1022/AB XXII. GP
Eingelangt am 30.12.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für
Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Anfragebeantwortung
Auf
die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Rest-Hinterseer, Kolleginnen und
Kollegen
vom 7. November 2003, Nr. 1038/J, betreffend WTO-Agrarverhandlungen in Cancún, beehre
ich mich Folgendes mitzuteilen:
Zu Frage 1:
Wie bei den in Genf vom Vorsitzenden des
Allgemeinen Rates, Perez del Castillo, zuvor vor-
gelegten Entwürfen für eine Ministererklärung, erfolgte auch die Vorlage des
sogenannten
„Derbez-Textes", JOB(150)03REV2, bei der Ministerkonferenz von Cancún, durch den mexi-
kanischen Außenminister auf persönliche Verantwortung.
Zu den Fragen 2 und 3:
Die Positionen der WTO-Mitglieder lagen im Sommer des
heurigen Jahres nach wie vor weit
auseinander. Im Vorfeld des Miniministerials in Montreal vom 28.7. - 30.7.2003
hat es EU/US
Kontakte, u.a. zwischen Lamy/Fischler/Zoellick gegeben. Die Kommission hat die
Verhand-
lungen basierend auf dem vom Rat erteilten Verhandlungsmandat geführt und ist
mit dem
erarbeiteten EU/US-Kompromiss innerhalb dieses Mandates geblieben. In die
Ausformulierung des Mandats waren selbstverständlich alle
zuständigen Stellen sämtlicher
EU-Mitgliedstaaten eingebunden.
Die Einigung der zwei wichtigsten Verhandlungsparteien über
wesentliche Kernelemente
(Exportsubventionierung, interne Stützungen, Marktzutritt) war zweifellos eine
wesentliche
Weichenstellung für den Verhandlungsprozess. Gegenüber dem vom Vorsitzenden des
WTO-Landwirtschaftskomitees Stuart Harbinson vorgelegten Text stellten die
Vereinbarun-
gen im gemeinsamen EU/US-Papier im Hinblick auf die Absicherung der
Landwirtschafts-
interessen der EU einen substanziellen Fortschritt dar. Die reformierte GAP ist
in diesem
Kontext umsetzbar. Wesentliche Elemente der Einigung waren der Marktzutritt, die
Blue Box,
die unveränderte Green Box und die Bestimmungen betreffend Exportwettbewerb.
Auch ü-
ber die Notwendigkeit einer differenzierten Behandlung der Entwicklungsländer
war man sich
einig. Bedauerlich war, dass die Fragen der nicht handelsbezogenen Aspekte, der
geografi-
schen Bezeichnungen und der Friedensklausel offen geblieben sind.
Zu Frage 4:
Wie bereits erwähnt, ist der Inhalt des
gemeinsamen EU/US-Papiers innerhalb des Ver-
handlungsmandates der Kommission geblieben. Naturgemäß stellt das Papier einen
Kom-
promiss, aber kein Abgehen von der ursprünglichen EU-Position dar (Angaben über
konkrete
Abbauschritte wie Prozentsätze wurden noch für weitere Verhandlungen offen
gelassen).
Lediglich im Bereich Marktzutritt hat die EU, die ursprünglich für einen
Zollabbau nach der
Uruguayformel eingetreten ist, eine Kombination von Uruguayformel (für sensible
Produkte),
Schweizer Formel und Zollfreiheit (für noch zu bestimmende Produkte)
akzeptiert; da dieser
Vorschlag, der für sensible Produkte eine gewisse Flexibilität vorsieht,
zumindest gegenüber
dem Modalitätenvorschlag von Harbinson eine Verbesserung darstellt. Dafür
konnte erreicht
werden, dass die USA eine Gleichbehandlung aller Formen von
Exportsubventionierung ak-
zeptierten.
