1166/AB XXII. GP

Eingelangt am 29.01.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bundesministerium für Gesundheit und Frauen

 

Anfragebeantwortung

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 1149/3 der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen

und Freunde wie folgt:

Zur vorliegenden Anfrage möchte ich grundsätzlich festhalten, dass Trinkwasser

den lebensmittelrechtlichen Bestimmungen nur dann unterliegt, wenn es als

Lebensmittel gemäß § l Abs. 2 des Lebensmittelgesetzes 1975,

BGBI. Nr. 86/1975 idgF., in Verkehr gebracht wird. Das Inverkehrbringen von

Trinkwasser wird durch die Verordnung über die Qualität von Wasser für den

menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung), BGBI. II Nr. 304/2001,

geregelt.

Mit der Trinkwasserverordnung wurde die Richtlinie 98/83/EG des Rates über die
Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch („Trinkwasserrichtlinie") in
österreichisches Recht umgesetzt. Damit wurden die Werte der Parameter und
Indikatorparameter - im Speziellen auch von Atrazin, Desethylatrazin, Bentazon
und von Nitrat - den aktuellen verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen
angepasst.

Die Überwachung des Verkehrs der durch das Lebensmittelgesetz 1975 erfassten
Waren - darunter auch von Trinkwasser - obliegt im Rahmen der mittelbaren
Bundesverwaltung dem Landeshauptmann als zuständiger Behörde. Dieser ist für
den Vollzug und die Kontrolle zuständig und hat Maßnahmen und Vorkehrungen
im Einzelfall mit Bescheid zu verfügen.

Fragen 1 bis 6 und 7a:

Ausnahmen gemäß der Trinkwasser-Ausnahmeverordnung,

BGBI. Nr. 384/1993 in der Fassung BGBI. Nr. 297/1996:

Für belastetes Trinkwasser konnte die zuständige Behörde gemäß Trinkwasser-
Ausnahmeverordnung, BGBI. Nr. 384/1993 in der Fassung BGBI. Nr. 297/1996,


ausschließlich die Anwendung der Grenzwerte von Pestiziden gemäß Trinkwasser-
Pestizidverordnung, BGBI. Nr. 448/1991 idgF., nicht aber von Nitrat aussetzen.
Den Ausnahmebescheiden, die gemäß dieser Verordnung erlassen wurden, ist
nicht zu entnehmen, wie viele Einwohner versorgt werden und/oder wie viel
Wasser pro Tag entnommen wird. Eine Auflistung jener Wasserversorgungs-
anlagen, die die zulässigen Höchstkonzentrationen nicht eingehalten hatten, war
in der Verordnung ebenfalls nicht vorgesehen.

Jene Wasserversorgungsanlagen, aus denen mehr als 1000m3 Wasser pro Tag
im Durchschnitt entnommen wurden bzw. die mehr als 5000 Einwohner ver-
sorgten und die in den Jahren 1999 bis 2001 eine Ausnahmegenehmigung
erhalten hatten, sind in der beiliegenden Tabelle l aufgelistet.

Die Tabelle l wurde dem Trinkwasserbericht 1999 - 2001 entnommen, der
gemäß § 36 Abs. 4 des Lebensmittelgesetzes 1975 zur Information der Ver-
braucher und Verbraucherinnen erstellt wurde und der zugleich der Bericht an die
Europäische Kommission im Sinne des Anhangs
I der Entscheidung 95/337/EG
der Kommission zur Änderung der Entscheidung 92/446/EWG über die
Fragebögen zu den Wasserrichtlinien ist.

Der genannte Trinkwasserbericht 1999 - 2001 wird der Öffentlichkeit auf der
Homepage des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen auch als
download zur Verfügung gestellt. Daten von Wasserversorgungsanlagen, aus
denen weniger als 1000m3 Wasser pro Tag im Durchschnitt entnommen werden
bzw. die weniger als 5000 Einwohner versorgen, liegen meinem Ressort nicht
vor. Diese Daten liegen in den zuständigen Stellen der Länder auf und werden in
den nächsten Trinkwasserbericht einfließen.

