968/AB XXII. GP

Eingelangt am 22.12.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Verkehr, Innovation und Technologie

 

Anfragebeantwortung

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 969/J-NR/2003 betreffend Aufweichung des LKW-
Wochenend- und Feiertagsfahrverbots, die die Abgeordneten DDr. Niederwieser und Genossen am
23. Oktober 2003 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu beantworten:

Fragen 1 bis 3:

Wie ist der aktuelle Stand des Verfahrens zur Erlassung der genannten Richtlinie?

Falls derzeit informelle Gespräche stattfinden: In welcher Form bringen Sie bzw. Ihr Ministerium sich
in diese Gespräche ein?

Welche Mitgliedstaaten treten

a) für eine Beibehaltung der bestehenden Fahrverbote und die Beibehaltung der nationalen
Entscheidungsfreiheit in dieser Sache ein,

b) welche Staaten sind für eine EU weite Vereinheitlichung der Verbote,

c) welche zusätzlich für eine Reduzierung sei es hinsichtlich der Zahl der Feiertage oder der Zeitdauer
am Wochenende und

d) welche treten überhaupt für eine Beseitigung aller diesbezüglichen Verbote ein und wollen eine
ungehinderte Fahrt für LKWs an 7 Tagen die Woche?

Antwort:

Die Europäische Kommission legte bereits im Mai 1998 einen ersten Vorschlag vor, der
harmonisierte Vorschriften zur Beschränkung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs mit
schweren Lkw an Wochenenden und gesetzlichen Feiertagen vorsah. Nach Ablehnung dieses
Vorschlags präsentierte die Kommission im Jahr 2000 einen geänderten Vorschlag für die
Harmonisierung der Wochenendfahrverbote auf europäischer Ebene.

Dieser Vorschlag, der Ende 2000 und Anfang 2001 auf Ratsarbeitsgruppenebene diskutiert wurde,
hätte für Österreich zur Folge gehabt, dass das bestehende bundesweite Wochenendfahrverbot
für Lkw hinsichtlich seines zeitlichen Geltungsbereiches im Wesentlichen auf den Sonntag
eingeschränkt werden müsste. Darüber hinausgehende Fahrverbote, wie sie in Österreich
während der Ferien bestehen, hätten eines langwierigen Rechtfertigungsverfahrens und de facto


einer Zustimmung der Europäischen Kommission bedurft.

Gemäß dem geänderten Vorschlag vom 22. November 2000 hätte in den einzelnen
Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Vorschlags bestehende Fahrverbote zwar
beibehalten werden dürfen, allerdings wären für bestehende Fahrverbote so weitreichende
Ausnahmen zuzulassen, dass hier de facto eine gravierende Änderung der bestehenden
österreichischen Rechtslage notwendig gewesen wäre.

Dieser Vorschlag wurde schließlich im Verkehrsministerrat vom 5. April 2001 abgelehnt. Neben
Österreich stimmten dabei auch Frankreich, Deutschland und Italien gegen eine europaweite
Harmonisierung der Wochenend- und Feiertagsfahrverbote.

Der Vorschlag der Kommission vom 22. November 2000 wurde mittlerweile am 2. Juli 2002 vom
Europäischen Parlament in erster Lesung mit einer Reihe von Abänderungen angenommen, wobei
das Europäische Parlament dem geänderten Vorschlag der Kommission in den wichtigsten Teilen,
insbesondere betreffend Dauer und Ausgestaltung der Fahrverbote zustimmte, und Änderungen in
erster Linie in Bezug auf die vorgesehenen Informationsverfahren vorschlug .

Die italienische Präsidentschaft griff nunmehr - entgegen ursprünglich anders lautender Aussagen
des Ratsvorsitzenden Lunardi - den Vorschlag der Kommission wieder auf und behandelte diesen
ab 18. September 2003 in mehreren Ratsarbeitsgruppen.

Am Verkehrsministerrat vom 5. Dezember d. J. wurde der Vorschlag mit den Stimmen Österreichs,
Frankreichs, Deutschlands und Luxemburg erneut abgelehnt.

Österreich hat im Zusammenhang mit einer einheitlichen Ausgestaltung des Wochenend- und
Feiertagsfahrverbotes auf europäischer Ebene stets die Position vertreten, dass eine solche
Harmonisierung die nationale Zuständigkeit der Mitgliedstaaten im Bereich der Straßenverkehrs-
ordnungen einschränken und damit gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoßen würde. Die
Entscheidung für oder gegen Fahrverbote sollte jedem Mitgliedstaat überlassen bleiben, da dieser
Notwendigkeit und Ausmaß der Fahrverbote - natürlich unter Berücksichtigung der allgemeinen
Grundsätze des Gemeinschaftsrechts - am besten beurteilen kann.

