1316/AB XXII. GP
Eingelangt am 12.03.2004
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Anfragebeantwortung
DER BUNDESMINISTER
FÜR JUSTIZ
GZ 7092/1-Pr
1/2004
An den
Herrn Präsidenten des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 1334/J-NR/2004
Die Abgeordneten zum Nationalrat Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und
Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Gefängnisbau in
Rumänien“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 6:
|
Insassenstand |
Ausländische |
Prozentueller Anteil |
Rumänische Staatsbürger |
Gesamtstand |
8.160 |
3.156 |
38,68 % |
293 |
davon in Untersuchungshaft |
2.297 |
1.409 |
61,34 % |
179 |
Zu 7:
Es darf
darauf verwiesen werden, dass die polizeiliche Anzeigenstatistik nicht in die
Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz, sondern in jene des
Bundesministeriums für Inneres fällt. Mir liegen dazu keine Zahlen vor.
Bezüglich der von österreichischen Gerichten
verurteilten Rumänen darf auf nachstehende Tabellen verwiesen werden, die auf
Basis von Daten der Statistik Austria erstellt wurden und zum einen die
Verurteilungszahlen für das Jahr 2002 (aufgegliedert nach der Art der
verhängten Strafe) und zum anderen die Entwicklung der Verurteilungszahlen bei
Freiheitsstrafen seit 1980 zeigen.
Verurteilungszahlen
2002 rumänische Staatsangehörige
|
|||
Art der Strafe |
bedingt |
unbedingt |
gesamt |
Freiheitsstrafe(FS) bis 1 Monat |
92 |
3 |
95 |
FS über 1 bis 3 Monate |
125 |
7 |
132 |
FS über 3 bis 6 Monate |
103 |
16 |
119 |
FS über 6 bis 12 Monate |
69 |
44 |
113 |
FS über 1 bis 3 Jahre |
2 |
34 |
36 |
FS über 3 bis 5 Jahre |
0 |
2 |
2 |
FS über 5 Jahre |
0 |
8 |
8 |
Lebenslange FS |
0 |
0 |
0 |
Geldstrafe |
22 |
86 |
108 |
Teilbedingte Verurteilung |
|
|
196 |
Gesamt
|
413 |
200 |
809 |
Zu einer Freiheitsstrafe verurteilte
rumänische Staatsangehörige |
|
1980 |
63 |
1981 |
57 |
1982 |
45 |
1983 |
31 |
1984 |
37 |
1985 |
37 |
1986 |
39 |
1987 |
58 |
1988 |
72 |
1989 |
182 |
1990 |
555 |
1991 |
472 |
1992 |
468 |
1993 |
315 |
1994 |
277 |
1995 |
227 |
1996 |
267 |
1997 |
329 |
1998 |
272 |
1999 |
328 |
2000 |
386 |
2001 |
336 |
2002 |
505 |
Für das Jahr 2003 sind noch keine
entsprechenden Daten verfügbar. Die Gerichte übermitteln die Zahlen der
rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen an das Strafregisteramt, welches
die Daten für das Jahr 2003 in mehreren Tranchen zwischen Ende Februar und
Anfang April 2004 an die Statistik Austria weiterleiten wird. Nach
entsprechenden Aufarbeitungen durch die Statistik Austria werden die
Informationen über die Anzahl der gerichtlichen Verurteilungen erfahrungsgemäß
frühestens ab Mai 2004 verfügbar sein.
Zu 8:
Die Kosten eines Häftlings im
österreichischen Strafvollzug betragen rund 100 Euro pro Tag. Eine
detaillierte Auszählung der Hafttage rumänischer Häftlinge wäre mit einem
unvertretbaren Verwaltungsaufwand verbunden. Schätzungsweise befinden sich
durchschnittlich rund 250 bis 300 rumänische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger
in den österreichischen Justizanstalten.
Zu 9:
Der Beitrag Österreichs zu einer Vermehrung
der Haftraumplätze in Rumänien ist Gegenstand der derzeit laufenden
Verhandlungen.
