1520/AB XXII. GP
Eingelangt am 26.04.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und
Wasserwirtschaft
Anfragebeantwortung
Auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Mag. Ulli
Sima, Kolleginnen und Kollegen vom
26. Februar 2004, Nr. 1539/J, betreffend
ReaktorUNsicherheit deutscher Atomkraftwerke
und Reaktion der österreichischen Bundesregierung auf das enorme
Bedrohungspotential für
die österreichische Bevölkerung, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
Das Bundesministerium für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
(BMLFUW)
beschäftigt sich nicht erst seit dem 11. September 2001 mit der Gefährdung
kerntechnischer
Anlagen durch externe Ereignisse wie Flugzeugabstürze, Erdbeben, etc.
Vor
dem 11. September 2001 standen allerdings unfallbedingte Flugzeugabstürze im
Vor-
dergrund.
Die Ereignisse des 11. September 2001
haben dann die Verwundbarkeit kerntechnischer
Anlagen durch Flugzeugabstürze einer breiten Öffentlichkeit auf drastische
Weise bewusst
gemacht. Insbesondere mussten ab diesem Tag auch willkürlich herbeigeführte
Abstürze mit
großen Verkehrsflugzeugen und mit der Absicht, möglicht großen Schaden
anzurichten, in
Betracht gezogen
werden. Vor diesem Hintergrund beantworte ich die Fragen wie folgt:
Zu den Fragen 1 bis
3:
In der Folge der
Terrorangriffe auf das World Trade Center ersuchte mein Ressort bereits
Ende
September 2001 das Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten (BMaA), im
Wege der österreichischen Vertretungsbehörden konkrete Informationen über
Aktivitäten der
Kernkraftwerk-betreibenden Nachbarstaaten, Beitrittskandidaten und
Mitgliedstaaten der EU
einzuholen. Sämtliche Staaten übermittelten deren Maßnahmen zur vertraulichen
Kenntnis-
nahme.
Die Maßnahmen umfassen u.a. erhöhte Zutritts- und Liegenschaftskontrollen ver-
stärkte
Überwachung von Flugverbotszonen sowie vereinzelt zusätzliche militärische Maß-
nahmen
zum physischen Schutz von Kernanlagen. Die Gefährdung von kerntechnischen
Anlagen durch terroristische Angriffe wird auch regelmäßig in den
Expertentreffen zu den
bilateralen
„Nuklearinformationsabkommen" thematisiert. Im Rahmen der UVP-Stellung-
nahmen
Österreichs zu geplanten Zwischenlagern an sechs deutschen KKW-Standorten
wurden
einschlägige Maßnahmen anhand konkreter Pläne ebenfalls evaluiert und, wo es
angezeigt
schien, konkrete Verbesserungsvorschläge unterbreitet. Auch in diesen Fällen
wurden
die nötigen Unterlagen unter strikten Auflagen bezüglich der Vertraulichkeit
übermit-
telt.
Zu den Fragen 4 bis
6:
Externe Ereignisse gehören zu den für
Kernkraftwerke wesentlichen Risikobetrachtungen.
Flugzeugabstürze
stellen jedoch nur einen Teil dieser Ereignisse dar. Erdbeben, schwere
Stürme und Hochwasser sowie extreme Trockenheit sind beispielhaft ebenfalls
Ereignisse,
für die allgemeine Risikoanalysen und Vorkehrungsmaßnahmen getroffen werden
müssen.
Neben
externen Ereignissen sind nach IAEA-Kriterien auch interne Ereignisse und
solche,
die
durch menschliches Fehlverhalten ausgelöst werden, zu unterscheiden und zu
betrach-
ten. Wenn Kernkraftwerke aufgrund ihrer Auslegung und technischer
Spezifikationen nicht
ausreichend
gegenüber internen und/oder externen Ereignissen geschützt sind, ist eine Ab-
schaltung zu fordern.
Mit Litauen, der Slowakei und Bulgarien wurden deshalb im Verlauf der
Beitrittsverhandlungen - nicht zuletzt
aufgrund österreichischer Initiativen - Schließungs-
verpflichtungen für die Kernkraftwerke Ignalina, Bohunice V-1 und Kozloduj 1-4
vereinbart.
Im Falle eines schweren Unfalls werden aufgrund konkreter
Wetterverhältnisse und des kon-
kreten Schadensausmaßes so genannte
Ausbreitungsrechnungen durchgeführt und ent-
sprechende Gegenmaßnahmen getroffen. Eine generelle und
allgemeingültige Aussage über
konkrete Folgen für die österreichische
Bevölkerung und die Umwelt durch Beschädigung
einer Anlage im Umkreis von 200 km
zur österreichischen Staatsgrenze ist nicht möglich.
Zu den Fragen 7 bis
9:
Angesichts der
Vertraulichkeit und im Sinne der öffentlichen Sicherheit ersuche ich um Ver-
ständnis, keine detaillierteren Auskünfte geben zu können. In sämtlichen
internationalen,
europäischen
und bilateralen Foren drängt Österreich jedoch die zuständigen ausländischen
Stellen stets zum Handeln.
Zu den Fragen 10 bis
14:
Bereits in ihrem Bericht vom 23.
November 2001 teilte die Österreichische Botschaft Berlin
mit, dass das deutsche Umweltministerium ein Gutachten zum Thema in Auftrag
gegeben
habe.
