1860/AB XXII. GP
Eingelangt am 04.08.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Verkehr,
Innovation und Technologie
Anfragebeantwortung
Die schriftliche
parlamentarische Anfrage Nr. 1930/J-NR/2004 betreffend die Häufung von
unbegründeten Befristungen von Lenkberechtigungen, die die Abgeordneten Walther
und
GenossInnen am 17. Juni 2004 an mich gerichtet haben, beehre ich mich
wie folgt zu beantworten:
Fragen 1
und 2:
Wie
viele Fälle von Vorladungen zu österreichischen Amtsärzten aufgrund des
Verdachtes auf
verminderte Fahrtauglichkeit fielen in den Jahren 2001, 2002, 2003 und 2004
(mit Stichtag
1.6.2004) an? Bitte um gesonderte
Auflistung nach den jeweiligen Bezirkshauptmannschaften und
Bundespolizeidirektionen.
Wie viele dieser Vorladungen zogen unterteilt nach dem in
Frage 1 angeführten Jahren eine
zeitlich
befristete oder vollständige Einziehung der Führerscheine nach sich?
Antwort:
Die in diesen Fragen geforderten statistischen Daten
sind in dieser Form nicht verfügbar, da die
Behörden
diesbezüglich keine standardisierten Eintragungen vornehmen.
Frage 3:
Welche medizinischen Diagnosen entfallen unter die in §
5 Abs. 1 Z 1 FSG-GV angeführte
Definition von
„schweren Allgemeinerkrankungen oder schweren lokalen Erkrankungen"?
a)
Wie
viele Führerscheinentzüge erfolgten 2001, 2002 und 2003 aufgrund dieser
Bestimmung?
b)
Wie viele Führerscheinbefristungen erfolgten 2001, 2002
und 2003 aufgrund dieser
Bestimmung?
Antwort:
Unter „schwere Allgemeinerkrankungen" fallen
Herz-Kreislauf- und Gefäßerkrankungen (z.B.
Bluthochdruck),
Krankheiten des Nervensystems oder die Zuckerkrankheit.
Unter
„schwere lokale Erkrankungen" können z.B. Nierenerkrankungen oder
allgemein
Gehbeschwerden, z.B Amputationen von
Extremitäten oder Arthrosen subsumiert werden. Solche
Erkrankungen können dazu führen, dass die Bedienelemente des
Kraftfahrzeuges nicht bedient
werden können.
Die gewünschten statistischen Daten sind in dieser Form
nicht verfügbar, da die Behörden
diesbezüglich
keine standardisierten Eintragungen vornehmen.
Frage 4:
Welche medizinischen Diagnosen entfallen unter die in §
5 Abs. 1 Z 2 FSG-GV angeführte
Definition von „organischen Erkrankungen des zentralen oder peripheren
Nervensystems"?
a)
Wie
viele Führerscheinentzüge erfolgten 2001, 2002 und 2003 aufgrund dieser
Bestimmung?
b)
Wie viele Führerscheinbefristungen erfolgten 2001, 2002
und 2003 aufgrund dieser
Bestimmung?
Antwort:
Darunter kann beispielsweise ein Gehirntumor,
Schlaganfall, Gehirnmetastasen oder Blutarmut im
Gehirn subsumiert
werden.
Die gewünschten statistischen Daten sind in dieser Form
nicht verfügbar, da die Behörden diesbe-
züglich keine
standardisierten Eintragungen vornehmen.
Frage 4:
Welche
medizinischen Diagnosen entfallen unter die in § 5 Abs. 1 Z 3 FSG-GV angeführte
Definition von „Erkrankungen, bei denen es
zu unvorhersehbaren Bewusstseinsstörungen oder
-trübungen kommt"?
a)
Wie
viele Führerscheinentzüge erfolgten 2001, 2002 und 2003 aufgrund dieser
Bestimmung?
b)
Wie viele Führerscheinbefristungen erfolgten 2001, 2002
und 2003 aufgrund dieser
Bestimmung?
