1080/AB XXII. GP

Eingelangt am 13.01.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bundesministerium für Justiz

 

Anfragebeantwortung

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Gisela Wurm, Kolleginnen und Kollegen
haben an mich eine schriftliche Anfrage „hinsichtlich der Förderung von Opfer-
schutzeinrichtungen und der Auswirkungen der Strafprozessnovelle 1999" gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Vorweg möchte ich darauf hinweisen, dass ich - entgegen den in der Anfrage erho-
benen Vorwürfen - keine bestehenden und funktionierenden Strukturen im Bereich
der Opferhilfe zerschlagen möchte. Da aber eine Vielzahl von Opferhilfeeinrichtun-
gen besteht und deren unterschiedliche Angebote gerade aus Sicht der Hilfe su-
chenden Opfer teilweise bereits unüberschaubar geworden sind, möchte ich in den
Bereich der Opferhilfe mehr Transparenz bringen.

Zu 1:

Bei der Beantwortung dieser Frage ist zunächst vorauszuschicken, dass nicht sämt-
liche Opferhilfeorganisationen mit dem Bundesministerium für Justiz in Kontakt ste-
hen, weshalb diese Frage nicht mit einem Anspruch auf Vollständigkeit beantwortet
werden kann. Bei einer von mir im Jahr 2002 in Auftrag gegebenen Studie stellte das
Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie Wien (IRKS) fest, dass es im Juli 2002 im
Bundesgebiet jedenfalls 177 Einrichtungen gab, die sich zumindest teilweise mit Op-
ferhilfe beschäftigten. Diesbezüglich wird auf die angeschlossene Beilage ./A ver-
wiesen, in der die dem Bundesministerium für Justiz zum damaligen Zeitpunkt be-
kannt gegebenen Einrichtungen aufgelistet sind. Da im Bereich der Opferhilfeorgani-
sationen jedoch eine starke Fluktuation gegeben ist, können diese Zahlen nur als
Näherungswerte angesehen werden.


Zu 2a, 2b und 4:

Im Jahr 2000 wurden 4, im Jahr 2001 13 und im Jahr 2002 24 Opferhilfe-
organisationen gefördert. Zu den Daten dieser Vereine und der Höhe der Förderun-
gen wird auf die angeschlossenen Beilagen ./B bis ./D verwiesen. Für das Jahr 2003
liegen noch keine endgültigen Daten vor.

Zu 3 und 3a:

Die      Förderung     von     Opferhilfeorganisationen     erfolgt     nach     den      in

Art. VI Strafprozessnovelle 1999, BGBI. l Nr. 55/1999, normierten Grundsätzen, den
"Allgemeinen Rahmenrichtlinien für die Gewährung von Förderungen aus Bundes-
mitteln" und den Förderungsbedingungen des Bundesministeriums für Justiz. Wenn
diese - für alle Förderungswerber gleichermaßen geltenden - Anforderungen erfüllt
sind, wird über einen entsprechenden Antrag nach Herstellung des Einvernehmens
mit dem Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumenten-
schutz und dem Bundesministerium für Inneres eine Förderung gewährt. Ein Förde-
rungsansuchen einer Opferhilfeorganisation wird nur dann abgelehnt, wenn diesen
Anforderungen nicht entsprochen wird.

Zu 5:

Da die Strafprozessnovelle 1999, BGBI. l Nr. 55/1999, in den hier maßgeblichen Tei-
len erst mit 1. Jänner 2000 in Kraft getreten ist, können erst seit diesem Zeitpunkt
Opferhilfeorganisationen gefördert werden. Ein Vergleich für den Zeitraum von 1993
bis 2003 ist sohin nicht möglich.

Zu 6:

Für die Einnahmen des Bundes - auch aus Geldbußen gemäß § 90c StPO - gilt der

Gesamtbedeckungsgrundsatz (§ 38 des Bundeshaushaltsgesetzes): "Alle Einnah-
men des Bundes haben der Bedeckung seines gesamten Ausgabenbedarfes zu die-
nen".


Zu 6a:

Die Einnahmen des Bundes aus Geldbußen gemäß §§ 90b und 90c StPO (Voran-
schlagspost 2/30204-8811) betrugen

im Jahr 2000           8,842.104,97 Euro,

im Jahr 2001           9,748.512,09 Euro und

im Jahr 2002           9,970.423,21 Euro.

Zu 8, 8a und 8b:

Im Jahr 2002 habe ich die Erstellung einer bundesweiten Landkarte über Opfer-
schutzeinrichtungen in Auftrag gegeben, welche vom Institut für Rechts- und Krimi-
nalsoziologie Wien (IRKS) noch im selben Jahr erstellt wurde. Auf die Schwierigkei-
ten bei der Erfassung der sich in Österreich mit Opferhilfeangelegenheiten beschäf-
tigenden Organisationen habe ich bereits oben hingewiesen.