Zu Frage 5:
Auf Grund des Drucks der EU ist es in Doha gelungen, die
Klärung des Verhältnisses zwi-
schen multilateralen Umweltabkommen und den WTO-Bestimmungen als Verhandlungs-
auftrag in der neuen WTO-Runde festzulegen. Diese Thematik wird allerdings
nicht im Rah-
men der Landwirtschaftsverhandlungen,
sondern entsprechend Abs. 31 (1) der Ministererklä-
rung von Doha im Rahmen der Verhandlungen zu Handel und Umwelt diskutiert.
Daher wur-
de im gemeinsamen Papier über die Landwirtschaft auch nicht darauf eingegangen.
Ich kann
aber versichern, dass Österreich gemeinsam mit der EU in diesem
Verhandlungsforum wei-
terhin für die Gleichrangigkeit der Regelungen der MEA- und der WTO-Regeln
eintritt.
Zu Frage 6:
Alle diese Themen lassen sich unter dem
Begriff „non trade concerns" zusammenfassen.
Wie bereits erwähnt, ist die Frage der nicht handelsbezogenen Anliegen im
gemeinsamen
EU/USA-Papier offen geblieben. Auch unter den anderen WTO-Mitgliedern gibt es
dazu sehr
unterschiedliche Auffassungen. Insbesondere die Länder der Cairns-Gruppe lehnen
jede
Diskussion darüber ab.
Zu Frage 7:
Die Förderung von Lebensmittelqualität, Umweltstandards,
Tierschutz und anderer nicht
handelsbezogener Anliegen bedeutet eine Erhöhung der Produktionskosten für die
Land-
wirtschaftsbetriebe in der Gemeinschaft. Um die genannten Ziele zu erreichen
und eine stär-
ker am Markt orientierte und nachhaltige Landwirtschaft zu fördern, wird
künftig die Stützung
für die Landwirte durch betriebsbezogene Einkommensbeihilfen von der Produktion
abge-
koppelt. Die einheitliche Betriebsprämie ist an die Einhaltung verschiedener
Auflagen im Be-
reich des Umweltschutzes, der Lebensmittelsicherheit, der Tiergesundheit und
des Tier-
schutzes sowie an die Erhaltung des Betriebs in gutem landwirtschaftlichen und
ökolo-
gischen Zustand geknüpft.
Die Stützung, welche die EU (wie andere
Länder auch) ihren Landwirten gewährt, basiert auf
einer politischen Grundsatzentscheidung mit dem Ziel, eine in sozialer, ökonomischer
und
ökologischer Hinsicht nachhaltige Landwirtschaft sicherzustellen. Es ist daher
notwendig,
dass künftige WTO-Regelungen weiterhin interne Stützungen ermöglichen.
Wie von der EU vehement gefordert, sind entsprechend der Ministererklärung
von Doha die
„non trade concerns" bei den Landwirtschaftsverhandlungen zu
berücksichtigen. Die EU und
auch Österreich werden sich weiterhin dafür einsetzen.
Zu Frage 8:
Das Vorsorgeprinzip war nicht Gegenstand der Verhandlungen
in Cancún. In der
Formu-
lierung des Absatz 6 der Doha-Ministererklärung sind jedoch Elemente des
Vorsorgeprinzips
enthalten. Eine Klärung der Modalitäten der Anwendung des Vorsorgeprinzips wird
von der
EU auf vielen Ebenen verfolgt.
Zu Frage 9:
Nachdem die Vorschläge mehrerer Gruppierungen von
Entwicklungsländern in Cancún zur
Diskussion vorlagen, erlaube ich mir, allgemein auf diese einzugehen. Wie schon
der Name
sagt, steht die derzeitige Verhandlungsrunde, die „Doha Development
Agenda", im Zeichen
der Entwicklungsländer. Auch im Landwirtschaftsbereich waren in den Vorschlägen
für die
Ministererklärung von Cancún eine Reihe von Sonderbestimmungen für Entwicklungsländer
enthalten (z.B.: Zollpräferenzen; Zollabbau bzw. Zollfreiheit für Waren aus
Entwicklungs-
ländern; Auslaufen der Exportstützungen für Produkte, die für
Entwicklungsländer von Inte-
resse sind; diverse Ausnahmeregelungen bei den Abbauverpflichtungen; längere
Über-
gangsfristen).