Antwort:
Darunter können Herzrhythmusstörungen, Epilepsien
verschiedenster Genese, Diabetes mellitus,
Herzinfarkt,
Suchtmittelmissbrauch, Migräne, Blutdruckkrisen oder auch Nierenerkrankungen
subsumiert werden. Es gibt Überschneidungen
mit den anderen Ziffern des Abs. 1 und des Abs. 2.
Die gewünschten statistischen Daten sind in dieser Form
nicht verfügbar, da die Behörden diesbe-
züglich keine
standardisierten Eintragungen vornehmen.
Frage 5:
Wie
ist der in § 5 Abs. 2 FSG-GV angeführte „krankhafte Zustand" näher
definiert?
a)
Wie
viele Führerscheinentzüge erfolgten 2001, 2002 und 2003 aufgrund dieser
Bestimmung?
b)
Wie viele Führerscheinbefristungen erfolgten 2001, 2002
und 2003 aufgrund dieser
Bestimmung?
Antwort:
Der „krankhafte Zustand" deckt sich mit dem Begriff
der „schweren Allgemeinerkrankung oder
schweren lokalen
Erkrankung " der Z 1. Es wird in Abs. 2 ja auch auf diese Bestimmung
verwiesen.
Die gewünschten statistischen Daten sind in dieser Form
nicht verfügbar, da die Behörden
diesbezüglich
keine standardisierten Eintragungen vornehmen.
Frage 6:
Unter welche Bestimmung bzw. Ziffer des § 5 Abs. 1
FSG-GV fallen Diagnosen „milde Hypertonie"
und „leichte
Diabetes"?
Antwort:
„Milde Hypertonie" fällt unter die „Schwere
Allgemeinerkrankung" des § 5 Abs. 1 Z 1, „leichte
Diabetes" unter § 5 Abs. 1 Z 3.
Im Sinne der gesetzten Anführungszeichen sind diese
kombinierten Diagnosebegriffe jedoch eher
Wertungshilfen für
den Laien.
Grundsätzlich handelt es sich hierbei um komplexe
Allgemeinerkrankungen einerseits des Herz-
/Kreislauf-/Gefäßsystems
und andererseits des Stoffwechselsystems, mit dem häufig
krankheitstypischen Verlauf eines oft „milden" Beginns und trotz
Behandlung mithin
unabwendbaren Fortschrittes zu einem Ende
mit schweren Spätkomplikationen innerhalb eines
absehbaren Zeitverlaufes.
Es
wird der generell insulinpflichtige Typ I Diabetes -( auch juveniler Diabetes)
und der Typ II
Diabetes -( auch Altersdiabetes )mit Behandlung mittels Diät in „milderen
Fällen", Tabletten, oder
Insulinspritzenzufuhr unterschieden. ...
Die Beurteilung der Erkrankung erscheint jedenfalls im
Hinblick auf die Progredienz komplex. Die
österreichischen
Diabetesgesellschaft, die Fachgruppe der diabetologischen Ärzte befürworten
aus ihrer Sicht und Erfahrung hinsichtlich Behandlung und Verlauf insbesondere
des Typ I
Diabetes eine zeitliche Befristung im Sinne des § 3 Abs. 5 der FSG-GV.
Frage 7:
Wie
viele Führerscheine wurden im gesamten Bundesgebiet und aufgeschlüsselt nach
den
einzelnen Bezirkshauptmannschaften und Bundespolizeidirektionen in den Jahren
2000, 2001,
2002, 2003 und 2004 (mit Stichtag 1.6.2004) sowohl dauerhaft als auch befristet
aufgrund
vermeintlicher Fahrbeeinträchtigung wegen
„milder Hypertonie" und „leichter Diabetes" entzogen?
Antwort:
Die gewünschten statistischen Daten sind in dieser Form
nicht verfügbar, da die Behörden
diesbezüglich
keine standardisierten Eintragungen vornehmen.
Frage 8:
Sind Sie sich dessen bewusst, dass die hier dargelegte
herrschende Praxis einiger Amtsärzte
gerade ältere Menschen aus ländlichen Regionen in ihrer Lebensführung und
Berufsausübung
massiv
beeinträchtigt und sogar deren Arbeitsplatzverlust bewirken kann?
