1635/AB XXII. GP
Eingelangt am 14.06.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Justiz
Anfragebeantwortung
zur Zahl
1653/J-NR/2004
Die Abgeordneten zum
Nationalrat Bettina Stadlbauer, Kolleginnen und Kollegen
haben an mich eine
schriftliche Anfrage betreffend „Opferfonds und Opferschutzein-
richtungen" gerichtet.
Ich beantworte diese
Anfrage wie folgt:
Zu 1 bis 16:
Die Stärkung der Rechte des Opfers und die Förderung
seiner Interessen stellen
zentrale Anliegen meiner
Reformbemühungen dar. Ich habe daher stets die Bemü-
hungen vieler Expertinnen und Experten unterstützt, die daran beteiligt waren,
dass
mit dem Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung neu gestaltet wird
(Straf-
prozessreformgesetz), BGBl. I Nr. 19/2004,
die verfahrensrechtliche Stellung des
Opfers
im Strafverfahren eine bedeutende Aufwertung erfährt.
Opfer strafbarer Handlungen benötigen
jedoch nicht nur eine sichere verfahrens-
rechtliche
Stellung, die ihnen Informations-, Beteiligungs- und Entschädigungsrechte
gewährt,
sondern vor allem rasche Beratung und konkrete Hilfestellung zur Über-
windung ihrer
Betroffenheit und akuten Notsituation. Als ersten Schritt in diese Rich-
tung habe ich in Kooperation mit der
Rechtsanwaltskammer Wien einen „Notruf für
Opfer" über die Hotline 0800 112 112 eingerichtet, der allen
Betroffenen von Strafta-
ten kostenlos und rund um die Uhr zur Verfügung steht. Opfer erhalten von
Rechts-
anwälten kompetente Auskunft über rechtliche Fragen im Zusammenhang mit Straf-
taten und erhalten Informationen über
sonstige im Bereich der Opferhilfe tätigen
Stellen,
an die sie sich in ihrem konkreten Fall wenden können.
Die Anfragebegründung nimmt Bezug auf
eine APA- Meldung vom 1. April 2004, in
der über mein
anlässlich einer Pressekonferenz am selben Tag vorgestelltes Vorha-
ben berichtet wird, einen Opferfonds einzurichten. Die während dieser
Pressekonfe-
renz zur Verfügung gestellte Unterlage
„Verbesserung der Verbrechensopferhilfe" ist
meiner Anfragebeantwortung als Anhang
angeschlossen. Daraus ergibt sich, dass
ich eine Diskussionsphase über die grundsätzliche Zielsetzung einleiten
will, die un-
übersichtliche Rechtslage auf dem Gebiet der Opferhilfe zu vereinfachen und
meine
Vorstellungen über die Einrichtung eines
Opferhilfefonds zur vorschussweisen Ent-
schädigung von Opfern schwerer Gewalttaten präsentierte. Zur Finalisierung und
Umsetzung des Konzepts sind noch andere, mit Angelegenheiten des Opferschut-
zes und der Opferhilfe befasste Ressorts (Bundesministerium für soziale
Sicherheit,
Generationen und Konsumentenschutz; Bundesministerium für Inneres; Bundesmi-
nisterium für Gesundheit und Frauen)
einzubinden, deren Fachmeinung noch nicht
vorliegt.
Da eine Fortentwicklung und
Finalisierung dieser Ideen jedenfalls einige Zeit in An-
spruch nehmen wird
und auch legistische Vorkehrungen erfordert, habe ich meinem
Ressort den Auftrag erteilt, ein konkretes Konzept zu einer Opferhilfestelle zu
entwi-
ckeln, die rasch und unbürokratisch Opfern
schwerer Gewalttaten (Verbrechen ge-
gen Leib und Leben, gegen die Freiheit, Raub und Verbrechen gegen die sexuelle
Selbstbestimmung und Integrität) finanzielle Hilfestellung bietet. In erster
Linie soll
natürlich Opfern mit einem besonderen
Grad an Betroffenheit (Trauma) und einer
wirtschaftlich schwachen Stellung geholfen werden.
