1810/AB XXII. GP
Eingelangt am 23.07.2004
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BM für Bildung, Wissenschaft und Kultur
Anfragebeantwortung
GZ 10.000/92-III/4a/04
Herrn
Präsidenten des Nationalrates
Univ.- Prof. Dr. Andreas Khol
Parlament
1017 Wien
Wien,
22. Juli 2004
Die schriftliche
parlamentarische Anfrage Nr. 1829/J-NR/2004 betreffend Bedrohung der
österreichischen Bildungslandschaft durch SPÖ-Schulreform-Vorschläge, die die
Abgeordneten Werner Amon MBA, Kolleginnen und Kollegen am 27. Mai 2004 an mich
richteten, wird wie folgt beantwortet:
Ad 1.:
Grundsätzlich
bestehen unterschiedliche Auffassungen, was die Qualität des Bildungswesens
ausmacht. In der SPÖ orte ich das Bedürfnis, durch eine organisatorische
Veränderung des Schulwesens ihre Ziele zu erreichen. Die Qualität des
Bildungswesens wird jedoch inzwischen in internationalen Vergleichen gemessen
und erörtert. Die Europäische Union hat dabei bereits Konsequenzen gezogen: Sie
greift nicht in die Schulsysteme und auch nicht in die Organisationsformen der
einzelnen Länder ein, denn die Organisation ist nicht das Ausschlaggebende, ob
wir gute Schulen, gute Bildungsstätten und gute Bildungsangebote haben.
Ausschlaggebend für die Qualität an Schulen sind der moderne Unterricht, die
Professionalisierung der Lehrer/innenarbeit und die guten Rahmenbedingungen.
Die
Forderungen der SPÖ würden bedeuten:
·
4.523 der 4.945
Pflichtschulen (91,47 %) wären potentiell von einer Schließung oder
Zusammenlegung betroffen, da sie weniger als 300 Schüler/innen haben.
·
Der Vorschlag Gymnasien
und berufsbildende höhere Schulen zusammenzulegen, würde die Zerstörung
der anerkannten BHS und der guten Gymnasien bedeuten.
·
Realisierung des
ideologischen Ziels einer flächendeckenden Ganztagsschule gegen den Wunsch der
großen Mehrheit der Eltern.
·
Für Lehrer/innen
unnötige Einschränkung der Möglichkeit, die unterrichtsfreie Arbeitszeit
flexibel zu gestalten.
Nicht
auf die Organisationsstruktur sondern auf die Qualität kommt es an:
·
Ich bin für die
Erhaltung der Klein- und Kleinstschulen. Die Zusammenlegung von Schulen würde
mehr Zentralismus bedeuten.
·
Die Qualität der
Matura ist international anerkannt. Die guten AHS und die guten BHS dürfen
nicht durch sinnlose Umorganisationen zerstört werden.
·
Das erfolgreiche
differenzierte Schulsystem mit seiner hohen Durchlässigkeit muss erhalten
bleiben:
Es bietet Kindern und Jugendlichen
Bildungsangebote, die die individuellen Anlagen und Neigungen am besten fördern
und ihren Leistungsansprüchen gerecht werden.
·
Leistung muss auch in der Schule einen
Stellenwert haben, denn Leistung zählt im Leben nach der Schule – eine Schule
ohne Noten entspricht nicht der Realität des späteren Berufslebens.
ð
Ein sanfter Einstieg in die Schule ist wünschenswert, aber
spätestens in der vierten Klasse Volksschule sind Noten (auch als
Berechtigungsnachweis) sinnvoll, weil Leistung auch im Leben bewertet wird.
ð
Schüler/innen wollen Anerkennung für
ihre Leistungen. Noten tragen dazu einen wesentlichen Teil bei.
ð
Der richtige Weg ist, schwächere Schüler/innen
bei der Erreichung der Klassenziele zu unterstützen (z.B. Frühwarnsystem,
Fördermaßnahmen).
·
Wahlfreiheit muss
bei der Nachmittagsbetreuung im Vordergrund stehen.
