1365/AB XXII. GP
Eingelangt am 26.03.2004
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BM
für Justiz
Anfragebeantwortung
DER BUNDESMINISTER
FÜR JUSTIZ
7105/1-Pr
1/2004
An den
Herrn Präsidenten des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 1554/J-NR/2004
Die Abgeordneten zum Nationalrat Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen
haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „die Justizanstalt
Schwarzau“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 5, 7 bis 9, 12 und 14:
Seit Mitte der 90er Jahre wurden in allen
Justizanstalten, westeuropäischen Beispielen folgend, Einsatzgruppen gebildet.
Dabei handelt es sich um psychologisch geschulte, speziell für Alarm-, Krisen-
und Katastrophenfälle ausgebildete Beamtinnen und Beamte. Sie werden nicht nur
nach psychologischen Gesichtspunkten ausgewählt, sondern auch psychologisch
supervidiert. Die besondere Ausbildung erfolgt in enger Kooperation mit
ähnlichen Einrichtungen der Sicherheitsexekutive wie z.B. dem
Gendarmerieeinsatzkommando.
Im Bestreben, die Notwendigkeit eines
Einsatzes von Schusswaffen so weit wie nur irgend möglich einzudämmen, liegt
das Schwergewicht der Bewaffnung dieser Bediensteten nicht auf Schusswaffen (die sie zwar auch
führen) sondern auf dem Rettungsmehrzweckstock, mit dem bei geringster
Verletzungsgefahr für die zu überwältigende Person eine kurzfristige
Handlungsunfähigkeit erzielt werden kann. Da der fachgerechte Einsatz des
Rettungsmehrzweckstockes eine hohe Beweglichkeit voraussetzt, tragen Beamte der
Einsatzgruppen einen Overall, wie er auch bei ähnlichen Einrichtungen anderer
österreichischer Exekutivkörper eingesetzt wird.
Die Einsatzgruppen unterstehen dem
jeweiligen Anstaltsleiter. Sie können – wie im vorliegenden Fall – auch durch
das Bundesministerium für Justiz zusammengezogen und in einer anderen Anstalt
eingesetzt werden.
Die Stärke der Einsatzgruppen beträgt etwa
20% der Gesamtzahl der Justizwachebediensteten der jeweiligen Anstalt,
österreichweit sind derzeit 683 Bedienstete, welche die psychischen und
körperlichen Voraussetzungen für diese Tätigkeit aufweisen, für den Dienst in
den Einsatzgruppen geschult.
Ziel dieser Einsatzgruppen ist es, in den
Justizanstalten anfallende Exekutiveaufgaben im Alarm-, Krisen- und
Katastrophenfällen professionell und mit höchstmöglicher Schonung sowie nach
den internationalen Erkenntnissen für zweckmäßiges Exekutivhandeln zu lösen.
Dazu zählen vor allem die nach § 102 Abs. 2 StVG vorgeschriebenen, von Zeit zu
Zeit – also auch ohne konkreten Verdacht – durchzuführenden Durchsuchungen von
Insassen, deren Sachen und den von ihnen benutzten Räumen. Weiters sind sie
aufgrund ihrer Ausbildung und Ausrüstung besonders vorbereitet, im Rahmen des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unmittelbaren Zwang i. S. des § 104 StVG
anzuwenden.
Die Bildung der Einsatzgruppen erfolgte vor
dem Hintergrund, dass zunehmend gewaltbereitere, teilweise organisierte und
somit insgesamt gefährlichere Personen im österreichischen Vollzug angehalten
werden, die sich nur sehr beschränkt dem Einfluss der klassischen Betreuungsfunktion
unterziehen. Gleichzeitig wurde durch Einsatz adäquater Exekutivwaffen und
taktisch wie psychologisch besonders geschulter Bediensteter die bei
Gewaltsituationen immer latent
bestehende Eskalationsgefahr minimiert. Dieses Konzept ist aufgegangen.
Seit Bestehen der Einsatzgruppen sind trotz weiteren Steigens der
Gewaltbereitschaft der Insassen in den Justizanstalten (vor allem durch Täter
aus dem Bereich der organisierten Kriminalität) und dem zunehmenden
Missverhältnis zwischen der Zahl der Insassen einerseits und der Zahl der
Bediensteten und Haftplätze andererseits Zwischenfälle, in denen Insassen eine
körperliche Beeinträchtigung durch Bedienstete geltend machen, dramatisch
zurückgegangen.
Bisher wurden in fünf Fällen die
Einsatzgruppen mehrer Justizanstalten zusammengezogen wurden, um umfangreichere
Durchsuchungen nach § 102 Abs. 2 StVG durchzuführen. Das Ergebnis waren
einerseits einsatztaktische Erkenntnisse und Informationen über die Verteilung
und die Häufigkeit verbotener Gegenstände in Justizanstalten. Andererseits wurde dem
gesetzlichen Auftrag des § 102 Abs. 2 StVG entsprochen.
Zu 6:
Die Einsatzgruppen wurden auf Grund einer
Weisung des Bundesministeriums für Justiz gebildet.
