1616/AB XXII. GP

Eingelangt am 26.05.2004
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BM für Justiz

 

Anfragebeantwortung

DER  BUNDESMINISTER

           FÜR  JUSTIZ

 

         7108/1-Pr 1/2004

 

An den

Herrn Präsidenten des Nationalrates

W i e n

 

zur Zahl 1642/J-NR/2004

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Diversion in Österreich – Das Diversionsangebot an Bankmanager (Lombardklub) – Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes?“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Für das Jahr 2003 lässt sich nach den Daten der Verfahrensautomation Justiz das Verhältnis der Anzahl aller Diversionsanbote zur Gesamtzahl sämtlicher Strafverfahren (personenbezogen) wie folgt darstellen und prozentuell ausweisen:

 

Staatsanwaltschaft
Register BAZ (Bezirksgerichte)

Bezirksgerichte
Register U

Staatsanwaltschaft
Register St
(Landesgerichte)

Landesgerichte
Register Ur, Hv


Anfall/personen-
bezogen

207.024

73.806

105.871

74.520

Diversionsanbote
Personenbezogen

39.560

7.511

3.834

1.021

Verhältnis
Diversion/Anfall

19,1%

10,2 %

3,6 %

1,4 %

 

Zu 2:

Die im Jahre 2003 von den Staatsanwaltschaften und Gerichten erstatteten Anbote auf Zahlung eines Geldbetrages gemäß § 90c Abs. 4 StPO („Geldbußen“) und die in diesem Zeitraum vorgenommenen Rücktritte von der Verfolgung wegen Annahme eines derartigen Anbotes durch den Verdächtigen (Beschuldigten) sind der folgenden Tabelle zu entnehmen:

 

Staatsanwaltschaft
Register BAZ (Bezirksgerichte)

Bezirksgerichte
Register U

Staatsanwaltschaft
Register St
(Landesgerichte)

Landesgerichte
Register Ur, Hv

Anbot § 90c StPO

20.670

5.214

888

663

Rücktritt von der Verfolgung

18.601

4.478

1.127[1]

556

 

Die Frage, in wie vielen Fällen das Anbot auf Zahlung eines Geldbetrages nach § 90c Abs. 4 StPO nicht angenommen wurde, kann ich anhand der mir vom Bundesrechenzentrum zur Verfügung gestellten Daten nicht beantworten, weil sich die für die statistische Auswertung zur Verfügung stehende Registereintragung  (Kennung „doe“  = „Diversion ohne Erfolg“) – ohne Unterschied - auf sämtliche Diversionsarten bezieht und eine weitere Aufschlüsselung daher nicht vorgenommen werden kann. Diese Ausführungen beziehen sich auch auf die anderen, von den Fragen 3. bis 6. umfassten Diversionsarten.

Zu 3:

Für das Jahr 2003 lassen sich die Anbote auf Erbringung gemeinnütziger Leistungen gemäß § 90d Abs. 1 StPO und die in diesem Jahr vorgenommenen Rücktritte von der Verfolgung infolge Annahme eines solchen Anbotes durch Erbringung der vorgeschlagenen gemeinnützigen Leistungen durch den Verdächtigen (Beschuldigten, Angeklagten) wie folgt aufgliedern:

 

Staatsanwaltschaft
Register BAZ (Bezirksgerichte)

Bezirksgerichte
Register U

Staatsanwaltschaft
Register St
(Landesgerichte)

Landesgerichte
Register Ur, Hv

Anbot § 90d StPO

1.020

106

471

55

Rücktritt von der Verfolgung

609

107[2]

484[3]

153[4]

Zu 4:

Für das Jahr 2003 lassen sich die Anbote „reiner Probezeiten ohne Zusatz“ nach § 90f Abs. 1 StPO und die in diesem Jahr vorgenommenen Rücktritte von der Verfolgung nach Annahme des Anbotes und Ablauf der Probezeiten wie folgt ausweisen:

 

Staatsanwaltschaft/
Register BAZ (Bezirksgerichte)

Bezirksgerichte
Register U

Staatsanwaltschaft
Register St
(Landesgerichte)