Ausnahmen gemäß der Trinkwasserverordnung, BGBI. II Nr. 304/2001:

Gemäß § 8 Abs. 1 Trinkwasserverordnung, BGBI. II Nr. 304/2001, kann die
zuständige Behörde (Landeshauptmann) über Antrag des Betreibers der
Wasserversorgungsanlage die Anwendung der Parameterwerte des Anhangs 1
Teil B (Chemische Parameter) befristet auf maximal 3 Jahre aussetzen, wenn die
Parameterwerte nicht entsprechen und sofern die ortsübliche Wasserversorgung
nicht auf andere zumutbare Weise sichergestellt werden kann. Eine weitere auf
3 Jahre befristete Aussetzung der Anwendung der Parameterwerte ist unter
bestimmten Voraussetzungen möglich.

Ausnahmebescheide gemäß § 8 Trinkwasserverordnung, die Wasserversorgungs-
anlagen betreffen, aus denen weniger als 1000m3 Wasser pro Tag im Durch-
schnitt entnommen werden bzw. die weniger als 5000 Einwohner versorgen und
die erstmalig erlassen worden sind, sind für die Dauer der im Bescheid
vorgesehenen Frist von der zuständigen Behörde aufzubewahren und auf Anfrage
an das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen weiterzuleiten.
Wenn Wasserversorgungsanlagen betroffen sind, aus denen mehr als 1000m3
Wasser pro Tag im Durchschnitt entnommen werden bzw. die mehr als 5000
Einwohner versorgen, sind die Ausnahmebescheide gemäß § 8 Trinkwasserver-
ordnung jedoch unverzüglich von der zuständigen Behörde dem Bundesminis-
terium für Gesundheit und Frauen weiterzuleiten. Dies gilt auch für Bescheide,
die Wasserversorgungsanlagen betreffen, aus denen weniger als 1000m3 Wasser
pro Tag im Durchschnitt entnommen werden, die aber zum zweiten Mal erlassen
worden sind.


Wie den obigen Erläuterungen zu entnehmen ist, liegen meinem Ressort lediglich
jene Ausnahmebescheide gemäß § 8 Trinkwasserverordnung vor, die Wasser-
versorgungsanlagen betreffen, aus denen mehr als 1000m3 Wasser pro Tag im
Durchschnitt entnommen werden bzw. jene, die zwar Wasserversorgungsanlagen
betreffen, aus denen weniger als 1000m3 Wasser pro Tag im Durchschnitt ent-
nommen werden, die aber zum zweiten Mal erlassen worden sind (derzeit nicht
relevant) und die von der zuständigen Behörde auch anher übermittelt worden
sind.

Derzeit liegt dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen ein Ausnahme-
bescheid gemäß § 8 Trinkwasserverordnung vor, und zwar für die Stadt Enns als
Betreiber der Trinkwasserversorgungsanlage für das gesamte Stadtgebiet mit ca.
10.000 Einwohnern. Es handelt sich um die erstmalige Aussetzung der Anwen-
dung der Parameterwerte für die Parameter Atrazin, Desethylatrazin und Benta-
zon des Anhangs l Teil B nach der neuen Trinkwasserverordnung. Der Bescheid
wurde zeitlich bis 1. Juli 2005 befristet und mit den in Tabelle 2 angeführten
höchstzulässigen Werten für die genannten Parameter mit entsprechendem
Überwachungsprogramm erlassen.

Da Ausnahmebescheide von Betreibern von Wasserversorgungsanlagen, aus de-
nen im Durchschnitt weniger als 1000m3 Wasser pro Tag entnommen werden,
durch die zuständige Behörde nicht übermittelt werden, liegen meinem Ressort
darüber hinaus keine Bescheide vor. Weiters liegen keine Daten vor, um über
Überschreitungen von Grenzwerten von Atrazin, Desethylatrazin, Bentazon oder
Nitrat Auskunft geben zu können. Diese Daten liegen in den zuständigen Stellen der
Länder auf.

