934/AB XXII. GP

Eingelangt am 17.12.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Finanzen

 

Anfragebeantwortung

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 910/J vom
17. Oktober 2003 der Abgeordneten Dr. Stummvoll und Kollegen, betreffend
Auswirkungen des Konjunkturpaketes I und II der Bundesregierung, beehre
ich mich Folgendes mitzuteilen:

Zu 1.:

In den Jahren 1998 und 1999 kam die Budgetkonsolidierung zum
Stillstand. 1999 betrug das gesamtstaatliche Defizit in Österreich rund 2,3%
des Bruttoinlandsprodukts. Damit gehörte Österreich zum Schlusslicht
innerhalb der 15 EU-Staaten.

Eine mittelfristige Vorschau zu Beginn des Jahres 2000 zeigte auch -
basierend auf der Annahme unveränderter Ausgaben- und Steuerpolitik -
von Jahr zu Jahr wachsende Defizite, eine massive Erhöhung der
Schuldenlast und die schrittweise Verdrängung anderer öffentlicher
Ausgaben durch Zinszahlungen.


Durch die von der Bundesregierung umgesetzten Maßnahmen hat
Österreich bereits im Jahr 2001 und ein Jahr früher als ursprünglich
geplant einen Budgetüberschuss von 0,3 % des Bruttoinlandsprodukts
erreicht. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen worden, konjunkturelle
Schocks ohne Gefährdung der finanzpolitischen Stabilität abfedern zu
können. Diese neue Qualität der öffentlichen Finanzen wird in den Jahren
2002 und 2003 sichtbar. Die Bundesregierung ließ die automatischen
Stabilisatoren voll wirken.

Durch ein Maßnahmenpaket der Bundesregierung wurde sichergestellt, dass
den Hochwasser-Geschädigten von 2002 rasch und unbürokratisch geholfen
und dass der Wiederaufbau zügig begonnen werden konnte. Trotz
internationalem Konjunktureinbruch war Spielraum für gegensteuernde
Maßnahmen gegeben, der in den zwei Konjunkturpaketen, die insbesondere
Verbesserungen des Wirtschaftsstandortes zum Ziel hatten, genutzt wurde.
Dabei ist es gelungen, auch 2002 einen nahezu ausgeglichenen
Gesamthaushalt zu erreichen.

Dazu war allerdings eine neue Politik notwendig, welche die seit langem
bestehenden Bekenntnisse zu einer wirksamen Budgetkonsolidierung durch
eine Reihe konkreter Maßnahmen und Reformen verwirklicht hat. Ohne
diese Reformarbeit wären jetzt die Budgets in Österreich ähnlich
katastrophal wie in anderen EU-Staaten.

Zu 2.:

Im Jahr 2001 kam es zu keinen Steuerausfällen, für das Jahr 2002 ist der
Steuerausfall gering, da die meisten Maßnahmen mit einer Verzögerung von
etwa einem Jahr aufkommenswirksam werden. Daher lassen sich die
Auswirkungen auf die Steuereinnahmen der Folgejahre erst dann verlässlich
schätzen, wenn die Einkommen- und Körperschaftsteuerveranlagungen für
die jeweiligen Jahre weitgehend durchgeführt sind. Laufend verbucht werden


hingegen die Prämien, bis Oktober 2003 wurden folgende Beträge vom
Steueraufkommen abgebucht: Investitionszuwachsprämie 234,3 Mio. €,
Bildungsprämie 2,2 Mio. €, Forschungsprämie 4,3 Mio. €, Lehrlings-
ausbildungsprämie 65,1 Mio. € und die spezielle Prämie für Ersatz-
beschaffungen bei Katastrophenschäden 1,0 Mio. €.

Zu 3.:

Die Konjunkturpakete wirkten besonders für die Bauwirtschaft
stabilisierend, der quantitative Effekt betrug lt. WIFO 0,5% bis 0,75% des
BIP. Die Pakete brachten 10.000 zusätzliche Beschäftigte. Impulse kamen
aus den Bereichen Forschung & Entwicklung und Ausbildung; die
Lehrlingsprämie wurde als Anreiz begrüßt.

