784/AB XXII. GP
Eingelangt am 17.10.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Verkehr, Innovation und
Technologie
Anfragebeantwortung
Die
schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 862AJ-NR/2003 betreffend ÖBB Reform,
die die Abgeordneten Donnerbauer, Kolleginnen und Kollegen am 1. Oktober 2003
an mich gerichtet haben,
beehre ich mich wie folgt zu beantworten:
Fragen
1 und 2:
In
welcher Form werden die Vorgaben seitens der Europäischen Union aufgrund der
Richtlinien
2001/12 (Novelle der Richtlinie 91/440: "Entwicklung der Eisenbahnen in
der Gemeinschaft"),
2001/13 (Novelle Richtlinie 95/18: "Erteilung von Genehmigungen -
Betreiberlizenzen, Konzessio-
nen") und 2001/14 ("Zuweisung von Fahrwegkapazitäten der Eisenbahn,
die Erhebung von Entgel-
ten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und
Sicherheitsbescheinigung") im Rahmen der
ÖBB-Reform verwirklicht?
Wie
soll die künftige Struktur der ÖBB aussehen? Was sind die Beweggründe für die
vorgesehene
Gliederung der ÖBB in Holding und Tochtergesellschaften? Entsteht durch diese
Neustrukturie-
rung finanzieller Mehraufwand für die ÖBB?
Antwort:
Die
Umsetzung der gegenständlichen Richtlinien in nationales Recht erfolgt mit der
Gründung ei-
ner im Eigentum des Bundes stehenden ÖBB Holding AG, die folgende
Tochtergesellschaften
umfasst:
-
ÖBB Infrastruktur Bau AG
-
ÖBB Infrastruktur Betrieb AG
-
Güterverkehr AG
-
Personenverkehr AG
- Traktions-GesmbH & Technische
Services-GmbH (als gemeinsame Tochter von Güter- und
Personenverkehr)
-
Personalmanagement & Service-GesmbH (als Tochter der ÖBB Holding AG)
-
Immobilienmanagement-GesmbH (als Tochter der Infrastruktur AG)
Die
Tochtergesellschaften der ÖBB Holding AG sollen dabei in der Rechtsform von
Aktiengesell-
schaften (ausgenommen Personalmanagement & Service-GesmbH) gegründet werden
und weit-
gehend selbstständig und eigenverantwortlich agieren. Die Holdinggesellschaft
soll als schlanke,
strategische Holding konzipiert werden und frei sein von operativen Aufgaben.
Die
Infrastruktur Betrieb AG als Eisenbahninfrastrukturunternehmen betreibt das
Schienennetz der
ÖBB und erhält von den Absatzgesellschaften ein Infrastrukturbenützungsentgelt.
Sie weist nicht-
diskriminierend und unabhängig von PV-AG und GV-AG die Trassen zu und stellt
die Sicherheits-
bescheinigung aus.
Die
Absatzgesellschaften betreiben den Güter- und Personenverkehr der ÖBB und
sollen eigen-
verantwortlich ohne finanzielle Zuschüsse (ausgenommen gemeinwirtschaftliche
Zahlungen) aus-
kommen und Infrastrukturbenützungsentgelt an die ÖBB-Infrastruktur zahlen.
Jene
Liegenschaften der Absatzgesellschaften und der Infrastruktur Bau AG, die nicht
unmittelbar
betrieblich notwendig sind bzw. nicht betrieblich genutzt werden, insbesondere
alle Büros und
Wohnungen sowie auch andere Vermögenswerte, sollen durch eine eigene
Immobilienmanage-
ment-GesmbH als Tochter der Infrastruktur AG professionell bewirtschaftet,
genützt und verwertet
werden.
Das
im Wettbewerbsvergleich nicht beschäftigbare Personal soll mittelfristig nach
Vorbild einer
Arbeitsstiftung in die Personalmanagement & Service GesmbH übertragen und
in der Folge umge-
schult, für den konzerninternen Personalausgleich, für Insourcing-Projekte und
Joint Ventures der
ÖBB herangezogen, im Wege von Arbeitskräfte-Überlassung beschäftigt, und - wenn
durch diese
Maßnahmen eine weitere Beschäftigung nicht mehr möglich sein sollte -
sozialverträglich abgebaut
werden.