·
Österreichs
Lehrer/innen leisten hervorragende Arbeit und haben keinen Grund, sich
verunsichern zu lassen. Durch Verunsicherung wird nur Unruhe in unsere guten
Schulen gebracht und trägt nicht zur Weiterentwicklung der Qualität bei.
Ad 2.:
Bereits 1995
wurden mit dem Projekt „Schule in Bewegung“ wesentliche Entwicklungsschritte
eingeleitet:
§
Dezentralisierung, Deregulierung
§
Aktion „Neue Lernkultur“ (moderne
Lehr- und Lernmethoden im Unterricht)
§
Lehrplan-Autonomie (Kern- und
Erweiterungsbereiche)
§
schulautonome Schwerpunkte
§
Profilbildung, Schulprogramm
Gute
Rahmenbedingungen und eine gesicherte Basis für eine gute Arbeit
·
Das Bildungsbudget ist kontinuierlich
gewachsen:
insgesamt von € 7,4 Mrd. 1999 auf € 8,3 Mrd. 2004;
im Schulbereich von € 5,3 Mrd. 1999 auf € 5,8 Mrd. 2004.
·
Gutes Betreuungsverhältnis
Pro 14,5 Volksschüler/innen zahlt der Bund einen
Lehrer/innendienstposten; OECD-weit wird durchschnittlich pro 17 Schüler/innen
ein Lehrer/innendienstposten zur Verfügung gestellt.
·
Bei den Ausgaben pro Schüler/in sind
wir international an der Spitze: Im Primarbereich auf Platz 2 der früheren
EU-15, im Sekundarbereich sogar auf Platz 1.
Aufbauend auf
diesen guten Rahmenbedingungen wurde im Herbst 2003 mit klasse:zukunft der Weg
zur großen inneren Schulreform beschritten und die Qualitätsinitiative
fortgesetzt.
Auf Grundlage der
Vorschläge der Zukunftskommission fand ein noch nie da gewesener offener Dialog
zur Qualität der Schule statt:
·
Rund 500.000 Zugriffe auf die
Internet-Plattform,
·
15.000 Teilnehmer/innen an über 100
Bundesländerveranstaltungen,
·
1.800 inhaltliche Beiträge.
Höhepunkt war die
Dialogveranstaltung in St. Johann im Pongau mit mehr als 360 Expert/innen, die
wichtige inhaltliche Eckpunkte für die Qualitätsentwicklung der Schulen
erarbeiteten.
Qualitätsmemorandum: 5 Meilensteine zur Qualität der Schule
In der bildungspolitischen Diskussion der
Europäischen Union wird die Qualität des Schulwesens in den Vordergrund
gestellt.
In diesem
Qualitätsmemorandum ist daher festgehalten dass,
·
die Qualität des Unterrichts als
vordringliches Ziel zu sehen ist,
1. Entwicklung und Erprobung von Bildungsstandards aus Mathematik,
Deutsch und Englisch für die 4. Klasse Volksschule sowie 4. Klasse Hauptschule
und allgemein bildende höhere Schule, die die Möglichkeit geben die
Lernergebnisse zu messen.
2.
„Leadership Academy“
(Schulmanagementausbildung für Führungskräfte):
Um den Erfordernissen autonomer Schulen besser entsprechen zu
können, müssen sich Führungskräfte noch mehr Qualifikationen aneignen. Deshalb
wird ab Herbst 2004 die „Leadership Academy“ für Führungskräfte -
Schulleiterinnen und Schulleiter, Schulaufsicht, Leiterinnen und Leiter von
Sektionen und Abteilungen - angeboten.
3.
Ausbau der Nachmittagsangebote:
10.000 Betreuungsplätze mehr bis 2006 unter Berücksichtigung
sportlicher und musischer Schwerpunkte
4.
Verringerung der Klassenwiederholungen
durch Verbesserung des Frühwarnsystems: Die Maßnahmen des Frühwarnsystems
werden auch im 1. Semester des Schuljahres eingesetzt, um eine frühzeitige
Information und zusätzliche Maßnahmen der Lernplanung zu ermöglichen. Die
erforderliche Gesetzesänderung wird für den Herbst 2004 vorbereitet.