Landesgerichte
Register Ur, Hv

Anbot § 90f Abs. 1 StPO

10.311

1.498

679

135

Rücktritt von der Verfolgung

8.546

998

540

25

 

Zu 5:

Die Anbote für „Probezeiten mit Bewährungshilfe oder der Übernahme von Pflichten“ im Sinne des § 90f Abs. 2 StPO des Jahres 2003 sowie die in diesem Zeitraum vorgenommenen Rücktritte infolge Annahme des Anbotes durch Erfüllung der Pflichten nach Ablauf der Probezeit lassen sich wie folgt darstellen:

 

Staatsanwaltschaft/
Register BAZ (Bezirksgerichte)

Bezirksgerichte
Register U

Staatsanwaltschaft
Register St
(Landesgerichte)

Landesgerichte
Register Ur, Hv

Anbot § 90f Abs. 2 StPO

1.371

283

217

70

Rücktritt von der Verfolgung

1.075

499[5]

405[6]

55

 

Zu 6:

Die im Jahre 2003 vorgenommenen Anbote eines außergerichtlicher Tatausgleiches nach § 90g StPO und die infolge Annahme eines solchen Anbotes und Zustandekommens eines außergerichtlichen Tatausgleiches durchgeführten Rücktritte lassen sich wie folgt ersichtlich machen:


Staatsanwaltschaft/
Register BAZ (Bezirksgerichte)

Bezirksgerichte
Register U

Staatsanwaltschaft
Register St
(Landesgerichte)

Landesgerichte
Register Vr, Hv

Anbot § 90g StPO

6.188

411

1.579

98

Rücktritt von der Verfolgung

4.468

555[7]

1.202

142[8]

 

Zu 7:

 

Staatsanwaltschaft/
Register BAZ (Bezirksgerichte)

Bezirksgerichte
Register U

Staatsanwaltschaft
Register St
(Landesgerichte)

Landesgerichte
Register Vr, Hv

Diversion ohne Erfolg
(2002/2001)

7.566

7.402/5.667

994

1.089/561

921

978/798

88

61/[9]

 

Zu 8:

Die Zahlen des Jahres 2003 deuten im Vergleich mit den Zahlen der Jahre 2002 und 2001 – diese sind auf der Homepage des Bundesministeriums für Justiz unter www.bmj.gv.at abrufbar - auf kontinuierliche und gleichförmige Rechtsanwendung durch Staatsanwaltschaften und Gerichte hin. Auffällige Schwankungen in der Anwendung der einzelnen Diversionsarten sind nicht ersichtlich. Aufgrund der vorliegenden Zahlen ist jedoch erkennbar, dass sowohl von den Staatsanwaltschaften als auch von den Gerichten zunehmend gemeinnützige Leistungen nach § 90d Abs. 1 StPO angeboten werden. Die Anwendung der im IXa. Hauptstück der StPO vorgesehenen Maßnahmen in den beiden vergangenen Jahren macht deutlich, dass diversionelles Vorgehen auf breite Akzeptanz bei Anwendern und Betroffenen gestoßen ist.

Zu 9:

Gemäß § 90a Abs. 1 StPO darf die Staatsanwaltschaft – gleiches gilt gemäß § 90b StPO für das Gericht – eine diversionelle Erledigung des Verfahrens nur dann anbieten, wenn eine Bestrafung nicht geboten erscheint, um den Verdächtigen von strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Die individuelle (kriminalpolitische) Angemessenheit der jeweiligen Vorgangsweise stellt sich – ähnlich wie die Strafzumessung und die Wahl zwischen bedingter und unbedingter Strafe - als Ergebnis spezial- und generalpräventiver Erwägungen unter Abwägung der (hypothetischen) individuellen Schuld dar.

Der Gesetzgeber des Jahre 1999 hat sich im Rahmen der Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 90a Abs. 2 Z 1 StPO (Ausschluss der Diversion bei Straftaten, die in die Zuständigkeit des Schöffen- oder Geschworenengerichts fallen) bewusst gegen die Aufzählung bestimmter Delikte entschieden, die keiner diversionellen Erledigung zugänglich wären. Ich halte diese Wertung nach den Erfahrungen der ersten vier Jahre für richtig, weil der Unwert der inkriminierten Handlung auch im Fall einer Diversion in einer mitunter empfindlichen Sanktion zum Ausdruck kommt.

