1111/AB XXII. GP

Eingelangt am 20.01.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie

 

 

Anfragebeantwortung

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1097/J-NR/2003 betreffend Zerschlagung der ÖBB und
die Auswirkungen auf Umwelt, Gesundheit und Volkswirtschaft, die die Abgeordneten Sima und
Genoss
Innen am 18. November 2003 an mich gerichtet haben, beehre ich mich wie folgt zu
beantworten:

Frage 1:

Wie viele Menschen fahren in Österreich täglich mit der Bahn?

Antwort:

Rund 510.000 Menschen reisen täglich mit den österreichischen Bundesbahnen auf der Schiene.

Frage 2:

Wie viele jährlich?

Antwort:

Die ÖBB befördern in Österreich auf der Schiene ca. 185 Mio. Fahrgäste jährlich.

Frage 3:

Wie viele km legt ein Österreicher, eine Österreicherin im Jahr per Bahn zurück?

Antwort:

Eine Österreicherin/ein Österreicher legt in etwa 1.033 km jährlich auf dem Schienennetz der ÖBB
zurück.

Frage 4:

Wie viele km legt er/sie mit dem Auto im Jahr zurück?

Antwort:

Jede Österreicherin, jeder Österreicher legt pro Jahr im Durchschnitt rund 8500 bis 9000 km in
einem Pkw zurück.

Frage 5:

Wie viele Tonnen an Gütern werden pro Jahr auf den Schienen transportiert?

Antwort:

Die ÖBB befördern jährlich rund 87 Mio. Tonnen Güter auf der Schiene.


Frage 6:

Welcher Anteil in Prozent ist dies gemessen am gesamten Güterverkehr in Österreich?

Antwort:

Gemessen am gesamten Güterverkehr in Österreich beträgt der Anteil der auf der Schiene
transportierten Güter ca. 37 %.

Fragen 7,8 und 10:

Welchen Anteil am Gesamtgüterverkehr wird Ihren Berechnungen nach der LKW-Verkehr im Jahr
2010 haben?

Welchen der Transport auf der Schiene?

Welcher Zuwachs beim PKW-Verkehr in Österreich ist bis 2010 zu erwarten?

Antwort:

Meinem Ressort liegen derzeit Verkehrsprognosen für das Jahr 2015 mit dem Basisjahr 1998 vor,
die im Jahr 2000 fertiggestellt wurden. Eine Neuerstellung der Verkehrsprognose ist derzeit in Ar-
beit und wird voraussichtlich 2005 fertiggestellt.

Die derzeit vorliegenden Verkehrsprognosen ergeben für das Jahr 2015 eine Güterverkehrsleis-
tung auf der Straße von rd. 41 Mrd. Tkm und auf der Schiene von rd. 21 Mrd. Tkm.

In der Verkehrsprognose Österreich 2015 ergab sich ein voraussichtlicher Zuwachs der MIV-
Verkehrsleistung von 1998 bis 2015 um 57 %.

Frage 9:

In welchem Ausmaß hat der PKW-Verkehr in Österreich in den letzten 10 Jahren zugenommen?

Antwort:

Aus den Auswertungen der automatischen Dauerzählstellen lässt sich für Bundesstraßen in den
letzten 10 Jahren eine Steigerung des Gesamtverkehrs (PKW und LKW gemeinsam) von 3,5 %
jährlich ableiten.

Frage 11:

Wie werden sich Ihren Prognosen nach die Passagierzahlen bei der ÖBB in den nächsten 10 Jahren
entwickeln?

Antwort:

Aufbauend auf die Mittelfristplanung 2004 bis 2007 wird für die nächsten 10 Jahre ein
Fahrgastwachstum von durchschnittlich 2 % auf der Schiene erwartet. Aufgrund sinkender
Schülerzahlen wird beim BahnBus von einer konstant bleibenden Fahrgastzahl ausgegangen.

Frage 12:

Wie hoch sind Ihren Berechnungen nach die Staukosten, die sich die Allgemeinheit durch die
BahnfahrerInnen jährlich erspart?


Antwort:

Die Staukosten betragen in Österreich jährlich mehr als 6,5 Mrd. €. Die Fahrgäste der ÖBB ersparen
der Allgemeinheit jährlich rund 435 Mio. € an Staukosten.

Frage 13:

Wie hoch sind die Unfallkosten, die die BahnfahrerInnen der Allgemeinheit pro Jahr ersparen?

Antwort:

Bahnfahren ist in etwa 39 mal sicherer als Autofahren. Die ersparten Unfallkosten, die aus der
Benützung der Bahn resultieren, betragen jährlich ca. 175 Mio. €.

Frage 14:

Stellt die nun beschlossene Zerschlagung der ÖBB Ihrer Ansicht nach eine Gefahr für das bislang
erfolgreiche Unternehmen dar?

