1647/AB XXII. GP
Eingelangt am 18.06.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Bundesministerium für Inneres
Anfragebeantwortung
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. MAIER und
GenossInnen haben am 20.4.2004 unter
der Nr. 1664/J an mich eine schriftliche
parlamentarische Anfrage betreffend „Organisierte
Schlepperkriminalität
- Menschenhandel - Vollzug durch Exekutive - rechtliche Konsequenzen"
gerichtet.
Diese Anfrage
beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
Zu Frage 1 - 3
:
Vorweg ist festzuhalten, dass im BM.I keine Statistiken
über rechtswidrig aufhältige Fremde und
rechtswidrig
eingereiste Fremde geführt werden.
Dies deshalb, da die exakte Unterscheidung dieser beiden
Kategorien einen hohen
Unschärfegrad aufweist.
In einigen Fällen kann eine eindeutige Zuordnung
getroffen werden, nämlich dann wenn ein
Fremder bei der Ausübung einer Beschäftigung ohne entsprechenden
Aufenthaltstitel, beim
Aufenthalt im
Bundesgebiet einem bestehenden Aufenthaltsverbot zuwider oder beim
Überschreiten der grünen Grenze betreten
wird.
In vielen Fällen kann diese Zuordnung mangels
Überprüfbarkeit der inneren Tatseite nicht exakt
vorgenommen
werden. Dies insbesondere dann, wenn anlässlich der Ausreisekontrolle
festgestellt wird,
dass der Fremde die erlaubte, sichtvermerksfreie Aufenthaltsdauer im
Schengenraum überschritten hat.
Eine exakte Erhebung dieser Daten scheitert in der Praxis
an mangelnden Überprüfbarkeit der
Angaben der Fremden.
Im Zuge der Befragungen haben 1.378 (1.001 männlich, 377
weiblich) beamtshandelte
Personen als
Migrationsgrund „Schwarzarbeit" und 80 Personen (alle weiblich) als
Migrationsgrund „Prostitution"
angegeben.
Die behauptete illegale Beschäftigungsausübung erfolgt
ganz überwiegend nicht in Österreich
sondern in anderen Schengenstaaten.
Auf die oben
beschriebenen Unschärfen hinsichtlich dieser Zahlen, die auf den Angaben der
Fremden beruhen und nicht überprüft werden können, wird deutlich hingewiesen.
Zu Frage 4
und 5:
Die Kompetenz zur Bekämpfung der illegalen
Ausländerbeschäftigung liegt primär im
Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Finanzen. Die Organe des
öffentlichen
Sicherheitsdienstes
üben die ihnen gem. § 27 Abs. 3 Ausländerbeschäftigungsgesetz sowie §§
45 Abs. 2 und 71 Abs.
5 FrG übertragenen Aufgaben gewissenhaft aus.
Bei
selbständiger Wahrnehmung eines Verstoßes gegen die Bestimmungen des
Ausländerbeschäftigungsgesetzes durch
Exekutivorgane wird - sofern nicht der Verdacht einer
gerichtlich strafbaren Handlung gegeben ist - Anzeige gegen den
Arbeitgeber an die
zuständige Bezirksverwaltungsbehörde
erstattet.
Eine zentrale
Statistik über die erfolgten Anzeigeerstattungen wird im BM.I nicht geführt.
Zu Frage 6
und 7:
Wie bereits zu Frage 1 erläutert,
führt das BM.I keine Statistiken über rechtswidrig aufhältige
Fremde. Eine Aufgliederung nach Bundesländern und Herkunftsländern der Frauen
ist daher
nicht
möglich.
Zu Frage 8:
Aus der polizeilichen Kriminalstatistik 2003 geht hervor, dass insgesamt
236 Personen (233
weiblich,
3 männlich) als Opfer des Menschenhandels im Sinne des § 217 StGB den
Sicherheitsbehörden bekannt geworden sind.
Eine Aufgliederung der Opfer in
der Polizeilichen Kriminalstatistik erfolgt nach Geschlecht und
Altersgruppen,
nicht aber nach Herkunftsland. Eine Aufgliederung nach Bundesländern erfolgt
hinsichtlich der Fälle nicht aber nach Herkunft der Tatverdächtigen.
Zu Frage 9 und 10:
Die Bekämpfung des Menschenhandels stellt einen klaren
Schwerpunkt der österreichischen
Exekutive dar. Da es sich hier um so genannte Kontrollkriminalität handelt,
d.h. je aktiver die
Sicherheitsbehörden
ermitteln, desto höher ist die Anzahl der bekannt gewordenen Fälle, kann
die
Entwicklung der Anzeigen an die Strafverfolgungsbehörden hier als bestes
Beispiel
herangezogen
werden:
Bundesland |
Fälle 2002 |
Fälle 2003 |
Burgenland |
3 |
11 |
Kärnten |
- |
2 |
Niederösterreich |
4 |
3 |
Oberösterreich |
7 |
50 |
Salzburg |
7 |
5 |
Steiermark |
2 |
7 |
Tirol |
- |
5 |
Vorarlberg |
3 |
9 |
Wien |
44 |
77 |
Gesamt |
70 |
169 |
Diese Zahlen zeigen sehr deutlich, dass die Arbeit und
die ergriffenen Maßnahmen der
österreichischen Exekutive dazu geführt haben, die Anzahl der aufgedeckten
Fälle mehr als zu
verdoppeln.