Antwort:
Wenn der beurteilte Gesundheitszustand eines Kfz-Lenkers
aus amtsärztlicher Sicht auf Basis der
gesetzlichen
Bestimmungen eine Nichteignung ergibt, dann wird diese Empfehlung an die
Behörden verständlicherweise eine Beeinträchtigung für den Betroffenen
darstellen.
Auf der anderen Seite wiederum steht das berechtigte Schutzinteresse der
übrigen
Verkehrsteilnehmer.
Das
Gesetz ermöglicht den Amtsärzten gerade für den ländlichen Bereich Raum für
Auflagen, die
der Lebensführung kranker Patienten entgegenzukommen versuchen
(Gebietsbeschränkung der
Lenkberechtigung;
Geschwindigkeitsbeschränkungen z.B. auf max. 80 km; Fahren nur bei Tag,...).
Wissentlich werden auch diese Möglichkeiten von den Amtsärzten
angewendet und der Behörde
empfohlen.
Fragen 9 und 11:
Wie stehen Sie dazu, dass Amtsärzte die Vorlage einer
fachärztlichen Stellungnahme gemäß § 3
Abs. 3 und 5 Abs.
2 FSG-GV anordnen können, in der Folge jedoch trotz Vorliegen einer
Stellungnahme, die dem Lenker die
Fahrtauglichkeit attestiert, diesen den Führerschein befristet
entziehen dürfen?
Wenn Sie Frage 9 nicht befürworten, welche
Maßnahmen werden Sie dagegen setzen?
Antwort:
Gemäß
§ 3 Abs. 3 zweiter Satz FSG-GV haben die Amtsärzte, die gegebenenfalls die
Vorlage
einer allfälligen fachärztlichen
Stellungnahme verlangen können oder müssen, die Verpflichtung,
diese Stellungnahme bei der Gesamtbeurteilung zu berücksichtigen und im
Gutachten in
geeigneter Weise zu bewerten.
Die
Fachgutachten stellen für die Amtsärzte somit spezielle Hilfsgutachten dar, die
sie aber
ihrerseits auf deren fachlichen
Schlüssigkeit, u. a. auch im Bezug auf andere bereits vorhandene
Informationen zur Person, bewerten müssen
(„Gefälligkeitsgutachten", mangelnder Bezug zur
Fragestellung,...)
Üblicherweise wird ein Amtsarzt im Zweifelsfall, weiter
Gutachten aus anderen Fachbereichen zur
weiteren Klärung
der Fahreignung anzufordern haben, wenn beispielsweise ein Diskrepanz
zwischen anlassgebundenem Gendarmerieerhebungsberichtes zu einem Lenker und
beigebrachten Fachgutachten mit erkennbaren Bewertungsmängeln und fehlender
Schlüssigkeit
vorhanden ist.
Für
den speziellen Fall der Diabetes ist anzumerken, dass bis 1998 im Fall des
juvenilen
Diabetikers (Typ 1) immer eine Befristung
von fünf Jahren ausgesprochen wurde. In der FSG-
Gesundheitsverordnung ist diese zwingende Befristung entfallen. Auch die
Experten der
Europäischen Kommission sprechen sich für
eine strengere Handhabung der Diabetes bei der
Festlegung der Fahrtauglichkeit aus.
Frage 10:
Wie stehen Sie aufgrund der Aussage ernstzunehmender
Amtsärzte, dass diese fachärztlichen
Stellungnahmen
teilweise so unvollständig sind, dass sie keine Grundlage für amtsärztliche
Gutachten bilden können, zur Notwendigkeit der
Festlegung einheitlicher Standards für
fachärztliche
Stellungnahmen?
Antwort:
Tatsächlich
wird die Mangelhaftigkeit fachärztlicher Gutachten zur Fragestellung der
Lenkberechtigung von Amtsärzten immer
wieder beklagt. Die Verbesserung der fachärztlichen
Gutachten ist aber Gegenstand einer eigens dafür eingerichteten
Arbeitsgruppe in meinem
Ressort.