Zu 9 bis 10b:

Mit der von mir vorgelegten Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit

dem die Strafprozessordnung grundlegend neu gestaltet wird (Strafprozessreform-
gesetz), 25 der Beilagen
XXII. GP, habe ich deutlich zum Ausdruck gebracht, dass
die Stärkung der Rechte der Opfer strafbarer Handlungen ein zentrales Anliegen
meiner Reformbemühungen darstellt. Dies betrifft insbesondere die Frage der Infor-
mations- und Beteiligungsrechte von Opfern sowie eine Förderung ihres Genug-
tuungsinteresses. Zu sämtlichen Bereichen enthält die von mir vorgelegte RV bedeu-
tende Verbesserungsvorschläge (siehe insbesondere die §§ 65 bis 73 der RV). Im
Zuge der Beratungen im Unterausschuss des Justizausschusses über diese RV sind
weitere Vorschläge zur Verbesserung der Rechtsstellung der Opfer im Strafverfah-
ren eingebracht worden, weshalb mein Ressort dem Unterausschuss eine Unterlage
über die weitere Stärkung der Opferrechte vorgelegt hat. In ihr wird insbesondere die
Verankerung eines gesetzlichen Anspruches von Sexual- und Gewaltopfern auf psy-
chosoziale und juristische Prozessbegleitung sowie die Einführung der Verfahrens-
hilfe zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen im Strafverfahren einge-
hend behandelt. Ich bedaure in diesem Zusammenhang darauf hinweisen zu müs-
sen, dass mein Bestreben, den Strafverfolgungsbehörden ein modernes und rechts-
staatlich einwandfreies Instrumentarium zur Hand zu geben sowie Beschuldigten-
und Opferrechte zu verstärken, von der Fraktion der Anfragesteller bisher keine Un-
terstützung erfahren hat.


Zu 11:

Wir wissen aus mehreren Studien über die berechtigten Erwartungen von Opfern

strafbarer Handlungen, dass es insbesondere darum geht, dass das Opfer mit sei-
nen Ansprüchen vor Gericht ernst genommen und als Subjekt des Verfahrens be-
handelt und wahrgenommen wird. Eben in diesem Bereich schlägt die bereits von
mir erwähnte RV bedeutende Verbesserungen der Rechtsstellung von Opfern vor,
weshalb ich einer raschen Beschlussfassung im Nationalrat den Vorzug gegenüber
einer neuerlichen kostenintensiven Beauftragung einer Studie gebe.

Zu 12, 12a und 12b:

Die Höhe der Förderung des Bundesministeriums für Justiz richtet sich nach der im

Einzelfall jeweils notwendigen Prozessbegleitung, womit die unterschiedlichen Be-
dürfnisse von Opfern entsprechend berücksichtigt werden.

Zu 13 und 13a:

Zu Gewalthandlungen im familiären Bereich hält der Bericht des Justizausschusses

zur Strafprozessnovelle 1999, 1615 der Beilagen XX. GP, 2, fest, dass sicherzustel-
len ist, dass das Gesetzesvorhaben den Bestrebungen des Gesetzgebers und der
Bundesregierung nach wirkungsvoller Bekämpfung der sogenannten „Gewalt in der
Familie" nicht zuwider läuft. Aus diesem Grund betont der Einführungserlass zur
Strafprozessnovelle 1999, JABI
. Nr. 1/2000, dass sehr genau auf die Ursachen und
die tatsächliche Bereitschaft zur Verhaltensänderung, aber auch auf entsprechende
Information der verletzten Person über die ihr zustehenden Möglichkeiten Bedacht
zu nehmen sein wird, um dem Aspekt der Normenverdeutlichung und den typischen
Problemstellungen in diesem Kriminalitätsfeld gerecht zu werden. Empfohlen wurde,
die verletzte Person von der Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung nach § 382b
EO und über geeignete Opferschutzeinrichtungen (§ 25 Abs. 2 SPG) zu unterrichten.
Darüber hinaus soll nach diesem Erlass, auch soweit ein Kontakt der verletzten Per-
son mit Opferschutzeinrichtungen nicht aktenkundig ist, nach Möglichkeit vor Einlei-
tung eines Ausgleichsversuchs der örtlich zuständigen Interventionsstelle Gelegen-
heit zur Stellungnahme eingeräumt werden.

Dieser besonderen Berücksichtigung der Situation von Opfern „häuslicher Gewalt"
wird in Fortbildungsveranstaltungen besondere Bedeutung eingeräumt. Schließlich
wurde das Thema zuletzt anlässlich der Besprechung der Leiter der staatsanwalt-
schaftlichen Behörden und der Sicherheitsbehörden thematisiert. Aber auch in die-


sem Bereich erwarte ich mir eine besondere Unterstützung von der raschen Be-
schlussfassung und Umsetzung des Strafprozessreformgesetzes, um Opfern einen
gesetzlichen Anspruch auf Prozessbegleitung gewähren zu können.

Zu 14 bis 15b:

In Anbetracht der besonderen Bedeutung, die den Themen „Gewalt in der Familie"

sowie „juristische und psychosoziale Problematik von Verbrechensopfern" für die
Rechtspflege zukommt, waren diese Themenbereiche schon bisher Bestandteil des
Fortbildungsangebotes der Justiz für Richterinnen/Richter und Staatsanwältinnen/
Staatsanwälte und werden im Jahr 2004 neuerlich Gegenstand von Fortbildungs-
maßnahmen für den genannten Personenkreis sein.

