1019/AB XXII. GP
Eingelangt am 29.12.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für
Justiz
Anfragebeantwortung
Die Abgeordneten zum Nationalrat Erika
Scharer, Kolleginnen und Kollegen haben
an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „§ 53 Abs. 3 WFG 84 - Änderung der
Rechtsansicht bezüglich Gebührenbefreiung (Gerichtsgebühren) beim Ersterwerb
von neu errichteten Wohnungen" gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 8:
Mit
dem Bundesverfassungsgesetz vom
15.12.1987, BGBI. Nr.
640/1987, und
Art. VII der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1988, BGBI. Nr.
685/1988, wurde
die Kompetenz für die Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussanierung auf
die Länder übertragen. Anlässlich dieser Kompetenzverschiebung haben der Bund
und die Länder eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über gemeinsame Maß-
nahmen - unter anderem bei der Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussa-
nierung - geschlossen (BGBI. Nr. 390/1989). In Art. 6 Abs. 1 dieser
Vereinbarung
hat sich der Bund verpflichtet, "jene Eingaben, Amtshandlungen und
Rechtsgeschäf-
te, die durch die Finanzierung der von den Ländern im Rahmen des Volkswoh-
nungswesens geförderten Objekte veranlasst sind, von den Gerichtsgebühren [zu]
befreien, wenn das förderungsfähige Ausmaß der Nutzfläche der bis zum Ablauf
des
31. Dezember 1987 geltenden bundesgesetzlichen Regelung nicht überschritten
wird". Dem entsprechend bestimmt § 53 Abs. 3 des Wohnbauförderungsgesetzes
1984: "Eingaben, Amtshandlungen und Rechtsgeschäfte, die durch die
Finanzierung
von Objekten veranlasst sind, die im Rahmen einer auf Grund landesgesetzlicher
Vorschriften vorgenommenen Wohnbauförderungsmaßnahme gefördert werden,
sind von den Gerichtsgebühren befreit. Bei Wohnungen ist zur Inanspruchnahme
der
Gebührenbefreiung überdies Voraussetzung,
dass die Nutzfläche 130 m2, bei mehr
als fünf im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen 150 m2 nicht
übersteigt."
Mit Erkenntnissen
vom 20.2.2003, 2003/16/0029, und vom 19.3.2003, 2003/16/0032,
hat der
Verwaltungsgerichtshof - jeweils zum burgenländischen Landeswohnbauför-
derungsrecht - ausgesprochen, dass unter den Begriff der gebührenbefreiten
"Wohnbauförderungsmaßnahmen" des § 53 Abs. 3 WFG 1984 nur Maßnahmen
subsumiert werden können, die den Bau im engeren Sinn, also die Errichtung
(Schaffung) von Objekten betreffen. Der "Ankauf eines nicht geförderten
Eigenhei-
mes" im Sinne des § 47 Abs. 2 Z 3 des Burgenländischen
Wohnbauförderungsge-
setzes 1991 ist demnach nicht gebührenbefreit. Mit diesen beiden Erkenntnissen
setzte der Verwaltungsgerichtshof eine schon länger bestehende Judikaturlinie
fort,
nur die Beschaffung der Geldmittel für die Schaffung des (geförderten)
Objekts im
Sinn des § 53 Abs. 3 WFG 1984 befreiungsfähig sei (vgl. etwa VwGH 29.4.1998,
97/16/0199; VwGH 19.9.2001, 2001/16/0346).
Vor dem Hintergrund dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs
wurde die Auf-
fassung vertreten, dass auch im Fall der Wohnbauförderung für den so genannten
"Ersterwerb", also für den Ankauf einer Wohnung in einem von einem
gewerblichen
Bauträger oder einer gemeinnützigen Bauvereinigung bereits fertiggestellten Ge-
bäude, ebenfalls die Gebührenbefreiung des § 53 Abs. 3 WFG 1984 zu verneinen
sei. Daher ergingen in der Folge - vor allem im Bundesland Salzburg, in dem die
Förderung des Ersterwerbs eine besonders stark betonte Förderungsschiene ist -
Gerichtsgebührenvorschreibungen in solchen Ersterwerbs-Fällen. Diese
konzentrier-
ten sich - wegen der in § 8 GEG 1962 normierten fünfjährigen Verjährungsfrist -
auf
Gebührenansprüche aus dem Jahr 1998.
