1673/AB XXII. GP

Eingelangt am 28.06.2004
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BM für Justiz

 

Anfragebeantwortung

DER  BUNDESMINISTER

           FÜR  JUSTIZ

 

         BMJ-PR7000/0008-Pr 1/2004

 

An den

Herrn Präsidenten des Nationalrates

W i e n

 

zur Zahl 1702/J-NR/2004

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Werner Miedl, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Hanfshops“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Vorauszuschicken wäre, dass die abschließende Beurteilung der Frage, ob eine Pflanze ein Suchtgift im Sinn des SMG ist, dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen obliegt. Die entsprechenden Gesetzesbestimmungen, auf die in der Folge eingegangen wird, fallen somit nicht in den Zuständigkeitsbereich des Justizressorts.

Aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz wäre zu bemerken:

Gemäß § 2 Abs. 1 SMG sind Suchtgifte im Sinne des SMG Stoffe und Zubereitungen, die durch die Einzige Suchtgiftkonvention vom 30. März 1961 zu New York, BGBl. Nr. 531/1978, in der Fassung des Protokolls vom 25. März 1972 zu Genf, BGBl. Nr. 531/1978, Beschränkungen hinsichtlich der Erzeugung (Gewinnung und Herstellung), des Besitzes, Verkehrs, der Ein-, Aus- und Durchfuhr, der Gebarung oder Anwendung unterworfen und mit Verordnung des Gesundheitsministers als Suchtgifte bezeichnet sind.

Im Anhang I der Suchtgiftverordnung sind unter Punkt I.1.a. jene Stoffe und Zubereitungen aufgelistet, die in Bezug auf Cannabis (Marihuana) Suchtgifte im Sinne des § 2 Abs. 1 SMG sind. Demnach gelten Blüten- oder Fruchtstände der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen, denen das Harz nicht entzogen worden ist, als Suchtgift. Ausgenommen werden jedoch jene der Verwendung für gewerbliche Zwecke dienenden Blüten- oder Fruchtstände jener Hanfsorten, die

1.      im Gemeinsamen Sortenkatalog für landwirtschaftliche Pflanzenarten gemäß Artikel 18 der Richtlinie 70/457/EWG des Rates vom 29. September 1970, ABl. Nr. L 225 S. 1, in der geltenden Fassung oder

2.      in der geltenden Fassung des Anhangs B zu Artikel 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1164/1989 der Kommission vom 28. April 1989, ABl. Nr. L 121 S. 4, oder

3.      in der Sortenliste gemäß § 65 des Saatgutgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 72/1997, in der geltenden Fassung, angeführt sind und deren Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) 0,3% nicht übersteigt, sofern ein Missbrauch als Suchtgift ausgeschlossen ist.

Ebenfalls gemäß Anhang I der Suchtgiftverordnung ausgenommen sind die nicht mit Blüten- oder Fruchtständen vermengten Samen und Blätter der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen.

Die Cannabispflanze als solche fällt zwar nicht unter den Begriff Suchtgift, unterliegt jedoch gemäß § 2 Abs. 4 SMG nach Maßgabe der Einzigen Suchtgiftkonvention und des SMG den in Abs. 1 leg.cit. angeführten Beschränkungen.

Die Beschränkungen des Verkehrs und der Gebarung mit Suchtmitteln sind in den §§ 5 ff SMG geregelt. Verstöße gegen die zitierten Bestimmungen sind gemäß § 44 Z 1 SMG als Verwaltungsübertretung zu verfolgen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

Aus strafrechtlicher Sicht kann aus dem Umstand, dass Cannabispflanzen nicht unter den Begriff Suchtgift fallen, nicht a priori der Schluss gezogen werden, dass der Verkauf von Hanfsetzlingen und Samenkörnern grundsätzlich straflos ist.