5.
Förderunterricht gezielt und
bedarfsorientiert anbieten
Die im Lehrplan vorgesehenen Möglichkeiten zur Erteilung von
Förderunterricht sollen im Zusammenhang mit einer individuellen Strategie zum
Ausgleich von Defiziten und zur Förderung von Begabungen bedarfsorientiert und
zum jeweils richtigen Zeitpunkt genützt werden.
6.
Weiterentwicklung der Pädagogischen
Akademien zu Pädagogischen Hochschulen
7.
Pädagogische Unterstützung für die
wichtige Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer durch Spezialausbildungen im Rahmen
der Aus- und Weiterbildung (z.B. Konfliktbewältigung, Diagnostik von
Entwicklungsstörungen)
8.
Verbesserung der kindlichen
Früherziehung
Maßnahmen der kindlichen Früherziehung gewinnen zunehmend an
Bedeutung. Es wird daher eine umfassende Besprechung mit den in den
Bundesländern für das Kindergartenwesen Verantwortlichen erfolgen, um
Möglichkeiten einer verbesserten Vorbereitung auf den Schuleintritt anzubieten.
Dazu wird eine Enquete vorbereitet.
9.
Schulleiterinnen und Schulleiter
werden bereits derzeit auf Zeit (4 Jahre) ernannt. In dieser Zeit sind sie zu
einer Schulmanagement-Ausbildung verpflichtet. Das Bestehen von umfassenden
Management- und Führungskompetenzen wird im Rahmen des Verfahrens zur
Weiterbestellung verstärkt berücksichtigt werden.
Bildungsplan 2010
Die Qualitätsoffensive 2004 beinhaltet bereits Umsetzungsschritte
der Vorschläge der Zukunftskommission. Für die weitere Arbeit zur nachhaltigen
Sicherung und Weiterentwicklung der hohen Qualität der Schulen sind weitere
Maßnahmen notwendig. Diese werden in folgende Schwerpunkte gegliedert:
·
Verlässliche Schule – Grundkompetenzen
für die Zukunft
·
Schule nach Maß – individuelle
Förderung und Effizienz des Unterrichts
·
Professionalisierung und Stärkung des
Lehrberufs – Lehrerinnen und Lehrer als
Schlüssel des Bildungssystems
·
Effektives Schulmanagement – optimale
Bildungsverwaltung
·
Fit für den Beruf von morgen – School
goes international
Ad 3.:
Kinder brauchen
die besten Schulen sowie die beste Betreuung und Förderung außerhalb der
Unterrichtszeit. Veränderungen in der Arbeitswelt und in der Lebenssituation
von Familie und berufstätigen Eltern bringen es mit sich, dass vermehrt
Nachmittagsangebote für Kinder und Jugendliche geschaffen werden müssen.
Daher startete das
BMBWK im Herbst 2003 mit der Initiative „Schule nach Maß“. Die vom BMBWK
durchgeführte Ist-Stand-Erhebung hat ergeben, dass derzeit rund 45.000 Kinder
und Jugendliche im Schulbereich betreut werden. Ziel der Initiative ist es, bis
2006 das bestehende Betreuungsangebot im Schulbereich um 20 Prozent zu erhöhen,
das entspricht rund 10.000 weiteren Betreuungsplätzen.
Das
Bildungsministerium stellt für eine Gruppe von 15 Schülern fünf Lehrerstunden
bereit. Im Bereich der
allgemein bildenden Pflichtschulen werden auf Basis der Verteilung der
Gesamtschülerzahlen nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung allen Bundesländern
die Lehrerstellen für zusätzliche Angebote zweckgebunden im Rahmen der
Bewilligung des Stellenplans zur Verfügung gestellt. Im Bundesschulbereich
steht dazu ein Abrufkontingent zur Verfügung. Dadurch
können österreichweit rund 670 Betreuungsgruppen mehr eingerichtet werden.