Leider sind die Verhandlungen in Cancún nicht erwartungsgemäß verlaufen.
Bei der inten-
siven Diskussion über die Singapur-Themen hat die EU Flexibilität hinsichtlich
eines Be-
schlusses über die Aufnahme von Verhandlungen gezeigt. Diese Position wurde
jedoch von
den vehementen Gegnern - Indien und zahlreichen anderen Entwicklungsländern -
abge-
lehnt. Der Vorsitzende war sodann nicht bereit, Verhandlungen über die anderen
offenen
Bereiche fortzuführen, was letztlich das Ende der Tagung bedeutete.
Dem Agrarkapitel wurde im Vorfeld der
Verhandlungen eine Schlüsselrolle zugewiesen. Al-
lerdings ist es zu keinen Detailverhandlungen über den überarbeiteten Entwurf
der Minister-
erklärung mehr gekommen. Dieser Entwurf war seitens der EU zwar als Verhand-
lungsgrundlage anerkannt worden, doch waren aus Sicht der EU Verbesserungen vor
allem
in den Bereichen interne Stützungen, Blue
Box, Green Box und im Bereich der Exportförde-
rungen dringend erforderlich. Die Gespräche wurden auch dadurch erschwert, dass
neben
den bisherigen Gruppierungen, Cairnsgruppe, USA, LDC, eine neue Gruppe,
bestehend aus
21 Entwicklungs- und Schwellenländern unter Führung Brasiliens, mit
Extrempositionen hin-
sichtlich Marktzugang und Abbau der Stützungen aufgetreten ist. Auch die von
vier afrikani-
schen Entwicklungsländern vorgeschlagene „Baumwollinitiative" blieb nicht
unbeachtet. Ich
bin allerdings der Meinung, dass einzelne Sektoren nicht losgelöst vom Ganzen
sondern
innerhalb eines Gesamtpaketes einer Lösung zugeführt werden müssen. Für die
„Baumwoll-
initiative" heißt das, dass eine Regelung innerhalb des Agrarabkommens
gefunden werden
sollte.
Zu Frage 10:
Ich bin der Ansicht, dass insbesondere für
die Entwicklungsländer jede multilaterale Lösung
besser ist als bilaterale Lösungen, weil in der WTO das Konsensprinzip gilt.
Darüber hinaus
werde ich mich weiterhin auf allen Ebenen für eine multifunktionale und
nachhaltige Land-
wirtschaft einsetzen, die sowohl die Bedürfnisse der Entwicklungsländer als
auch der Indust-
rieländer berücksichtigt. Dafür treten u.a. auch alle EU-Mitgliedstaaten, die
anderen europäi-
schen Länder, Japan und Korea ein.
Zu Frage 11:
Die Friedensklausel (Art. 13 des WTO-Agrarabkommens) regelt
die Anwendung anderer
WTO-Abkommen auf landwirtschaftliche Produkte (WTO-Abkommen betreffend Förde-
rungen und Ausgleichsmaßnahmen, Teile des GATT 1994) und gilt während der Um-
setzungsphase (9 Jahre), d.h. bis 31.12.2003. Nachdem die Verhandlungen in
Verzug sind,
ist es notwendig, die Friedensklausel über den 31.12.2003 hinaus zu verlängern.
Von der
Möglichkeit eines Streitbeilegungsverfahrens würden nur große Agrarexporteure
unter den
Entwicklungsländern profitieren, was wiederum für die europäische
Landwirtschaft von
Schaden wäre und für die wirklich bedürftigen Länder keine Verbesserung bringen
würde.
Inwieweit WTO-Mitglieder künftig von der Möglichkeit entsprechender Verfahren
Gebrauch
machen werden, ist derzeit schwer abschätzbar. Solche Verfahren würden ein
schlechtes
Klima für die Verhandlungen über den weiteren Abbau der Stützungen schaffen.