Zu Frage 11:
Im Jahr 2003 wurden 13.982 Fremde als rechtswidrig
eingereist oder rechtswidrig aufhältig bei
der
Durchreise durch Österreich aufgegriffen. Darüber hinaus wurden 11.482 Personen
als
„Geschleppte"
und 546 Schlepper während einer Reisebewegung im Bundesgebiet festgestellt.
Zu Frage 12:
Zu dieser Frage gibt es im BM.I keine statistische
Auswertung.
Für österreichische Aufenthaltsverbote kann das
Vorliegen von Fällen, bei denen eine
rechtskonforme Zustellung an den Betroffenen nicht
erfolgte, ausgeschlossen werden.
Beim
Vollzug von Aufenthaltsverboten anderer Schengen - Staaten wird von den
Betroffenen
in Einzelfällen behauptet, nichts von der
Ausschreibung gewusst zu haben. Für diese Fälle sieht
das SDÜ aber weit reichende Auskunfts- und Löschungsansprüche der
Betroffenen vor.
Zu Frage 13
und 14:
Die Gefahren des Menschenhandels werden von der
österreichischen Exekutive sehr ernst
genommen.
Bereits lange bevor die zitierten Studien veröffentlicht wurden, habe ich in
meinem
Ressort
die notwendigen organisatorischen Maßnahmen ergriffen, um diesem Menschen
verachtenden
Kriminalitätsphänomen verstärkt begegnen zu können. Im Bundeskriminalamt
wurde die Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperei und des Menschenhandels
geschaffen, auf Ebene der
Kriminalabteilungen der Landesgendarmeriekommanden wurde der
Ermittlungsbereich 11 - Schlepperei, Menschenhandel und Rotlichtkriminalität
eingerichtet.
Nach Umsetzung dieser organisatorischen Maßnahmen wurde
ein klarer kriminalpolizeilicher
Schwerpunkt zur Bekämpfung dieser Delikte gesetzt. Neben der oben
dargestellten,
zahlenmäßigen Entwicklung in der Anzeigenstatistik darf in diesem Zusammenhang
auf die
jüngst erfolgte
Zerschlagung eines Menschenhändlerringes in Oberösterreich und Salzburg
verwiesen werden. Als Ergebnis dieser Amtshandlung, die in enger Kooperation
mit
weißrussischen Polizeibehörden geführt wurde, konnte den (mittlerweile in U -
Haft
befindlichen) Tatverdächtigen die sexuelle
Ausbeutung von mehr als 150 Frauen aus
ehemaligen GUS - Staaten zur Last gelegt werden.
Der internationalen Zusammenarbeit kommt bei der
entschlossenen und erfolgreichen
Bekämpfung dieser Kriminalitätsformen eine eminente Bedeutung zu. An
internationalen
Amtshandlungen unter Koordination von EUROPOL (z.B. Operation Belarus,
Operation
Girasole)
wurden in der Vergangenheit von der österreichischen Exekutive unter
Federführung
des
Bundeskriminalamtes mitgearbeitet und die notwendigen nationalen Maßnahmen in
Abstimmung mit dem Bundesministerium für Justiz vollzogen. An derartigen
Initiativen von
EUROPOL wird sich die österreichische Exekutive auch weiterhin mit allen
rechtlich zur
Verfügung stehenden
Mitteln beteiligen und im Bedarfsfall solche internationale
Amtshandlungen auch selbst initiieren.
Vom Generalsekretariat der INTERPOL wird unter der
Bezeichnung „Operation Red Routes"
ein über den EU -Raum
hinausgehendes Projekt zur Bekämpfung des Menschenhandels
koordiniert. Für die ausgezeichnete
Mitarbeit des Bundeskriminalamtes Österreich in diesem
Projekt wurde vom Generalsekretariat
der INTERPOL ein ausdrückliches Lob für die
österreichischen Beamten ausgesprochen.
In
präventiver Hinsicht haben Beamten des Bundeskriminalamtes im Rahmen der SPOC -
Initiative (Stability Pact for South Eastern
Europe) an der Erarbeitung eines Ausbildungsmoduls
„Development of An Anti -
Trafficking Module For Police", das von ICMPD und dem BM.I unter
Mitwirkung von IOM, SECI und IMP für die SPOC -Staaten entwickelt wurde,
entscheidend
mitgewirkt.