Die Klärung, auf
welche Weise eine solche Opferhilfsstelle finanziert werden kann,
wird ebenfalls noch
einige Zeit in Anspruch nehmen.
Ich bitte daher um Verständnis, dass ich auf die
vorliegenden Fragen noch nicht de-
tailliert eingehen kann. Ich halte dies jedoch auch im Sinn einer seriösen Vorgangs-
weise und der Ablehnung einer bloßen Ankündigungspolitik für unerlässlich, weil
die
grundlegenden Fragen der Organisation und
der Finanzierung einer solchen Einrich-
tung feststehen müssen, bevor bei
Opfern konkrete Erwartungen geweckt werden.
Auf der anderen Seite muss man für
die Lösung schwieriger und komplexer Materien
mitunter
den Weg in die Öffentlichkeit gehen, um den notwendigen Diskussionspro-
zess in Gang zu setzen. Meine in der
erwähnten Pressekonferenz präsentierten
Vorstellungen werde ich jedenfalls für mein Ressort mit Nachdruck weiter
verfolgen.
VERBESSERUNG DER
VERBRECHENSOPFERHILFE
PRESSEINFORMATION
INHALTSVERZEICHNIS
1.
Einrichtung eines Verbrechensopferhilfefonds
(Vorauszahlung an Verbrechensopfer und
Regress gegen die Täter)
2.
Geltende Rechtslage betreffend die Verbrechenshilfe
3.
Europäische Entwicklung in der Verbrechensopferhilfe
4.
Für welche Delikte soll es Vorauszahlungen durch den Fonds geben?
5. Zusammenfassung
VERBESSERUNG DER
VERBRECHENSOPFERHILFE
1. Einrichtung
eines Verbrechensopferhilfefonds
1.1. Das neue System der
Hilfestellung für Verbrechensopfer:
Es
gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Staates, die Sicherheit der Bürger zu
gewährleisten. Der Bürger ist nur in eingeschränktem Umfang in der Lage, sich
gegen Verbrechen zu schützen. Deshalb muss
der Staat dem Bürger, wenn er Opfer
eines Verbrechens wird, möglichst weitgehend Schutz und Hilfe gewähren.
Justizminister
Dr. Dieter Böhmdorfer plant einen Fonds einzurichten, der an Opfer
von bestimmten Gewaltverbrechen schnell und unbürokratisch Hilfe durch
Vorauszahlung (Akontierung) ihrer Schadenersatzforderungen leistet. Die
Forderungen der Verbrechensopfer gegen die
Täter soll auf diesen Fonds übergehen
und vom Fonds in- und außerhalb von Strafverfahren gegen die Täter im
Regresswege geltend gemacht werden.
Den Opfern wird dadurch doppelt geholfen:
einerseits
durch rasche und unmittelbare Vorauszahlung ihrer Ansprüche,
andererseits durch die professionelle (auch
anwaltliche) Geltendmachung ihrer
darüber hinausgehenden Forderungen im Strafverfahren gegen die Täter.
Die Täter können durch Anerkennung oder sonstige Zahlung
der Ansprüche den
Milderungsgrund der
Schadensgutmachung geltend machen.
Die Mittel des Fonds sollen auch aus den von den
verurteilten Beschuldigten zu
bezahlenden Geldstrafen dotiert werden, allenfalls auch aus einem Anteil an den
Geldbußen aus
angenommenen Diversionsangeboten.
1.2. Zielsetzung
des Verbrechensopferhilfefonds
1.2.1.
Sicherstellung
der Hilfeleistung an Verbrechensopfer
1.2.2.
Entbürokratisierung
der Opferhilfe
1.2.3.