Abgesehen
davon dauern die Verfahren ca. 1 1/2 - 2 Jahre, d.h. Ausgleichsmaßnahmen
würden mögli-
cherweise erst nach der Festlegung neuer Regeln für die
Landwirtschaft wirksam werden
und damit an Bedeutung verlieren.
Der Vollständigkeit halber möchte ich anmerken, dass trotz
bestehender Friedensklausel
(z.B.) die EU-Marktordnung für Zucker bei der WTO angefochten wurde.
Zu Frage 12:
Alle Sektoren der europäischen Wirtschaft, also auch der
Agrarbereich, sind exportorientiert.
Die EU hat in den letzten Jahren Marktanteile im Agrarbereich verloren. Vor
diesem Hinter-
grund wird daher nicht nur im Agrarbereich die Weltmarkt-Orientierung der EU
von Öster-
reich unterstützt.
Zu Frage 13:
Exporterstattungen sollen die Differenz
zwischen Inlandspreis und Weltmarktpreis abdecken.
Das Auslaufen der Erstattungen kann aber solange nicht befürwortet werden, als
nicht glei-
che Wettbewerbsbedingungen am Weltmarkt herrschen und alle Formen der Export-
förderung gleichen Abbauverpflichtungen unterworfen werden. Für die
europäischen Staaten
würde es schwierig sein, wettbewerbsfähig gegenüber den großen Agrarexporteuren
zu blei-
ben und die Entwicklungsländer würden dadurch nicht unterstützt.
Zu Frage 14:
Die EU ist vor und während der Konferenz in Cancún bereits sehr weitgehend auf die
Positi-
onen und Forderungen der Entwicklungsländer eingegangen: etwa durch die
Bereitschaft
zum Abbau aller Exportsubventionen für Produkte, die den Entwicklungsländern
wichtig sind,
und die Unterstützung der Ausdehnung der "Everything but Arms"-
Initiative. Für eine erfolg-
reiche Wiederaufnahme der Verhandlungen wird es jedoch notwendig sein, dass
auch die
Entwicklungsländer ihren Beitrag des in Doha vereinbarten Verhandlungsprogramms
leisten.
Dieses wurde von allen WTO-Mitgliedstaaten beschlossen und sollte daher auch
von allen
erfüllt werden.
Damit die Entwicklungsländer in größerem Ausmaß am
Welthandel teilnehmen können, ist
es nicht zielführend, nur den Nord-Süd-Handel durch Liberalisierungsschritte zu
verbessern -
ebenso wesentlich ist eine Erleichterung des Süd-Süd-Handels.
Auch Initiativen wie FAIRTRADE sind in der
Lage, neben ökologische auch soziale Aspekte
bei der Produktion zu berücksichtigen und damit eine nachhaltige Entwicklung zu
unter-
stützen. FAIRTRADE garantiert den Produzenten faire Preise deutlich über dem
Weltmarkt-
niveau und zusätzliche Aufschläge für Sozial- und Umweltprojekte.
Kleinbauernfamilien und
Arbeiter können dadurch ihre Lebenssituation dauerhaft verbessern. Kaffee, Tee,
Kakao,
Schokolade, Orangensaft und Bananen, die mit dem FAIRTRADE Gütesiegel
ausgezeichnet
sind, unterliegen strengen sozialen und ökologischen Kriterien. So können die
Konsumenten
sicher sein, dass sie nur hochwertige Produkte aus naturnahem Anbau zu
gerechten Preisen
für die Produzenten erhalten. Diese Aktion wird von der österreichischen
Bundesregierung
unterstützt.
