1226/AB XXII. GP

Eingelangt am 04.02.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

 

Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten

 

Anfragebeantwortung

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen
haben am 4. Dezember 2003 unter der Nummer 1219/J-NR/2003 an mich eine
schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend der UNIFEM-Studie „Women, War
and Peace“ gerichtet.

Die Anfrage beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1:

Ja. Der von UNIFEM bei unabhängigen Expertinnen in Auftrag gegebene Bericht
Women, War and Peace“ (2002) wurde im Umfeld der Sitzung des Sicherheitsrats
(SR) der Vereinten Nationen (VN) im Oktober 2002 veröffentlicht, einer follow-up-
Sitzung zu der für diesen Bereich historischen SR-Resolution 1325 aus 2000.
UNIFEM wollte mit dem Bericht der unabhängigen Expertinnen auch sogenannte
„grassroots“ zu Wort kommen lassen.

Aufmerksamkeit in der internationalen Debatte zum Thema erhielt insbesondere
auch der Bericht des Generalsekretärs der VN „Women, Peace and Security“, der auf
Basis einer ausführlichen Studie einer VN-Task-Force erstellt wurde und für die die
SR-Resolution 1325 das Mandat gegeben hatte.


Zu den Fragen 2 bis 4:

Der Bericht der unabhängigen Expertinnen war nie ein offizielles VN-Dokument und
ist deshalb auch keinem zwischenstaatlichen VN-Gremium vorgelegen. Er war
jedoch für die VN-SR-Sitzung im Rohformat im Internet zugänglich.

Aufgrund der großen Anzahl an offiziellen VN-Berichten und bei Experten in Auftrag
gegebenen Berichten (jährlich tausende) ist derzeit nicht daran gedacht, dem
gegenständlichen Bericht gesonderte Publizität zu geben.

Zu den Fragen 5 und 6:

Mit der einstimmig angenommenen SR-Res. 1325 vom Oktober 2000 wurde die
Rolle von Frauen in Sicherheit und Konflikten zum ersten Mal in der Geschichte der
VN im VN-SR thematisiert. Sie ruft zur Teilnahme von Frauen an Entscheidungen
und Friedensprozessen auf, zu “gender“-Perspektiven und Training bei
friedenserhaltenden Operationen (FEOs), zur Rekrutierung von Frauen in
Leitungspositionen in solchen Operationen und zum Schutz von Frauen und
Mädchen bei Repatriierungen und Wiederansiedlungen, Rehabilitierung und
Wiederaufbau nach Konflikten. Erstmals wird auch die Einbindung von NGOs, v.a.
von Frauengruppen, an der Umsetzung von Friedensabkommen ausdrücklich
unterstützt.

Im Bericht des VN-Generalsekretärs zu Frauen, Frieden und Sicherheit werden in 21
Aktionen“ die Parameter für das „mainstreaming“ von gender-Anliegen gesetzt, die
auf allen Stufen der VN-Aktivitäten im Bereich Frieden und Sicherheit in Betracht
gezogen werden müssen (z.B. Einbeziehung von Frauen in VN-geleitete
Friedensverhandlungen, keine Amnestie für „gender based crimes“ und „gender
mainstreaming“ in FEOs). Diese „Aktionen“ des VN-Generalsekretärs werden von
Österreich voll mitgetragen und decken sich zum Teil mit den Empfehlungen im
Bericht von Elisabeth Rehn und Ellen Johnson Sirleaf.


Als Vorsitzende im Netzwerk Menschlicher Sicherheit habe ich besonderes
Augenmerk auf die Situation von Mädchen in bewaffneten Konflikten gelegt und eine
gemeinsame Strategie der Netzwerk-Partner zur Umsetzung der Empfehlungen des
VN-Generalsekretärs zu „Frauen, Frieden und Sicherheit“ initiiert. Im Rahmen des
Vorsitzes des Netzwerks wurde Österreich von UNIFEM zur Vorbesprechung des
UNIFEM-Strategie- und Geschäftsplanes beigezogen. Diese Einladung erfolgte
aufgrund gemeinsamer Arbeitsschwerpunkte (Reintegration von ehemaligen
Kindersoldatinnen in die Gesellschaft, Menschenrechtserziehung von Frauen).
Darüber hinaus war ein Schwerpunkt des Statements Österreichs vor dem
Sicherheitsrat vom 28. Oktober 2002 die Einbindung von Frauen in
Friedensverhandlungen und den Wiederaufbau.

Seit der SR-Res. 1325 wurde der “gender“-Aspekt nunmehr in alle SR-Mandate für
FEOs systematisch eingebaut. Die u.a. angestrebte Ausgewogenheit zwischen den
Geschlechtern bei der Postenvergabe in FEOs hat sich in den letzten Jahren zwar
verbessert, ist aber noch weit von einer Balance entfernt. Die Schweizer
Staatsbürgerin Adelheid Tagliavini, Leiterin der Operation in Georgien, ist derzeit die
höchstrangigste Frau in einer Friedenserhaltenden Operation, ihre Vertreterin ist
ebenfalls eine Frau. Des weiteren wird die Friedenserhaltende Operation in der Dem.
Republik Kongo von einer Frau geleitet, die Operation in Guatemala hat eine stv.
Leiterin. Insgesamt sind 10% der Leitungsfunktionen mit Frauen besetzt (Stand Juli
2003) und 23,2% der LangzeitmitarbeiterInnen bei FEOs, die länger als ein Jahr
bleiben, sind Frauen.