Zu 10:
Es bestand auf Grund konkreter Tatsachen und
Indizien die Vermutung, dass Insassen Gegenstände besitzen, von denen eine
Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Strafvollzuges ausgeht (§ 101 StVG).
Diese Vermutungen wurden, insbesondere was die Hinweise auf die Existenz von
Suchtgift betrifft, bestätigt. Darüber hinaus wurden vor allem noch Handys,
Sim-Karten und Geld gefunden.
Zu 11:
Ausschließlich das Bundesministerium für
Justiz.
Zu 13:
Diese Erkenntnisse können aus
Sicherheitsgründen nicht mitgeteilt werden.
Zu 15:
Die Durchsuchung einer ganzen Anstalt und
ihrer Insassen war auf Grund der zur Frage 10 genannten Überlegungen notwendig.
Sie ist nur dann sinnvoll, wenn sie unvorbereitet, rasch und soweit als möglich
überall gleichzeitig begonnen wird, um das Vertragen und Verbergen von
Gegenständen zu unterbinden. Es liegt auf der Hand, dass dies mit den
Bediensteten der Justizanstalt Schwarzau allein nicht möglich war.
Um den Erfolg der Maßnahme durch
Indiskretionen nicht zu gefährden, den Anstalten aber eine Dienstplanung zu
ermöglichen, wurde vom Bundesministerium für Justiz den Justizanstalten im
Oberlandesgerichtssprengel Wien für Februar 2004 eine Alarmübung der
Einsatzgruppen angekündigt. In der Folge wurden am 4.2.2004 insgesamt 96
Bedienstete der Einsatzgruppen in der Justizanstalt für Jugendliche Gerasdorf zusammengezogen,
wo sie mit ihrer eigentlichen Aufgabe, nämlich der (nicht übungsmäßigen)
Durchsuchung der Justizanstalt Schwarzau (§ 102 Abs. 2. StVG) vertraut gemacht
wurden.
Um gleichzeitig der Verpflichtung der
Überwachung der Bestimmungen des StVG und der darauf gründenden Vorschriften i.
S. des § 14 Abs. 1 StVG nachzukommen, wurden neben dem Leiter der Justizanstalt
Schwarzau weitere 5 erfahrene leitende Strafvollzugsbedienstete (Anstaltsleiter-
und StellvertreterInnen) zur Beobachtung und Überwachung der Durchsuchung auf
die fachliche und rechtliche Richtigkeit der Durchführung und auch zur späteren
Auswertung der Ergebnisse eingeteilt. Darüber hinaus waren noch 4 Bedienstete
des Bundesministeriums für Justiz, darunter 2 Richter, vor Ort anwesend.
Zu 16:
Zur Abklärung des Verdachtes waren auch
Leibesvisitationen erforderlich. Sie wurden schonend, d.h. insbesondere dann
nicht gemacht, wenn die Insassin als verlässlich bekannt und daher die Maßnahme
im konkreten Fall als nicht erforderlich erachtet wurde. Lediglich in einem
einzigen Fall bestand der Verdacht, dass eine Insassin Suchtgift in einer
Körperhöhle verborgen hätte. Sie wurde in das Krankenhaus Neunkirchen zu einer
ärztlichen Untersuchung ausgeführt.
Zu 17 und 20 bis 21:
Es besteht nicht der geringste Hinweis, dass
es bei dem Vorfall in der Justizanstalt Schwarzau zu Übergriffen gekommen ist.
Im Einzelnen ist zur Durchführung der
Durchsuchung festzuhalten:
·
Die
Justizanstalt Schwarzau war grundsätzlich jederzeit erreichbar, jedoch wurden
aufschiebbare Amtsgeschäfte auf später verlegt. Der Besuch bei Insassinnen fand
wie vorgesehen am Nachmittag, allerdings mit kurzer zeitlicher Verzögerung
statt.
·
Es
ist Standard bei sämtlichen vergleichbaren inländischen und ausländischen
Exekutivkörpern, dass Personsdurchsuchungen grundsätzlich aus
Sicherheitsgründen an der Rückenseite des Betroffenen beginnen und dieser sich
dabei, um keinen plötzlichen Angriff gegen den Durchsuchenden führen zu können,
mit der Körpervorderseite gegen eine Wand oder einen anderen festen Gegenstand
lehnt.
·
Bei
Haftraumdurchsuchungen ist es erforderlich, die persönlichen Gegenstände der
Insassen, auch deren Wäsche (insbesondere in deren Säumen wird häufig Suchtgift
verborgen) genau und einzeln zu untersuchen. Gleiches gilt für Handarbeiten.
Für die Wäsche steht in jeder Abteilung eine Waschmaschine zur Verfügung. Jede
Insassin hat im Haftraum eine zweite Garnitur Bettwäsche.
·
Häufig
werden vor allem Suchtmittel unter Lebensmittel wie z.B. Zucker oder Mehl
verborgen, weswegen auch solche Behältnisse durchsucht werden müssen.