Frage 12:
Wie stehen Sie zu einer Novellierung der
Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung durch
Festschreibung von Annäherungswerten im Falle des Vorliegens leichten
Bluthochdrucks und
leichter Diabetes?
Antwort:
Das
gesetzliche Festschreiben von Annäherungswerten bei bestimmten Erkrankungen
dürfte
einerseits der individuellen Komplexität eines erkrankten Menschen nicht
gerecht werden und
bezogen auf die Werte allein ein ständiges Novellieren nach sich ziehen.
Im Übrigen erfolgen auf EU-Kommissionsebene
ernsthafte fachliche Bemühungen zur Umsetzung
eines europaweiten standardisierten Beurteilung von Kfz-Lenkern
hinsichtlich der in der
Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung
(FSG-GV) angeführten Erkrankungen wie Epilepsie,
Diabetes mellitus.
In
meinem Ressort ist bereits geplant, zu den einzelnen „Problemerkrankungen"
hinsichtlich
Lenkberechtigung einen fachlichen
Richtlinieleitfaden für den amtsärztlichen Dienst zu erstellen (in
Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium, dem Innenministerium, den
Amtärzten und der
Ärztekammer) um so eine einheitliche Entscheidungsfindung zu erleichtern. Eine
Aufnahme dieser
Richtlinien in die FSG-GV erscheint jedoch - wie gesagt - nicht
sinnvoll.
Fragen 13
bis 15:
Weshalb wird der langjährigen Forderung der Ärztekammer
nicht entsprochen, Amtsärzte den
Richtlinien des
Ärztegesetzes und damit auch der Disziplinargewalt der Ärztekammer zu
unterstellen?
Wie
stehen Sie dazu, dass Amtsärzte bereits zur Zeit der Monarchie vom
Geltungsbereich des
Ärztegesetzes ausgenommen waren, in der
NS-Zeit sukzessive immer mehr Ärztegruppen davon
ausgenommen wurden und 1948 diese Ausnahme wieder auf die Amtsärzte
zurückgeschraubt
wurde?
Welche Argumente sprechen gegen eine entsprechende
Novellierung dieses höchst anachronis
tisch anmutenden
Zustandes?
Antwort:
Hiezu darf ich auf die Beantwortung der Frau
Bundesminister für Gesundheit zu 1931/J-NR/2004
verweisen.
Fragen 16
und 17:
Welchen Ministerien sind die Amtsärzte der einzelnen
Bezirkshauptmannschaften und die
Amtsärzte der
einzelnen Bundespolizeidirektionen unterstellt?
Ist es richtig, dass derzeit Amtsärzte der
Bezirkshauptmannschaften den Landeshauptleuten, aber
jene der
Bundespolizeidirektionen dem Innenministerium unterstellt sind?
Antwort:
Die Amtsärzte der Bezirkshauptmannschaften sind
Bedienstete des jeweiligen Landes, jene der
Bundespolizeidirektionen
sind dem Bundesministerium für Inneres unterstellt.
Frage 18:
Wem, den entsprechenden Landeshauptleuten oder dem
Bundesministerium für Inneres, sollen im
Hinblick auf den
vorliegenden Entwurf (ME/152) zur SPG-Novelle 2004 künftig Amtsärzte
unterstellt werden?
Antwort:
Hiezu darf ich auf die Beantwortung des Herrn
Bundesminister für Inneres zu 1929/J-NR/2004
verweisen.
Frage 19:
Welche sonstigen Maßnahmen planen Sie, um der durch den
Gesetzgeber geförderten Willkür
einiger Amtsärzte
Einhalt zu gebieten und ein einheitliches, gerechtes Vorgehen zu sichern?
Antwort:
Einerseits darf ich auf die in Antwort zu Frage 12
erwähnte Ausarbeitung von Richtlinien
verweisen,
andererseits ist geplant, die Schulungen der Amtsärzte zu intensivieren.