Österreich hat Polizei- und Justizbeamtinnen nach Osttimor, Kosovo und Bosnien
und Herzegowina entsandt, in den Golan auch einige Soldatinnen. Dieses
Engagement wird von Österreich auch thematisch in internationalen Gremien betont:
So wurde z.B. die Resolution der VN-Generalversammlung „Improvement of women
in the UN System“, die auch auf den follow-up zu SR-Resolution 1325 eingeht, von
Österreich miteingebracht. Im Juli 2004 wird dieser Bereich im Wirtschafts- und
Sozialrat der VN mit dem Thema „gender mainstreaming“ wieder auf der
Tagesordnung stehen.


Zu Frage 7:

Mit Stand November 2003 zählen 124 Frauen zum höheren auswärtigen Dienst
(DiplomatInnenlaufbahn) des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten,
das sind 26,72%.

Zu Frage 8:

In der Verordnung betreffend den Frauenförderungsplan für das Bundesministerium
für auswärtige Angelegenheiten gemäß § 41 Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-
GBG) vom 12. Februar 1993 wurde als nächste Zielvorgabe für den Frauenanteil im
höheren auswärtigen Dienst eine Anhebung auf 28% festgelegt.

Zu Frage 9:

In Anwendung der §§ 6 und 43 B-GBG werden weibliche Bedienstete besonders zur
Anmeldung ihres Interesses für einen Arbeitsplatz ermuntert und solche
Interessentinnen, die zumindest gleich geeignet sind wie Interessenten, bei der
Betrauung mit diesem Arbeitsplatz bevorzugt. Dies gilt auch für das
Auswahlverfahren.

Zu den Fragen 10 und 11:

Ja, dies wäre gerade im Rahmen der VN wünschenswert. Die VN-Charta hat nur
eine minimalistische Grundlinie vorgegeben: Leistungsfähigkeit, Kompetenz,
Integrität und Weisungsfreiheit gegenüber Regierungen. Aus den darauf basierenden
Personalregeln ergibt sich nur vage, dass die MitarbeiterInnen der VN “sich jederzeit
in einer Weise benehmen sollen, die ihrem Status als internationale Bedienstete
angemessen ist.“ (Art. I der Staff Regulations, Regel 1.4.).


Zusätzlich hat Generalsekretär Annan ein “Secretary General's Bulletin“ unter dem
Titel “Status, Basic Rights and Duties of United Nations Staff Members“ erlassen,
dass am 1. Jänner 1999 in Kraft trat. Seither hat das VN-Personal etwas konkretere
Orientierungshilfen als in den fünf Jahrzehnten zuvor.

Ein präziser “Code of Conduct“ wäre jedenfalls begrüßenswert, die bisherigen
diesbezüglichen Bemühungen scheiterten jedoch aufgrund des Widerstandes einiger
Mitglieder der Staatengemeinschaft, die detaillierten und verbindlichen
Verhaltensvorschriften für die multikulturellen Bediensteten der VN kritisch und
ablehnend gegenüberstehen.

Zu den Fragen 12 bis 14:

Für österreichische MitarbeiterInnen von internationalen Organisationen gelten
grundsätzlich die dienst- und disziplinarrechtlichen Vorgaben der jeweiligen
internationalen Organisation.

Für ÖsterreicherInnen, die nach dem Bundesverfassungsgesetz über die
Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in
das Ausland (KSE-BVG) entsandt werden, kommen die einschlägigen
Bestimmungen des genannten Bundesverfassungsgesetzes zur Anwendung. Gemäß
§ 4 Abs. 3 KSE-BVG werden entsandte Personen unter der Leitung (Art. 20 B-VG)
des zuständigen Bundesministers tätig, wobei die Bundesregierung bestimmen kann,
ob und wieweit die entsandten Personen hinsichtlich ihrer Verwendung im Ausland
die Weisungen der Organe einer internationalen Organisation oder ausländischer
Organe zu befolgen haben. Im Fall von Entsendungen im Rahmen von VN-Missionen
bestimmt die Bundesregierung nach § 4 Abs. 3 KSE-BVG regelmäßig, dass die
entsandten Personen die Einsatzweisungen des Generalsekretärs der Vereinten
Nationen zu befolgen haben.


Art. 100 der Satzung der Vereinten Nationen legt ausdrücklich fest, dass VN-
Personal bei der Erfüllung ihrer Pflichten keine Weisungen von irgendeiner
Regierung oder von irgendeiner Autorität außerhalb der Organisation einholen oder
entgegennehmen darf. Eine Initiative in diese Richtung ist daher nicht geplant.

Zu den Fragen 15 bis 17:

In §18 der aktuellen Verordnung betreffend den Frauenförderungsplan ist im
Rahmen der Grundausbildung für neu eintretende Bedienstete eine Einführung in die
Methodologie des „Gender Mainstreaming“ vorgesehen. Diese
Einführungsveranstaltung ist auch anderen Bediensteten des Bundesministeriums für
auswärtige Angelegenheiten anzukündigen und zugänglich zu machen.

Zu den Fragen 18 bis 20:

Selbstverständlich unterstütze ich die im Bericht enthaltene Forderung, dass die
Repräsentanz von Frauen in Friedensoperationen erhöht werden sollte, auch durch
Rekrutierung von weiblichem Polizei-, Militär- und Zivilpersonal. Vor allem im
Rahmen ziviler Polizeikomponenten von VN-Operationen werden von Österreich
regelmäßig Frauen entsandt.

Da sämtliche Entsendungen von Österreicherinnen im Rahmen von
Auslandsentsendungen auf Freiwilligkeit beruhen, ist neben den Bemühungen der
zuständigen Ressorts um eine Erhöhung des Frauenanteils stets auch die Anzahl
freiwilliger Meldungen von Frauen für deren Präsenz in Auslandseinsätzen
maßgebend.