821/AB XXII. GP

Eingelangt am 20.11.2003
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BM für Justiz

 

Anfragebeantwortung

Die Abgeordneten zum Nationalrat Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen ha-
ben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „eine vom Bundesminister für Justiz
zur allgemeinen Verwirrung eingesetzte Kommission zur Diskussion über die Diver-
sion und das Verhältnis von Strafdrohungen" gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 3:

Die Enquete-Kommission des Nationalrates, die während der XXI. Gesetzgebungs-
periode in der Zeit von Juni 2000 bis Juli 2002 unter dem Vorsitz von Bundesminister
aD Dr. Harald OFNER getagt hat, hat auch aus meiner Sicht wertvolle Arbeit geleis-
tet und auf hohem Niveau zu einem ungewöhnlich intensiven Dialog zwischen Ab-
geordneten zum Nationalrat und Experten aus Wissenschaft, Justizpraxis und Ver-
waltung über Fragen der Strafrechtspolitik (Ausgewogenheit der Strafdrohungen, Di-
version usw.) geführt. Ich schätze Vorgang und Ergebnis dieser Enquete-
Kommission ebenso positiv ein wie die Anfragesteller. Allerdings konnten die Arbei-
ten wegen des vorzeitigen Endes der vorigen Legislaturperiode nicht zu einem for-
mellen Abschluss gebracht werden.

Zu 4 bis 7 und 9:

In der letzten Zeit haben einzelne justizielle Entscheidungen zugunsten einer diver-

sionellen Erledigung im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts im Zusammenhang mit
der herkömmlichen Durchführung von Strafverfahren (Strafantrag, Verurteilung) in
anderen, wenig gravierenden Fällen Diskussionen in der Öffentlichkeit über die
Plausibilität, Angemessenheit und Vergleichbarkeit der Verfolgung und Ahndung un-


terschiedlichen straffälligen Verhaltens geführt, insbesondere über die Wahrung des
Gleichheitsgrundsatzes bei Diversionsanboten der staatsanwaltschaftlichen Behör-
den. Diese Diskussion ist, wie bekannt, sowohl in den Medien, von Strafrechtsexper-
ten und Politikern, als auch in einer breiteren Öffentlichkeit geführt worden, wobei
zum Teil ein gewisses Unbehagen an einzelnen Aspekten der justiziellen Entschei-
dungspraxis artikuliert worden ist. Der Landeshauptmann von Kärnten war einer der
vielen Teilnehmer an dieser Diskussion.

Dem auf mehreren Ebenen zutage getretenen gesellschaftlichen Bedürfnis nach In-
formation und Diskurs über die Strafen- und Diversionspraxis der Justizbehörden
wollte ich rasch Rechnung tragen. Ich habe daher die Vizepräsidentin des Verfas-
sungsgerichtshofes, Dr. Brigitte BIERLEIN, die auf Grund ihrer langjährigen Straf-
rechtspraxis über reiche Erfahrungen verfügt, gebeten, eine kleine Expertenkommis-
sion einzuberufen, um die staatlichen Reaktionen auf strafbares Verhalten und ins-
besondere deren Transparenz und Nachvollziehbarkeit in der Bevölkerung zu über-
prüfen.

Ich sehe in der Einsetzung dieser Expertenkommission einen in der Demokratie
normalen Vorgang und keine „Konkurrenz" zur oder gar „Korrektur" gegenüber der
parlamentarischen Enquete-Kommission der
XXI. Gesetzgebungsperiode, zumal die
jetzige Expertenkommission nicht nur eine andere Arbeitsweise (zB Einholung
schriftlicher Äußerungen zahlreicher Strafrechtswissenschafter, Praktiker und Jour-
nalisten), sondern auch einige andere Schwerpunkte hat (Entwicklung vom Straf-
recht zum Kriminalrecht, strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen, In-
formationspolitik der Strafjustiz). Die Arbeiten der Expertenkommission sollen auch
möglichst rasch zum Abschluss gebracht werden.

Zu 8:

Die Mitglieder der Expertenkommission wurden von deren Vorsitzender ausgewählt,

die sich bemühte, berufliche Vielfalt, unterschiedliche Perspektiven und zahlenmäßi-
ge Begrenzung der Teilnehmer miteinander in Einklang zu bringen. Die erwähnte
Einholung schriftlicher Äußerungen dient der Erweiterung der Diskussionsgrundla-
gen.