Zu 10:
In der Besprechung mit Frau Justizministerin
Rodica Staniou wurde Übereinstimmung erzielt, bei der Bewältigung der
gemeinsamen Probleme durch diese Verhandlungen eine Lösung zu finden.
Zu 11 und 12:
Diesbezüglich verweise ich auf die
Beantwortung der schriftliche Anfrage des Abgeordneten zum Nationalrat Dr.
Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen, Zl. 1104/J-NR/2003, betreffend „das
Elend der bedingten Entlassung“, in welcher auf organisatorische Maßnahmen im
Bereich der Justizanstalten, Bemühungen zur möglichst kurzfristigen Schaffung
neuen Haftraumes sowie auf die im Zuge des Budgetbegleitgesetzes, BGBl. I Nr.
71/2003, getroffenen vorübergehenden Maßnahmen im Bereich des Strafaufschubes hingewiesen
wurde.
Darin habe ich auch darauf hingewiesen, dass
das Regierungsprogramm für die XXII. Gesetzgebungsperiode vom 28. Februar 2003
den Auftrag zur Ausweitung der bedingten Entlassung unter gleichzeitiger
Setzung von Auflagen und Bedingungen enthält. Diesem Auftrag gedenke ich durch
einen entsprechenden Entwurf noch in der ersten Jahreshälfte 2004 nachzukommen.
Welche – sowohl verfahrensrechtlichen wie materiellrechtlichen - Ansatzpunkte
dabei verfolgt werden, ist derzeit noch Gegenstand von Überlegungen.
Zu 13 und 14:
Die rechtliche Situation in Nigeria
entspricht nach den vorliegenden Informationen nicht den Bestimmungen der
Europäischen Menschenrechtskonvention, schon aus diesem Grund sind
Verhandlungen mit diesen Ländern ausgeschlossen. In den Ländern auf dem Gebiet
von Ex-Jugoslawien ist eine Zuordnung der jeweiligen Staatsbürgerschaft in den
Nachfolgeländern aus österreichischer Sicht nicht möglich. Daher fehlt auf
diesem Gebiet ein die ganze Problematik betreuender Ansprechpartner. Die Republik
Rumänien ist Beitrittskandidat zur Europäischen Union. Die Verhandlungen
zwischen Rumänischen und der Europäischen Union sind bereits weit
fortgeschritten. Es hat sich daher angeboten, mit diesem Land Verhandlungen zu
führen.
Zu 15:
Nach Abschluss
der Verhandlungen mit Rumänien sind Verhandlungen mit anderen europäischen
Ländern geplant, insbesondere wird die Europäische Union über die Bemühungen
Österreichs informiert. An weitere Gefängnisbauten wird derzeit nicht gedacht.
Zu 16 und 18:
Die mit Rumänien abzuschließende
Vereinbarung bezweckt eine Forcierung der Institute der Übertragung der
Strafverfolgung (ÜdS) und der Übertragung der Strafvollstreckung (ÜdV) auf der
Grundlage der anwendbaren Europaratsübereinkommen in den betreffenden
Bereichen. Sie enthält unter anderem die Zusage, die aus diesen Übereinkommen
resultierenden Verpflichtungen nach bestem Wissen zu erfüllen und im Fall der
Überstellung in den Heimatstaat zur Strafverbüßung die verhängte
Freiheitsstrafe – vorbehaltlich einer allfälligen bedingten Entlassung -
grundsätzlich in der vom Urteilsstaat verhängten Höhe zu vollziehen.
Obwohl die anwendbaren Übereinkommen des
Europarats im Bereich der ÜdS und der ÜdV nicht vorsehen, dass das
Strafverfahren und die Strafvollstreckung im ersuchten Staat (im vorliegenden
Fall Rumänien) in gleicher Weise wie im ersuchenden Staat durchzuführen sind,
ist im Hinblick darauf, dass Rumänien die Europäische Menschenrechtskonvention
ratifiziert und das Individualbeschwerderecht zugelassen hat, davon auszugehen,
dass bei der Durchführung des Strafverfahrens in Rumänien und bei der
Vollstreckung von in Österreich verhängten Freiheitsstrafen im Einklang mit den
Bestimmungen der EMRK, insbesondere Art 3 und 6 EMRK, vorgegangen wird.