Laut der WIFO-Studie ("Wirtschaftspolitik zur Steigerung des
Wirtschaftswachstums" von Karl Aiginger und Helmut Kramer,
Projektleitung, September 2003) hatte die Einführung der Lehrlingsprämie
einen deutlichen Effekt. Ein Viertel der ausbildenden Sachgütererzeuger und
die Hälfte der ausbildenden Dienstleister geben an, dass die Lehrlingsprämie
dazu beigetragen hat, mehr oder erstmals Lehrlinge auszubilden bzw.
weniger Lehrstellen abzubauen. Das entspricht 17% aller befragten
Unternehmen der Sachgütererzeugung und 14% der Dienstleister. Bei 3%
der Unternehmen hat die Prämie dazu beigetragen, erstmals Lehrlinge
auszubilden.

Betriebliche Weiterbildungen wurden mit den Konjunkturbelebungspaketen
durch Anhebung des Bildungsfreibetrags von 9% auf 20% und - alternativ
zum Bildungsfreibetrag - durch eine Bildungsprämie von 6% gefördert: Drei
Viertel der Unternehmen in der Sachgütererzeugung machen ihren
Mitarbeitern Angebote zur betrieblichen Weiterbildung. Bei den befragten
Dienstleistern beträgt der Anteil 80%. 17% der Sachgütererzeuger, die
Weiterbildungsmaßnahmen anbieten, geben heuer mehr für Weiterbildung


aus, als das ohne Freibetrag und Prämie der Fall wäre. Das entspricht 13%
der gesamten Unternehmen in diesem Bereich. Bei den Dienstleistern sind
es 22% der weiterbildenden Unternehmen. Das sind 18% aller befragten
Dienstleister. 7% der gesamten Sachgütererzeuger und 13% der Dienstleister
wurden durch Freibetrag und Prämie dazu veranlasst, Weiterbildungen
durchzuführen, die sie ohne diese Maßnahmen nicht angeboten hätten.
Vorzieheffekte auf Grund von Bildungsfreibetrag und -prämie melden jeweils
rund ein Zehntel der gesamten Sachgütererzeuger und Dienstleister.

Zu 4.:

Die gesetzten Maßnahmen wirken sich für den Standort Österreich
nachhaltig positiv aus, so dient etwa die umfassende Forschungsförderung
(Forschungsfreibetrag und Forschungsprämie) wie die zahlreichen
steuerlichen Investitionsanreize sowie die umfassende Bildungsförderung
der langfristigen Standortsicherung.

Das WIFO schätzt, dass ohne die beiden Konjunkturpakete im Jahr 2003 ein
Nullwachstum eingetreten wäre. Der Effekt der beiden Pakete für das
laufende Jahr 2003 beträgt 0,5% bis 0,75% des BIP. Der höhere Wert der
Bandbreite läge damit beim Wert der WIFO September-Prognose für das
Wirtschaftswachstum in Österreich 2003. Hinsichtlich der Nachhaltigkeit
der beiden letzten Konjunkturpakete wurde für das Jahr 2003 Vorzieheffekte
von Investitionen in einem Ausmaß von 0,25% des BIP geschätzt.

Zu 5.:

Die Bundesregierung hat mit Ministerratsbeschluss vom 11. November 2003
ein Wachstums- und Standortpaket 2003 mit Investitionsanreizen be-
schlossen. Mit diesem Wachstums- und Standortpaket plant die Regierung
eine Verlängerung der Investitionszuwachsprämie bis Ende 2004. Die
entsprechende Gesetzesvorlage wurde bereits dem Nationalrat übermittelt.


Zu 6.:

Nach der Studie des WIFO liegt der Bekanntheitsgrad der Förder-
maßnahmen zwischen 60% und mehr als 80% (Unternehmensbefragung).