Der Bericht der von mir im September 2003 eingesetzten Expertenkommission bestätigt mich in meiner Einschätzung. In Punkt 2.5.8. des Schlussberichts wird wörtlich ausgeführt:

„Einhellig vertritt die Kommission die Meinung, dass die Anwendung der Diversion bei allen Deliktsgruppen – also insbesondere auch bei Fällen des Wirtschaftsstrafrechts – möglich bleiben soll. Die Anwendung der Diversion sollte allein an der Schuld und an den präventiven Bedürfnissen des Einzelfalles orientiert sein. Wenn daher der Gesetzgeber ein Delikt mit einer Strafdrohung versieht, das in den grundsätzlichen Rahmen der Diversion fällt, wäre es nicht sachgerecht, ein solches Delikt von dieser Form der Erledigung allein deshalb von vornherein auszuschließen, weil es einer bestimmten kriminologischen Kategorie angehört.

Ob freilich die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Diversion vorliegen, ist in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen und wird wesentlich von der Person des Beschuldigten und von seinem Verhalten abhängen.“

Ich teile diese Ausführungen, weil selbst bei sogenannten „Wirtschaftsdelikten“ nicht schon von Vorneherein die Vermutung besteht, dass aus generalpräventiven Gründen in jedem Fall eine förmliche Verurteilung und Bestrafung des Verdächtigen geboten wäre. Vielmehr werden – wie stets - die Umstände des Einzelfalles für die Beurteilung, ob eine Bestrafung oder diversionelles Vorgehen geboten erscheint, den Ausschlag geben. „Schwere Schuld“ im Sinne des § 90a Abs. 2 Z 2 StPO stellt einen Ausschlussgrund für diversionelles Vorgehen dar, sodass stets auch die in § 32 Abs. 3 StGB angesprochenen Faktoren (Ausmaß der verschuldeten Schädigung oder Gefährdung, Umfang der Pflichtverletzungen, Maß der Überlegung oder Vorbereitung der Tat, Rücksichtslosigkeit, Angreifbarkeit des Opfers) in gleicher Weise zu berücksichtigen sind wie die in den §§ 33 und 34 StGB demonstrativ aufgezählten Erschwerungs- und Milderungsgründe.

Allerdings bin ich der Ansicht, dass in manchen Fällen des Wirtschaftsstrafrechts die angedrohten Sanktionen zu gering sind, um abschreckende Wirkung auszulösen. Insoweit verweise ich auf den Entwurf eines Börsegesetzes, in welchem unter anderem eine deutliche Anhebung der Strafdrohung für „Insiderhandel“ vorgeschlagen wird.

Zu 10:

Zu den Einzelstrafsachen „Lombard-Fall“ und „Strutzl“ möchte ich Folgendes bemerken:

Im sog. „Lombard-Fall“ ist primär darauf Bedacht zu nehmen, dass sich die Rechtslage durch die in Artikel V Abs 6 KartGNov 2002 normierte Abschaffung der gerichtlichen Strafbestimmung des § 129 KartG 1988 zwischenzeitlich geändert hat und die im vorliegenden Fall inkriminierten Verhaltensweisen mittlerweile nicht mehr unter Strafandrohung stehen. Soweit nach § 129 KartG 1988 zu qualifizierende Handlungen der Verdächtigen vor dem 1.Juli 2002 erfolgten, lagen diese bereits längere Zeit zurück, weshalb nach Ansicht der Anklagebehörde weder spezial- noch generalpräventive Bedenken einer diversionellen Erledigung der zwischenzeitlich nicht mehr pönalisierten Verhaltensweise entgegenstanden: Die in Betracht kommende Strafbestimmung des § 129 KartellG 1988 fällt – soweit auf vor dem 1. Juli 2002 verwirklichte Sachverhalte weiterhin anwendbar -  mit einem angedrohten Strafrahmen von bis zu drei Jahren in den Bereich der sogenannten mittleren Kriminalität und ist damit einer Diversion zugänglich.

