1009/AB XXII. GP

Eingelangt am 23.12.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Finanzen

 

Anfragebeantwortung

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1009/J vom
23. Oktober 2003 der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter und Kollegen,
betreffend Rückforderung der Telekom Austria an den Bund, beehre ich
mich Folgendes mitzuteilen:

Zu 1.:

Die Überlassung der Bundesbeamten an die Nachfolgeunternehmen der PTV
sowie die Refundierungspflicht betreffend die Lohnkosten ergeben sich aus
dem Poststrukturgesetz. Nach § 17 Abs. l Poststrukturgesetz BGB1. Nr.
201/1996 in der derzeit geltenden Fassung werden die bisher bei der Post-
und Telegraphen-Verwaltung beschäftigten aktiven Beamten auf die Dauer
ihres Dienststandes der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft oder


ihrer Rechtsnachfolgerin oder einem der Unternehmen, die durch
Maßnahmen der Umgründung im Rahmen des bestehenden
Gesellschaftsrechts aus der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft
hervorgegangen sind und an denen sie oder die Post und
Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft direkt oder indirekt einen Anteil
von mehr als 25 % hält, zur Dienstleistung zugewiesen.

Die gemäß Abs. l zugewiesenen Beamten werden nach Abs. l a, wenn sie
überwiegend im Unternehmensbereich

1. der Gebühren Info Service GmbH oder der Österreichischen Post
Aktiengesellschaft beschäftigt sind, letzterer,

2. der Telekom Austria Aktiengesellschaft beschäftigt sind, dieser, oder

3. der Österreichischen Postbus Aktiengesellschaft beschäftigt sind,
dieser auf die Dauer ihres Dienststandes zur Dienstleistung zugewiesen.
Eine Verwendung der zugewiesenen Beamten bei einer Rechtsnachfolgerin
eines dieser Unternehmen oder bei einem Unternehmen, das durch
Maßnahmen der Umgründung im Rahmen des bestehenden
Gesellschaftsrechts aus einer der Gesellschaften hervorgegangen ist, sowie
bei der Gebühren Info Service GmbH ist zulässig.

Die Zahl der derzeit diesen Gesellschaften zur Dienstleistung zugewiesenen

Beamten stellt sich wie folgt dar:

bei der PTV                               17.886

bei der Telekom         10.500

bei der PostbusAG       2.200,

das sind insgesamt 30.586 dienstzugeteilte Bundesbeamte.

Zu 2.:
Ja


Zu 3.:

Ausdrücklich festzuhalten ist, dass der Bund tatsächlich weniger zu zahlen
hat, gleichzeitig jedoch ist es offensichtlich, dass dem Bund die
Arbeitsergebnisse von tausenden - wie auch von Ihnen angeführt -
bewährten Arbeitskräften verloren gehen und der Bund zu seinem Nachteil
auf die Tätigkeit dieser Personen im Interesse der ausgegliederten
Unternehmen verzichten muss.

Zu 4.:

Bei dieser Angelegenheit handelt es sich um ein historisch gewachsenes
Problem. Durch das Stillhalteabkommen mit der Telekom Austria sollte
möglichen zukünftigen Entwicklungen Rechnung getragen und insbesondere
im Interesse beider Parteien ein Verfahrensaufwand vermieden werden.
Dabei ist es ganz allgemein zielführend, dass bei unterschiedlichen
Sichtweisen Gespräche geführt werden, damit überhaupt zukunftsweisende
Lösungen entwickelt werden können. Das Stillhalteabkommen ist daher
Ausdruck dafür, dass Gespräche geführt werden um für die komplexen
historisch gewachsenen Probleme sachgerechte und zukunftsorientierte
Lösungen zu finden.

Es kann nur wiederholt bekräftigt werden, dass die Rechtsposition des
Bundes nach wie vor stark ist, da sich die Forderungen der Telekom Austria
aus einer dem Bundesministerium für Finanzen und der bisherigen
einvernehmlichen Praxis abweichenden Auslegung des Poststrukturgesetzes
ergeben. Ein Unterliegen des Bundes ist daher aus heutiger Sicht nicht zu
erwarten.


Zu 5.:

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes muss es dem Gesetzgeber
freistehen, eine Vorschrift, die unterschiedlich deutbar ist, durch eine
rückwirkende Änderung des Wortlautes in seinem Sinne klarzustellen.
Im Übrigen wird nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die
gegenständliche Bestimmung des Poststrukturgesetzes jahrelang von beiden
Seiten im Sinne des Rechtsstandpunktes des Bundesministeriums für
Finanzen ausgelegt und angewendet wurde; einer Klarstellung der Norm im
Sinne dieser Anwendungspraxis steht daher auch das Sachlichkeitsgebot
nicht entgegen.

Zu 6.:

Die unter diesem Anfragepunkt geäußerte Rechtsauffassung trifft insofern
nicht zu, als nach Lehre und Judikatur danach zu differenzieren ist, welche
Tätigkeit von den Beamten vor der Privatisierung ausgeübt wurde. So
verweist B. Schwarz (Rechtsprobleme der Ausgliederungen unter besonderer
Betonung des öffentlichen Bereiches, in RdA 2002, 351) darauf, dass die
Betriebsübergangs-Richtlinie zwar nicht für hoheitliche Aufgaben gilt, auch
wenn sie auf privatrechtliche Subjekte übertragen werden, jedoch ist diese
Richtlinie sehr wohl für die Ausgliederung wirtschaftlicher (marktfähiger)
Aktivitäten der öffentlichen Hand anwendbar. Wenn also in der
ausgegliederten Einheit eine wirtschaftliche Tätigkeit (vorher oder auch nur
nachher) ausgeübt wird, so ist die Richtlinie anzuwenden.