Bündelung
aller bereits bestehender Opferentschädigungsregelungen - und
Einrichtungen im Einvernehmen mit den
selben
1.2.4.
Finanzierung des neuen Opferhilfefonds durch Anteile der
gerichtlich
verhängten
Geldstrafen und Geldbußen bei Diversionsmaßnahmen
1.2.5.
Durchsetzung der Geldansprüche von Verbrechensopfern in
Gerichtsverfahren
1.2.6.
Zivilrechtlicher
Regress gegen die Täter
1.3. Umsetzung des Verbrechenshilfeopferfonds
1.3.1.
Die
Durchforstung und Bündelung aller bundesweit bestehenden
Opferentschädigungsregelungen (siehe
insbesondere Punkt II. -
Verbrechensopfergesetz
- VOG) und Eingliederung der 166 Opferhilfevereine (mit
deren Einvernehmen) wird Synergie- und
Einsparungseffekte bringen. Gleichzeitig
soll damit eine Entbürokratisierung verbunden sein. Der Zugang der Bürger zu
den
Opferhilfeeinrichtungen soll einfach und übersichtlich werden. Die
derzeitige
Rechtslage ist unübersichtlich.
1.3.2. Die Verbesserung der Stellung der
Opfer soll zu einem Rechtsanspruch
führen. Begonnen wird mit einer zumindest teilweisen Entschädigung. Es ist
klar,
dass zunächst an besonders schwerwiegend betroffene und bedürftige Opfer
gedacht wird, die durch keine andere staatliche Unterstützungsleistung
abgesichert
sind. Ansprüche aus Verbrechen gegen Leib und Leben, die Freiheit und gegen die
sexuelle Integrität und Selbstbestimmung sollen daher vorrangig berücksichtigt
werden. Das sind solche Verbrechen, gegen
die sich der Bürger selbst am wenigsten
schützen kann.
1.3.3. Eine breit angelegte Kampagne soll
diese zentrale Einrichtung mit dem Ziel
bekannt machen, dass Opfer rasch Hilfe erhalten und sich nicht an mehrere
Behörden und private Einrichtungen wenden müssen. Bei der Umsetzung dieser
Maßnahmen soll das Wissen und die Erfahrung
der ehrenamtlichen Mitarbeiter der
Opferhilfevereine in einem Beirat verwertet werden.
1.3.4. Die
Organisation des Fonds soll nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen straff
und schlank erfolgen, damit die bereitgestellten Mittel unmittelbar den Opfern
zu gute
kommen und nicht von Bürokratie verschlungen werden. Die sofortige
Vorauszahlung
an die Opfer und der unverzügliche Regress gegen die Täter durch den Fonds
sollen
die spezialpräventive
Wirkung unterstützen, weil dem Täter vor Augen geführt
werden kann, dass die von ihm geleistete Geldstrafe einem sinnvollen Zweck
zugeführt wird.
1.3.5. Die
Einbringlichkeit der Forderungen gegenüber dem Täter wird verstärkt, weil
der Fonds in der Lage ist, Verfahren einzuleiten, die ein einzelnes Opfer oft
nicht auf
sich nimmt.
1.3.6. Durch die Bindung eines Teils der
Einnahmen aus Geldstrafen, die in
Strafverfahren von den Gerichten verhängt werden, wird die Aufgabe des Staates
unterstrichen , sich ernsthaft um Anliegen
und Ansprüche von Opfern zu kümmern.
Ein Teil der Geldstrafen und allenfalls auch Geldbußen aus
Diversionsverfahren
sollen künftig konkret (gewidmet) der Opferhilfe zu Gute kommen.
1.3.7. Die Tätigkeit
des Fonds soll evaluiert werden, sodass in weiterer Folge eine
Ausweitung der Ansprüche der Verbrechensopfer überlegt werden kann, nachdem
die
erforderlichen Erfahrungen (siehe Punkt 4. - Einschätzung der Kostenfolgen)
gesammelt wurden. Im
übrigen geht in Österreich wieder damit der europäische
Entwicklung voran (siehe Punkt 3.)
