819/AB XXII. GP
Eingelangt am 20.11.2003
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BM für
Justiz
Anfragebeantwortung
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dipl.lng. Wolfgang
Pirklhuber, Dr. Eva Gla-
wischnig, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage
betref-
fend „Koexistenz gentechnisch veränderter, konventioneller und ökologischer
Kultur-
pflanzen" gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 3:
Ein Ansatzpunkt zur zivilrechtlichen Regelung der Auswirkungen der Verwendung
gentechnisch
veränderten Saat- und Pflanzgutes kann auch im zivilrechtlichen
Nachbarrecht liegen. Die Verwendung solcher Mittel und ihre Auswirkungen auf
fremde Liegenschaften und Grundstücke können - dies selbstverständlich unvor-
greiflich der unabhängigen Rechtsprechung - nach geltendem Recht zu einem
Unterlassungsanspruch und unter Umständen auch zu einem verschuldensunab-
hängigen Entschädigungsanspruch des dadurch beeinträchtigten Eigentümers oder
Nutzungsberechtigten führen. Voraussetzung solcher Ansprüche ist, dass die Ein-
wirkung im gegebenen Zusammenhang, also die Kontamination des fremden
Grundstücks und der darauf wachsenden Früchte, ortsunüblich ist und zu einer
we-
sentlichen Beeinträchtigung dieses Grundstücks führt.
Das Nachbarrecht schützt allerdings nur den durch
Emissionen beeinträchtigten
Nachbarn. Er kann - wie schon erwähnt - gegen ortsunübliche und wesentliche Be-
einträchtigungen mit Unterlassungsklage (unter Umständen auch mit einem ver-
schuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch) vorgehen. Eine Klageberechti-
gung eines Händlers, der gentechnikfreie Produkte vermarktet und nicht Eigentümer
oder Nutzungsberechtigter einer
Liegenschaft ist, sieht das Nachbarrecht dagegen
nicht vor. Eine solche Klage könnte nur auf allgemein zivilrechtliche
Bestimmungen,
insbesondere auf die allgemeine Verschuldenshaftung nach den §§ 1293 ff ABGB,
gestützt werden. Dabei wird im Regelfall ein nur sehr eingeschränkt
ersatzfähiger
sogenannter reiner Vermögensschaden vorliegen.
Was das Verhältnis des Vertriebs gentechnisch veränderter
Produkte zu den daraus
allenfalls resultierenden Schäden angeht, so hat das Bundesministerium für
Justiz
die Kommission bereits mehrfach hingewiesen, dass die
Produkthaftungs-Richtlinie
in Teilbereichen gewisse Defizite aufweist. Dabei ist insbesondere auf den Haf-
tungsausschluss für das sogenannte "Entwicklungsrisiko", die
verhältnismäßig kurze
Ausschlussfrist von 10 Jahren und die Beweislast beim Nachweis der Kausalität
verwiesen worden. Die Kommission ist derzeit dabei, die Auswirkungen der
Richtli-
nie zu evaluieren und allfällige Änderungsvorschläge vorzubereiten. Die
Ergebnisse
dieser Arbeiten lassen sich aber nicht absehen.
Im Übrigen wird das Bundesministerium für Justiz die
zivilrechtliche Problematik mit
den betroffenen Ressorts (Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, Bundes-
ministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) auf
inter-
ministerieller Ebene besprechen. Ziel dieser Diskussionen ist es, zumindest in
den
im nationalen Gestaltungsraum befindlichen Rechtsbereichen rasch Klarheit zu
schaffen. Dazu kann gegebenenfalls auch eine eigene gesetzliche Regelung, die
tunlichst im Gentechnikgesetz getroffen werden sollte, beitragen, zumal es
bislang
nach meinem Informationsstand keine Entscheidungen österreichischer Gerichte zu
den Auswirkungen und Einwirkungen gentechnisch veränderter Kulturpflanzen gibt.