1854/AB XXII. GP

Eingelangt am 02.08.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Land- Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

Anfragebeantwortung

 

Auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen
und Kollegen vom 17. Juni 2004, Nr. 1921/J, betreffend zunehmende gentechnische Kontami-
nation von Saatgut, Futter- und Lebensmitteln, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

Zu Frage 1:
a) SAATGUT:

Einschließlich des dritten Zwischenberichts der laufenden Saison 2003/2004 gab es bisher
keinerlei Zunahme von GVO-Verunreinigungen des in Österreich erzeugten und im Verkehr
gebrachten Saatgutes. Von einer Kumulation im Bereich Saatgut kann daher nicht gesprochen
werden.

In diesem Zusammenhang können u.a. folgende Studien/Berichte genannt werden:


In der Studie des JRC (Joint Research Center in Ispra, Italien): "Scenarios for co-existence of
genetically modified, conventional and organic crops in European agriculture", Mai 2002, wer-
den modellhaft Szenarien einer kumulativen Anreicherung von GVO-Verunreinigungen in der
Zeitachse, beispielsweise in Raps, für Saatgut und landwirtschaftliche Kulturen dargestellt.

In der Stellungnahme des wissenschaftlichen Pflanzenausschusses der Europäischen Kom-
mission, „Opinion of the scientific committee in plants concerning the conatamination of con-
ventional seeds by GM seeds. /SCP/GMO-Seed-CONT/002-rev.7", März 2001, wird eine ku-
mulative GVO-Verunreinigung in den Prozessen der Saatgutproduktion dargestellt.

Die Studie der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) „Die Produktion von
Saatgut in abgegrenzten Erzeugungsprozessen zur Vermeidung einer Verunreinigung mit
Gentechnisch Veränderten Organismen im Kontext mit der Koexistenz von konventioneller
Landwirtschaft mit oder ohne GVO und ökologischer Landwirtschaft", Mai 2004, nimmt unter
anderem Stellung zur obzitierten Stellungnahme des wissenschaftlichen Pflanzenausschusses
der Europäischen Kommission und enthält eine umfassende Darstellung kumulativ tolerierter
genetischer Verunreinigungen (Sortenverunreinigungen) über die Saatgutkategorien bzw. Ge-
nerationen, beginnend von Vorstufen- und Basissaatgut bis hin zu zertifiziertem Saatgut 1. und
2. Generation.

Die Maßnahmensetzung und Umsetzung der Saatgut-Gentechnik-Verordnung und des laufen-
den Aktionsplanes zur Vermeidung von GVO-Verunreinigungen bei Saatgut in Österreich ist
unter

http://www13.ages.at/servlet/sls/Tomado/web/ages/content/07475C9358932A12C1256E3000
3157D1 nachzulesen.

b) FUTTERMITTEL:

Die umfangreiche Studie "Umsetzung der Codex-Richtlinie zur Definition der Gentechnikfrei-
heit im Futtermittelbereich - basierend auf festgelegten Grenzwerten im Biobereich" von Gab-
riele Moder et al., 2004, (Forschungsprojekt Nr. 1273) legt dar, dass eine "gentechnikfreie"
Herstellung von Mischfuttermitteln in der herkömmlichen Mischfutterproduktion in Österreich


nicht möglich ist. Über die verschiedenen Prozessschritte in der Bearbeitung (u.a. durch Ver-
wendung von Sojaschrot) ergeben sich kumulative Effekte in der GVO-Verunreinigung, sodass
es zu GVO-Verunreinigungen kommt, die 0,1 % überschreiten können. Diese Studienergeb-
nisse werden durch die Kontrollergebnisse des Bundesamtes für Ernährungssicherheit der
letzten Jahre bestätigt.

c) LEBENSMITTEL:

Die Beantwortung dieser Frage fällt in den Zuständigkeitsbereich der Bundesministerin für
Gesundheit und Frauen.

Zu Frage 2:

Die in Österreich geltende Saatgut-Gentechnik-Verordnung und die in den Methoden für Saat-
gut und Sorten vorgesehene Positiv-Kennzeichnung von GVO-freiem Saatgut („GVO-frei ge-
mäß Saatgut-Gentechnik-Verordung") ist eine erfolgreiche Strategie zur Vermeidung der ku-
mulativen GVO-Verunreinigung von Saatgut. Für die Saatguterzeugung wird zukünftig die Ein-
richtung gentechnikfreier Gebiete und/oder Prozesse in Abhängigkeit von der Kulturart (bota-
nischer Pflanzenart und Form) zu überlegen sein, wenn die ersten GVO-Sorten für den Anbau
in der EU zugelassen werden.

