1910/AB XXII. GP

Eingelangt am 17.08.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1913/J vom 17. Juni 2004
der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Kolleginnen, betreffend Haftent-
schädigung für Peter Löffler, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

Die gegenständliche Amtshaftungsangelegenheit fällt in die federführende
Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz. Da bisher eine Mitbe-
fassung des Bundesministeriums für Finanzen nicht erfolgt ist, liegen auch
keine Informationen hierorts vor. Mein Ressort hat aber die Finanz-
prokuratur um eine diesbezügliche Stellungnahme ersucht, die ich in der
Anlage beilege. Des Weiteren verweise ich auf die Anfragebeantwortung zur
Anfrage Nr. 1914/J der Bundesministerin für Justiz.

Mit freundlichen Grüßen
Anlage


Wien, am 9. Juli 2004
Z1. 563-Präs/2004

An das

Bundesministerium für Finanzen

Abteilung I/4

Himmelpfortgasse 4-8

1015 Wien

Betreff:          Hans Peter Löffler,

Ersatzanspruch nach dem AHG, StEG und MRK;
zu Z1. 040502/152-I/4/04;
mit 3 Beilagen

Die Prokuratur beehrt sich, nachstehenden Bericht (I) und Antwortentwurf für den
Herrn Bundesminister für Finanzen (II) vorzulegen:

I.

Zum bisherigen Verfahrensgang darf auf den zu GZ 040502/65-Pr.4/00 erstatteten
Bericht und Antwortentwurf der Prokuratur verwiesen werden.

Bereits mit Beschluß des BG Linz vom 13.5.1997, 24 E 2077/97x-2, wurde die
Forderung des Hans Peter Löffler gegen die Republik auf Leistung von Haftentschä-
digung zugunsten einer Forderung der Helga Edelmann in Höhe von S 41.836,-- s.A.
gepfändet und dieser zur Einziehung bis zur Höhe dieser Forderung bewilligt.

Im zweiten Rechtsgang hat nunmehr das LG für ZRS Wien mit Teilurteil vom
29.7.2003, 30 Cg 19/03i-143, lediglich über die Vermögensschäden entschieden. Die
Entscheidung über den immateriellen Schadenersatz des Klägers blieb vorbehalten.
Unter Berücksichtigung einer Gegenforderung des Bundes hat das Landesgericht für
ZRS Wien Hans Peter Löffler € 235.949,93 zuzüglich 4 % an gestaffelten Zinsen aus
dem Titel des Verdienstentganges zugesprochen.


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Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer € 69.064,32 samt 4 % Staffelzinsen hat das
LG für ZRS Wien abgewiesen.

Weiters hat das Landesgericht für ZRS Wien die Republik Österreich zur Zahlung
einer Rente vom 1.8.2003 bis 31.3.2004 in Höhe von monatlich € 1.565,81, vom
1.4.2004 bis 31.3.2006 in Höhe von monatlich € 1.722,42 und ab 1.4.2006 bis
31.7.2009 in Höhe von monatlich € 1.816,82 verurteilt, wobei die bis zur Rechtskraft
des Urteiles fällig werdenden Beträge binnen 14 Tagen, die in Hinkunft fällig
werdenden Beträge jeweils am Ersten eines jeden Monats im vorhinein zu zahlen
sind.

Das darüber hinausgehende Rentenmehrbegehren des Hans Peter Löffler auf Zahlung
einer weiteren monatlichen Rente ab 1.9.1998 in Höhe von € 1.816,82 wurde
abgewiesen.

Mit Urteil und Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 11.4.2004, 14 R
174/03s-156, hat es der Berufung der beklagten Republik Österreich nicht Folge
gegeben. Hingegen hat es der Berufung des Hans Peter Löffler teilweise Folge gegeben
und das obige Urteil lediglich hinsichtlich der Abweisung des Mehrbegehrens von
€ 69.064,32 zuzüglich 4 % gestaffelter Zinsen aufgehoben. Im übrigen hat es das
Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien bestätigt und die ordentliche Revision gegen
den bestätigenden Teil nicht zugelassen.