Antwort:

Mit der Neustrukturierung des Verkehrsträgers Schiene wird die Voraussetzung geschaffen, damit
dieser Verkehrsträger im Wettbewerb nicht nur bestehen sondern auch Akzente setzen kann. Dies
soll mit einer Unternehmensstruktur erreicht werden, welche in sich bereits das Erfordernis enthält,
dass die Gesellschaften, welche unabhängige Rechtspersönlichkeiten und nach kaufmännischen
Gesichtspunkten zu führen sind, ihre Geschäftstätigkeit noch mehr kundenorientiert und service-
orientiert ausrichten, um am Markt bestehen zu können.

Frage 15:

Welche Auswirkungen werden die Umstrukturierungspläne für die Fahrgäste haben?

Antwort:

Die Struktur eines Unternehmens hat keine unmittelbare Auswirkung auf Produkte und Dienstleis-
tungen, sondern schafft nur den Rahmen für wettbewerbsfähiges und damit marktgerechtes, kun-
denorientiertes Handeln.

Fragen 16 und 17:

Werden die Fahrkarten künftig teurer?

Falls ja, um wie viel?

Antwort:

Die Preisgestaltung ist ein Instrument, das von der Struktur unabhängig ist. Die Preise der Fahr-
karten müssen daher adäquat zum Leistungsangebot sein. Die gemeinwirtschaftlichen Leistungen
des Bundes zur Tarifabgeltung bleiben von der Strukturreform unberührt.

Fragen 18 und 19:

Geben Ihnen die negativen Beispiele der Bahn-Privatisierung etwa in Großbritannien nicht Anlass
zur Sorge, dass es mit der ÖBB-Reform auch in Österreich zu derartigen Entwicklungen kommen
wird?

Falls nein, warum nicht?


Antwort:

Nein.

Die Situation in Großbritannien ist mit jener von Österreich nicht vergleichbar. Im Gegensatz zu
Großbritannien wird in Österreich keine Privatisierung des Verkehrsträgers Schiene vorge-
nommen, sondern eine Umstruktrurierung desselbigen. Eigentümer bleibt weiterhin der Bund.

Frage 20:

Welche Summe zahlt die Allgemeinheit - sprich zahlen die SteuerzahlerInnen - pro Jahr für die
ÖBB?

Antwort:

Die Kosten für die Allgemeinheit und somit der Finanzbedarf der ÖBB (inkl. SCHIG) durch den
Bund gliedert sich wie folgt:

Gemeinwirtschaftliche Leistungen:                        rd. 0,585 Mio. €
Infrastruktur Erhaltung und Betrieb:                         rd. 1,101 Mio. €
Infrastruktur Neuinvestitionen:                         rd. 0,795 Mio. €
Zinsendienst für vorfinanzierte Baumaßnahmen:___________________                        rd. 0,239 Mio. €
Gesamt 2003:
                        rd. 2,720 Mio.
Pensionen:                        rd. 1,300 Mio.

Diesem Finanzbedarf stehen wesentliche Leistungsbeiträge der ÖBB gegenüber:
Die ÖBB zahlen für die Benützung der Infrastruktur an den Bund ein Infrastruktur-Benützungs-
Entgelt (IBE) in der Höhe von rund 334 Mio. €, welches den Infrastruktur-Investitionen entgegenzu-
rechnen ist. Diese Zahlungen verringern den Finanzbedarf des Bundes für Neubauten.
Bei den Infrastruktur-Investitionen handelt es sich um Investitionsmaßnahmen in die Verkehrsin-
frastruktur der Republik Österreich. Diese Gelder fließen zu einem wesentlichen Teil in die öster-
reichische Bauwirtschaft, womit Arbeitsplätze gesichert werden.

Für die Zahlungen aus dem Titel „Gemeinwirtschaftliche Leistungen" fahren die ÖBB Verkehre, die
sie aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht nicht fahren würden. Es handelt sich dabei um eine Un-
terstützung für Pendler, Schüler, Senioren etc., die dadurch günstigere Tarife in Anspruch nehmen
können.

Die Bundeszuschüsse für Pensionen haben mit der Finanzierung der ÖBB und des Systems Bahn,
betriebswirtschaftlich nichts zu tun.

Fragen 21 und 22:

Wie viel im Gegensatz dazu muss sie für die Straßenerhaltung und den Bau von Strassen
bezahlen?

Wie viel muss sie in die Schuldentilgung der ASFINAG bezahlen?

Antwort:

Der Bereich des Bundesstraßennetzes (Autobahnen und Schnellstraßen) wurde mit dem Infra-
strukturfinanzierungsgesetz 1997 auf eine direkte Benutzerfinanzierung umgestellt. Die ASFINAG
erhält so keine Zuschüsse aus dem Budget, sondern muss ihre Kosten aus den Erträgen von Maut
und Vignette abdecken.


Frage 23:

Um wie viel mehr kostet der Allgemeinheit der Transport einer Tonne Güter auf der Straße im Ver-
gleich zur Bahnbeförderung?

Antwort:

Bei singulärer Betrachtung der Kosten für die Allgemeinheit (externe Umwelt- und Unfallfolgekos-
ten, die nicht durch den Verursacher des Transports getragen werden) betrug 1998 das Verhältnis
der Kosten Straße zu Schiene etwa 13 zu 1.