Nach ständiger Rechtsprechung setzt das Erzeugen von Suchtgift als Oberbegriff für dessen Herstellung und Gewinnung bereits beim Anbau suchtgifthältiger Pflanzen (hier: Cannabispflanzen) ein und umfasst (solcherart bereits ausführungsspezifisch) jeden Akt der Aufzucht bis zur Erntereife, und zwar bis zu deren Erreichen in entsprechend quantifiziertem Umfang - die subjektiven Tatbestandserfordernisse vorausgesetzt – als Versuch (vgl. 12 Os 141/97, 15 Os 84/98, 12 Os 88/99, 14 Os 142/02, 14 Os 121/03, 12 Os 120/03). Unter Gewinnung ist daher hier die Trennung des Cannabis und des Cannabisharzes von den Pflanzen und unter Herstellung alle zur Erzeugung von Suchtgiften geeigneten Verfahren außer der Gewinnung zu verstehen.

Für verfehlt hält der Oberste Gerichtshof den Einwand, dass das Aufziehen von Cannabispflanzen vor Erreichen der Erntereife als straflose Vorbereitungshandlung in Bezug auf §§ 27 ff SMG zu beurteilen wäre (vgl. 12 Os 141/97). Dass der Vorgang der Suchtgifterzeugung im Falle der Aufzucht drogenhältiger Pflanzen naturgemäß kein punktueller sein kann, sondern sich über einen längeren Zeitraum - möglicherweise auch mit „unzähligen manipulativen Etappen“ - erstreckt, ist für den Obersten Gerichtshof kein stichhaltiges Argument dafür, dem der Suchtgifternte vorgelagerten Zeitraum der Pflanzenaufzucht strafrechtliche Relevanz abzusprechen (vgl. 12 Os 141/97, 12 Os 88/99).

Sinn und Zweck der Bestimmung des § 15 Abs. 2 StGB, die zum Eintritt in das strafbare Stadium der Deliktsentwicklung – über den Ausführungsbeginn hinaus – schon bloße Ausführungsnähe der Tathandlung genügen lässt, sind in subjektiver wie objektiver Hinsicht darauf ausgerichtet, die Strafbarkeit auf das unmittelbare Vorfeld der Tatausführung auszudehnen (12 Os 141/97). Umso mehr erweisen sich daher nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs Teilakte als strafbar, die sich – wie etwa die Aufzucht von Cannabispflanzen als tatbestandsspezifische Suchtgifterzeugung – bereits als Ausführungselement darstellen. Dass sich die Aufzucht suchtgifthältiger Pflanzen naturgemäß über einen – der Tätereinflussnahme weitgehend entzogenen – längeren Wachstumsprozess erstreckt, tritt dabei nicht entscheidend in den Hintergrund, weil zeitliche Nähe zwischen Tatausführung und planmäßigem Erfolgseintritt kein essenzielles Kriterium strafbaren Versuchs bedeutet (vgl. 12 Os 141/97).

Zusammenfassend ist daher auszuführen, dass der Anbau solcher Pflanzen unter den dargelegten Voraussetzungen von der Rechtsprechung als Erzeugung von Suchtgift bzw. Versuch einer solchen angesehen wird.

Mit der Frage der Strafbarkeit des Anbaus von Cannabispflanzen hängt unter Berücksichtigung der §§ 12 und 15 StGB auch eng die Frage zusammen, ob der (vorgelagerte) Verkauf derartiger Setzlinge gerichtlich strafbar ist.

