814/AB XXII. GP
Eingelangt am 20.11.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Bundeskanzler
Anfragebeantwortung
Die Abgeordneten zum Nationalrat
Haidlmayr, Freundinnen und Freunde haben am
24. September 2003 unter der Nr. 827/J an mich eine schriftliche
parlamentarische
Anfrage betreffend Testkäufer gesucht gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1, 22, 23 und 24:
Es gibt zwei grundsätzlich verschiedene Ansätze, die Zufriedenheit von KundInnen
zu erheben:
w Marktforschung, also die Befragung der
tatsächlichen KundInnen (bzw. Käufer-
Innen, BürgerInnen, PatientInnen, BesucherInnen, ...) über das Beratungsge-
spräch (den Kauf, den Besuch des Geschäfts, den Anruf beim Service Center
etc.) und
w
Mystery Shopping. die Durchführung von Testakten (Testkäufen,
Testbesu-
chen, Testberatungsgesprächen,...).
Mystery Shopping wird eingesetzt, um die Qualität von
Services zu evaluieren, Ver-
besserungspotentiale aufzudecken und entsprechende Verbesserungsmaßnahmen
zu entwickeln. Haupteinsatzgebiet ist der Dienstleistungsbereich. Aufgrund
seiner
methodischen Vorteile hat Mystery Shopping mittlerweile einen festen Platz
neben
der Marktforschung eingenommen.
Die Methode kommt im Rahmen des New Public Management als
Qualitätssiche-
rungsmaßnahme auch seit einigen Jahren im öffentlichen Bereich zum Einsatz. Ein
diesbezüglich erfolgreiches Projekt wurde im Jahr 1999 in drei großen
Verwaltungs-
bereichen (Finanz, Justiz, Inneres) durchgeführt und lieferte wertvolle Daten
zur Ver-
besserung der Dienstleistungsqualität in den getesteten Bereichen.
Als Vorteile gegenüber der traditionellen Marktforschung sind zu nennen:
• Mystery Shopping bezieht sich auf ein begrenztes Set an
konstruierten Situ-
ationen. Dadurch ist Vergleichbarkeit zwischen den Testakten gegeben, wo-
durch auch eine faire Gegenüberstellung der Ergebnisse bezüglich verschie-
dener getesteter Dienststellen möglich ist.
• Die Antworten des Mystery Shoppers sind durch einen höheren
Grad an Ob-
jektivität geprägt als im Fall von Kundenbefragungen - nicht zuletzt auch da-
durch, daß dieser sich rein professionell verhält und nicht konkret persönlich
involviert ist.
• Während Kundenbefragungen meist in einem zeitlichen Abstand
zum Behör-
denkontakt durchgeführt werden, beurteilt der Mystery Shopper das Bera-
tungsgespräch unmittelbar im Anschluß daran; dadurch sind seine Angaben
exakter.
• Der echte Kunde nimmt selektiv nur einen Ausschnitt der
Situation wahr,
während der Mystery Shopper durch vorangehende Schulung und Struk-
turierung mittels Erhebungsbogen die Beratungssituation viel detaillierter
wahrnimmt.
• Während Befragungsergebnisse einen Rückschluß auf die
Wichtigkeit ein-
zelner Servicekriterien für die Zufriedenheit zulassen, lassen sich durch Mys-
tery Shopping vollständige Arbeitsprozesse im Kundenkontakt evaluieren.
• Insgesamt kann gesagt werden, daß Mystery Shopping das
anspruchsvollere
und somit auch strengere Verfahren der Qualitätssicherung von Dienstleis-
tungsbereichen darstellt.
Zu Frage 2:
Die Auftragsvergabe erfolgt im Wege eines
Verhandlungsverfahrens im Unterschwel-
lenbereich gemäß § 26 Abs. 3 Z.1. Bundesvergabegesetz 2002. Die Einladung zur
Angebotslegung erfolgte schriftlich an Firmen und Institutionen, die
umfangreiche
Vorerfahrungen mit der Methode „Mystery Shopping" aufweisen, mit folgendem
Wort-
laut:
„Betreff: ‚Mystery Shopping' in der österreichischen Bundesverwaltung;
Einladung zur Anbotslegung im Rahmen eines
Verhandlungsverfahrens
gemäß § 26 Abs. 3 Z.1. Bundesvergabegesetz 2002 (Unterschwellen-
bereich).
Das Bundesministerium für öffentliche
Leistung und Sport (BMöLS) beabsichtigt, in
Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Finanzen (BMF), dem Bundes-
ministerium für Justiz (BMJ) sowie dem Bundesministerium für Soziale Sicherheit
und Generationen (BMSG) einen Behördentest mit der Methode des ‚Mystery
Shopping' durchzuführen. Die Ergebnisse des Qualitätstests sollen bis
spätestens
30. September 2003 vorliegen.
Bereits im Jahr 1999 wurde ein derartiges Projekt erfolgreich durchgeführt.
Die konkreten Anforderungen an dieses
Projekt sind im Detail noch auszuarbeiten.
Um Längsschnittvergleiche zu ermöglichen, soll in Teilbereichen (BMF) das Design
des Vorgängerprojekts aus dem Jahr 1999 übernommen werden. Darüber hinaus
soll die Fragestellung jedoch erweitert bzw. neu gefaßt werden. Details zum
Unter-
suchungsdesign entnehmen Sie bitte der Anlage.
Die Auswahl des Kooperationspartners erfolgt im Wege eines
Verhandlungsver-
fahrens im Unterschwellenbereich gemäß § 26 Abs. 3 Z.1. Bundesvergabegesetz
2002.