Österreichs Investitionen im Bereich der Infrastruktur wurden im
internationalen Vergleich besonders stark ausgeweitet. Während in
Österreich die Wachstumsraten der Produktion im Tiefbau und besonders in
der Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur kräftig gestiegen sind, hat
dieser Sektor in anderen EU-Ländern stagniert oder ist sogar geschrumpft
(z.B. Frankreich und Deutschland).

Die Maßnahmen für die Bauwirtschaft (ASFINAG und SCHIG) im Rahmen
der bisherigen Konjunkturpakete waren erfolgreich:

Die Investitionen der ASFINAG in das Straßennetz stiegen von etwa
550 Mio. € im Jahr 2001 auf etwa 700 Mio. € im Jahr 2002; für 2003 wird
ein weiterer Anstieg auf gut l Mrd. € erwartet. Die Investitionen der SCHIG
in die Schieneninfrastruktur lagen im Jahr 2001 bei etwa 900 Mio. €, sie
betrugen im Jahr 2002 etwa 975 Mio. € und dürften heuer ebenfalls auf gut
l Mrd. € steigen. Die Ausweitung der Investitionen in die Verkehrs-
infrastruktur dürften im Jahr 2002 die Produktion in diesem Bereich um
etwa 250 Mio. € und im Jahr 2003 um etwa 400 Mio. € steigern.

Unter Annahme der üblichen Multiplikatoren könnte in der Folge der Impuls
der Verkehrsinfrastrukturinvestitionen für das BIP eine Größenordnung von
knapp ¼ Prozentpunkt im Jahr 2002 und etwa ½  Prozentpunkt im Jahr
2003 betragen.

In welchem Umfang die Kapitalnutzungskosten durch die Investitions-
zuwachsprämie sinken werden, kann lt. WIFO nur schwer abgeschätzt
werden, da diese vom geplanten Investitionszuwachs des einzelnen Unter-


nehmens und von vielen anderen Faktoren abhängen (Realzinssatz, Ab-
schreibungsrate, unternehmerisches Finanzierungs-verhalten). Laut WIFO
gaben 15% der informierten Unternehmen bei den Sachgütererzeugern an,
die Investitionszuwachsprämie habe zu einer Steigerung ihrer Investitions-
tätigkeit im heurigen Jahr (2003) beigetragen. Betrachtet man nur die
Vorzieheffekte der Investitionszuwachsprämie, so haben 11% der Dienst-
leister und 8% der Sachgütererzeuger angegeben, die Prämie habe dazu
beigetragen, für später geplante Investitionen noch heuer durchzuführen.

Für 2003 werden voraussichtlich 300 Mio. € an Investitionszuwachsprämie
ausgezahlt werden.

Zu 7.:

Laut WIFO liegt Österreich bezüglich der Regulierung der Arbeitsmärkte
nach den OECD-Indikatoren im europäischen Durchschnitt, die Regulierung
ist stärker als in Dänemark, etwa gleich stark wie in Schweden, Finnland
und den Niederlanden. Die Regulierungsdichte ist in Österreich bisher
geringer als in Deutschland. Die Flexibilität auf betrieblicher Ebene, die An-
passung der Lohnentwicklung an die Produktivität und die Berücksichtigung
des makroökonomischen Umfelds sind beachtlich.

Zu 8.:

Zunächst stellt das WIFO fest, dass den größten Beitrag zur Erhöhung der
Forschungsquote in den letzten Jahren zunächst internationale Unter-
nehmungen und dann in den Jahren 1998 bis 2002 die öffentliche Hand
beisteuerte. Trotzdem würde ohne zusätzliche Maßnahmen die Forschungs-
quote auf dem unbefriedigenden Niveau von 2% stagnieren.
Zur Erreichung des 2,5%-Ziels erachtet das WIFO daher zusätzliche
Ausgaben der öffentlichen Hand, eine Aufbruchsstimmung in der Privat-
wirtschaft und eine steigende Attraktivität Österreichs als Standort von
Forschungszentren für internationale Firmen als notwendig.