Mit
der vorgesehenen Gliederung der österreichischen Bundesbahnen in eine Holding
und Toch-
tergesellschaften werden folgende Ziele verfolgt:
Schaffung
einer modernen, wettbewerbsfähigen, transparenten und diskriminierungsfreien
Unter-
nehmensstruktur der ÖBB durch Trennung der Infrastrukturbereiche von den
Absatzbereichen
durch Aufspaltung des Absatzes in wettbewerbsfähige und eigenständige
Branchengesellschaften
(Personenverkehr und Güterverkehr) mit entsprechender Ergebnisverantwortung.
Sicherstellung
eines ausreichenden Mobilitätsangebotes im schienengebundenen Personen- und
Güterverkehr für das ganze Land und damit verbunden mehr Kundenorientierung und
bessere
Leistungen für Bürger und Unternehmen.
Streichung
der unbegrenzten Kostendeckungspflicht des § 2 BBG (automatische Verlustab-
deckung) und Umstellung auf Rahmenverträge und Haftungszusagen des Bundes für
Neu-
investitionen.
Senkung
des Zuschussbedarfs durch Schaffung organisatorischer und rechtlicher
Grundlagen für
Rationalisierungen und nachhaltige Kostensenkungen sowie für ein weiteres
Wachstum der Ab-
satzbereiche und zur Erzielung nachhaltiger Erlöse.
Durch
die Neustrukturierung der österreichischen Bundesbahnen soll der finanzielle
Bedarf ge-
senkt werden.
Frage
3:
Wie
soll künftig sichergestellt werden, dass die Zuschüsse des Bundes, die derzeit
bei insgesamt
rund 4,4 Mrd. Euro pro Jahr liegen, abgesenkt werden könnten?
Antwort:
Durch
die aufgezeigten Maßnahmen sollen Kosteneinsparungen ermöglicht werden, die bis
2010
ein jährliches Volumen, bei gleichbleibenden bzw. erhöhten
Infrastrukturinvestitionen in den Bahn-
ausbau (1 Mrd € pro Jahr - bei Bedarf auch darüber), in der Größenordnung von bis
zu 1 Mrd €
erreichen.
Frage
4:
Die
gesamte Verschuldung von ÖBB-Infrastruktur und SCHIG betrug per Ende 2002 rund
9 Mrd. Euro und wird gegen Ende 2003 auf 10 Mrd. Euro anwachsen. Wie sieht das
Finanz-
szenario
für den Abbau dieser Finanzschulden aus?
Antwort:
Der
Abbau der Finanzschulden erfolgt dadurch, dass das Bundesministerium für
Finanzen für den
Betrag von 6,1 Mrd € als Schuldner eintritt.
Frage
5:
Hat
das ÖBB-Reformprogramm Auswirkungen auf den weiteren Infrastrukturausbau? Ist
die Um-
setzung der im Generalverkehrsplan vorgesehenen Infrastruktur-Investitionen
sichergestellt?
Antwort:
Die
Infrastruktur Bau AG wird ihre Investitionen nach Auslaufen der
SCHIG-Finanzierung per Ende
2004 auf der Grundlage eines von ihr zu erstellenden und vom Verkehrsressort zu
genehmigen-
den sechsjährigen Investitionsplanes tätigen.
Die
Finanzierung der Investitionen in den Ausbau der Schieneninfrastruktur wird
durch Budget-zuschüsse und durch Haftungszusagen seitens des Bundes gesichert.
Durch diese Vorgangsweise
soll eine zügige Umsetzung des Generalverkehrsplanes gesichert werden.
Fragen
6, 7 und 8:
Neben
Veränderungen im Strukturbereich sind auch Anpassungen im Bereich des
Dienstrechts
vorgesehen. Welche Änderungen treten in diesem Bereich ein?
Werden
durch das neue Dienstrecht Kritikpunkte des Rechnungshofes, beispielsweise
wegen überdurchschnittlich hoher Krankenstände, berücksichtigt?
Das
Bahn-Betriebsverfassungsgesetz sieht im Vergleich zum allgemeingültigen
Arbeitsverfas-
sungsgesetz zahlreiche Sonderrechte für die Personalvertretung vor. Wird es
hier zu Änderungen
kommen? Wenn ja, zu welchen?