Bereits mehrfach wurden Personen rechtskräftig nach dem SMG in der Deliktsform der Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall StGB (u.U. als Beitragstäter zum versuchten Delikt) verurteilt, weil sie (mitunter gewerbsmäßig) zur Erzeugung von Suchtgift durch andere beigetragen haben, indem sie Cannabispflanzen oder zur Aufzucht von Cannabispflanzen geeignete Samenkörner zur Gewinnung von Cannabis an andere Personen verkauft haben (vgl. etwa 12 Os 88/99, siehe auch 12 Os 31/02). Somit kann der Verkauf von Cannabispflanzen oder -samen in Kenntnis der gewollten oder tatplangemäß erreichten Zweckbestimmung des Erwerbers unter bestimmten Voraussetzungen in objektiver und subjektiver Hinsicht einen kausalen Tatbeitrag zu den (allenfalls bloß versuchten) Delikten nach den §§ 27 f SMG darstellen. Für den Obersten Gerichtshof ist etwa logisch nicht nachvollziehbar, warum dem ausschließlich der illegalen Erzeugung von Cannabis dienenden Verkauf dazu speziell geeigneten Samens nur deshalb a priori die Qualität einer tauglichen Beitragshandlung zum Tatbestand nach § 27 dritter Fall SMG abzusprechen sein sollte, weil dieser Samen selbst noch keine Suchtgiftqualität hat (vgl. 12 Os 88/99). Auch die immer wieder vorgebrachten Argumente, der Erzeugungsvorgang durch den unmittelbaren Täter liege in ungewisser Ferne, gehen nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs – wie bereits oben ausgeführt - von falschen rechtlichen Voraussetzungen aus, weil Ausführungsnähe zwischen Beitragshandlung und Verwirklichung der geförderten Tat kein essenzielles Kriterium strafbaren Tatbeitrags bildet (vgl. 12 Os 141/97, 12 Os 88/99).

Erreicht der unmittelbare Täter (Erwerber des Samens oder der Setzlinge) nicht einmal die Entwicklungsstufe des Versuches, so würde die - unterstellte - Beitragshandlung des Verkäufers gemäß § 15 Abs. 1 StGB nicht gerichtlich strafbar sein. Auf die subsidiäre Verwaltungsstrafbestimmung des § 44 Z 1 SMG, die nicht in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz fällt, wäre in diesem Zusammenhang jedoch nochmals hinzuweisen.

Gemäß § 29 SMG ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wer in einem Druckwerk, einem Laufbild, im Internet oder sonst öffentlich zum Missbrauch von Suchtgift auffordert oder ihn in einer Art gutheißt, die geeignet ist, einen solchen Missbrauch nahe zu legen.

Als Aufforderung gilt jede Äußerung, die nach dem Vorsatz des Äußernden unmittelbar in anderen Personen den Entschluss zum Suchtgiftmissbrauch hervorrufen soll. Gutheißen bedeutet hingegen ausdrücklich billigen, als zweckmäßig, richtig oder nachahmenswert hinstellen. Die Aufforderung oder Gutheißung muss die Eignung aufweisen, den Suchtgiftmissbrauch nahezulegen. Der Täter muss daher werbend wirken wollen und sein Wirken muss objektiv geeignet sein, den Missbrauch von Suchtgiften zu veranlassen. § 29 SMG erfasst somit jede Form der öffentlichen Propaganda für den Missbrauch von Suchtgift. Fordert jemand hingegen zu konkreten, vorherbestimmten Suchtgiftdelikten auf, so wäre der Auffordernde als Beteiligter in der Erscheinungsform des § 12 zweiter Fall StGB in Verbindung mit dem entsprechenden Suchtgiftdelikt anzusehen.

Zu 2:

Gemäß § 50 SMG fallen die Bestimmungen zum Anwendungsbereich und zu den Begriffsbestimmungen nach dem 1. Hauptstück des SMG, zum Verkehr und zur Gebarung mit Suchtmitteln nach den §§ 5 ff SMG sowie die darauf basierende (gegenüber dem gerichtlichen Strafrecht subsidiäre) Verwaltungsstrafbestimmung des § 44 Z 1 SMG grundsätzlich in die Zuständigkeit der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen. In die Vollzugskompetenz des Bundesministers für Justiz fallen hingegen grundsätzlich die im 5. Hauptstück des SMG geregelten strafrechtlichen Bestimmungen und Verfahrensvorschriften, die an die übrigen Bestimmungen des SMG - insbesondere an das 1. Hauptstück - anknüpfen. Auf Grund dieser klar geregelten Zuständigkeitsverteilung besteht in der durch die parlamentarische Anfrage aufgeworfenen Frage derzeit kein Bedarf, diese mit der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen zu erörtern. Es ist zunächst Angelegenheit der Frau Bundesministerin für Gesundheit und Frauen zu entscheiden, ob sie diesbezüglich einen Änderungsbedarf bei den in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Bestimmungen sieht.