Weiters möchte ich anmerken, dass eine
Reihe von Aktivitäten zur Verbesserung der Um-
welt auch im Agrarbereich außerhalb der WTO unternommen werden. So sind zum
Beispiel
die beiden neuen Umweltabkommen über persistente, organische Verbindungen und
„vorhe-
rigen informierten Konsens" (Stockholmer und Rotterdamer Konvention) nach
ihrem Inkraft-
treten wichtige Instrumente, um die Belastung mit hochgiftigen Pestiziden
weltweit zu redu-
zieren. Österreich hat beide Konventionen ratifiziert und damit seinen Beitrag
geleistet.
Zu Frage 15:
Art. 10.4 des WTO-Agrarabkommens besagt, dass Exportstützungsbestimmungen
nicht in
Form von Nahrungsmittelhilfe umgangen werden dürfen, sondern dass diese nach
den ein-
schlägigen Bestimmungen der FAO und der Food Aid Convention gewährt werden
sollen. Da
Nahrungsmittelhilfe nicht unmittelbare Aufgabe der WTO ist, wird sie auch in
der Doha-
Ministererklärung nicht explizit erwähnt, dennoch wird man die obgenannten
Querverweise
aufgrund der neuesten Entwicklungen auf diesem Gebiet aktualisieren müssen.
Ergänzend darf ich darauf hinweisen, dass
der von Österreich mitgetragene Vorschlag der
EU für Modalitäten für die Landwirtschaftsverhandlungen der Frage der
Ernährungssiche-
rung Rechnung trägt, indem die Einrichtung einer "food security box"
angeregt wird. Darin
werden insbesondere eine spezielle Schutzklausel, eine
Anpassung der de-minimis Regel
sowie die Ermöglichung gezielter interner Stützungen vorgeschlagen.
Zu Frage 16:
Das Recht auf Nahrung gilt als
international anerkanntes grundlegendes soziales Menschen-
recht, das seine Basis in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Art.
25), im Inter-
nationalen UN-Übereinkommen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
(Art. 11)
sowie in der Präambel zur FAO-Verfassung findet. Der Welternährungsgipfel 1996
hat das
Grundrecht auf Nahrung in der Rome Declaration on World Food Security und dem
World
Food Summit Plan of Action (Ziel 7.4.) bekräftigt. Der Forderung nach einer
besseren Imp-
lementierung und effizienten Realisierung des Menschenrechts auf Nahrung wurde
in der
Deklaration des World Food Summit: five years later - International Alliance
Against Hunger
insofern entsprochen, als die FAO durch die Mitgliedstaaten aufgefordert wurde,
binnen zwei
Jahren in einer eigens geschaffenen Arbeitsgruppe innerhalb der FAO, in
Zusammenarbeit
mit der UN-Menschenrechtsbehörde (UNHCR), und anderen relevanten
UN-Einrichtungen
freiwillige Richtlinien zur Unterstützung der nationalen Politiken der
Mitgliedstaaten bei der
Umsetzung des Rechts auf Nahrung auszuarbeiten. Aus den genannten Referenzdokumen-
ten wird deutlich, in welchen Foren Menschenrechte beschlossen und deklariert
werden bzw.
welche internationalen Gremien hierfür kompetent sind. Grundsätzlich erscheint
daher die
WTO als internationale Welthandelsorganisation nicht als das geeignete Forum,
Menschen-
rechte festzulegen.
Zu Frage 17:
Grundsätzlich ist für die Neuzulassung von
GVOs nicht der Bundesminister für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW), sondern die
Bundesministerin für
Gesundheit und Frauen (BMGF) zuständig. Die Aufrechterhaltung des
EU-Moratoriums bei
Neuzulassungen von GVO wird vom BMLFUW ausdrücklich unterstützt.
Bevor nicht geklärt ist, wie GVO-, Bio- und konventionelle
Landwirtschaft nebeneinander
bestehen können, kann ein Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Österreich
nicht in
Frage kommen. Einer der wichtigsten Maßnahmen ist daher die Prüfung der
Voraussetzun-
gen, unter denen eine Koexistenz der verschiedenen landwirtschaftlichen
Produktionsformen
möglich wäre. Zu diesem Zweck wurde eine Studie seitens des
BMLFUW in Auftrag gege-
ben.