Zu Frage 3:

Gemäß Saatgut-Gentechnik-Verordnung und der Methoden für Saatgut und Sorten ist für
sämtliches, aus Drittländern nach Österreich importiertes Saatgut der betreffenden Arten (u.a.
Mais, Sojabohne, Raps) die Gentechnikfreiheit des Saatgutes im Zuge der Einfuhrgenehmi-
gung zu bestätigen. Von diesen ausnahmslos (= 100 %) als GVO-frei bestätigten Partien wer-
den zusätzlich stichprobenartig zumindest 25 % einem amtlichen Monitoring unterworfen. Die
Monitoring-Untersuchungen zur Umsetzung der Saatgut-Gentechnik-Verordnung ab Herbst
2001 bestätigten im hohen Maße die Gentechnik-Freiheit des in Österreich in Verkehr ge-
brachten Saatgutes. In den aktuellen Monitoring-Untersuchungen der Saison 2003/2004 wurde
bei Nachuntersuchungen bisher nur an einer inländischen Sojabohnenpartie die Spur einer


GVO-Verunreinigung unter dem Toleranzwert von 0,1 % gefunden. An sämtlichen weiteren
bisher untersuchten Monitoringproben konnte keine GVO-Verunreinigung festgestellt werden.

Hinzuzufügen ist, dass aufgrund des hohen Eigenversorgungsgrades mit Saatgut aus Öster-
reich nur wenige Saatgutpartien (abgesehen von dem lückenlos untersuchten Vermehrungs-
saatgut) aus Drittländern mit GVO-Anwendung auf den österreichischen Markt gelangen.

Die bisherige Maßnahmensetzung wird durch diese Untersuchungsergebnisse bestätigt.
Zu Frage 4:

Durch Screeningverfahren der allgemein bei GVO eingesetzten Kennungs-Elemente (z.B.:
35S-Promotor, bei sehr vielen GVOs vorhanden) können derzeit alle bekannten GVOs erfasst
werden. Im Lebensmittelbereich besteht die Möglichkeit, 35S-positive Maisproben mit einem
35S-Kit für Mais zu quantifizieren. Die einzelnen Events werden im Sinne der Kosteneffizienz
dann spezifisch nachgewiesen und quantifiziert, wenn der Wert bei "bio/gentechnikfrei" über
0,1 % bzw. bei konventionellen Lebensmitteln über 0,9 % bzw. über den vorgeschriebenen
Schwellenwerten liegt. Für den Bereich Futtermittel und Saatgut gilt dies analog. Die ange-
wandten Screening-Methoden decken zur Zeit alle bekannten Events ab. Eine detaillierte Aus-
sage über das Vorkommen und die Häufigkeit der neuen Events ist daher derzeit nicht mög-
lich.

Zu Frage 5:

Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) ist für die Bereiche Lebensmit-
tel, Futtermittel und Saatgut Mitglied im "ENGL - European Network of GMO-Laboratories",
das vom Joint Research Center (JRC) der EU in Ispra geleitet wird (http://engl.jrc.it,
http://biotech.jrc.it). Das JRC ist das EU-Referenzlabor gemäß Artikel 32 der VO (EG)
1829/2003 (GVO-Lebens- und Futtermittel) (http://gmo-crl.jrc.it) und ist auch in die Zulas-
sungsverfahren nach der RL 2001/18/EG (Freisetzungs-RL) eingebunden
(http://biotech.jrc.it/deliberate/gmo.asp, http://gmoinfo.jrc.it). Durch die Mitgliedschaft im ENGL
hat die AGES Zugang zu weiteren Informationen und nimmt an Ringversuchen bzw. Validie-


rungsverfahren zur Ausarbeitung von Referenzmethoden nach Art. 47 der VO (EG) 1829/2003
noch vor der Zulassung eines GVO teil.

Zusätzlich ist die AGES in das Zulassungsverfahren nach RL 2001/18/EG des BMGF (Compe-
tent Authority für Österreich) eingebunden. Damit ergeben sich ebenfalls der Zugang zu Infor-
mationen, die Möglichkeit des Einbringens von Korrekturmaßnahmen oder Nachforderungen.