·
Das
Essen der Insassinnen wurde mit etwa einstündiger Verspätung ausgeteilt. In
allen Räumen wo sich Insassinnen länger aufhalten mussten existieren
Waschbecken und Toiletten.
·
Als
zerrissen wurde lediglich ein Paar Strümpfe gemeldet.
·
Der
Leiter der Justizanstalt Schwarzau wurde angewiesen, Schäden der Insassinnen,
die auf die Durchsuchung ihrer Sachen zurückzuführen sind, zu ersetzen. Dies gilt
für zerstörte oder sonst unbrauchbare Sachen ebenso wie Handarbeiten, die
Insassinnen für einen Verein als Auftraggeber herstellen. Insgesamt wurden
dabei Ansprüche im Wert von ca. 300 Euro angemeldet und durch Bezahlung an die
Betroffenen reguliert. Der letztlich geringfügige Schaden, der bei der
Durchsuchung einer ganzen Anstalt entstand, beweist die hohe Professionalität
der Vorgangsweise. Das geringfügige Beschädigen, Zerrstören oder Verschütten
von Gegenständen ist bei der Durchsuchung der Habe von etwa 160 Insassen und
Insassinnen unvermeidlich und wurde auch finanziell raschest abgegolten.
·
Bei
den körperlichen Durchsuchungen wurden die Bestimmungen des § 102 Abs. 2. StVG
eingehalten.
·
Während
der Durchsuchung wurde auch ein, bereits in den USA, Großbritannien,
Deutschland und Österreich eingesetztes Suchtgiftdetektionsgerät verwendet.
Dadurch konnten erhebliche Mengen von Suchtgiften – von Heroin bis zu neuesten
Designerdrogen – aufgespürt werden.
·
Schläge
wurden nicht angedroht.
·
Während
der Durchsuchung wurde von den Bediensteten in ruhiger, sachlicher aber
bestimmter Weise um Verständnis für die notwendige und gesetzlich vorgesehene
Maßnahme ersucht, weil es auch hier exekutiver Standard ist, mit dem zu
Durchsuchenden eine Gesprächsbasis zu finden, damit die für alle Beteiligten
unangenehme Tätigkeit zu erleichtern und vor allem sich selbst nicht der Gefahr
einer Kurzschlusshandlung des Betroffenen auszusetzen.
Zu 18:
Ja.
Zu 19:
Auf inhaftierte Frauen ist – wie auf alle
anderen Insassen – die Bestimmung des § 102 Abs. 2 StVG anzuwenden, sodass
bei Verdacht oder von Zeit zu Zeit Durchsuchungen vorzunehmen sind.
Zu 22:
Es ist trotz sachgemäßem Verhaltens der
handelnden Bediensteten (die Insassinnen wurden auf die Notwendigkeit der
Maßnahme hingewiesen, erforderlichenfalls wurden Insassinnen von Beamten Stühle
gebracht, um nicht stehend warten zu müssen usw) nicht zu verhindern, dass in
Einzelfällen eine notwendige Durchsuchung als belastet erlebt wird. Das Umgehen
mit einer solchen Situation gehört zu den grundlegenden Aufgaben der
psychologischen Dienste der Justizanstalten. Selbstverständlich und
routinemäßig wurden daher auch in diesem Fall Insassinnen nach der Durchsuchung
bei Bedarf psychologisch betreut.
Aus den Vorführungen zum psychiatrischen
Dienst in der Justizanstalt Schwarzau nach dem 4.2.2004 ließen sich allerdings
keine Hinweise auf einen vermehrten Bedarf an psychologischer Betreuung
feststellen.
Zu 23:
Das Bundesministerium für Justiz wird weiter
auf die Einhaltung der Bestimmungen des StVG achten und zum Schutz der
Öffentlichkeit, der Bediensteten und der Insassen mit den ihm zu Gebote
stehenden Mitteln erforderlichenfalls Durchsuchungen anordnen.
Zu 24:
Das Bundesministerium für Justiz.
Zu 25:
Amnesty International hat bis jetzt keinen
Kontakt zu den zuständigen Behörden gesucht.
Zu 26 und 28:
Die Beantwortung dieser Fragen erübrigt
sich, weil keine rechtswidrige Vorgangsweise vorliegt.
Zu 27:
Der Einsatz gründet sich auf den
grundsätzlichen gesetzlichen Auftrag, auf die Einhaltung der Bestimmungen des
StVG zu achten, die Sicherheit in den Anstalten zum Wohle der Öffentlichkeit,
der Bediensteten und der Insassen zu gewährleisten und die Betreuung der
Insassen dadurch erst zu ermöglichen. Von einer sinnvollen Betreuung kann erst
gesprochen werden, wenn bekannt ist, wer auch noch während des Vollzuges und
trotz der durch diesen gesetzten Betreuungsmaßnahmen weiter dem illegalen
Suchtgiftkonsum ergeben ist oder sogar andere Insassen mit Suchtgift beliefert.
Zu 29:
Die bewährten Einsatzgruppen bleiben
selbstverständlich bestehen.
. März 2004
(Dr. Dieter Böhmdorfer)