Bisher wurden in Österreich 7 Anträge für
Freisetzungsversuche für GVOs gestellt, die ent-
weder von der Behörde (BMGF) abgelehnt oder vom Antragsteller wieder
zurückgezogen
wurden.
Zu Frage 18:
Das WTO-Abkommen und die anderen zitierten Abkommen sind
eigenständige inter-
nationale Übereinkommen. Die Notwendigkeit des verstärkten kohärenten Vorgehens
inter-
nationaler Organisationen (wie Weltbank, IMF, WTO, ILO, UNCTAD, UNEP, UNDP etc)
ge-
winnt jedoch immer mehr an Bedeutung. Bemühungen zur Umsetzung sind auch schon
sichtbar, indem z.B. versucht wird, Handel verstärkt in die nationalen PRSP
(Poverty Reduc-
tion Strategy Papers) zu integrieren. Österreich unterstützt die
diesbezüglichen Bemühungen
ausdrücklich. Es muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass ein kohärentes
Auftreten
auch eine kohärente Positionierung der Staaten in den verschiedenen Gremien
bedingt. Hier
wird von Österreich durch die intensive innerstaatliche Abstimmung, aber auch
im Rahmen
der Koordination innerhalb der EU, ein wesentlicher Beitrag in Richtung mehr
Kohärenz ge-
leistet.
Bedauerlicher Weise konnten bisher in der WTO -
insbesondere aufgrund des noch immer
anhaltenden Widerstandes der Entwicklungsländer - in der Behandlung des Themas
"Han-
del und Soziales" keine nennenswerten Fortschritte erzielt werden. Auch in
der WTO-
Ministererklärung von Doha finden sich lediglich ein Verweis auf die
diesbezügliche Minister-
erklärung der ersten WTO-Ministerkonferenz in Singapur (1996) und die Arbeiten
in der ILO.
Trotz oder gerade wegen der sehr enttäuschenden Fortschritte auf WTO-Ebene
haben aber
die Arbeiten in der ILO an Dynamik gewonnen.
Österreich sieht die Einbeziehung des Themas "Handel
und Soziales" in die WTO als lang-
fristiges Ziel. In der Zwischenzeit werden alle Maßnahmen unterstützt, die
geeignet sind,
vertrauensbildende Maßnahmen zu setzen, wie etwa die Arbeiten der "ILO
Weltkommission".
Auf EU-Ebene wurde bereits eine Verbindung
zwischen Handel- und Sozialnormen herge-
stellt, indem den Entwicklungsländern bei nachweislicher Einhaltung aller acht
ILO-
Kernarbeitsnormen zusätzliche Präferenzen zuerkannt werden. Österreich
unterstützt diese
Vorgehensweise ausdrücklich.
Zu Frage 19:
Die Sicherstellung der Farmer's Rights
betrifft vor allem jene Bauern, die primär noch pflan-
zengenetische Ressourcen in der Landwirtschaft nutzen und nicht oder im
geringen Ausmaß
auf Hochzuchtsorten - wie in den entwickelten Ländern - zurückgreifen.
Betroffen sind also
hauptsächlich Bauern in den Entwicklungsländern, die gleichzeitig wichtige
Gen-Zentren für
Pflanzenarten (Ursprung von Kulturarten) sind. In Österreich wird durch die
ÖPUL-
Maßnahme .Anbau seltener landwirtschaftlicher Kulturpflanzen" der Anbau
pflanzengeneti-
scher Ressourcen gefördert. Des Weiteren ist im österreichischen
Sortenschutzgesetz fest-
gehalten, dass der Sortenschutz „nicht den Anbau von Erntegut einer geschützten
Sorte um-
fasst, wenn das Vermehrungsmaterial aus eigenem Anbau des Landwirtes
stammt". Dieses
Prinzip des freien Nachbaus von geschützten Sorten wird in der UPOV
(Internationalen
Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen) Farmers' Exemption bezeichnet.