2. Geltende Rechtslage betreffend die
Verbrechenshilfe:
2.1. Bundesgesetz vom 9. Juni 1972, BGBl. Nr. 288, über
die Gewährung von
Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen (Verbrechensopfergesetz - VOG):
zuständig: BMSG
2.1.1. Anspruchsberechtigt sind:
§ österreichische
Staatsbürger und Staatsangehörige von EWR- Mitgliedstaaten
(wenn die Tat im Inland begangen wurde oder sie ihren Wohnsitz in Österreich
haben) wenn mit
Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie
§ durch eine mit einer mehr als sechsmonatigen
Freiheitsstrafe bedrohte
rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine
Körperverletzung oder eine
Gesundheitsschädigung erlitten haben.
§ Wegen einer Minderung
der Erwerbsfähigkeit ist Hilfe nur zu leisten, wenn
dieser Zustand voraussichtlich mindestens sechs Monate dauern wird oder
durch die Tat eine schwere
Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) bewirkt
wird.
§ Wurde durch die Tat der Tod
eines Menschen verursacht, dann ist den
Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem
Gesetz zu
sorgen hatte, Hilfe zu leisten.
2.1.2. Umfang
des Ersatzes durch den Verbrechensopferhilfefonds:
Als
Hilfeleistungen sind vorgesehen:
§ Ersatz des Verdienst-
oder Unterhaltsentganges1;
§
Heilfürsorge (ärztliche Hilfe, Heilmittel,
Heilbehelfe, Kosten einer
psychotherapeutischen
Behandlung, etc.);
§ orthopädische Versorgung (Ausstattung mit
Körperersatzstücken,
Kostenersatz für Änderungen an Gebrauchsgegenständen sowie für die
Installation behinderungsgerechter
Sanitärausstattung, Zuschüsse zu den
Kosten für die behinderungsgerechte Ausstattung von mehrspurigen
Kraftfahrzeugen, Beihilfen zur Anschaffung von mehrspurigen
Kraftfahrzeugen);
§ medizinische
Rehabilitation ( Unterbringung in Krankenanstalten, die
vorwiegend der
Rehabilitation dienen, etc.);
§ berufliche
Rehabilitation;
§ soziale Rehabilitation;
§ Pflegezulagen,
Blindenzulagen;
§ Ersatz der
Bestattungskosten.
2.1.3. Budgetmittel:
2003 wurden
Hilfeleistungen im Gesamtausmaß von ca. 1,802 Millionen Euro
gewährt, der Budgetansatz betrug für 2003 1,739 Millionen Euro.
Auch für 2004
beträgt der Budgetvoranschlag
im Verbrechensopfergesetz 1,739 Millionen Euro.
2.2. § 373a (geltende) StPO
(Vorschusszahlungen für Privatbeteiligte):
Nach
dieser Bestimmung hat der Bund auf Schadenersatzansprüche, die dem
Privatbeteiligten gegenüber dem Täter rechtskräftig zuerkannt worden
sind,
Vorschusszahlungen zu leisten. Voraussetzung ist allerdings u.a., dass
die
Zahlung vom Täter ausschließlich oder überwiegend deshalb nicht erlangt
werden kann, weil an ihm eine Strafe
vollzogen wird. Weiters darf kein Anspruch
nach dem Verbrechensopfergesetz bestehen. Die
Vorschussgewährung auf
Schmerzengeld ist ebenso ausgeschlossen. Die Vorschüsse können
daher nur in
1 Der Ersatz darf
jedoch zusammen mit dem Einkommen des Betroffenen den Betrag von monatlich 2
068,78
Euro nicht überschreiten. Diese Grenze erhöht sich auf 2 963,23 Euro, sofern
der Anspruchsberechtigte seinen
Ehegatten überwiegend erhält. Die Grenze
erhöht sich weiters um 217,07 Euro für jedes Kind (§ 1 Abs. 6). Für
Witwen (Witwer) bildet der Betrag von 2 068,78 Euro die
Einkommensgrenze. Die Grenze beträgt für Waisen
bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres
772,37 Euro, falls beide Elternteile verstorben sind 1 160,51 Euro und
nach Vollendung des 24. Lebensjahres 1 372,14 Euro, falls beide
Elternteile verstorben sind 2 068,78 Euro.