Ein Angebot muß demnach folgende Angaben enthalten:
• Inhaltliches Konzept
• Spezielle, einschlägige Erfahrungen Ihres Unternehmens
• Geschätzte Kosten
Der Zuschlag wird nach dem Bestbieterprinzip erteilt.
Die Zuschlagskriterien lauten - ihrer Bedeutung entsprechend gewichtet - wie folgt:
1. Konzeptsqualität
2. Einschlägige Erfahrungen
3. Kosten.
Sollten Sie Interesse an diesem Projekt haben, senden Sie bitte ein entsprechendes
Angebot in einem verschlossenen Kuvert, versehen mit dem Vermerk "Nicht öffnen!
Vergabeverfahren für Beratungsleistung" an das
Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport,
Kanzleistelle,
Wollzeile 1-3
1010Wien
bis spätestens
30. April 2003
Beilage:
Projektabschlußbericht
Untersuchungsdesign."
Zu Frage 3:
Das Untersuchungsdesign unterliegt, um die Objektivität der
Testergebnisse zu si-
chern, grundsätzlich der Vertraulichkeit. Darüber hinaus erscheint es auch
nicht ziel-
führend zu sein, den Projektabschlußbericht des Vorprojekts aus dem Jahre 1999,
der die Grundlage der Ausschreibung für das laufende Mystery-Shopping-Projekt
bildete, vorzulegen, weil bei diesem Projekt der Bereich der Sozialämter gar
nicht
betroffen war.
Zu Frage 4:
Ein entsprechender Werkvertrag zwischen dem Bundeskanzleramt und der Firma
Marketmind wurde am 24. Juni 2003 unterzeichnet.
Zu Frage 5:
€ 41.000,-- (exkl. Ust) für das Gesamtprojekt
(Finanz, Justiz, BSB).
Zu
Frage 6:
Wie im Werkvertrag vereinbart, wurde die erste Rate von €
13.119,20 (exkl. Ust) am
03.10.2003 an Marketmind überwiesen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Testkäufe in
einem Bereich bereits abgeschlossen, im zweiten Bereich im Gange.
Zu Frage 7:
Gesamtbetrag von € 41.000,-- (exkl. Ust).
Zu Frage 8:
Die restlichen zwei
Drittel von € 27.880,80 (exkl. Ust).
Zu
Frage 9:
Das Bundessozialamt (BSB) mit seinen acht Landesstellen
verfügt nach internen
Reformmaßnahmen über eine gute Qualität im Bereich des Kundenservices. Gerade
im „Europäischen Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003" ist Anlaß
gegeben,
diese in Gegenüberstellung mit anderen Bundesbereichen konkret darzustellen und
zu überprüfen sowie weitere Verbesserungsmaßnahmen zu erarbeiten.
Zu
den Fragen 10, 11, 12, 13 und 14:
Der
Projektplan sieht nun vor, ausschließlich Menschen mit Behinderungen als
Testkunden heranzuziehen. Darin wird die ideale Kombination von persönlicher
Betroffenheit einerseits und nötiger Objektivität andererseits gesehen.
Zu
Frage 15:
Die Kriterien beziehen sich einerseits auf
die sachlich-inhaltliche Richtigkeit der
erhaltenen Auskünfte und andererseits auf qualitative Aspekte des Beratungs-
gesprächs (soft facts der Gesprächsführung). Schließlich werden Rahmenbe-
dingungen wie Erreichbarkeit (im Fall telefonischer Auskünfte) und bauliche Ge-
gebenheiten (unter anderem im Sinne der Barrierefreiheit) bewertet.
Zu
Frage 16:
Folgende Kriterien werden unter dem Aspekt der
„Barrierefreiheit" erhoben:
• Zugang zum Gebäude: Anzahl der
Behindertenparkplätze, Auffälligkeit und
Lesbarkeit der Wegweiser
• Barrierefreiheit der Türen
im Eingangsbereich sowie innerhalb des Gebäudes
• Überwindung von Höhenunterschieden:
rollstuhlgerechter Aufzug, Rampen
• Wegleitsystem/Orientierung im Gebäude:
Beleuchtung/Lichtverhältnisse,
Schriftgröße bei sämtlichen Beschilderungen
• sonstiges physisches Umfeld: behindertengerechte WC's, Schwellen
ja/nein
(Höhe?), sonstige bauliche Maßnahmen oder Erleichterungen für behinderte
Personen, sonstige Barrieren
• Wartebereich: falls Nummernsystem - Verständlichkeit und
Sichtbarkeit?
Anzahl der Sitzmöglichkeiten, Informationsmaterialien für Rollstuhlfahrer
sichtbar und in Greifweite
• Schalter/Beratungsbereich: Glastrennwand ja/nein, Ergonomie
des Schalters
(Höhe der Öffnung in Glastrennwand, etc. - mögliche Barrieren für behinderte
Menschen?), Akustik/Hintergrundgeräusche, Sitzmöglichkeit während der
Beratung.
Zu Frage 17:
Die
Bewerber wurden zu einer Wettbewerbs-Präsentation eingeladen, bei der Vertre-
ter aller am Projekt beteiligten Ressorts (BMF, BMJ, BMSG) teilgenommen haben.
Die Kommission kam zu dem Schluß, daß die Firma Marketmind das überzeugends-
te Angebot geliefert hat, somit wurde Marketmind als Bestbieter ausgewählt.
Zu den Fragen 18., 19., 20. und 21:
Es war keinesfalls die Intention, das Recht auf Selbstbestimmung zu verletzen. Das
Projekt-Design wurde entsprechend abgeändert.
Zu Frage 25:
Die Methode „Mystery Shopping" wird nach wie vor als
die am besten geeignete, weil
objektivste und exakteste Methode zur Überprüfung von Servicequalität im Rahmen
des New Public Management angesehen.