Fragen 7b und 7c:

Die Parameterwerte der Trinkwasserverordnung beruhen auf den Empfehlungen
der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für maximale Gehalte von Stoffen in
Trinkwasser (Guidelines for drinking-water quality, Geneva, 1996) und berück-
sichtigen auch das Vorsorgeprinzip. Sie sind die oberen Begrenzungen der Ge-
halte von Inhaltsstoffen und Mikroorganismen, die nicht überschritten werden
dürfen. Die von der WHO festgesetzten Werte für die einzelnen Parameter beru-
hen auf einer „vorläufig tolerierbaren wöchentlichen Aufnahme (provisional tole-
rable weekly intake - PTWI)" pro kg Körpergewicht. Sie stellen zulässige Höchst-
konzentrationen bzw. Grenzwerte dar. Diese sind so gewählt worden, dass Was-
ser für den menschlichen Gebrauch ein Leben lang ohne Gefährdung der
menschlichen Gesundheit getrunken oder verwendet werden kann und bieten
daher ein hohes Gesundheitsschutzniveau. Die im Anhang
I der Verordnung fest-
gelegten Anforderungen entsprechen diesem Ziel. Die Verordnung enthält des-
halb die aus gesundheitlichen Gründen unverzichtbaren Mindestanforderungen an
trinkbares Wasser.

Bei der Festsetzung von Grenzwerten wird davon ausgegangen, dass ein Schad-
stoff erst ab einem bestimmten Wert gesundheitsschädlich wirkt. Die Grenzwerte
orientieren sich in erster Linie am Vorsorgeprinzip, d.h. dass bei kurzfristiger und
geringfügiger Überschreitung keine unmittelbare Gefahr gegeben ist. Üblicher-
weise werden für die Festlegung von Grenzwerten sogenannte „TDI(tolerable
daily intake - tolerierbare tägliche Aufnahme)-Werte" herangezogen, die dieje-
nige Dosis eines Stoffes angeben, welche nach dem gegenwärtigen Kenntnis-


stand bei lebenslanger täglicher Aufnahme nicht zu Gesundheitsstörungen beim
Menschen führt. Die TDI-Werte werden anhand von derjeniger Dosis eines Stof-
fes, bei der gerade noch kein schädlicher Effekt feststellbar ist (no observed ad-
verse effect level - NOAEL) und unter Berücksichtigung der Verzehrgewohnheiten
sowie einer Sicherheitsspanne (üblicherweise ein Faktor von 100) errechnet.

Wie den obigen Erläuterungen zu entnehmen ist, wurden die Werte der chemi-
schen Parameter auf eine lebenslange Aufnahme abgestellt. Da kurzfristige Über-
schreitungen kein akutes gesundheitliches Risiko darstellen, wurde in der Verord-
nung für die zuständige Behörde die Möglichkeit geschaffen, die Anwendung der
Parameterwerte befristet auszusetzen, wenn die Parameterwerte nicht ent-
sprechen und sofern die ortsübliche Wasserversorgung nicht auf andere zumut-
bare Weise sichergestellt werden kann.

Frage 7 d:

Gemäß der Richtlinie 2000/60/EG (Wasserrahmenrichtlinie) sichert eine gute
Wasserqualität die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser und die Mitglied-
staaten sollen die zur Trinkwasserentnahme genutzten Gewässer ausweisen und
die Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie 98/83/EG (Trinkwasserrichtlinie)
sicherstellen. Gemäß dem Wasserrechtsgesetz (WRG) 1959, BGBI.
I Nr. 82/2003,
für welches das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und
Wasserwirtschaft zuständig ist, sind alle Gewässer einschließlich des Grundwas-
sers im Rahmen des öffentlichen Interesses und nach Maßgabe entsprechender
Bestimmungen so reinzuhalten und zu schützen, dass die Gesundheit von Mensch
und Tier nicht gefährdet werden kann und dass insbesondere Grundwasser sowie
Quellwasser als Trinkwasser verwendet werden kann.

Von Seiten des Bundesministeriums für Gesundheit ist das Zusammenwirken zwi-
schen Lebensmittel- und Wasserrechtsbehörde (beide Materien vollzieht der Lan-
deshauptmann) im § 8 Abs. 7 der Trinkwasserverordnung berücksichtigt, in dem
es heißt, dass vor Ablauf der Frist des Bescheides gemäß § 8 Abs. l die zustän-
dige Behörde (§ 35 Lebensmittelgesetz 1975) überprüft, ob entsprechende Fort-
schritte - insbesondere im Hinblick auf die von der Wasserrechtsbehörde getrof-
fenen oder sonstigen Maßnahmen - erzielt worden sind.

Beilage