Diese Beträge sind ab 1. Jänner 2002 und in der Folge mit Wirkung vom 1. Jänner
eines jeden Jahres mit dem
für den Bereich des Allgemeinen
Sozialversicherungsgesetzes festgesetzten Anpassungsfaktor zu vervielfachen.
einer
begrenzten Zahl von Fällen in Anspruch genommen werden. Soweit der Bund
einen Vorschuss gewährt, gehen nach Abs. 9
dieser Bestimmung die Ansprüche des
Antragstellers von Gesetzes wegen auf den Bund über (Legalzession). Die
Bestimmung hat sich in der Praxis wegen der breiten Ausschlussgründen als eher
unwirksam erwiesen; 2003 wurde ein Betrag von 97.000.- Euro aus diesem
Titel
geleistet.
Beide Entschädigungsregelungen haben sich durch den
bürokratischen Nachweis
der Ansprüche als
schwerfällig erwiesen. Der neu zu schaffende Fonds soll mit
geringem Verwaltungsaufwand dem Opfer rasch Hilfe leisten.
2.3.
Art. VI der Strafprozessnovelle 1999, BGBl. I Nr. 55 (Diversion -
Prozessbegleitung):
Seit
dem Jahr 2000 gewährt das BMJ Förderungen für Prozessbegleitung.
Zielgruppe sind Minderjährige, die Opfer von Misshandlungen und
sexuellem
Missbrauch geworden sind, sowie deren Bezugspersonen. Die Betreuung und
Unterstützung erfolgt im Rahmen einer psychosozialen und juristischen
Prozessbegleitung. Erstmals stand im Rahmen des Budgets für das Jahr 2000 ein
Betrag von drei Mio. S zur Verfügung, der
für das Jahr 2001 auf sechs Mio. S und im
Jahr 2002 auf ca. 725.000 Euro (10 Mio. Schilling) erhöht werden konnte.
Im Jahr
2003 standen ca. 900.000 Euro für Förderzwecke zur Verfügung, von denen im
Abrechnungszeitraum 4. Quartal 2002 bis 3. Quartal 2003 567.236,64 Euro von
den Opferhilfeeinrichtungen in Anspruch
genommen wurden. Für das Jahr 2004 sind
im BVA 1,000.000 Euro budgetiert.
2.3.1. Kommentar zur geltenden Rechtslage
und gegenwärtige Basis:
Die
geltende Rechtslage ist unübersichtlich, zersplittert, formalistisch und von
schwieriger Zugänglichkeit für die Verbrechensopfer gekennzeichnet. Die
Anspruchsvoraussetzungen sind
unterschiedlich, die Behördenzuständigkeit nur für
„Eingeweihte" verständlich. Für die Verbrechensopfer ist nicht
erkennbar, ob - und
inwieweit - Rechtsansprüche bestehen. Die
faktische Gleichbehandlung der aus
allen Gesellschaftsschichten
kommenden Verbrechensopfer scheint nicht gegeben.
3. Europäische Entwicklung für
Verbrechensopferhilfe:
3.1. Die Kommission hat dem Rat am 17. Oktober 2002
einen Vorschlag für eine
Richtlinie zur Entschädigung der Opfer von Straftaten vorgelegt.
