1148/AB XXII. GP

Eingelangt am 26.01.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM FÜR JUSTIZ

 

Anfragebeantwortung

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ulrike Lunacek, Kolleginnen und Kollegen
haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „weitere Vorgehensweise im Falle
des verurteilten ehemaligen österreichischen UN-Polizisten im Kosovo" gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 und 3:

Der österreichische Staatsbürger Martin A. war bis Februar 2002 Polizeibeamter (Ci-
vilian Police Officer/CIVPOL) der Interimsverwaltung der Vereinten Nationen für den
Kosovo (United Nations Interim Administration Mission in Kosovo/UNMIK).
Die Staatsanwaltschaft Wien hat am 7.3.2002 beim Landesgericht für Strafsachen
Wien die Einleitung von Vorerhebungen gegen den Genannten wegen des Ver-
dachts der Vergehen der Körperverletzung, des Quälens oder Vernachlässigens
wehrloser Personen sowie der gefährlichen Drohung beantragt. Martin A. steht im
Verdacht, am 25.2.2002 im Kosovo den Gezim C. im Zuge einer Amtshandlung am
Körper verletzt und durch die Aufforderung, er solle sein eigenes Grab graben, ge-
fährlich bedroht zu haben. Diese Sachverhalte sind den staatsanwaltschaftlichen
Behörden durch entsprechende Berichte über die Verhaftung des Martin A. im Koso-
vo durch die dort stationierten österreichischen Einheiten zur Kenntnis gelangt.

Zu 2:

Nach den Erfahrungen des Bundesministeriums für Justiz werden Rechtshilfeersu-
chen um Übermittlung von Aktenablichtungen regelmäßig nicht abgelehnt. Mit der
Übermittlung solcher Aktenablichtungen soll der ersuchenden Behörde die Möglich-
keit geboten werden, feststellen zu können, ob und in welchem Umfang zusätzliche


strafrechtliche Maßnahmen gegen eine verdächtige Person insbesondere dann zu
treffen sind, wenn sie sich dem Strafverfahren im ersuchten Staat entzogen hat.

Zu 4:

Österreich hat gegenüber der UNMIK wiederholt unterstrichen, dass das Landesge-
richt für Strafsachen Wien lediglich um die Übermittlung von Aktenablichtungen er-
sucht hat und mit einer Erledigung dieses Rechtshilfeersuchens kein Verzicht auf die
Ausübung der Strafgerichtsbarkeit durch die Gerichte des Kosovo verbunden ist.
Dabei wurde die Ansicht der UNMIK zur Kenntnis genommen, dass das Strafverfah-
ren gegen Martin A. nicht an die österreichischen Justizbehörden abgetreten wird.

Zu 5. bis 7:

Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat bereits am 1.7.2002 das Gericht in Priz-

ren/Kosovo um die Übermittlung einer vollständigen Kopie des dortigen Strafaktes
ersucht. Das Rechtshilfeersuchen wurde auf diplomatischem Wege der UNMIK wei-
tergeleitet.

Die UNMIK hat dieses Rechtshilfeersuchen am 29.9.2002 den österreichischen Be-
hörden mit dem Hinweis zurückgestellt, dass das Strafverfahren zwischenzeitig an
das Gericht in Rahovec/Orahovac abgetreten worden sei und daher vom Gericht in
Prizren nicht erledigt werden könne.

Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat am 31.10.2002 ein verbessertes, nun-
mehr an das Gericht Rahovec/Orahovac gerichtetes Rechtshilfeersuchen dem Bun-
desministerium für Justiz vorgelegt, das auf diplomatischem Wege abermals der
UNMIK mit dem Ersuchen um Erledigung vorgelegt wurde.

Mit Beschluss des Gerichtes in Rahovec/Orahovac vom 15.5.2003, P.Nr.128/02,
wurde die Übermittlung einer Aktenablichtung des Martin A. betreffenden Strafaktes,
gestützt auf Art 522 Abs. 1 der Strafprozessordnung des Kosovo, abgelehnt. Eine
Beschlussausfertigung wurde der österreichischen Botschaft in Belgrad am
11.7.2003 zugestellt.

Vom Gericht in Rahovec/Orahovac wurde zwar die Anwendung des bisherigen
Rechtshilfevertrages zugestanden, jedoch ein Ablehnungsgrund aus der Strafpro-
zessordnung des Kosovo herangezogen, wonach Akten nicht übergeben werden,
wenn der Verletzte dagegen Einspruch erhebt und solange dem Verletzten nicht
Schadensgutmachung geleistet wurde.


Die UNMIK geht hingegen von einem vertragslosen Zustand aus.

Das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten hat im Einvernehmen mit
dem Bundesministerium für Justiz mit Nachdruck in einer Note gegenüber den zu-
ständigen Organen der Vereinten Nationen dargelegt, warum die Ablehnung der
Rechtshilfe von Österreich nicht akzeptiert werden kann und um baldige Experten-
gespräche zur Klärung der offenen Rechtsfragen ersucht.

Nach österreichischer Ansicht kommt der Vertrag zwischen der Republik Österreich
und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Rechtshilfe in
Strafsachen vom 1.2.1982, BGBI. Nr. 542/1983 idF BGBI.
III Nr. 156/1997 zur An-
wendung. Die Übermittlung von Akten oder Aktenablichtungen richtet sich nach Art
11 dieses Vertrages. Demnach wird ein Vertragsstaat auf Ersuchen des anderen
Vertragsstaates unter den Voraussetzungen für Rechtshilfeleistung nach den Art 1
und 3 des Vertrages Akten und Schriftstücke übermitteln, die als Beweismittel für
das Strafverfahren im ersuchenden Staat dienen können. Die Übermittlung urschrift-
licher Unterlagen kann nur begehrt werden, wenn die Übermittlung von Kopien nicht
ausreicht. Ein in Art 4 des Vertrags angeführter Ablehnungsgrund für die Rechtshilfe-
leistung besteht nicht.