Weiters nimmt die AGES aktiv an den Ringversuchen der ISTA (International Seed Testing
Association) zu GVO teil und ist Mitglied der TASK-Force GVO dieser internationalen Organi-
sation, welche auch mit dem JRC in ISPRA zusammenarbeitet.

Zu Frage 6:

Für "stacked genes" gibt es derzeit noch keine spezifischen Nachweisverfahren, da nur in der
EU ein eigenes Zulassungsverfahren vorgesehen ist. Es wurde aber von Österreich (BMGF
als zuständige Behörde) im derzeit laufenden Zulassungsverfahren von NK603xMON810 von
der einreichenden Firma eine eventspezifische, quantitative Methode gefordert, mit der (z.B. in
einem Maismehl) der Anteil von NK603xMON810 in einer Mischung von NK603, MON810 und
NK603xMON810 bestimmt werden kann.

Zu Frage 7:

Ich habe im Agrarministerrat zum Thema Schwellenwerte und Gentechnik immer eine sehr
restriktive Haltung eingenommen und die strengen Vorgaben der Saatgut-Gentechnik-
Verordnung als Maßstab gesehen. Weiters habe ich am 20. April d. J. ein Schreiben an Herrn
Kommissar Fischler sowie abschriftlich an Kommissarin Wallström und Kommissar Byrne ge-
richtet, in dem ich ersuchte, im interkonsultativen Verfahren der Kommission zu bewirken,
dass strenge Anforderungen an die Schwellenwerte bei Saatgut nach dem Muster der Saat-
gut-Gentechnik-Verordnung gestellt werden. Hierbei ist nicht nur die Höhe des Schwellenwer-
tes, sondern auch die statistische Streuung der Untersuchungen einzukalkulieren. Diese sehr
komplexen Zusammenhänge sind eingehend auf technischer Ebene zu behandeln, bevor eine


Entscheidung auf politischer Ebene erfolgen kann. Seitens der österreichischen Experten wur-
de der österreichische Ansatz in den EU-Gremien nachdrücklich dargelegt.

Zu Frage 8:

Die Sojabohnenproduktion in Ungarn, Slowenien, Slowakei und auch den anderen neuen Mit-
gliedstaaten ist gering und es ist daher kaum mit Importen aus diesen Regionen zu rechnen.

Zu Frage 9:

Das Bundesamt für Ernährungssicherheit überprüft im Rahmen der Futtermittelüberwachung
die ordnungsgemäße Kennzeichnung der Einzel- und Mischfuttermittel gemäß EG-Verordnung
1829/03 und Futtermittelgesetz 1999. Der laufende Kontrollplan sieht für 2004 die Beprobung
von etwa 3.000 Futtermitteln vor, davon sollen 300 Einzel- und Mischfuttermittel auf GVOs
untersucht werden.

Im Vordergrund steht die richtige und täuschungsfreie Information der Käufer von Futtermit-
teln. Die Richtigkeit der Kennzeichnungsangaben wird sowohl bei als „gentechnikfrei" bezeich-
neten als auch bei gemäß EU-Recht kennzeichnungspflichtigen Futtermitteln überprüft. Bei
Fehletikettierungen werden je nach Lage des Falles die entsprechenden Maßnahmen, wie z.B.
Richtigstellung der Kennzeichnung, behördlich angeordnet bzw. eine Beanstandung ausge-
sprochen oder eine Anzeige bei der Bezirksverwaltungsbehörde veranlasst. Art und Höhe der
Sanktionen richten sich nach dem Futtermittelgesetz 1999.

Zu Frage 10:

Die Beantwortung dieser Frage fällt in den Zuständigkeitsbereich der Bundesministerin für
Gesundheit und Frauen.

Zu Frage 11:

Seitens des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt bzw. zur Verhinderung
von Neuzulassungen Wasserwirtschaft wurden und werden alle Maßnahmen zur Erhaltung


des Moratoriums unterstützt, insbesondere auch im Sinne des am 17. Juni d. J. von allen vier
Parlamentsfraktionen beschlossenen Antrags zum Gentechnikmoratorium. In den EU-Gremien
wurde dies seitens Österreichs auch immer wieder mit Nachdruck eingebracht.