Auch im Fall „Strutzl“ konnten die Bestimmungen der Diversion Platz greifen, zumal die Strafdrohung nach § 48a BörseG mit bis zu zwei Jahren normiert ist, der Verdächtige Verantwortung für sein Verhalten übernommen, den erzielten Gewinn herausgegeben und ein Strafbedürfnis sohin weder aus spezial- noch generalpräventiven Gründen bestanden hat.

Zu 11:

Gegenüber den Geldinstituten konnten - auch laut Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 11. Juni 2002 - die faktischen Auswirkungen, also der wettbewerbsbeschränkende Effekt des inkriminierten Kartells, nicht sicher bestimmt werden. Umso weniger konnte im Verfahren gegen einzelne Manager, die jeweils nur teilverantwortlich waren, den Verdächtigen die Verantwortung für eine konkrete Schadenssumme zugeordnet werden.

Im Übrigen setzt ein Auftrag zur Schadensgutmachung im Rahmen einer Diversion durch die Staatsanwaltschaft einen zulässigen Privatbeteiligtenanschluss voraus. Beim Formaldelikt des § 129 KartG 1988 ist ein solcher aber ausgeschlossen.

Zu 12:

Die rechtliche Situation der geschädigten Bankkunden wurde durch den Ausgang des Strafverfahrens gegen die Manager nicht beeinträchtigt, zumal allfällige zivilrechtliche Ansprüche unberührt bleiben.

Zu 13:

Laut Bericht der Staatsanwaltschaft Wien haben sämtliche Verdächtigen die Geldbußen entsprechend den ihnen vorgeschlagenen Diversionsanboten gezahlt. Ob diese Zahlungen letztlich tatsächlich von den verantwortlichen Managern oder aber von den Unternehmen geleistet wurden, entzieht sich meiner Kenntnis. Wäre Letzteres der Fall, handelte es sich allerdings um autonome Entscheidungen der jeweiligen Gremien der Banken.

Zu 14:

Zur Stellungnahme des VKI möchte ich wiederum auf den Schlussbericht der von mir eingesetzten Expertenkommission verweisen. Er führt im Punkt 2.3.1. aus:

2.3.1. Ein grundlegendes Problem der Diversion wurde von manchen darin gesehen, dass nicht nur auf eine Bestrafung, sondern auch auf einen Schuldspruch verzichtet wird und damit, wenn der Beschuldigte das Diversionsangebot annimmt, die Berechtigung des erhobenen Tatvorwurfs offen bleibt. Dies könnte insbesondere in Fällen, in denen ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit (sogenannte „clamorose Fälle“) an einer verbindlichen Klärung des inkriminierten Sachverhalts besteht, als ein Nachteil empfunden werden.

Im Zusammenhang damit steht die mangelnde Transparenz des Diversionsverfahrens und der Diversionsentscheidung.

2.3.2. Vereinzelt wurde daher überlegt, ob nicht generell oder zumindest in bestimmten Fällen (gedacht war vor allem an Fälle von öffentlichem Interesse) vorgesehen werden sollte, dass die Diversionsentscheidung der Staatsanwaltschaft schriftlich auszufertigen und zu begründen ist. Dies würde es auch ermöglichen, diese Entscheidung – anonymisiert und im Internet – zu veröffentlichen.

Diskutiert wurde auch die Möglichkeit, die diversionelle Erledigung enger an das Gericht zu binden oder doch die Einstellung durch den Staatsanwalt von einer Zustimmung des Gerichts abhängig zu machen. Auch die Einführung eines Schuldspruchs ohne Strafe wurde ins Spiel gebracht.