Zu 3:

Gemäß § 34 Abs. 1 StPO haben die Staatsanwälte alle strafbaren Handlungen, die zu ihrer Kenntnis kommen und nicht bloß auf Verlangen des Verletzten oder eines anderen Beteiligten zu untersuchen und zu bestrafen sind, von Amts wegen zu verfolgen und daher wegen deren Untersuchung und Bestrafung durch das zuständige Gericht das Erforderliche zu veranlassen. Aufgrund dieses Legalitätsprinzips sind die Staatsanwaltschaften auch ohne Anweisung durch das Bundesministerium für Justiz gesetzlich verpflichtet, alle an sie gelangten Anzeigen über strafbare Handlungen, die von Amts wegen zu verfolgen sind, zu prüfen sowie die zu ihrer Kenntnis gelangten strafbaren Handlungen zu verfolgen. Eine Weisung ist hier daher nicht erforderlich. Die Erhebungstätigkeit obliegt hingegen den Ermittlungsbehörden.

In den Sprengeln aller vier Oberstaatsanwaltschaften sind derzeit oder waren in der Vergangenheit bereits einige Strafverfahren gegen Betreiber von Hanfshops anhängig. Betrachtet man die abgeschlossenen Strafverfahren, so wurden die Betreiber der Hanfshops - in Übereinstimmung mit der Judikatur des OGH - zumeist als Beitragstäter zu den Vergehen bzw. Verbrechen nach den §§ 27 f SMG, in einigen Fällen auch unmittelbar wegen dieser Delikte schuldig gesprochen. Nach den zur Verfügung stehenden Informationen sind hingegen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Hanfshops stehende Interneteinschaltungen, die den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllen, selten Gegenstand gerichtlicher Strafverfahren.

Das Legalitätsprinzip gilt auch für das Bundesministerium für Justiz als die den Anklagebehörden übergeordnete Behörde. Auf der in der parlamentarischen Anfrage angeführten Website www.hanf.at wird unter Bekanntgabe der Adressen, Telefonnummern, e-mail-Adressen oder Links auf 40 in Österreich betriebene Hanfshops hingewiesen. Neben der Information, wie ein Betreiber eines Hanfshops Präsenz auf dieser Internetseite erlangt, einem Link zu einem neu eröffneten Hanfshop, sowie der Möglichkeit zur Versendung eines e-mails, wird auf einer eigenen Untersite darauf hingewiesen, dass der Konsum von Hanf als Droge in Österreich strafbar sei. Auch im übrigen Text dieser Untersite finden sich keine Hinweise für eine Aufforderung oder Gutheißung zum Missbrauch von Suchtgift. Aus strafrechtlicher Sicht sind daher vom Bundesministerium für Justiz derzeit keine weiteren Veranlassungen zu treffen.

Zu 4:

Wie bereits zu Frage 1 anhand der Judikatur dargestellt wurde, kann aus dem Umstand, dass Cannabispflanzen nicht unter den Begriff Suchtgift fallen, nicht vorweg der Schluss gezogen werden, dass der Verkauf von Hanfpflanzen nicht gerichtlich strafbar sein könne. Ebenso wurde bereits zu Frage 2 ausgeführt, dass das Bundesministerium für Justiz für Maßnahmen vor Einleitung eines gerichtlichen Strafverfahrens, insbesondere für Kontrollen von Hanfshops, nicht zuständig ist.

Weitere Maßnahmen im Bereich des 5. Hauptstückes des SMG sind daher derzeit nicht in Planung.

. Juni 2004

 

(Dr. Dieter Böhmdorfer)