1076/AB XXII. GP

Eingelangt am 12.01.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bundesministerium für soziale Sicherheit Generationen und Konsumentenschutz

 

Anfragebeantwortung

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage

Nr. 1056/J der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde, wie folgt:

Fragen 1, 2, 3 und 4:

Zu § 1 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz - BEinstG (Verordnungsermächtigung):

Die seit 1976 in Form von Verordnungen (BGBI. Nr. 546 bis 570/1976) bestehenden
Ausnahmeregelungen, die für bestimmte Branchen höhere Pflichtzahlen vorsahen,
wurden durch das Bundesgesetz BGBI. l Nr. 17/1999 (§ 28 BEinstG) stufenweise
beseitigt. Ab dem Kalenderjahr 2003 gilt somit für alle Betriebe einheitlich die Pflicht-
zahl 25. Damit wurde dem Bericht in diesem Punkt entsprochen.

Um der Vorbildfunktion des öffentlichen Dienstes Ausdruck zu verleihen, wurde
überdies die Pflichtzahl der Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) dem
für die Privatwirtschaft geltenden Ausmaß angeglichen. Zuvor bestehende Begüns-
tigungen wurden damit beseitigt.

In Summe bewirkte diese Maßnahme eine Ausweitung der Beschäftigungsmöglich-
keiten für Menschen mit Behinderungen um 4.000 bis 5.000 zusätzliche Stellen.

Zu § 18a Abs. 1 und 3 ASVG (Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für
Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes):

Nach Ansicht der Behindertenverbände liegt eine Benachteiligung darin, dass eine
begünstigte Selbstversicherung nur bei gänzlicher, nicht jedoch bei bloß überwie-
gender Beanspruchung der Arbeitskraft der Pflegeperson des behinderten Kindes
möglich ist.


Lösung:

Personen, die aus der Pflichtversicherung bzw. aus einer Selbstversicherung nach
§ 18a ASVG ausgeschieden sind, um einen nahen Angehörigen zu pflegen, der An-
spruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 (Stufe 3 wurde im Zuge der
60. ASVG-Novelle normiert)
des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Be-
stimmungen der Landespflegegeldgesetze hat, können sich in der Pensionsversi-
cherung insofern begünstigt weiterversichern, als der Bund den fiktiven Dienstgeber-
beitrag trägt.

Zu den §§ 254 Abs. 1 und 255 Abs. 3 ASVG (Invaliditätspension):

War ein Behinderter überwiegend im erlernten oder angelernten Beruf tätig, so ge-
nießt er den Berufsschutz, was die Gewährung einer Invaliditätspension erleichtert.
Behinderte Arbeitnehmer, die aufgrund ihres Gesundheitszustandes ihren erlernten
Beruf nicht mehr ausüben können und daher umgeschult werden, können dadurch
später dann einen Nachteil erleiden, wenn sie nicht überwiegend in erlernten (ange-
lernten) Berufen tätig waren.

Weiters sehen die Behindertenverbände eine Benachteiligung behinderter Men-
schen darin, dass die Invalidität im Laufe des Berufslebens eingetreten sein muss.
Die Invaliditätspension werde manchmal mit dem Hinweis abgelehnt, dass sich der
Gesundheitszustand nicht während der Berufstätigkeit verschlechtert, sondern schon
vor Aufnahme der Berufstätigkeit bestanden habe.

Lösung:

Mit dem Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000, BGBI. l Nr. 43, wurde der Be-
rufsschutz
für Personen, die das 57. Lebensjahr bereits vollendet haben und durch
10 Jahre während der letzten 15 Jahre vor dem Pensionsstichtag eine bestimmte
Tätigkeit ausgeübt haben, verbessert. Können die Personen auf Grund einer Krank-
heit oder eines sonstigen Gebrechens die besagte Tätigkeit nicht mehr ausüben, so
gelten sie unter den erwähnten Voraussetzungen als invalid.

Es darf darauf hingewiesen werden, dass schon derzeit im Bereich der Pensionsver-
sicherung der Grundsatz „Rehabilitation vor Pension" gilt, sodass etwa eine Inva-
liditätspension nur befristet zugesprochen wird, solange die Chance auf einen Reha-
bilitationserfolg besteht.

Darüber hinaus wurde im Rahmen des 2. SVÄG 2003 ein Anspruch auf Invalidi-
tätspension auch bei originärer Invalidität
geschaffen. Menschen, die bei Eintritt
in die Erwerbsfähigkeit auf Grund ihrer starken gesundheitlichen Einschränkungen
grundsätzlich arbeitsunfähig waren, aber dennoch über lange Zeit einer Erwerbstä-
tigkeit nachgegangen sind, wird es durch diese Gesetzesänderung, die am
1. Jänner 2004 in Kraft treten wird, ermöglicht, eine Invaliditäts-, Berufsunfähigkeits-
oder Erwerbsunfähigkeitspension zu erwerben. Voraussetzung dafür ist, dass zehn
Beitragsjahre der Pflichtversicherung vorliegen. Diese Maßnahme stellt auch einen


Anreiz für behinderte Menschen dar, sich in den regulären Arbeitsmarkt aktiv zu
integrieren.

Zu S 30i Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (Freifahrten und Fahrtenbeihil-
fen für Lehrlinge):

Die Behindertenverbände kritisierten, dass Freifahrten und Fahrtenbeihilfen nur für
Lehrlinge in gesetzlich anerkannten Lehrverhältnissen existieren und forderten den
Entfall der Einschränkung auf gesetzlich anerkannte Ausbildungen.