Frage 24:

Staatssekretär Kukacka hatte im Sommer "errechnet", dass die Bahn jedem Österreicher "540
Euro im Jahr kostet, egal, ob er mit der Bahn fährt oder nicht". Wie viel zahlt jeder Österrei-
cher/jede Österreicherin Ihren Berechnungen nach für den Individual- und Güterverkehr, egal ob
er/sie hinter dem Lenkrad sitzt oder nicht?

Antwort:

Laut Wegekostenrechnung sind dies 1.200 € pro Person.

Frage 25:

Wie hoch ist Ihren Berechnungen nach der Kostendeckungsgrad beim LKW-Verkehr in Öster-
reich?

Antwort:

Bei der von Dr. Herry im Auftrag des bmvit durchgeführten „Wegekostenrechnung für die Straße
2000" wurden Kostendeckungsgrade für alle Kfz, differenziert nach folgenden Ausgangsparame-
tern, errechnet:

- Straßennetz (A+S, B, Landes- und Gemeindestraßen),

- Fahrzeugkategorie,

- Berechnung nach Infrastruktur - Zeitwert/Neuwert,

- mit/ohne externe Kosten.

Eine Globalaussage hinsichtlich eines Kostendeckungsgrades ist somit praktisch nicht möglich,
sondern von den jeweils gewählten Ausgangsparametern abhängig.

Es kann jedoch gesagt werden, dass der LKW-Verkehr in keiner Rechenvariante die von ihm ver-
ursachten Kosten voll deckt.

Frage 26:

Treten Sie für Maßnahmen zur Kostenwahrheit beim LKW-Verkehr ein?

Antwort:

Grundsätzlich befürworte ich eine verursachergerechte Anlastung der Kosten für den LKW-
Verkehr. Durch die Einführung der fahr
leistuhgsabhängigen Maut für Kfz mit einem höchsten zu-
lässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5
t ab 1.1.2004 wurde jedenfalls ein wesentlicher Schritt in
Richtung verursachergerechtere Kostenanlastung getan.


Fragen 27, 28 und 29:

Stimmt es, dass es mit dem neuen Gesetzesentwurf keinerlei Verpflichtung des Bundes gibt, künf-
tig den Bau der Schieneninfrastruktur zu finanzieren?

Wollen Sie als verantwortlicher Infrastrukturminister künftig den Ausbau der Schiene forcieren?
Falls ja, in welchem Umfang?

Antwort:

Die Investitionen in die Schieneninfrastruktur werden nach Auslaufen der SCHIG-Finanzierung per
Ende 2004 auf der Grundlage eines von der Infrastrukturgesellschaft zu erstellenden und vom
Verkehrsressort zu genehmigenden mehrjährigen Investitionsplanes von dieser getätigt. Die Fi-
nanzierung der Investitionen in den Ausbau der Schieneninfrastruktur wird durch Budgetzuschüsse
und durch Haftungszusagen seitens des Bundes gesichert.

Fragen 30 und 31:

Ist geplant, auf weniger stark frequentierten Regionalstrecken künftig die Zugverbindungen einzu-
stellen?

Falls ja, auf welchen?

Antwort:

Die Einstellung von Regionalstrecken ist eine Unternehmensentscheidung, welche von der Unter-
nehmensführung zu treffen ist.

Für den Betrieb von Regionalstrecken bestehen entsprechende Verkehrsdiensteverträge der Län-
der. Eine Einstellung von Personenverkehrs-verbindungen ist derzeit nicht geplant, solange die
Bestellung von Verkehrsdiensten aufrecht bleibt.

Fragen 32, 33 und 34:

Ist ihnen die Schweiz ein Vorbild, was die Reform der Bahn betrifft?

Falls ja, in welcher Weise?
Falls nein, warum nicht?

Antwort:

Es galt eine auf österreichische Verhältnisse zugeschnittene Bahnreform umzusetzen. In Vorberei-
tung darauf hat sich das bmvit über die Bahnstrukturen in anderen Ländern informiert und gut be-
währtes, wenn möglich, übernommen.

Frage 35:

Planen Sie eine LKW-Maut für das gesamte Straßennetz in Österreich?

Antwort:

Die Möglichkeit der Bemautung von Straßen ist durch die EU-Wegekostenrichtlinie (1999/62/EG)
geregelt und auf Autobahnen und autobahnähnliche Straßen beschränkt.


Diese Richtlinie ist derzeit in Neubearbeitung; der Vorschlag der Europäischen Kommission be-
sagt, dass eine Bemautung nach den Bestimmungen der vorgesehenen neuen Richtlinie auf dem
Transeuropäischen Straßennetz (TEN) sowie auf jenen anderen Strecken des Hauptstraßennetzes
eingeführt oder beibehalten werden kann, auf die sich Verkehr vom TEN verlagern könnte.

Eine LKW-Maut auf dem gesamten österreichischen Straßennetz ist unter Zugrundelegung der
geltenden EU-Wegekostenrichtlinie nicht möglich.