Ich habe Verständnis dafür, dass die Betroffenen von diesen
Gebührenvorschrei-
bungen überrascht wurden, weil sie beim Erwerb der Wohnungen davon ausgegan-
gen waren, dass sie keine Gerichtsgebühren zu entrichten hätten. Andererseits
ist
aber zu berücksichtigen, dass die Gerichtsgebühren für grundbücherliche Eintragun-
gen innerhalb des gesamten Gebührenaufkommens der Justiz eine quantitativ sehr
wesentliche Rolle spielen, sodass sich die Frage der Handhabung einer Gebühren-
befreiung in diesem Bereich durchaus signifikant auf die gesamte
Einnahmensituati-
on des Bundesministeriums für Justiz auswirken kann. Daher kann die oben
erwähn-
te Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, die zumindest ein starkes Argument
für
die Verneinung der
Gerichtsgebührenbefreiung des § 53 Abs. 3 WFG 1984 in sol-
chen Ersterwerbsfällen ist, nicht einfach außer Betracht bleiben.
Freilich ist die rechtliche Situation - insofern stimme ich
den Ausführungen in der
Anfrage zu - nicht abschließend geklärt. Es trifft zu, dass bei diesem
Fragenkreis
auch auf die vom Bund durch die eingangs genannte Art. 15a BVG-Vereinbarung
übernommene Befreiungsverpflichtung Bedacht zu nehmen ist. Doch ist auch darauf
hinzuweisen, dass sich die einzelnen Landeswohnbauförderungsrechte seit der
Ver-
länderung dieses Bereichs zum Teil sehr weit vom früheren Förderungsstandard
des
seinerzeitigen Bundeswohnbauförderungsrechts wegentwickelt und die Grenzen des
Förderbaren häufig wesentlich weiter gezogen haben, als dies nach früherem
Recht
der Fall war. Nur exemplarisch sei dazu die Diskussion der vergangenen Jahre
über
die Nutzflächengrenze in Erinnerung gerufen. Und auch zur hier fraglichen
Thematik
der Ersterwerbsförderung ist anzumerken, dass das frühere Bundesrecht dafür
eine
Frist von drei Jahren ab baubehördlicher Benützungsbewilligung setzte, während
etwa das Land Salzburg dafür eine wesentlich „großzügigere" Grenze von
fünf Jah-
ren zieht.
Bei den an mich im Einzelnen gerichteten Fragen handelt es
sich also um komplexe
Rechtsfragen, bei deren Beantwortung eine Mehrzahl von verfassungsrechtlichen
und rechtsdogmatischen Facetten zu berücksichtigen ist. Die Lösung des Problems
erfordert eine umfassende Meinungsbildung, in die auch die Bundesländer
einbezo-
gen werden sollen. Als Erstmaßnahme zur Vermeidung einer unangemessenen Be-
lastung von Wohnungskäufern habe ich die Vorschreibung von Gerichtsgebühren in
den erwähnten Fällen vorerst gestoppt. Derzeit werden also keine Gebühren
einge-
hoben und es erfolgen auch keine neuen Vorschreibungen. Um eine rechtliche Ab-
stimmung, aber auch eine politische Klärung der Frage sowohl für die
Vergangenheit
als auch für die Zukunft zu erreichen, habe ich die Landeshauptleute zu einem
Ge-
spräch im Bundesministerium für Justiz am 8. Jänner 2004 eingeladen. Ich
ersuche
um Verständnis dafür, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt auf die an mich
gerichteten
Fragen daher nicht im Detail eingehen kann, um diesen Gesprächen nicht
vorzugrei-
fen.