Dem von Kommission und den diese Harmonisierung befürwortenden Mitgliedstaaten, wie etwa
den Niederlanden, Griechenland, Großbritannien, Irland oder Italien vorgebrachten Argument,
dass jeder Mitgliedstaat seine nationalen Fahrverbote ohnedies beibehalten könne, ist entgegen-
zuhalten, dass die Richtlinie zwar die Beibehaltung des Status quo erlaubt, dass aber eine auf
europäischer Ebene beschlossene Änderung im Sinne einer Ausweitung der verpflichtenden
Ausnahmen von Fahrverboten von Österreich übernommen werden müsste. Zum Anderen
müssen alle Änderungen der bestehenden Fahrverbote „in Richtung" der in der Richtlinie
vorgesehenen Zeiten vorgenommen werden, was den Zeitraum, in dem Fahrverbote zugelassen
sind, deutlich eingrenzt.

Weitere Fahrbeschränkungen aufgrund besonderer Dringlichkeit (z.B. Wetterbedingungen,
Smogalarm) bzw. aus Umwelt-, Sicherheits- und sozialen Gründen sind nur mehr nach
aufwändigen Informations- und Genehmigungsverfahren erlaubt, sodass die Notwendigkeit der
Verhängung von Fahrverboten nicht mehr vom Mitgliedstaat selbst, sondern im Rahmen eines
Komitologieverfahrens letztendlich mit Zustimmung der Kommission und der anderen Mitglied-
staaten beurteilt wird.


Daher lehnt Österreich die diesbezüglichen Vorschläge der Kommission schon aus grundlegenden
Überlegungen, aber auch aufgrund inhaltlicher Bedenken ab.

Neben der Betonung des Subsidiaritätsprinzips weist Österreich stets darauf hin, dass eine solche
Harmonisierung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu einem Anstieg des Lkw-Verkehrs
durch Österreich und damit zu zusätzlichem Straßenverkehr mit all seinen negativen
Auswirkungen, wie insbesondere einer Zunahme der Lärm- und Schadstoffemissionen,
vermehrten Staus und einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit führen würde. Eine
Durchmischung des gerade an Wochenenden und Feiertagen naturgemäß vermehrten
Individualverkehrs mit dem Schwerverkehr bedeutet ein besonders hohes Sicherheitsrisiko, was
durch die vor allem auch in diesem Zeitraum auftretenden Unfälle mit Verletzten und Toten
bedauerlicherweise immer wieder belegt wird.

In weiterer Folge würde auch die Wettbewerbssituation der Bahn beeinträchtigt werden, was einer
grundlegenden Zielsetzung der österreichischen Verkehrspolitik, nämlich der Verlagerung des
Straßengüterverkehrs auf die Schiene, zuwider laufen würde.

Darüber hinaus betonte Österreich insbesondere auch immer den integrativen sozialpolitischen
Charakter der bestehenden nationalen Fahrverbote, deren Aufweichung daher einen
inakzeptablen Eingriff in die österreichische Rechts- und Gesellschaftsordnung darstellen würde.

Neben Österreich lehnen Deutschland und Frankreich den Vorschlag der Kommission nach wie
vor aus grundsätzlichen Überlegungen ab, während Italien die Harmonisierung entgegen seiner
ursprünglich ablehnenden Position mittlerweile aktiv unterstützt. Luxemburg - in früheren
Diskussionen dieses Dossiers ebenfalls kritisch gegenüber einer europaweiten Vereinheitlichung
der Fahrverbote - kann sich nunmehr ebenfalls prinzipiell eine solche vorstellen, hat seine
endgültige Entscheidung aber noch von den Ergebnissen der Diskussionen in den
Ratsarbeitsgruppen abhängig gemacht und hat sich beim letzten Verkehrsministerrat den
Positionen Frankreichs, Deutschlands und Österreichs angeschlossen.

Demgegenüber treten insbesondere Mitgliedsländer in peripherer Lage, wie vor allem Spanien,
Schweden, Dänemark, Irland, Großbritannien, Griechenland, Portugal und Finnland, aber auch die
Niederlande und Belgien für eine Harmonisierung der Fahrverbote ein, wobei von einigen
Mitgliedstaaten, wie insbesondere von Dänemark (unterstützt etwa von Spanien oder den
Niederlanden) eine weitergehende Einschränkung der Zeiten, in denen Fahrverbote zulässig sind,
sowie gar ein phasing-out der bestehenden Fahrverbote gefordert wird, das eine Verpflichtung zur
Anpassung an die Richtlinie ab einem bestimmten Datum vorschreibt.

Österreich tritt daher nach wie vor gegen eine europaweite Harmonisierung der Fahrverbote ein
und hat diese Position auch auf bilateraler Ebene insbesondere mit Deutschland und Frankreich
auf Experten- bzw. politischer Ebene abgestimmt sowie in bilateralen Treffen etwa mit Italien und
Luxemburg vertreten.