Antwort:
Es
sind folgende Änderungen beim Dienstrecht vorgesehen, deren Normierung in
geltendes Recht
jedoch vom Gesetzgeber abhängt:
Ein
weiteres automatisches und dynamisches Anwachsen der Entgelte soll eingebremst
werden,
wobei Gehaltserhöhungen in Einzelfällen und die Schaffung moderner - auch
leistungsbezogener -
Abgeltungen usw. auch für alle ÖBB-Bedienstete nach wie vor möglich sein
sollen.
Die Entgeltfortzahlungsregelungen, die zum Teil weit über das hinaus gehen, was
anderen Arbeit-
nehmern zusteht, sollen angepasst werden:
- Den
ÖBB-Bediensteten soll - unter Wahrung der Vordienstzeiten - jenes Maß an
Entgelt-
fortzahlung im Krankheitsfall zustehen, das anderen Arbeitnehmern laut
Angestelltengesetz
zusteht;
- Für
ÖBB-Bedienstete soll in der Krankenversicherung ein Anspruch auf Krankengeld
ge-
schaffen werden, den sie bisher nicht hatten;
- Das
Urlaubsrecht der derzeitigen ÖBB Bediensteten soll weitgehend an jenes des
allge-
meinen Arbeitsrechtes angeglichen werden;
- Für
Arbeitnehmer, die persönlich gefährdende und wetterausgesetzte Tätigkeiten am
Gleis
verrichten, soll der einwöchige Zusatzurlaub bestehen bleiben;
- ÖBB-interne
Zusatzurlaube für Behinderte bleiben unangetastet.
Im
Rahmen ihrer Arbeitsvertragspflicht sollen Arbeitnehmer innerhalb des Konzerns
sowie - wenn
eine Beschäftigung innerhalb des Konzerns nicht möglich ist, auch im Wege von
Arbeitskräfteüber-
lassung an Dritte - beschäftigt werden können. Nur wenn Arbeitnehmer sich gegen
eine solche
Weiterbeschäftigung stellen, soll das Unternehmen die Möglichkeit haben, sie
mit fairen Abferti-
gungsansprüchen zu kündigen.
Bei
Arbeitnehmern, für die im Unternehmen keine Beschäftigung mehr gefunden werden
kann, und
die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soll es auch eine
Möglichkeit zur Kündigung
mit fairen Abfertigungsansprüchen geben.
Die
Haftung des Bundes für ehemalige „ÖBB-Beamte", die der Verfassungsgerichtshof
im Zuge
der Ausgliederung 1992 den ÖBB vorgeschrieben hat, bleibt unangetastet.
Zum
Bahnbetriebsverfassungsgesetz darf ich feststellen, dass das Unternehmen ÖBB
dadurch
geprägt ist, dass die Personalvertretung eine Vielzahl von Mitwirkungsrechten
historisch erworben
hat. Diese Mitwirkungsrechte haben wohl einmal ihre Berechtigung gehabt, sind
heute jedoch
weitgehend überholt, behindern eine effiziente kaufmännische Führung des
Unternehmens und
führen zu nachhaltigen Wettbewerbsnachteilen.
Diese
Situation ist für die Führung eines Großunternehmens, das wettbewerbsorientiert
arbeiten
muss, kaum zumutbar. In einem solchen Unternehmen muss der Vorstand in eigener
Verantwor-
tung effizient und rasch entscheiden können, wo Arbeitsplätze geschaffen oder
aufgelassen wer-
den, wie die Arbeitstätigkeiten auf die einzelnen Arbeitsplätze verteilt bzw.
der Personaleinsatz
optimiert werden kann und wo Teilzeitarbeitsplätze geschaffen werden sollen und
wo nicht.
Ein
Ziel der ÖBB-Reform ist daher auch - mit den notwendigen Übergangsregelungen -
das
Bahn-Betriebsverfassungsgesetz durch das Arbeitsverfassungsgesetz zu ersetzen,
das auch für
alle anderen österreichischen Unternehmen gilt und alle wichtigen
Mitwirkungsrechte der Beleg-
schaftsvertreter sicherstellt.