2.3.3. Alle diese Erwägungen wurden aber letztlich verworfen. Nach Ansicht der Kommission in ihrer großen Mehrheit ist der Verzicht auf eine verbindliche Feststellung strafrechtlicher Schuld ein wesentliches, wenn nicht sogar das entscheidende Merkmal der Diversion schlechthin, weil diese gerade eine staatliche Reaktion auf strafbares Verhalten ohne die negativen sozialen Folgen von Schuldspruch und Vorstrafe und unter Wahrung der Unschuldsvermutung ist und sein soll. Der Verzicht auf eine Schuldfeststellung ist aber mit dem Verzicht auf eine verbindliche Klärung des Sachverhalts untrennbar verbunden. Dazu kommt, dass der mit der Diversion verbundene Verzicht auf Schuldfeststellung und öffentliche Verhandlung für den Beschuldigten einen wesentlichen Anreiz zur Annahme des Diversionsanbots bietet und dessen Akzeptanz erhöht.

Würde die Diversion ein formelles Verfahren mit Tatsachen- und Schuldfeststellung oder gar eine gerichtliche Entscheidung über die Schuld voraussetzen, dann wären dieses Rechtsinstitut und seine Anwendung im bisherigen Umfang grundsätzlich in Frage gestellt. Dies schon deshalb, weil dann mit der Diversion de facto doch wieder jene sozial-negativen Folgen für den Verdächtigen verbunden wären, die durch diese alternative Form der Erledigung des Strafverfahrens gerade vermieden werden sollen.

Darüber hinaus würden solche Änderungen das Diversionsverfahren wesentlich erschweren und komplizierter gestalten und damit der gesetzlichen Absicht nach einem leicht anwendbaren Instrumentarium zur Erledigung von verhältnismäßig geringfügigen (Massen-) Delikten zuwider laufen. Wenn die Staatsanwälte etwa jeden Diversionsvorschlag den Beteiligten gegenüber schriftlich begründen müssten, würde dies nicht nur die Ressourcen der Praxis weit überfordern, es würde auch die Akzeptanz dieser Erledigungsart bei den Strafverfolgungsbehörden drastisch vermindern. Die genannten grundlegenden Änderungen sind daher auch aus praktischen Erwägungen abzulehnen.

Der Mangel an Transparenz wiederum ist eine kaum vermeidbare Konsequenz der Wahrung der Unschuldsvermutung. Eine besondere Behandlung öffentlich besonders interessanter Fälle dahingehend, dass nur bei diesen zwingend ein Verfahren zur Feststellung der Schuld durchzuführen wäre, würde – von den wohl unüberwindbaren Schwierigkeiten einer klaren Abgrenzung abgesehen – mit dem Gleichheitssatz in einem schwer lösbaren Widerspruch stehen.

Zu 15:

Diese Frage kann nicht beantwortet, weil nach der derzeitigen Statistik keine Verknüpfung von Diversionsanbot und (Art des) Tatvorwurf(s) erfolgt. Schließlich erscheint auch der Begriff des sogenannten „Wirtschaftstrafrechtes“ auslegungsbedürftig, weil nicht klar ist, welche Deliktsgruppen hievon umfasst sein sollen. Neben (bestimmten) Vermögensdelikten wären allenfalls auch vom Nebenstrafrecht umfasste Delikte (Vergehen nach dem FinStrG, GmbHG, AktG, Außenhandelsgesetz, etc) dem „Wirtschaftsstrafrecht“ zuzurechnen.

Ich nehme allerdings auch auf diesem Gebiet die Anregung des Schlussberichts der Expertenkommission sehr ernst, wonach eine aussagekräftigere (deliktsspezifische) Statistik aufbereitet werden soll, und werde nach Maßgabe der mir dafür zur Verfügung stehenden Budgetmittel entsprechende Anstrengungen unternehmen.

