774/AB XXII. GP
Eingelangt am 10.10.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Finanzen
Anfragebeantwortung
Auf die schriftliche parlamentarische
Anfrage Nr. 726/J vom
12. August 2003 der Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim und Kollegen,
betreffend
satzungsgemäße Zuwendungen von Vereinen, beehre ich mich
Folgendes mitzuteilen:
Zu 1.:
Es
ist richtig, dass in den Richtlinien des Bundesministeriums für Finanzen
satzungsgemäße Zuwendungen (als nicht steuerbare Zuwendungen) nur in
Zusammenhang mit den Stiftungen nach dem Bundesstiftungs- und
Fondsgesetz erwähnt werden Dies ist lediglich als Beispiel zu werten und
hat selbstverständlich auch für Privatstiftungen und Vereine zu gelten. Es
gibt keinen
vernünftigen und sachlichen Grund hier zu differenzieren. Dies
deshalb, weil die Organe nach dem Bundesstiftungs- und Fondsgesetz in
gleichem Maße an ein statutenmäßiges Handeln gebunden sind, wie dies bei
Organen von Privatstiftungen und Vereinen der Fall ist. Die Richtlinien-
aussagen gelten in diesem Sinn daher auch für satzungsgemäße Zuwen-
dungen von Privatstiftungen und Vereinen.
In den
Vereinsrichtlinien werden lediglich jene Zuwendungen als
schenkungssteuerpflichtig
behandelt, die als „Erwerbe" im Sinne des
Erbschafts- und
Schenkungssteuergesetzes zu werten sind, also außerhalb
der statutenmäßigen Aufgaben zugewendet werden. Noch klarer und offen-
sichtlicher wird die Richtigkeit dieser Rechtsmeinung bei einer zivilrecht-
lichen Beurteilung. Diese ist deswegen von
Relevanz, weil der Schenkungs-
begriff im Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz an die Schenkung im
Sinne des Zivilrechtes anknüpft. Eine Schenkung liegt demnach nur vor,
wenn der Geschenkgeber gegenüber dem Geschenknehmer eine Bereiche-
rungsabsicht hat. Nach zivilrechtlicher Auffassung - sowohl österreichische
Lehre als auch gängige österreichische Rechtssprechung
- ist hingegen keine
Schenkung anzunehmen, wenn eine Zuwendung aus moralischer, sittlicher
oder Anstandspflicht getätigt wird. Nun
steht eine statutenmäßige
Verpflichtung einer moralischen, sittlichen oder Anstandspflicht
zumindest
gleich, wenn sie nicht sogar (deutlich)
höher einzuschätzen ist. Diese
Überlegungen gelten für den zweiten
Schenkungssteuertatbestand
„freigebige Zuwendung"
gleichermaßen. Auch hier muss Bereicherungswille
im
zivilrechtlichen Sinn vorliegen, dieser muss dem Zuwendungsempfänger
lediglich nicht bewusst sein.
Würde man der, der Anfrage zu Grunde liegenden, Meinung
folgen, hätte
dies tief greifende Konsequenzen für die finanzielle Situation einer Vielzahl
von Vereinen. So würden beispielsweise Kulturvereine oder wissenschaft-
liche Vereine mit Zuwendungen, die sie
satzungsgemäß tätigen, eine
Schenkungssteuerpflicht auslösen. Gleiches würde für humanitäre Vereine
gelten, schließlich auch für Vereine wie den
Tierschutzverein. Es gibt
nämlich für all diese Zuwendungen
keine explizite gesetzliche Schenkungs-
steuerbefreiung.
Der Gesetzgeber ist eindeutig davon
ausgegangen, dass eine solche
Befreiungsbestimmung nicht notwendig ist,
weil, wie eben ausführlich
dargelegt, eben gar keine Schenkung vorliegt. Aus all dem geht eindeutig
hervor, dass nach der Konzeption und
Intention des Schenkungs-
steuergesetzes satzungsmäßige Zuwendungen nicht von der Schenkungs-
steuer umfasst sind. Das Bundesministerium für Finanzen legte seit
geraumer Zeit - bereits unter der Amtsführung sozialdemokratischer
Amtsvorgänger - in schriftlichen und mündlichen Anfragebeantwortungen
diese Rechtsauffassung, und zwar auch für satzungsgemäße Zuwendungen
von Vereinen, dar.
Zu 2.1.:
Es entspricht den Tatsachen, dass
der Kommentar vom Troll, 2. Auflage,
1975
herangezogen wurde, weiters hat sich Herr Staatssekretär Dr. Finz
selbstverständlich auch auf weitere
Literaturmeinungen betreffend
Stiftungen berufen, wie
- Dr. Karl-Werner Fellner, Erbschafts- und Schenkungssteuer, 10. Auflage.
inkl. Ergänzungslieferung A, Stand 1.1.2003, Selbstverlag Abgaben-
rechtliche Kommentare
- Dkfm. DDr. Wilfried Dorazil
und Mag. Dr. Otto Taucher, Erbschafts- und
Schenkungssteuergesetz, 4. neu bearbeitete
Auflage mit 2. Ergänzungs-
lieferung,
Stand Februar 2003, Manz-Verlag
-
Prof. Dr. Heinrich Wilms, Erbschafts- und
Schenkungssteuergesetz,
Stollfuß
Verlag Bonn, Berlin 2003
- BankAustria, Privatstiftungsgesetz, Beitrag Bernhard Gröhs-Die
österreichische
Privatstiftung im steuerlichen Vergleich zur liechten-
steinischen
Stiftung, Oktober 1993, Wien
Zu 2.2.:
Ja.