Zu Frage 15:
Mit der Einführung vor allem der §§ 104a, 207a und 217
(neu) StGB durch das
Strafrechtsänderungsgesetz
2004 steht ein neues, verbessertes rechtliches Instrumentarium
zur
Verfügung, um einschlägige, kriminelle Organisationen angreifen und zerschlagen
zu
können. Die
notwendigen organisatorischen Vorkehrungen zum Vollzug der neuen Normen
wurden getroffen.
Ein weiterer Schritt im legistischen Bereich liegt in
der Ratifizierung des
Menschenhandelsprotokolls der Vereinten Nationen, das als Zusatzprotokoll zur
sog. Palermo -
Konvention, auf die
in der Ratsentschließung Bezug genommen wird, verabschiedet wurde.
Die Ratifizierung des Protokolls wird von
meinem Ressort unterstützt.
Der Deliktsbereich „Menschenhandel und Schlepperei"
hat grundsätzlich mit der Erweiterung
der Europäischen Union um 10 neue Mitgliedstaaten nicht primär zu tun. Die
Entwicklungen
zeigen sehr deutlich,
dass kriminelle Organisationen ihre Opfer bereits seit längerer Zeit
außerhalb des Territoriums der EU anwerben
und in Westeuropa der Prostitution zuführen.
Aus diesem Grunde wurde neben dem Abschluss von
Staatsverträgen über die
Zusammenarbeit
bei der Vorbeugung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität
mit
den unmittelbaren Nachbarstaaten in Ausführung des vorletzten Absatzes der
Ratsentschließung von mir die Initiative gesetzt, die polizeiliche Kooperation
mit anderen
Staaten, speziell Herkunftsstaaten, vor allem mit Rumänien, der Ukraine und
Weißrussland zu
intensivieren. Die zu den Fragen 13 und 14 dargestellte Antwort betreffend eine
erfolgreiche
Amtshandlung in Oberösterreich ist bereits ein erster, positiver Ausfluss
dieser Kooperationen
mit anderen als EU -
Staaten.
Ein Beobachtungssytem zur Information der zuständigen
nationalen Stellen ist überdies durch
die enge Kooperation
mit NGO's (z.B. IBF -LEFÖ, ICMPD) und die innerstaatlichen
Meldepflichten in Österreich bereits
vollständig umgesetzt.
Zu Fragen 16 bis 18 :
Die Erkenntnisse im Bundeskriminalamt Österreich deuten
auf ein steigendes Problem,
zumindest
auf ein steigendes Problembewusstsein, im Zusammenhang mit dem
Menschenhandel hin. Ähnliche Feststellungen wurden auch
von anderen Polizeien in der
Europäischen Union getroffen. Die angeführten Studien und
Schätzungen sind in meinem
Ressort bekannt.
Wie bereits in Beantwortung der Fragen 13 und 14
ausgeführt, hat Österreich mit der von Ihnen
zitierten task -force des Südosteuropa - Stabilitätspaktes eng kooperiert und
aktiv an der
Erarbeitung
eines Ausbildungshandbuches für Polizeien südosteuropäischer Staaten
zusammengearbeitet.
Die zur Bekämpfung des Menschenhandels eingeleiteten
Maßnahmen wurden bereits
ausführlich dargestellt und bedürfen hier keiner
weiteren Wiederholung.
Zu Frage 19:
Die Fragestellung ist nicht nachvollziehbar, da die
Erteilung von humanitären
Aufenthaltserlaubnissen gem. § 10 Abs. 4 FrG seit dem Jahre 1998 und die
Erteilung von
Niederlassungsbewilligungen
aus humanitären Gründen gem. § 10 Abs. 2 Z. 6 FrG seit dem
Jahr
2003 gängige Praxis ist.
Das BM.I hat seit Jahren in diesen Fällen eine
Informationsschiene mit Organisationen, die die
Opfer
des Menschenhandels betreuen - z.B. IBF - LEFÖ - aufgebaut, um Lösungen, die
über
die bloße Regelung
des Aufenthalts hinaus gehen (etwa Zugang zum Arbeitsmarkt), zu
suchen. Festgehalten wird, dass eine Lösung der Fälle nicht - wie Ihre
Fragestellung zu
unterstellen scheint - von einer Kooperationsbereitschaft mit den Sicherheits-
und
Justizbehörden abhängig gemacht wird,
sondern die individuelle Hilfsbedürftigkeit der jeweiligen
Person im Vordergrund steht.
Zu Frage 20:
Im Jahr 2001 wurden von den Sicherheitsbehörden
insgesamt 56 Fälle den
Strafverfolgungsbehörden
angezeigt. Im Jahr 2002 waren es 70 Fälle, im Jahr 2003 insgesamt
169
Fälle. Zur Aufgliederung nach Bundesländern darf auf die Beantwortung zu den
Fragen 9
und
10 verwiesen werden.
Eine Darstellung
für das Jahr 2000 kann nicht erfolgen, da in diesem Jahr - wie in der
Vergangenheit bereits mehrfach dargestellt - eine Umstellung der Statisierung
erfolgte und
Vergleiche zu anderen Kalenderjahren daher
nicht aussagekräftig sind.