Wie eine vom BMBWK in Auftrag gegebene Market – Studie besagt, ist
es den Eltern wichtig, dass Wahlfreiheit besteht und bedarfsgerechte Lösungen
getroffen werden. 75% der befragten Eltern wollen, dass das Nachmittagsangebot
in Form von Betreuung (Freizeit, Hausübungen) ausgerichtet sein soll, lediglich
10% wollen am Nachmittag (Pflicht-) Unterricht.
Ende
Jänner 2004 wurden Eltern über die Möglichkeiten der Nachmittagsbetreuung
informiert. Dazu wurden durch das BMBWK 700.000 Informations-Folder an rund 4.400 Schulen in ganz Österreich verschickt und an die Eltern
schulpflichtiger Kinder bei der Einschreibung in die Volksschule und beim
Wechsel in die Hauptschule oder in die Unterstufe des Gymnasiums verteilt. Diese geben ausführlich Auskunft über die verschiedenen
Möglichkeiten der Betreuung, über Kosten, mögliche Ermäßigungen sowie Kontakt-
und Auskunftsstellen.
Ad 4.:
Die
Erhaltung der Kleinschulen ist von großer Bedeutung. Jedoch sind die
Strukturfragen beim den nächsten Finanzausgleichsverhandlungen anzusprechen.
Die derzeitigen Verhältniszahlen (1 Planposten für 14,5
Volksschüler, für 10 Hauptschüler, für 9 Schüler der Polytechnischen Schule und
für 3,2 Schüler mit sonderp. Förderbedarf) würden
gewährleisten, kleine Schulen zu bewahren. Darauf habe ich alle
Landeshauptleute hingewiesen. Da diese Verhältniszahlen zwischen den Ländern
und dem Finanzministerium entschieden werden, stellt das BMBWK die entsprechenden
Unterlagen als Entscheidungshilfe zur
Ad 5.:
Durch die
Schulbauoffensive konnte das Ausbildungsangebot an den BMHS wesentlich
erweitert werden:
·
1995 gab es rund 100.000 Schüler/innen
an Österreichs BHS, heute sind es rund 130.000, d.h. wir haben 30.000
zusätzliche Ausbildungsplätze an den BHS geschaffen.
·
Derzeit befinden sich 1.320
zusätzliche BMHS-Ausbildungsplätze in Bau. In Planung bzw. Vorbereitung sind
Bauprojekte für weitere 6.360 BMHS-Ausbildungsplätze.
Für diese zusätzlichen
Ausbildungsplätze, die in den nächsten Jahren geschaffen werden, sind 484,13
Mio.€ veranschlagt.
An den BMHS werden
erfolgreich Schwerpunkte zur Verbesserung der Ausbildung und zur Stärkung der
Qualifikationen der jungen Menschen gesetzt:
·
Österreich gehört zum internationalen
Spitzenfeld, was die Anzahl der Übungsfirmen betrifft: International bestehen
in 25 Ländern etwa 4000 Übungsfirmen, rund 900 davon befinden sich in
Österreich.
·
Der Computerführerschein hat sich zum
best-practice Modell an den BMHS entwickelt. Von den 319.000 Einzelmodulen, die
bis Ende 2003 an Österreichs Schulen abgelegt wurden, entfiel z.B. fast ein
Drittel – d.h. rund 90.000 Module - auf die höheren Lehranstalten für
wirtschaftliche Berufe und die Tourismusschulen.
Das international
anerkannte und differenzierte österreichische Bildungssystem ist auch ein
wesentlicher Grund dafür, dass Österreich die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit
in der gesamten EU aufzuweisen hat. So lag die Jugendarbeitslosigkeit im März
2004 in Österreich bei 7,3 %, im Durchschnitt der EU-25 hingegen bei 18 %, also
mehr als doppelt so hoch wie in Österreich. In Finnland beträgt die
Jugendarbeitslosigkeit sogar 21 %.
Die Bundesministerin:
E. Gehrer eh.