesetzter dieses Ressorts über die Vorgänge, die in meinem Haus geschehen, sehr
gut informiert. Meines Erachtens liegen keine "unglaublichen Zustände" vor. Im Gegensatz zu den
von Ihnen aufgestellten Schuldzuweisungen bemüht sich die Behörde gerade bei den
gegenständlichen Fahrzeugen darum, Probleme, die bei der Ausschreibung entstanden sind,
soweit technisch und kaufmännisch möglich, zu lösen.

Frage 19:

Sowohl vom "Talent" als auch vom "Desiro" gibt es behindertengerechte Ausführungen. Weshalb
gestattet der Verkehrsminister als Eigentümer und Aufsichtsbehörde, dass die ÖBB weiterhin
veraltete Fahrzeuge kaufen, in diesem Fall die "Desiro" und "Talent".

Antwort:

Wie die Sachverständigen meines Ressort detailliert untersuchen ließen, gibt es in Mitteleuropa
keine Nahverkehrsfahrzeuge, die dem o.g. UIC-Merkblatt 565-3 entsprechen. Ganz im Gegenteil
werden die Österreich-Versionen v.a. hinsichtlich der Einstiegsituation deutlich


„behindertenfreundlicher" ausgestattet - wie in der Antwort zu Frage 14 ausgeführt - als die
deutschen Referenzfahrzeuge. Der Ersatz einer Rampe zugunsten einer Stufe im Innenraum
(außerhalb des rollstuhlzugänglichen Sektors) im ÖBB-Talent resultiert aus der partiell höheren
Fußbodenlage des elektrischen „Talent" für Österreich im Vergleich zur Deutschen Dieselversion.
Einige technische Entscheidungen fanden anhand der deutschen Fahrzeuge statt, sodass für das
künftige ÖBB-Fahrzeug Verbesserungen bei einigen Details vorgenommen wurden.

Frage 20:

Bei welchen der im Anhang Bahnhofliste angeführten Bahnhöfe werden Rollstuhlfahrer aus den
Zügen "Talent" und "Desiro" ohne fremde Hilfe niveaufrei aussteigen können?

Wir ersuchen Sie auch, die Fragen 7-9 der Anfrage 347/J-NR/2003 noch einmal zu beantworten,
diesmal bitte richtig.

(Frage 7:

Beabsichtigen Sie alle Züge barrierefrei nutzbar zu machen?

Wenn ja: Bis wann wird dieses Vorhaben umgesetzt sein?

(Detaillierte Zeitplanung der Umsetzung welcher Maßnahmen)

Wenn nein: Wie rechtfertigen Sie die Tatsache, dass Menschen mit Behinderung im öffentlichen

Verkehr, speziell bei der ÖBB noch immer eklatant diskriminiert werden?

Fragen 8 und 9:

Ist Ihnen der Artikel 7 der österreichischen Bundesverfassung bekannt? Wenn ja: Wie stehen Sie

dazu?

Warum wurde er in Ihrem Ministerium noch nicht umgesetzt?)

Antwort:

Die diesbezüglichen Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen.

Zur gewünschten nochmaligen Beantwortung der parlamentarischen Anfrage 347/J-NR/2003
Frage 7:

Diesbezüglich liegen keinerlei neue Informationen vor, abgesehen davon, dass die
Inverkehrsetzung der Talenttriebwagen sich auf den Zeitraum bis 2005 erstreckt.

Fragen 8 und 9:

Die Fragen 8 und 9 der Anfrage 347/J-NR/2003 wurden schon seinerzeit "richtig" beantwortet.
Dass mir Art. 7 B-VG bekannt ist, kann wohl vorausgesetzt werden.

Einige ergänzende Klarstellungen bezüglich Art. 7 B-VG erscheinen jedoch zum wiederholten Male
angebracht, um Missverständnissen betreffend dessen "Umsetzung" vorzubeugen:
"Mit der B-VG-Novelle BGBI. l Nr. 87/1997 ist Art. 7 Abs. 1 der Bundesverfassung durch ein
ausdrückliches Verbot der Diskriminierung von Behinderten ergänzt worden, welches an das
bestehende allgemeine Gleichheitsgebot angefügt worden ist. Wie den Gesetzesmaterialien hiezu
zu entnehmen ist (siehe den Bericht des Verfassungsausschusses, 785 der Beilagen zu den
stenographischen Protokollen des Nationalrates
XX. GP), verbietet diese Staatszielbestimmung
andere als sachlich begründbare Differenzierungen. Wenn Differenzierungen aus entsprechenden
Unterschieden tatsächlich ableitbar sind, entsprechen sie dem Gleichheitsgrundsatz. Es kommt
darauf an, ob eine rechtliche Differenzierung mit tatsächlichen Unterschieden in einer Weise
korrespondiert, die sachlich gerechtfertigt werden kann. Dieser bestehende innere Gehalt des
Gleichheitsgrundsatzes sollte durch das ausdrückliche Verbot der Diskriminierung von Behinderten
zusätzlich bekräftigt werden. Bei einer auftretenden Ungleichbehandlung von behinderten


Menschen - so der Bericht des Verfassungsausschusses - ist diese immer auf ihre sachliche
Rechtfertigung zu überprüfen." (Zitat der Anfragebeantwortung zu Frage 14 der PA 3972/J-
NR/2002 durch Herrn Bundesminister Reichhold vom 1. Aug. 2002).