Aufgrund der Gleichbehandlung öffentlicher und privater Rechtsträger durch
die Richtlinie hinsichtlich der Organisation privatwirtschaftlicher Tätigkeiten
kann von einer "Teilharmonisierung marktorientierter Unternehmensüber-
tragung" gesprochen werden. Auch öffentlich Bedienstete sind als
"Dienstnehmer" iSd Richtlinie anzusehen (K. Mayr, in AK-Schriftenreihe
Bd 21, FN l, 59), sofern sie vor der Ausgliederung in einer Dienststelle tätig
waren, in der wirtschaftliche Tätigkeiten ausgeführt wurden. Es ist demnach


zwar richtig, dass der Arbeitsvertragsbegriff für Beamte rein formal nicht
passt, doch ist die Richtlinie offenbar nicht formal, sondern materiell - mit
den konkreten Auswirkungen für die Beschäftigten als Beurteilungsmaßstab
- zu interpretieren: Es geht um die Rechte und Pflichten in Zusammenhang
mit der unselbständigen Tätigkeit, unabhängig davon, ob diese nun auf
Gesetz und hoheitlichem Bestellungsakt beruhen oder auf Arbeitsvertrag
und kollektiven Rechtsnormen.

In der deutschen Lehre wird die Auffassung vertreten, dass selbst dort, wo
die Richtlinie nicht anzuwenden ist, ihr wichtigster Grundsatz, nämlich die
Übernahmeverpflichtung durch den neuen Betriebsinhaber zugunsten der
Beschäftigten, aufgrund der verfassungsgesetzlichen Schranken des
Grundgesetzes gegen willkürliche Benachteiligung ebenfalls angewendet
werden muss.

Zu 7. bis 9.:

Wie bereits in der Anfragebeantwortung zur parlamentarischen Anfrage
Nr. 626/J vom 8. September 2003 zu 11. dargelegt, bedarf es in diesem
Zusammenhang einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung und kann von
einer „verdeckten Gewinnausschüttung" zugunsten des Bundes keine Rede
sein. Hinsichtlich der allgemeinen Definition des Begriffes "verdeckte
Gewinnausschüttung" - besser "verdeckte Ausschüttung" - darf ich auf die
Randzahlen 748 ff Körperschaftsteuerrichtlinien 2001 (AÖF 2002/70) und
die umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - insbesonders
VwGH 27. Mai 1999, 97/15/0067 und VwGH 26. September 2000,
98/13/0107 verweisen.

Im Übrigen weise ich darauf hin, dass das geltende Recht Ergebnis der von
meinem sozialdemokratischen Amtsvorgänger vertretenen Rechtsauffassung
ist. Diese Rechtsauffassung ist bis zum heutigen Zeitpunkt nicht erschüttert
worden.


Zu 10. und 11. sowie 17. und 18.:

Die Bedeutung der Unternehmen liegt auf der Hand, sie sind für den
Standort Österreich wichtig. Die bisherige Entwicklung der Unternehmen
läuft gut, auch greifen die seinerzeit in Angriff genommenen und in den
letzten Jahren verstärkt vorangetriebenen Restrukturierungen.

In diesem Zusammenhang muss jedoch erwähnt werden, dass die derzeit
bestehende problematische Lösung im Jahr 1996 geschaffen wurde, somit
durch eine sozialdemokratisch dominierte Regierung und unter Ägide eines
sozialdemokratischen Finanzministers: Weil diese Kräfte einer klaren
Ausrichtung der Unternehmen auf marktwirtschaftliche Bedingungen nicht
zugänglich waren, wurden bei der Ausgliederung Rahmenbedingungen
gewählt, die eine marktwirtschaftlich orientierte Gestion bis heute
erschweren.

Mit der Poststrukturgesetz-Novelle 2003 wurden Ziele, wie die Präzisierung
des Begriffes Aktivbezug um die bisherige und bis Anfang 2003
einvernehmliche und unbestrittene Praxis rechtlich zweifelsfrei zu stellen
sowie eine Klarstellung hinsichtlich der Verpflichtung zur Mitwirkung bei der
Erstellung des Budgets und des Rechnungsabschlusses und auch des
Controllings des Pensionsdeckungsbetrages normiert.

Diese Klarstellung war erforderlich, weil sich herausgestellt hat, dass der
seinerzeit von meinem sozialdemokratischen Amtsvorgänger zu
verantwortende Gesetzestext nicht exakt genug verfasst wurde, was zu
Auslegungsproblemen geführt hat, die die nunmehr vollzogene Klarstellung
notwendig machten.

Weitere Schritte für eine ökonomische Anpassung der gesellschaftlichen
Strukturen auf Grund der raschen Veränderung der Marktsituation und


Eigentumsverhältnisse sowie die Möglichkeit den Personaleinsatz rasch an
Marktgegebenheiten zur Aufrechterhaltung und Stärkung der
Wettbewerbssituation anzupassen, werden noch zu setzen sein.

Eine Beantwortung hinsichtlich der Fragen 18a bis 18c erübrigt sich, da es
sich um rein polemische Äußerungen handelt.

Zu 12. und 15. sowie 16.:

Es wird auf die Zuständigkeit des Bundesministeriums für soziale Sicherheit

und Generationen verwiesen.

Zu 13.:

Ja, es ist bekannt.

Zu 14.:

Hinsichtlich einer Informationspflicht gegenüber der Bundesregierung
verweise ich auf § 45 Abs. 3 Bundeshaushaltsgesetz - BHG, BGB1. Nr.
213/1986 idF BGB1. I Nr. 71/2003. Darin ist normiert, dass der
Bundesminister für Finanzen dem Nationalrat zu berichten hat. Weiters wird
auf die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 626/J verwiesen.