Diese Information wurde anlässlich des Expertentreffens im Rahmen des
bilateralen
„Nuklearinformationsabkommens"
im Februar 2002 bestätigt.
In der Folge ersuchte
Österreich die deutsche Seite, diese Studie auch Österreich zur Verfü-
gung
zu stellen. Das deutsche Umweltministerium teilte jedoch mit, dass
gegenständliche
Studie
als „Verschlusssache - vertraulich" eingestuft sei und selbst innerhalb
der deutschen
Bundesregierung nicht zur Verteilung gelange. Es wurde um Verständnis gebeten,
dass we-
gen der hohen Geheimhaltungsbedürftigkeit dieses Gutachten nicht an Österreich
weiterge-
geben werden könne. Es sei lediglich den Landesaufsichtsbehörden sowie den
Kernenergie
nutzenden Energieversorgungsunternehmen E.on, HEW, RWE und EnBW unter
Einhaltung
höchster Vertraulichkeit zur Verfügung gestellt worden. Unbeschadet dessen
wurde die
Problematik anlässlich eines weiteren Expertentreffens im Mai 2003 erörtert.
Augrund von Medienberichten um die Jahreswende 2003/2004,
die sich zum Teil auf ver-
trauliche
Informationen beriefen und zum Teil auf Informationen aus dem Internet
stützten,
deren
Authentizität nicht überprüft werden kann, habe ich ein thematisches
Sondertreffen
noch
vor dem Sommer 2004 im Rahmen des bilateralen
„Nuklearinformationsabkommens"
mit
Deutschland initiiert. Das BMaA als Koordinationsstelle des
„Nuklearinformationsabkom-
mens" hat diesen Wunsch bereits an
die deutsche Kontaktstelle weitergeleitet. Eine Antwort
der
deutschen Seite ist mir jedoch noch nicht bekannt.
Ich selbst habe mich
schriftlich an den Bayerischen Staatsminister für Landesentwicklung
und
Umwelt, Dr. Werner SCHNAPPAUF, gewandt und ihn gebeten, das Zustandekommen
eines derartigen Treffens zu unterstützen und nochmals die Bedeutung technisch
fundierter
und umfassender Information für Österreich unterstrichen.
Zu Frage 15:
Ich verweise auf Teil
2 der Anlage zu § 2 BMG, sowie auf die Beantwortung der parlamenta-
rischen Anfrage Nr.
1318/J-NR/XXII. GP durch den Herrn Bundeskanzler.
Zu den Fragen 16 und 17:
Ich verweise auf meine Ausführungen zu den Fragen 4 bis
6.
Zu den Fragen 18 bis 20:
Bereits im Herbst
2001 war Österreich unter jenen Staaten, die Aktivitäten auf europäischer
Ebene
eingefordert hatten. Am 14. November 2001 brachte Österreich im Ausschuss der
Ständigen
Vertreter zu den Assoziationsräten mit Bulgarien und Tschechien eine einseitige
Erklärung ein, der zu
Folge die beiden Staaten aufzufordern wären, ihre Schutz- und Vorbeu-
gemaßnahmen für Flugzeugabstürze und Sabotage
sowie die diesbezüglichen aufsichts-
rechtlichen Rahmenbedingungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu verbessern
und die
bestehenden Vorschriften mit höchster Konsequenz anzuwenden, um ein
höchstmögliches
Maß an Sicherheit zu gewährleisten.
Die Aktivitäten
hinsichtlich Terrorsicherheit gegenüber bakteriologischen, chemischen und
nuklearen Attacken
wurden schließlich in der Ratsarbeitsgruppe Zivilschutz behandelt, wobei
Beiträge von sämtlichen relevanten
Ratsarbeitsgruppen und Kommissionsdienststellen ge-.
leistet wurden. Die Ratsarbeitsgruppe Atomfragen leistete ihren Beitrag am 26.
September
2002, (RD 12409/02 ATO 113), in dem
auf die primäre Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und
die laufenden internationalen
Aktivitäten hingewiesen wurde. Es wurde des Weiteren auf
bestehende Gemeinschaftsinstrumente
verwiesen, sowie die Empfehlung ausgesprochen,
die
Machbarkeit und den eventuellen Mehrwert des Einsatzes eines Europäischen Netz-
werks von Experten in den entsprechenden Bereichen zu prüfen. Gemäß dem
Programm
des
Rates und der Kommission, das schließlich verabschiedet wurde (RD 15873/02), erfol-
gen seit Dezember 2002 jährliche Berichte über die EU-Instrumente zur
Verbesserung der
Zusammenarbeit
in der EU im Hinblick auf die Prävention und die Begrenzung der Folgen
terroristischer
Bedrohungen.
Von den meisten
EU-Staaten, darunter Österreich, wurde auch gefordert, die Erhöhung der
Sicherheit
des Flugverkehrs selbst zu intensivieren, um die Bedrohung bereits im Vorfeld
und
unabhängig von möglichen Angriffszielen zu beseitigen bzw. zu minimieren.
Zu den Fragen 21 bis 26:
Ich verweise auf meine Ausführungen zu den Fragen 7 bis
14.
Zu den Fragen 27 und 28:
Ich verweise auf meine Ausführungen zu den Fragen 18 bis 20.