In der Folge hat die Finanzprokuratur namens des Bundes eine außerordentliche
Revision beim Obersten Gerichtshof eingebracht. Über diese Revision ist bislang nicht
entschieden worden.

Zufolge des § 505 Abs. 3 ZPO wurden die im Urteilsspruch des Oberlandesgerichtes
Wien bestätigten, Hans Peter Löffler zugesprochenen Beträge, die sich aus dem Kapi-
talsbetrag von € 235.949,93 samt Staffelzinsen (Pkt. 3. des Urteilstenors des
Erstgerichtes) und die Hans Peter Löffler zugesprochenen Rentenbeträge (Pkt. 5. des
Urteilstenors des Ersturteiles) vollstreckbar.

Insgesamt wurde an Hans Peter Löffler aufgrund der bereits eingetretenen Voll-
streckbarkeit des Ersturteiles nach Mitteilung des Bundesministerium für Justiz am


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9.4.2004 ein Betrag in Höhe von € 298.934,53 überwiesen. Dieser Betrag setzt sich
zusammen wie folgt:

-          dem Kapitalbetrag von € 235.949,93
samt 4 % Zinsen jährlich aus

-                       € 84.085,34 vom 1.8.1993 bis 9.7.1996,

-                       € 122.233,05 vom 10.7.1996 bis 15.9.1998,

-                       € 152.230,22 vom 16.9.1998 bis 15.5.2000 und

-                       € 152.148,12 ab 16.5.2000 bis 9.4.2004

-         samt einer monatlichen Rente von

-                         € 1.565,81 vom 1.8.2003 bis 31.3.2004 und

-                         € 1.722,42 für 1.4.2004

-abzüglich des Betrages von € 5.621,26 (= S 77.340,29) und der Zinsen von € 0,33 (=
S 4,585) täglich ab 13.5.1997 bis 9.4.2004.

Aus der Entscheidungssammlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschen-
rechte (Application Nr. 72159/01, Löffler, No. 2) geht hervor, dass die Republik
Österreich mit Urteil vom 9.3.2004 wegen überlanger Verfahrensdauer des obigen
Zivilverfahrens zur Zahlung von € 6.600,— an immateriellen Schadenersatz und
€ 2.000,— an Kostenersatz verpflichtet ist. Die Verurteilung der Republik Österreich
erfolgte ausschließlich wegen der überlangen Dauer des Gerichtsverfahrens.

II .

Die von der Abgeordneten Dr. Gabriele Moser, Freundinnen und Freunde gestellten
Fragen können wie folgt beantwortet werden:

„ad 1.) Auf welche Summe beläuft sich das Angebot der Republik in der Frage der
Haftentschädigung für Peter Löffler?

Derzeit behängen zwischen den Streitteilen keine Vergleichsverhandlungen.

ad 2.) Aus welchen konkreten Gründen konnte man sich bisher noch nicht einigen?

Der größte Teil des Klagsanspruches betrifft den behaupteten Verdienstentgang.
Dieser konnte der Höhe nach in keinem Verfahrensstadium nachgewiesen werden,


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wobei die Beweisprobleme des Klägers aus sogenannten "Schwarzgeschäften" re-
sultieren, sohin Geschäften, die gegenüber der Finanzverwaltung nicht offengelegt
wurden. Das Oberlandesgericht Wien als Rechtsmittelgericht hat im ersten
Rechtsgang die Anwendung des § 273 ZPO zur Bemessung des Verdienstentganges
dem Grunde nach gebilligt. Im zweiten Rechtsgang wurden entsprechend der
Anordnung des Berufungsgerichtes zwei Sachverständige bestellt, deren Gutachten
jedoch das Erstgericht und im Folgenden das Berufungsgericht im Urteilsspruch
praktisch nicht verwertet haben. Nach den Ausführungen des Erstgerichtes ist im
vorliegenden Fall den Gutachten nur eine Hilfsfunktion zugekommen (vgl. Urteil des
LG für ZRS Wien vom 29.7.2003, 30 Cg 19/03i- 143, S 10).