Zu 3.:
Hierzu verweise ich auf die Beantwortung zu 2.1. und zu 2.2.
Zu 4.:
Dies liegt darin begründet, dass auf nicht im
satzungsmäßigen Aufgaben-
bereich gelegene Zuwendungen, wie z.B.
Preisverleihungen Bezug genommen
wird.
Zu 5.:
Der Umstand, dass sich die
Abgabenbehörden auf einen deutschen
Kommentar berufen, der aus dem Jahre 1975 stammt, schmälert die
Aussagekraft
der betreffenden Kommentarstelle in keinster Weise. Die
kommentierten
Schlüsselbestimmungen sind nämlich völlig unverändert irn
heutigen Rechtsbestand.
Es ist absolut keine Seltenheit, dass man
sich bei der Rechtsauslegung
Kommentarmeinungen bedient, die 30, 40, 50
Jahre alt oder noch älter sind.
Wichtig ist vielmehr die Tatsache, dass bei in diesem Punkt völlig
identer
deutscher und österreichischer Rechtslage nach dieser Kommentarmeinung
auch in Deutschland
Statuten- bzw. satzungsmäßige Zuwendungen eines
Vereins mangels Freigebigkeit nicht
steuerbar sind. Im Übrigen verweise ich
auf die Beantwortung zu 2.2.
Wenn in einer
späteren Auflage diese Aussage nicht mehr getroffen wird, so
wird der unrichtige Umkehrschluss gezogen, wenn
davon ausgegangen wird,
dass
die ursprüngliche Kommentarauffassung aufgegeben wurde. Das
Gegenteil
ist der Fall, oft wird Selbstverständliches nicht mehr explizit
genannt, sodass sich
in der neueren Auflage die Kommentatoren vielmehr
damit begnügen, lediglich an den
zivilrechtlichen Schenkungsbegriff
anzuknüpfen. Dieser umfasst eben, wie zu 1. ausgeführt, keine satzungs-
mäßige Vereinszuwendungen. Die Kommentatoren
der Neuauflage haben
sich daher lediglich eine
„Doppelaussage" erspart.
Um weiteren Fehlinterpretationen entgegenzutreten, die meinen, die „alte"
Kommentaraussage
passe im konkreten
Fall nicht auf die Industriellen-
vereinigung, und sich dabei auf eine Kommentarstelle stützen, die davon
spricht, dass nur solche Zuwendungen nicht
der Schenkungssteuer
unterliegen, die der Verein nach der Satzung zu machen hat: Die Industriel-
lenvereinigung hat
jedoch ihre Mittel nur für Satzungszwecke einzusetzen,
sodass diese Kommentarstelle auch wiederum auf die Industriellen -
vereinigung passt.
Eindeutig klar wird dies aus einem weiteren Satz der
Kommentierung. Dieser lautet: „Zuwendungen, die vom Vereinsvorstand
gemacht werden,
ohne dass damit eine
Satzungsbestimmung
erfüllt wird,
können dagegen steuerpflichtig werden" Diese
Kommentaraussage zeigt
völlig
eindeutig und unmissverstäiidlich, dass nach der Kornmentarmeinung,
sämtliche
satzungsgemäßen Zuwendungen nicht der Schenkungssteuer
unterliegen.
Zu 6. l. und 6.2.:
Dazu habe ich bereits in meiner Antwort zu 1. und zu 4. ausführlich
Stellung genommen.
Zu 6.3.:
Es sind in der Satzung nicht
konkretisierte Zuwendungen angesprochen, die
etwa
lediglich in der allgemeinen Zielsetzung des Vereins, z.B. als
humanitäre
Institution gedeckt sein können.
Zu 6.4.:
Mir ist keine deutsche Literaturmeinung bekannt, die durchgängig eine
Steuerpflicht von Zuwendungen eines Vereines vertritt.
Zu 7.1. und 7.2.:
Eine willkürliche
Festlegung bzw. Änderung eines Vereinszweckes ist schon
nach den Bestimmungen
des Vereinsrechts unzulässig. Die Frage nach der
Verfassungskonformität in Verbindung mit der Steuerpflicht eines Vereines
kann sich daher so
gar nicht stellen. Sind in der Satzung einer Kapital-
gesellschaft oder beispielsweise auch bei
Sparkassen nach dem Sparkassen-
gesetz derartige Satzungszwecke festgeschrieben, so ist die Behandlung von
satzungsgemäßen Zuwendungen gleich
jenen bei Vereinen.
Zu 8. und 9.:
Da ich die Prüfung in die Zuständigkeit meines Staatssekretärs
Dr. Alfred Finz übergeben habe, kann ich zur Abwicklung des Verfahrens
nichts Konkretes beitragen. Allerdings habe ich mich auf Grund Ihrer
Anfrage beim Herrn Staatssekretär erkundigt, inwieweit es Gespräche im
Ministerium gegeben hat; Folgendes wurde mir mitgeteilt:
Eines der zuständigen Finanzämter hat um Besprechung mit Fachexperten
des Bundesministeriums für Finanzen ersucht, was einer durchaus üblichen
Vorgangsweise und einer jahrzehntelangen geübten Praxis der Finanz-
verwaltung
entspricht. Auch die Besprechung von Literaturmeinungen und
Kommentaren im Zuge eines solchen Meinungsaustausches stellt einen
üblichen Vorgang dar. Herr Staatssekretär Dr. Finz, der selbst
an den
Treffen
der Fachexperten nie teilnahm, hat jedenfalls von Anfang an
veranlasst, dass die zuständigen Finanzämter die endgültige
Rechtsbeurteilung - wie auch sonst üblich -
eigenständig vorzunehmen
haben. Dem wurde auch entsprochen.