Lösung:

Die Situation hat sich insoweit geändert, als aufgrund eines Erkenntnisses des Ver-
fassungsgerichtshofes das Wort « gesetzlich » im ersten Satz des § 30j Abs. 2 Fami-
lienlastenausgleichsgesetz 1967 mit Ablauf des 31. August 2003 aufgehoben wurde.

Damit ist die ausschließliche Bindung der Lehrlingsfreifahrten und Fahrtenbeihilfen
an die Lehrberufe des Berufsausbildungsgesetzes weggefallen. Anerkannte Ausbil-
dungsverhältnisse im Sinne des § 30j Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967
können daher auch gleichwertige Ausbildungsgänge sein, wenn sie durch generelle
Normen geregelt sind.

Fragen 5 und 6:

Zu § 1 Abs. 1 BEinstG (Beschäftigtenpflicht; Pflichtzahlschlüssel:

Aus dem zuletzt zur Verfügung stehenden statistischen Datenmaterial geht hervor,
dass die Zahl der begünstigten Behinderten in etwa der Zahl der Pflichtstellen ent-
spricht. Konkret standen per 1.1.2003 86.827 begünstigten Behinderten rechnerisch
86.157 Pflichtstellen gegenüber.

Dieses ausgewogene Verhältnis wird den Intentionen des BEinstG, die berufliche
Integration von Menschen mit besonderen Bedürfnissen zu fördern, gerecht, wes-
halb eine Änderung des § 1 Abs. 1 BEinstG auch weiterhin nicht als erforderlich an-
zusehen ist.

Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, dass mit Wirkung vom 1.7.2001 die Aus-
gleichstaxe außerhalb der jährlichen Anpassungen um rund 30 % auf € 196,22 an-
gehoben wurde. Mit diesem Schritt wurde der Anreiz, behinderte Menschen einzu-
stellen, deutlich verstärkt.

Zu § 2 Abs. 1 und 2 lit. d BEinstG (Personenkreis der begünstigten Behinderten):

Zentrales Instrument für die Unterstützung der beruflichen Eingliederung behinderter
Menschen auf der Bundesebene ist das Behinderteneinstellungsgesetz. Ziel dieses
Gesetzes ist es, durch eine Reihe von Förder- und Schutzmaßnahmen Arbeitsplätze


für Menschen mit besonderen Bedürfnissen nachhaltig zu schaffen bzw. abzusi-
chern. Dem Kreis der begünstigten Behinderten können daher alle Personen ange-
hören, deren Grad der Behinderung mindestens 50 vH beträgt und die nicht unter
einen der Ausschlusstatbestände des § 2 Abs. 2 lit. a bis d BEinstG fallen.

Für die berufliche Integration am ersten Arbeitsmarkt erscheint es erforderlich, dass
der behinderte Mensch - allenfalls nach entsprechender Vorbereitung (Arbeitstrai-
ning, Arbeitserprobung) und Ausbildung - über eine wirtschaftlich verwertbare Leis-
tungsfähigkeit verfügt, die voraussichtlich der Hälfte der durchschnittlichen Produkti-
vität eines nichtbehinderten Arbeitnehmers in gleicher Beschäftigung entspricht.
Diese Minderleistung stellt nach den geltenden Richtlinien auch ein Aufnahmeer-
fordernis für die Beschäftigung in einem Integrativen Betrieb dar.

Die Aufrechterhaltung der im § 2 Abs. 2 lit. d BEinstG angeführten Ausschlussbe-
stimmung ist daher auf Grund der Zielsetzung des BEinstG und auch unter dem
Aspekt der Vermeidung von - wegen realer Gegebenheiten auf dem offenen Arbeits-
markt - letztlich nicht erfüllbaren Erwartungshaltungen als sachlich gerechtfertigt an-
zusehen.

Im gegebenen Zusammenhang sei auf die Zielsetzung der österreichischen Behin-
dertenpolitik, die Integration von Menschen mit Behinderungen in den offenen Ar-
beitsmarkt zu verbessern, hingewiesen. Seit 2001 führt die Bundesregierung die
Beschäftigungsoffensive für Menschen mit Behinderungen („Behindertenmilliarde")
zur beruflichen Integration behinderter Menschen mit großem Erfolg durch.

Zu § 367 ASVG (Bescheiderlassungspflicht bei Entscheidungen des Rehabilitations-
ausschusses):

Rehabilitationsausschüsse entscheiden nur in Form von Mitteilungen und nicht mit-
tels Bescheiden, obwohl nach Ansicht der Behindertenverbände bei Vorliegen der
Voraussetzungen sehr wohl ein individueller Rechtsanspruch besteht. Weiters wird
kritisiert, dass die Entscheidungen der Rehabilitationsausschüsse oftmals ohne Be-
gründung ergehen. Beide genannten Vorgangsweisen benachteiligen nach Ansicht
der Behindertenverbände behinderte Menschen, da es keinen Rechtszug gegen
bloße Mitteilungen gibt.

Im Rahmen der von Univ.-Prof. Dr. Tomandl geleiteten Arbeitsgruppe „Prävention
und Rehabilitation" wird u.a. auch die Frage eines individuellen Rechtsanspruchs auf
Rehabilitation zu prüfen sein.