Zu 16:

Wie schon zur Frage 8. ausgeführt, sind die Justizbehörden vermehrt bereit, sozialkonstruktive Maßnahmen einzusetzen und gemeinnützige Leistungen im Sinne des § 90d Abs. 1 StPO anzubieten. Im Sinne des Einführungserlasses (zweiter Teil) zur Strafprozessnovelle 1999 („Diversion“), JMZ 578.015/35-II.3/1999, JABl. Nr. 1/2000, führen die staatsanwaltschaftlichen Behörden auf lokaler Ebene regelmäßig Besprechungen zur Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaften und dem Verein NEUSTART durch. Solche Maßnahmen werden auch durch eine von meinem Ressort unterstützte Reichweitenstudie über die Vermittlung gemeinnütziger Leistungen gefördert, die in ihrem Zwichenbericht (siehe Grafl/Stummer, Vermittlung gemeinnütziger Leistungen JSt 2004, 5 ff, 8 f.) festhält:

Das Potential, das ein Ausbau der gemeinnützigen Leistung in sich birgt, ist nicht zu unterschätzen. Eine symbolische Wiedergutmachung an der Gemeinschaft und die damit meist verbundene Wiederherstellung des Rechtsfriedens erlangt ua durch die verschiedenen involvierten Institutionen, bei denen gemeinnützige Leistungen erbracht werden können, eine generalpräventiv beachtenswerte Breitenwirkung. Mindestens ebenso wichtig ist jedoch die spezialpräventive Komponente: Der Beschuldigte wird hier als Subjekt in Anspruch genommen, von dem in gewisser Weise eine positive, „produktive“ innere Auseinandersetzung mit der Tat verlangt wird. Durch den Kontakt mit positiven Rollenvorbildern (Menschen, die im Rahmen eines Haupt- oder Ehrenamtes Dienst an der Gemeinschaft leisten) kann es zu einer Verdeutlichung von sozialer Verantwortung kommen. ... Die Vermittlung gemeinnütziger Leistungen ist in ihrer (relativ jungen) Anwendung im Rahmen der Reichweitenstudie auf ministerieller Ebene wie auch bei einigen Zuweisern bereits auf reges Interesse gestoßen. Nun wäre ein Bemühen um eine möglichst einheitliche Anwendungspraxis flächendeckend über das gesamte Bundesgebiet wünschenswert.

In diesem Sinn wird nach Vorliegen der Endergebnisse dieser Reichweitenstudie in meinem Ressort überlegt werden, inwieweit ein Beitrag zu einer weiteren Förderung sozialkonstruktiver Maßnahmen geleistet werden könnte.

Zu 17:

Der Bericht der „Expertenkommission zur Prüfung der staatlichen Reaktionen auf strafbares Verhalten in Österreich“ wurde im März 2004 fertiggestellt und im Rahmen einer Pressekonferenz des Bundesministeriums für Justiz am 1. April 2004 veröffentlicht. Ich werde dafür Sorge tragen, dass er allen Interessierten auch auf der Homepage des BMJ zur Verfügung steht.

. Mai 2004

 

(Dr. Dieter Böhmdorfer)



[1] Anbote und Rücktritte beziehen sich auf den Zeitraum des dargestellten Jahres, ob die Differenz auf Eintragungsfehler oder darauf zurückzuführen ist, dass gegen Ende des Jahres 2002 gestellte Anbote im Jahr 2003 angenommen wurden, lässt sich nicht mit Sicherheit beantworten. Nach § 90c Abs. 5 StPO darf der Rücktritt erst nach Leistung des Geldbetrages und allfälliger Schadensgutmachung erfolgen.

[2] Siehe FN 1; der Rücktritt von der Verfolgung kann erst nach vollständiger Erbringung der gemeinnützigen Leistungen erfolgen (§ 90d Abs. 5 StPO).

[3] Siehe FN 1; der Rücktritt von der Verfolgung kann erst nach vollständiger Erbringung der gemeinnützigen Leistungen erfolgen (§ 90d Abs. 5 StPO).

[4] Siehe FN 1; der Rücktritt von der Verfolgung kann erst nach vollständiger Erbringung der gemeinnützigen Leistungen erfolgen (§ 90d Abs. 5 StPO).

[5] Siehe FN 1; Rücktritt kann erst nach Erfüllung auferlegter Pflichten erfolgen.

[6] Siehe FN 5.

[7] Siehe FN 1; Rücktritt erfolgt erst, wenn der Ausgleich zustande gekommen ist (§ 90g Abs. 1 StPO).

[8] Siehe FN 7.

[9] Für das Jahr 2001 sind für die LG- Ebene keine Zahlen verfügbar (Umstellung der VJ)