838/AB XXII. GP

Eingelangt am 24.11.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

Anfragebeantwortung

 

Auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dipl.-lng. Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen
vom 24. September 2003, Nr. 822/J, betreffend Koexistenz gentechnisch veränderter,
konventioneller und ökologischer Kulturpflanzen, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

Zu den Fragen 1 und 17:

Österreich hat sich im Hinblick auf die Koexistenz immer nachdrücklich für harmonisierte,
verbindliche Vorschriften auf EU-Ebene ausgesprochen. Diese Haltung wird weiterhin
verfolgt.

Im Hinblick auf ein nationales Konzept für die Koexistenz, welches natürlich von der weiteren
Vorgangsweise auf EU-Ebene abhängig ist, wurden seitens des Bundesministeriums für
Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) zwei Studien in Auftrag
gegeben. Dies sind die Projekte der AGES betreffend „Ko-Existenz und geschlossene
Anbaugebiete unter besonderer Berücksichtigung der Saatgutproduktion" sowie der Fa.
„brainbows" betreffend „Modellregionen ohne Einsatz von GVO-Vorüberlegungen zur
Koexistenzthematik". Weiters beschäftigt sich eine Expertengruppe mit technischen Fragen
zur Koexistenz.


Zu den Fragen 2 bis 5:

Koexistenzregelungen werden in Abhängigkeit von der jeweiligen Kulturart ein Bündel an
Maßnahmen erfordern, wie sie z.B. in den Leitlinien zur Koexistenz der Europäischen
Kommission angeführt sind. Bei der Maßnahmensetzung werden im Falle fehlender EU-
weiter Vorgaben die Bedingungen z.B. betreffend Struktur der Landwirtschaft, Anteil Bio-
Landwirtschaft, regionale, topographische und klimatische Bedingungen zu berücksichtigen
sein.

Gemäß der EU-Bio-Verordnung VO 2092/91/EWG darf in der Kennzeichnung und Werbung
für ein Bio-Erzeugnis in der Verkehrsbezeichnung nur dann auf die biologische
Landwirtschaft Bezug genommen werden, wenn das Erzeugnis ohne Verwendung von
genetisch veränderten Organismen und/oder von auf deren Grundlage hergestellten
Erzeugnissen entstanden ist.

Das bedeutet, dass ein Biobauer, dessen Produkt GVOs, Teile von GVOs oder deren
Derivate enthält, diese nicht mehr als Bio-Produkte ausloben darf. Deswegen vertrat
Österreich bisher gegenüber der Europäischen Kommission folgende Auffassung:

Die Biologische Landwirtschaft ist von GVOs freizuhalten: Die Kommission soll daher ein
Konzept vorlegen, das sicherstellt, dass es zu keinen Kontaminationen mit GVOs in der
Biologischen Landwirtschaft kommt. Dies soll im „Aktionsplan für die Biologische
Landwirtschaft" ausdrücklich berücksichtigt werden.

Die vorgesehene Novelle zur Änderung des Gentechnikgesetzes (GTG) enthält eine
Verpflichtung zur Vermeidung von GVO-Verunreinigungen insbesondere beim Vertrieb,
Transport, bei der Lagerung, Verwendung und Verarbeitung von Erzeugnissen, die aus GVO
bestehen oder solche enthalten. Wie hoch die Kosten der Maßnahmen zur Verhinderung von
GVO-Verunreinigungen sein werden, kann seriös erst nach Vorliegen weiterer Daten, wie
z.B. der Ergebnisse der eingangs erwähnten Studien, abgeschätzt werden. Mit der
Erörterung technischer Fragen befasst sich die erwähnte Expertengruppe.


Zu den Fragen 6 und 8:

Mit der vorgesehenen Novelle zur Änderung des GTG soll die Möglichkeit geschaffen
werden, Daten über Standorte des Anbaus von gentechnisch veränderten Kulturpflanzen in
das Gentechnikregister aufzunehmen. Diese Verpflichtung zur Führung eines Registers
ergibt sich aus der Umsetzung der EU-Freisetzungsrichtlinie (Richtlinie 2001/18/EG).

Sämtliche für die Öffentlichkeit relevante Daten wie z.B. betreffend Freisetzungen und
Anbaustandorte sollen in einem Register erfasst werden. In das Gentechnikregister kann
jedermann Einsicht nehmen; zusätzlich sollen diese Informationen auch im Internet
verfügbar gemacht werden.

Zu Frage 7:

In den Bereichen Saatgut- und Futtermittelkontrolle wird bereits jetzt ein Überwachungs- und
Kontrollprogramm durchgeführt. Im Bereich Saatgut wird zudem ein von der österreichischen
Saatgutwirtschaft mitgetragenes Konzept der Vorsorge zur Vermeidung von GVO-
Verunreinigungen entwickelt und in Abstimmung mit dem Monitoring-, Überwachungs- und
Kontrollsystem erfolgreich umgesetzt. Die Kosten werden von der öffentlichen Hand
getragen.

Zu Frage 9:

Bei der Saatgutproduktion ist auch derzeit schon eine Kennzeichnung der Anbauflächen mit
der betreffenden Identität u.a. Sortenbezeichnung (sog. „Feldtafel") verpflichtend (Methoden
für Saatgut und Sorten verordnet durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft). Ob es sich um eine gentechnisch veränderte Sorte handelt,
ist aus den gemeinschaftlichen bzw. nationalen Sortenlisten (siehe auch Homepage der
AGES) ersichtlich.


