1240/AB XXII. GP

Eingelangt am 10.02.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bundesministerium für Justiz

 

Anfragebeantwortung

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen
haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „rechtsstaatlich bedenkliche Vor-
gangsweise des ESTAG-Aufsichtsrates im Zusammenhang mit möglichen Bilanzfäl-
schungen in einer Größenordnung von bis zu 50 Millionen Euro" gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Die Beurteilung, ob ein bestimmter Sachverhalt von strafrechtlicher Relevanz sein

könnte, kommt im österreichischen Rechtssystem ausschließlich den staatsanwalt-
schaftlichen Behörden zu. Davon zu unterscheiden ist allerdings die Meinungsbil-
dung von Privatpersonen, die vor der Entscheidung stehen können, der Staatsan-
waltschaft einen Sachverhalt mitzuteilen oder dies zu unterlassen.

Solche Entscheidungen müssen bisweilen auch Organe juristischer Personen - wie
etwa Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft - treffen, wobei sie zu berück-
sichtigen haben, dass eine unbegründete Anzeige der Gesellschaft schaden kann.
Um sich eine fundierte Meinung bilden zu können, wird bei komplexeren Sachverhal-
ten häufig die Beiziehung externer Experten notwendig sein. § 95 Abs. 3 AktienG
sieht eine Beauftragung von Sachverständigen durch den Aufsichtsrat ausdrücklich
vor.

Dass ein solcher Sachverständiger seine Überprüfung unbefangen durchführen soll,
bedarf keiner eigenen Erwähnung.


Zu 2 bis 4:

Zu diesem Fragenkomplex geht die Anfrage von der falschen Prämisse aus, die

Staatsanwaltschaft Graz sei bisher über die Vorgänge in der ESTAG nicht informiert
worden. Der ehemalige Aufsichtsratspräsident der Gesellschaft teilte hingegen be-
reits Anfang Juli 2003 einen - allerdings nur vagen - Tatverdacht in Richtung allfälli-
ger Manipulationen von Bilanzen der Staatsanwaltschaft Graz im Rahmen einer
Sachverhaltsdarstellung mit. Der Anklagebehörde sind seither alle relevanten Be-
weismittel, insbesondere alle Gutachten und zahlreiche Sachverhaltsdarstellungen
zugegangen.

Die Beurteilung des komplexen Sachverhaltes durch die Staatsanwaltschaft Graz ist
allerdings noch nicht abgeschlossen.

Zu 5:

Mit dem von einem eigenen Arbeitskreis herausgegebenen Österreichischen Corpo-

rate Governance Kodex wurde österreichischen Aktiengesellschaften ein Ordnungs-
rahmen für die Leitung und Überwachung des Unternehmens zur Verfügung gestellt.
Dieser enthält die international üblichen Standards für gute Unternehmensführung,
aber auch die in diesem Zusammenhang bedeutsamen Regelungen des österreichi-
schen Aktienrechts. Die Beachtung des Corporate Governance Kodex ist eine frei-
willige Selbstregulierungsmaßnahme, durch die das Vertrauen der Aktionäre durch
noch mehr Transparenz, durch eine Qualitätsverbesserung im Zusammenwirken
zwischen Aufsichtsrat, Vorstand und den Aktionären und durch die Ausrichtung auf
langfristige Wertschaffung gefördert werden soll.

Inwiefern die Vorgänge in der ESTAG mit den Grundsätzen des österreichischen
Corporate Governance Kodex vereinbar sind, lässt sich mangels genauer Kenntnis
des Sachverhaltes nicht beurteilen.