Der
Vorschlag verfolgt ein zweifaches Ziel:
Zum
einen sollen Mindestnormen für die Entschädigung der Opfer von
Straftaten festgelegt werden und zum anderen soll eine Regelung eingeführt
werden, durch die gewährleistet ist, dass Opfer Zugang zu einer solchen
Entschädigung erhalten. Im Gesamtansatz soll der Vorschlag dem Aufruf des
Europäischen Rates (Tampere), für angemessenen Schutz der Opfer von Straftaten
zu sorgen, gerecht werden. Grundsätzlich sollen nach diesem Entwurf
Mitgliedstaaten für die Entschädigung von Opfern sorgen, die eine persönliche
Schädigung erlitten haben, die unmittelbar auf eine im Hoheitsgebiet eines
Mitgliedstaats vorsätzlich begangene Gewalttat zurückzuführen ist. Ist
das Opfer
an seinen Verletzungen gestorben, so sorgen die Mitgliedstaaten für die
Entschädigung von Personen, die in einem engen Familienverhältnis zu dem
Opfer
standen. Der Entschädigungsbetrag soll von der zuständigen
Behörde unter
Berücksichtigung des Betrags festgestellt werden, der als Schadensersatz für
vergleichbare Schädigungen zugesprochen werden könnte. Die Mitgliedstaaten
sollen jedoch auch einen Höchstbetrag für den Gesamtbetrag der
Entschädigung
festlegen können, die an einen einzigen Antragsteller oder für einen einzigen
Antrag
ausgezahlt werden kann, oder die auszuzahlende Entschädigung für den
Verdienstausfall oder den Unterhaltsverlust unter Berücksichtigung der
finanziellen Lage des Antragstellers
begrenzen. Die Mitgliedstaaten
sollen weiters
eine Entschädigung für Nicht-Vermögensschäden gemäß den
einzelstaatlichen
Rechtsvorschriften ausschließen können.
3.2. Kommentar zur europäischen Entwicklung:
Auch diese Initiative spricht für eine Ausweitung der
staatlichen Bemühungen um
eine Ausweitung der
Opferhilfe. Die bloße Erfüllung des EU-Standards ist für
Österreich nicht ausreichend, wenn es
seinen guten Ruf als eines des sichersten
Landes der Welt und als vorbildlicher Rechtsstaat fertigen und ausbauen
will.
4. Für welche Delikte soll es
Vorauszahlungen durch den Fonds geben?
4.1. Delikte gegen Leib und Leben:
•
Opfer von Verbrechen: 459 (Mord; Totschlag,
Körperverletzung mit
schweren Dauerfolgen,
mit tödlichem Ausgang oder absichtlich
schwere Körperverletzung; schwere Fälle von Kindesmisshandlung
•
Opfer schwerer Körperverletzung: 3326
4.2. Delikte gegen die Freiheit:
• Opfer
von Verbrechen: 599 (Entführung und schwere Nötigung
4.3. Raub:
• Insgesamt: 3053 Opfer
4.4. Sittlichkeitsdelikte:
• Insgesamt: 1126 Opfer
4.5.
Die
Zusammenrechnung ergibt 8563 Opfer von Verbrechen gegen Leib und
Leben, gegen die Freiheit, von Raub, sämtlicher Sittlichkeitsdelikte und
schwerer
Körperverletzung). Die Tendenz ist
steigend. Die Verunsicherung der Bevölkerung
nimmt zu.
4.6. Welche Mittel benötigt der
Verbrechensopferhilfefonds?
Rechnet
man von einer durchschnittlichen Vorschusszahlung in der Höhe von
1000 Euro und geht man (siehe 4.5) von ca.
9000 Fällen (mit steigender Tendenz)
aus, so würde sich ein Aufwand von rund 10 Millionen Euro errechnen.
4.7. Wie soll die Finanzierung des
Verbrechensopferhilfefonds erfolgen?