Laut WIFO sollten strukturpolitisch wünschenswerte Maßnahmen inten-
siviert und auf drei Bereiche konzentriert werden: Forschung und
Innovation, Ausbildung und Weiterbildung sowie Reformen auf dem
Arbeitsmarkt. In allen Bereichen sind finanzielle und organisatorisch/struk-
turelle Maßnahmen nötig.

Das WIFO schlägt daher vor:

  ein Paket zu schnüren, das Österreich zu einem der attraktivsten Länder
für Forschung in bestehenden Unternehmen und die Ansiedlung von
Forschungseinrichtungen internationaler Unternehmen macht und

• zweitens Impulse für neugegründete, wachsende und technologie-
orientierte Klein- und Mittelbetriebe zu schaffen.

Als Eckpfeiler eines solchen Paketes regt das WIFO an, den steuerlichen
Forschungsfreibetrag einheitlich mit 25% festzusetzen, wobei Forschungs-
ausgaben nach der OECD-Definition abgegrenzt werden und Software und
immaterielle Investitionen einschließen sollen. Alternativ soll ein Betrieb eine
Forschungsprämie von 12% in Anspruch nehmen können. Dieses System
soll die derzeitige komplexe Regelung mit zwei Forschungsbegriffen und drei
Förderungsstufen ersetzen und Österreich zu einem der attraktivsten
Forschungsstandorte in Europa machen.

Weiters empfiehlt das WIFO für die direkte Forschungsförderung:

   die Zusammenführung der Forschungsförderung in 4 bis 5
Programmlinien

  eine verbindliche technologiepolitische Strategie

   und eine kontinuierliche Dotierung und laufende Evaluierung der
Förderungen.


Für eine mittelfristige Finanzierung wäre ein kontinuierlicher Anstieg der
staatlichen Förderung mit einem festgesetzten Steigerungssatz (z. B. um
10% pro Jahr) bis zur Erreichung des 3%-Ziels festzuschreiben.

Die derzeitige Lücke in den Forschungsfonds, bei den Fachhochschulen und
im Universitätsbereich ist mit einem zusätzlichen Betrag von ca.
100 Mio. € zu decken. Ein österreichischer Nationalfonds soll entscheidende
Impulse geben, seine Mittel sollten auch aus Privatisierungserlösen, privaten
Spenden und Erbschaften dotiert werden, die Mittelvergabe muss mit den
skizzierten Schwerpunktlinien in Einklang gebracht werden.

Weiters empfiehlt das WIFO, technologische Neugründungen stärker zu
fördern und Forschungsprogramme mit europäischer Dimension besonders
zu unterstützen, da die im 6. Rahmenprogramm geforderte Projektgröße
wegen der kleinbetrieblichen Struktur von Betrieben und Forschungs-
einrichtungen einen Ausschluss Österreichs aus der internationalen
Forschung bedeuten würde.

Im Bereich Bildung stellt das WIFO in seiner Studie ein quantitatives Defizit
im tertiären Bereich, insbesondere bei den technisch-naturwissen-
schaftlichen Absolventen, fest und schlägt vor, diesen Bedarf unter anderem
durch mehr Fachhochschulabsolventen und schnellere Studienabschlüsse
an den Universitäten abzudecken. Außerdem soll durch Studienberatung
eine Verlagerung der Studentenzahlen in den technisch-naturwissen-
schaftlichen Bereich motiviert werden.

Hinsichtlich der berufsorientierten Bildung und Weiterbildung empfiehlt das
WIFO die Verbesserung insbesondere der Qualifikation im untersten
Bildungs- und Einkommenssegment durch ein System modularer Weiter-
bildung und Höherqualifikation. Die berufsorientierten Ausbildungsaus-
gaben sollten steuerlich sowohl bei den Unternehmen als auch individuell


gefördert werden, um den Anreiz für Weiterbildung und lebenslanges Lernen
zu erhöhen. Außerdem sollte eine Zertifizierungsagentur eingerichtet
werden.