Zu Frage 20:
Anlässlich „der Parlamentarischen Enquete zur Umsetzung der
Biopatentrichtlinie"
(8. Oktober 2003) habe ich mich gegen eine generelle Patentierung von Pflanzen
und Tieren
ausgesprochen und bin für eine strenge Abgrenzung des Sortenschutzes gegenüber
dem
Patentrecht eingetreten. Grundsätzlich hat sich das Bundesministerium für Land-
und Forst-
wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft gegen die Patentierung von Pflanzen und
Tieren
ausgesprochen und beruft sich dabei auf das TRIPS-Abkommen (Trade related
intellectual
property rights), wonach die Mitgliedstaaten Pflanzen und Tiere von der
Patentierbarkeit
ausnehmen können.
Die Biopatentrichtlinie der EU schließt jedoch eine solche
Patentierung nicht explizit aus. Der
Begutachtungsentwurf für die nationale Umsetzung wird vom österreichischen
Patentamt
erstellt und vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technik zur
Begutachtung
|
ausgesendet werden. Ich habe mich bei
Vizekanzler und Bundesminister Gorbach dafür ein-
gesetzt, dass im Patentgesetz eine Bestimmung aufgenommen wird, die die
Patentierung
von Pflanzen und Tieren verbietet. Diese Haltung wird in die
Ressortstellungnahme einflie-
ßen.
Zu Frage 21:
Nach dem Scheitern von Cancún laufen derzeit sowohl auf
WTO-Ebene als auch auf EU-
Ebene Überlegungen zur weiteren Vorgangsweise. So lange der EU-interne
Meinungsbil-
dungsprozess nicht abgeschlossen ist, sind Aussagen über das weitere Procedere
nicht
möglich. Auf jeden Fall wird die EU weiterhin mit dem Ziel, eine in sozialer,
ökonomischer
und ökologischer Hinsicht nachhaltige Landwirtschaft sicherzustellen, in die
Verhandlungen
gehen. Im Übrigen darf ich auf die Beantwortung zu Frage 11 verweisen.
Zu Frage 22:
Grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass für
WTO-Angelegenheiten das Bundesministeri-
um für Wirtschaft und Arbeit federführend zuständig ist. Mehrmals im Monat
werden in Vor-
bereitung der Ratsarbeitsgruppe gemäß Art. 133 EGV (die sich insbesondere mit
den WTO-
Verhandlungen beschäftigt) Sitzungen mit Vertretern anderer Ressorts und der
Sozialpartner
abgehalten. Berichte und Dokumente werden an diese Stellen und an das Parlament
über-
mittelt. Ferner werden zur Diskussion von wichtigen Entwicklungen in den WTO-
Verhandlungen Vertreter des Parlaments und NRO's regelmäßig zu
Informationsveranstal-
tungen in das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit eingeladen.
Betreffend die
Entscheidungsfindungsprozesse innerhalb der WTO darf darauf hingewiesen
werden, dass Entscheidungen in der WTO grundsätzlich im Konsensweg durch die
von den
Regierungen der WTO-Mitgliedstaaten legitimierten Vertreter erfolgen. Vor allem
aufgrund
der nach der fehlgeschlagenen WTO-Ministerkonferenz in Seattle 1999 geäußerten
Kritik
gab es verstärkt Bemühungen, die WTO-Arbeiten nach außen hin möglichst
transparent zu
gestalten. Neben einer Steigerung der Transparenz wird auch eine stärkere
Einbindung der
Entwicklungsländer und der interessierten Öffentlichkeit angestrebt. Die
Diskussion in dieser
Frage wird in der WTO fortgesetzt und von Österreich mit Aufmerksamkeit
verfolgt werden.
Inzwischen
konnten wesentliche Fortschritte erzielt werden, insbesondere durch eine ver-
besserte WTO-Website, verstärkte NRO-Kontakte seitens des WTO-Sekretariates und
einen
erleichterten Zugang zu WTO-Dokumenten.