Der Tagessatz der Geldstrafen beträgt derzeit mindestens
Euro 2,- und höchstens
Euro 327,--. Die
letzte Anpassung erfolgte mit Wirkung vom 1.1.1988. Seither ist eine
Steigerung des Verbraucherpreisindex von mehr als 35 % zu verzeichnen.
Eine
kaufkraftorientierte Anpassung der Tagessätze würde zu Mehreinnahmen
führen und die Budgetierung des Fonds
ermöglichen, ohne das derzeitige Budget zu
belasten. Damit wäre auch der Verwaltungsaufwand abgedeckt.
Außerdem können ihm - im Einvernehmen mit dem BMSG - die
Mittel des
Verbrechensopfergesetzes
(VOG) zugeführt werden.
Im
Rahmen der Unterhaltsbevorschussung werden im Regressweg mehr als 40 %
rückgeführt. Diese Ziffer lässt erwarten,
dass die Vorauszahlungen der Fonds in dem
selben Ausmaß hereingebracht werden können.
5. Zusammenfassung:
•
Es
ist eine der wichtigsten Aufgabe des Staates, die öffentliche Sicherheit zu
gewährleisten und dem Bürger, der Opfer
eines Verbrechens wird, Schutz und
Hilfe zu gewähren.
•
Ein
neuer „Verbrechenshilfeopferfonds" soll Schadenersatzansprüche von
Bürgern, die Opfer von Gewaltverbrechen
wurden, bevorschussen, diese Beträge
im Regresswege von den Tätern einfordern und auch darüber hinaus den
Verbrechensopfern Schutz und Hilfe geben bzw. ihre Interessen wahren.
•
Bestehende Opferhilferegelungen und Einrichtungen sollen
eingebunden werden.
•
Die geltende Rechtslage ist unübersichtlich, von
vermeidbarer Bürokratie
gekennzeichnet und es
gibt keinen Rechtsanspruch.
•
Der Verbrechensopferhilfefonds soll evaluiert und seine
Positionen im Interesse
der Bürger zunehmend
ausgebaut werden.
•
Zunächst sollen Bürger Schadenersatzleistungen akontiert
bekommen, die Opfer
von Delikt von Leib und Leben, gegen die Freiheit, Opfer von Raubüberfällen und
Sittlichkeitsdelikten
wurden.
•
Dies
sind derzeit insgesamt ca. 9000 in Österreich - die Tendenz ist steigend.
•
Finanzierung des Verbrechensopferhilfefonds:
ausgehend
von derzeit 9000 schweren Fällen in Österreich und von der
Voraussetzung, dass die Durchschnittszahlung pro Verbrechen 1000 Euro
beträgt, ergibt dies einen Bedarf von 10 Millionen Euro. Ein Teil dieses
Betrages
könnte (nach dem Vorbild des Unterhaltsbevorschussungssystems) von den
Tätern im Regresswege hereingebracht werden, der Rest dadurch, dass die
Geldstrafen, die in Strafverfahren verhängt
werden und seit 1987 nicht angepasst
wurden, unter Anwendung des Verbraucherpreisindex angepasst werden. Die
letzte Festsetzung erfolgte zum 1.1.1988, seit diesem Zeitpunkt ist der
Verbraucherpreisindex um mehr als 35 % gestiegen. Auch eine Anpassung der
Geldbußen in Diversionsverfahren ist vorstellbar. Erfolgt diese Anpassung, kann
der Fonds seine Aufgabe selbst finanzieren, ohne das laufende Budget zu
belasten.
• Jedenfalls
soll der Fonds zu einer zentralen Anlauf-, Informations- und
Unterstützungsstelle für alle Opfer von Verbrechen werden, damit Österreich
weiterhin den Ruf behält, eines der
sichersten Länder der Welt zu sein und ein
deutliches Zeichen setzt, dass ihm die Sicherheit seiner Bewohner ein überaus
höchst wichtiges Anliegen ist.
April 2004