Zu den Fragen 10 und 11:

Entsprechende Vorschriften für den Anbau fallen nicht primär in den Regelungsbereich des
Bundesgesetzgebers. Darüber hinaus gibt es eine Aufzeichnungspflicht gemäß EG-Recht
(Richtlinie 2001/18/EG), die national durch die Novelle des GTG umgesetzt wird (siehe auch
die Antwort zu den Fragen 6 bis 8). Im Bereich der Zulassung und Zertifizierung von Saatgut
ist die Rückverfolgbarkeit und Nachvollziehbarkeit sowohl durch das Saatgutgesetz und im
Besonderen durch die Saatgut-Gentechnik-Verordnung im gesamten Produktionsprozess
gewährleistet.

Zu den Fragen 12 und 13:

Ich darf darauf hinweisen, dass Haftungs- und Schadenersatzregelungen in das für alle
Zivilrechtsfragen im Zusammenhang mit dem GTG zuständigen Bundesministerium für Justiz
(BMJ) fallen. Einen Harmonisierung, europaweit einheitliche Haftungsregelungen, habe ich
auf europäischer Ebene vertreten.

Das GTG, das einige Haftungs- und Schadenersatzbestimmungen kennt, bezieht sich nicht
auf den Bereich der bäuerlichen Anwendung, sondern nur auf Laborversuche und eng
begrenzte Freisetzungen durch Betriebe (nicht Landwirtschaftsbetriebe).

Geht man davon aus, dass künftig gentechnikfreie und gentechnikanwendende Betriebe
nebeneinander bestehen sollen, so käme für eine Absicherung der gentechnikfrei
produzierenden Betriebe nur die Anwendung der derzeit geltenden Bestimmungen des
ABGB in Betracht. Legistische Tätigkeiten im Zusammenhang mit Haftungs- und
Schadenersatzregelungen hätten vom dafür primär zuständigen BMJ zu erfolgen. Da aber
seitens des BMLFUW Interesse an der Sicherung einer landwirtschaftlichen Erzeugung ohne
GVO (Koexistenz) besteht, werden mit dem BMJ Erörterungen darüber geführt, welche
zivilrechtlichen Vorschriften künftig in Zusammenhang mit der Koexistenz in Erwägung
gezogen werden könnten.


Zu Frage 14:

Auf Initiative des BMLFUW wurde mit Zustimmung der Landesagrarreferentenkonferenz vom
14. März 2003 die Arbeitsgruppe „Gentechnik in der Landwirtschaft" eingerichtet, der
Vertreter der Bundesländer, des BMGF, des UBA, der AGES, der PRÄKO sowie der ARGE
Bio-Landbau angehören. Die Empfehlungen dieser Arbeitsgruppe werden der
Landesagrarreferentenkonferenz zugeleitet und haben eine bundesweit abgestimmte
Vorgangsweise in der Frage der Koexistenz zum Ziel.

Zu den Fragen 15 und 16:

Gemäß der Stellungnahme des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in
Angelegenheiten der Europäischen Union vom 5. Juni 2003 (1/SEU) hat sich das BMLFUW
nachdrücklich dafür eingesetzt, dass das bestehende EU-Gentechnik-Moratorium auf
Neuzulassung von Gentech-Pflanzen aufrecht bleibt, solange die Fragen der Koexistenz, der
Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung sowie der Haftung nicht EU-weit gelöst sind.

Der Entwurf des Oberösterreichischen Gentechnik-Verbotsgesetzes wurde seitens der
Europäischen Kommission mit Entscheidung vom 2. September 2003 wegen
Unvereinbarkeit mit den relevanten EG-Vorschriften abgelehnt. Seitens des BMLFUW
wurden bereits im Zuge des Begutachtungsverfahrens Zweifel hinsichtlich der EU-
Konformität des Gesetzes geäußert. Dies galt auch für den Entwurf für ein Salzburger
Gentechnik-Vorsorgegesetz, der
auf dem oberösterreichischen Entwurf basierte. Der Entwurf
für ein Kärntner Gentechnik-Vorsorgegesetz dürfte nach Ansicht des BMLFUW eher
geeignet sein, den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in bestimmten Gebieten
zu unterbinden.

Die Republik Österreich hat weiters Klage gegen die Kommission der Europäischen
Gemeinschaften, gerichtet auf Nichtigerklärung der mit Entscheidung der Kommission vom
2. September 2003, K(2003)3117 endgültig, erfolgten Ablehnung von einzelstaatlichen
Bestimmungen zum Verbot des Einsatzes gentechnisch veränderter Organismen im Land
Oberösterreich erhoben.


Zu Frage 18:

Österreich hat sich im Hinblick auf die Koexistenz immer nachdrücklich für harmonisierte,
verbindliche Vorschriften auf EU-Ebene ausgesprochen. Dadurch würde die bilaterale
grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen einzelnen Mitgliedstaaten wesentlich
erleichtert und unterstützt. Mit anderen Mitgliedsaaten gab es bereits im Vorfeld des „Round
Table Koexistenz" der Europäischen Kommission sowie im Rahmen der Ministerräte
konkrete Gespräche zur Koexistenz.

Zu Frage 19:

Österreich fordert (wie auch im Rahmen der Diskussion über die EG-Verordnung für
gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel) möglichst niedrige Schwellenwerte für
GVO-Verunreinigungen bei Saatgut („Novel Seed"). Ausgangspunkt der österreichischen
Position ist das Regierungsprogramm 2003-2006, wonach die österreichische Saatgut-
Gentechnik-Verordnung (Schwellenwert für GVO-Verunreinigungen von Null bei der
Erstuntersuchung bzw. von 0,1% bei der Verkehrskontrolle) die Grundlage der
österreichischen Haltung bildet.