Zu 17:
Nach den anwendbaren Europaratsübereinkommen
hat der ersuchte Staat den ersuchenden Staat vom Ergebnis des Strafverfahrens
(im Fall eines Ersuchens um ÜdS) und von der Beendigung der Strafvollstreckung
(im Fall eines Ersuchens um ÜdV) in Kenntnis zu setzen.
In der mit Rumänien abzuschließenden
Vereinbarung ist darüber hinaus eine enge Zusammenarbeit zwischen den
zuständigen Experten der beiden Justizministerien vorgesehen. Zwecks Lösung der
in der Praxis allenfalls auftretenden Probleme werden bei Bedarf periodische
Treffen der Fachleute stattfinden. Weiters enthält die Vereinbarung einen
„Streitbeilegungsmechanismus“.
Zu 19, 20 und 22:
Integraler Bestandteil der derzeit in
Verhandlung befindlichen bilateralen Vereinbarung wird auch die Beteiligung
Österreichs an der Planung und Entwicklung der Erweiterungen der rumänischen
Haftraumkapazität sein. Dabei ist beabsichtigt, Richtlinien für
Mindeststandards zur Konzeption der Hafträumlichkeiten und zur Unterbringung
von Strafgefangenen in die Vereinbarung aufzunehmen. Das Bundesministerium für
Justiz prüft derzeit, ob es sich zur Entwicklung der Bauplanung eines
geeigneten Unternehmens oder eines qualifizierten Beraters bedienen wird.
Am 26. Jänner 2004 haben österreichische
Experten Gespräche in Rumänien geführt und die größte Justizanstalt in
Bukarest besucht. Diese entspricht in allen Belangen den Standard des
Europarates.
Zu 21:
Im
Rahmen des Europäischen Justiziellen Netzes der EU finden regelmäßig
Expertentreffen statt, an welchen auch Vertreter der rumänischen Justizbehörden
teilnehmen.
Zu 23:
Zu dieser – Aspekte der Kriminalprävention
betreffenden – Frage verweise ich auf die Zuständigkeit des Bundesministers für
Inneres sowie auf die Beantwortung der Fragen 11 und 12.
Zu 24 bis 27:
Das Bundesministerium für Justiz ist für
eine intensive und im gegenseitigen Verständnis getragene Zusammenarbeit
zwischen den rumänischen und österreichischen Justizbehörden zuständig.
Zu 28:
Das Suchtmittelgesetz bietet neben dem
repressiven Kernbereich ein breites Spektrum an Möglichkeiten zur Unterstützung
drogenabhängiger Straftäter. Das Prinzip „Helfen statt Strafen“ stellt einen
wichtigen Bestandteil der drogenpolitischen Zielsetzungen auch im Bereich der
Justiz dar, es hat sich bewährt und ist auch international anerkannt.
Die derzeitige Gesetzeslage bietet
insbesondere durch die vorläufige Zurücklegung der Anzeige durch die
Staatsanwaltschaft (§§ 35 f SMG), die vorläufige Einstellung durch das Gericht
(§§ 37 f SMG), sowie den Aufschub des Strafvollzuges (§ 39 f
SMG) ausreichend Möglichkeiten, diesen drogenpolitischen Zielsetzungen gerecht
zu werden. Zu beachten wäre jedoch, dass die im Suchtmittelgesetz vorgesehene
Möglichkeit des Aufschubes des Strafvollzuges (§ 39 SMG) nur in Frage
kommt, wenn der Verurteilte an ein Suchtmittel gewöhnt ist.
Hinzuzufügen wäre, dass der insgesamt zu
beobachtende Anstieg bei den Häftlingszahlen wohl auf eine Veränderung der
Kriminalität, eine geänderte Verfolgungs- und Anzeigenpraxis der
Sicherheitsbehörden und auch auf eine zum Teil geänderte Haft und Strafenpraxis
der unabhängigen Gerichte zurückzuführen sein dürfte.
. März 2004
(Dr. Dieter Böhmdorfer)