Folgende drei im Jahr 2004 stattfindende Fortbildungsveranstaltungen zu diesen
Themenkreisen stehen schon zum jetzigen Zeitpunkt fest:

Zunächst führt das Bundesministerium für Justiz am 14. Jänner 2004 im Schulungs-
zentrum des Oberlandesgerichtes Wien ein Seminar zum Thema „Maßnahmen zur
Gewaltprävention im Bereich familiärer Gewalt" durch, das Richterinnen/Richte
rn
und Staatsanwältinnen/ Staatsanwälten zur Teilnahme im Rahmen des Dienstes of-
fen stehen wird. Als Vortragende werden an dieser Veranstaltung Expertinnen und
Experten aus dem Bereich der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie,
Wien, und des Vereins Männerberatung sowie eine staatsanwaltschaftliche Behör-
denleiterin mitwirken.

Des weiteren wird das Bundesministerium für Justiz Richterinnen und Richtern, die
auf Grund ihrer Sonderzuständigkeit für Strafverfahren betreffend den sexuellen
Missbrauch an Kindern und Jugendlichen tätig sind, vom 15. bis 16. April 2004 eine
Fortbildungsveranstaltung anbieten, die die besonderen Aspekte des Opferschutzes
und der Verfahrensführung in solchen Strafprozessen, insbesondere die Vorge-
hensweise der psychosozialen und juristischen Prozessbegleitung, zum Gegenstand
haben wird. Als Trainerinnen dieses Seminars sind Expertinnen auf den Fachgebie-
ten Psychologie, Psychotherapie und Sozialarbeit vorgesehen, die über einschlägige
Kenntnisse und Erfahrungen verfügen.

Die Fachgruppe Außerstreit- und Familienrecht der Vereinigung der österreichischen
Richter veranstaltet vom 29. März bis 2. April 2004 im Rahmen eines vierjährigen
Curriculums für die mit Außerstreit- und Familienrecht befassten Richter/innen ein


Seminar, das den in diesem Bereich tätigen Richtern/Richterinnen eine eingehende
Befassung mit den spezifischen Aspekten der richterlichen Tätigkeit in Verfahren,
die Gewalt in der Familie zum Gegenstand haben, ermöglichen wird. Das Justiz-
ressort unterstützt diese Fortbildungsveranstaltung dadurch, dass zur Teilnahme
daran fünf Tage Sonderurlaub sowie ein beträchtlicher Reisekostenzuschuss ge-
währt werden wird. Dieses Seminar wird von einer mit Familiensachen befassten
Richterin, einer Vertreterin der Frauenhäuser und einer Mediatorin, die alle über be-
sondere Erfahrungen auf diesem Gebiet aufweisen, geleitet werden.

Im Hinblick darauf, dass die Planungsphase für das nächste Fortbildungsprogramm
für Richter/Richterinnen und Staatsanwälte/Staatsanwältinnen, nämlich das Fortbil-
dungsprogramm für den Zeitraum 2004/2005, erst angelaufen ist und die diesbezüg-
lichen Veranstaltungsvorschläge der Veranstalter im Justizbereich - wie üblich - erst
Ende Februar 2004 vorliegen werden, kann ich über weitere Fortbildungsmaßnah-
men zu den angesprochenen Themen derzeit noch keine näheren Angaben ma-
chen. Gewalt in der Familie sowie die juristische und psychosoziale Problematik der
Verbrechensopfer werden im kommenden Fortbildungsangebot jedenfalls wieder ei-
nen Themenschwerpunkt bilden. Im Rahmen des Themenschwerpunks „Gewalt"
wird den Vortragenden derartiger Seminare überdies ein spezielles Train-the-Trainer
Seminar angeboten werden.

Nach In-Kraft-Treten des neuen Sexualstrafrechtes werden auch die für dessen er-
folgreiche Vollziehung durch die Gerichte und Anklagebehörden erforderlichen Schu-
lungsmaßnahmen in meinem Ressort in die Wege geleitet werden.

Was die Verpflichtung zur Teilnahme an solchen Schulungsmaßnahmen betrifft,
weise ich darauf hin, dass die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, alleine
schon um den Anschein einer Einflussnahme der Justizverwaltung auf die ver-
fassungsrechtlich normierte Unabhängigkeit der Rechtsprechungsorgane zu ver-
meiden, seitens der Richterschaft auf freiwilliger Basis erfolgt.

Im Rahmen der - verpflichtenden - Ausbildung der Richteramtsanwärter/innen wer-
den die genannten Themenbereiche insbesondere im Rahmen der Schulungen zum
Familien- und Strafverfahrensrecht jedenfalls behandelt.

Zusammenfassend halte ich fest, dass den Themen Gewalt in der Familie sowie die
Problematik von Verbrechensopfern im Rahmen des Ausbildungs- und Fortbildungs-


angebotes für Richter/innen und Staatsanwälte/Staatsanwältinnen bzw.  Richter-
amtsanwärter/innen weiterhin entsprechender Raum gewidmet sein wird.