Ob und inwieweit Hans Peter Löffler gegen die Republik Österreich aus dem Titel des
Verdienstentganges weitere Ansprüche auf Zahlung eines Kapitalsbetrages geltend
machen kann, muß zufolge des Aufhebungsbeschlusses des Oberlandesgerichtes
Wien in der obgenannten Entscheidung vom 11.3.2004, 14 R 174/03s-156, im
weiteren Verfahren durch das Erstgericht geklärt werden. Jedenfalls durch dieses ist
weiters zu klären, ob Hans Peter Löffler gegen die Republik Österreich Ansprüche aus
dem Titel der Amtshaftung zukommen.

Aufgrund der Komplexität des Falles, mit welcher sich gerade auch die Gerichte
befasst sehen, erscheint die Weiterführung des Verfahrens erforderlich. Gleichfalls
muß im weiteren Verfahren geklärt werden, ob Herrn Löffler gegen den Bund weitere
Ansprüche aus dem Titel der Amtshaftung zustehen.

ad 3.) Warum wurde in Zwischenzeit nicht zumindest der übliche Pauschalbetrag für
zu unrecht erfolgte Inhaftierung ausbezahlt?

Jede Entschädigungsleistung (auch jene nach dem StEG) ist vom Nachweis eines
Schadens abhängig. Ein "Mindestsatz" zur Abgeltung der durch die Haft verursachten
vermögensrechtlichen Nachteile (vergleichbar den Tagessätzen zur Bemessung der
Geldstrafe im Strafverfahren [§19 StGB]) besteht nicht.

Zufolge des § 505 Abs. 3 ZPO wurden die im Urteilsspruch des Oberlandesgerichtes
Wien bestätigten, Hans Peter Löffler vom Landesgericht für ZRS Wien zugesprochenen
Beträge (Kapital und Rente) vollstreckbar und bereits an Hans Peter Löffler
ausbezahlt. Da der Kläger zur Höhe der Zahlungen nicht an die Öffentlichkeit getreten


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ist, können aus datenschutzrechtlichen Gründen keine genauen Beträge genannt
werden.

ad 4.) Wie beurteilen sie die Haltung der Finanzprokuratur, wonach diese sogar
versucht, monatlich 40.000,-- ATS an Lebenshaltungskosten, die sich der unschuldig
Verurteilte als Häftling doch erspart hätte, als Gegenforderung einzuwenden? Wie
beurteilen Sie das dem Grundsatz nach und wie der Höhe nach?

Tatsächlich trifft es zu, dass die Finanzprokuratur in der Verhandlung vom 24.5.2000
die Einrede der Haushaltsersparnis erhoben hat. Diesem Einwand wurde im Urteil
des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 29.7.2003-143, S 13 nicht Folge gegeben, da
nach dessen Ausführungen ein solcher Vorteilsausgleich nur gegen kongruente
Schadenersatzansprüche aufrechenbar ist. Zum Verdienstentgang ist die
Haushaltsersparnis aber nicht kongruent. Die Einwendung der Haushaltsersparnis
wurde daher in der Folge von der Finanzprokuratur nicht aufrechterhalten und
demnach vom Oberlandesgericht Wien in seiner Berufungsentscheidung auch nicht
weiter behandelt.

ad 5.) Wie ist der zusätzliche finanzielle Aufwand der Republik in Form einer Straf-
zahlung zu rechtfertigen?

Aus der Entscheidungssammlung des Europäischen Gerichtshofes für Menschen-
rechte "HUDOC" zu Application no 72159/01 geht hervor, dass die Republik
Österreich wegen überlanger Verfahrensdauer des obigen Zivilverfahrens mit Urteil
des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 4.3.2004 zur Zahlung von
€ 6.600,— an immateriellen Schadenersatz und € 2.000,— an Kostenersatz verurteilt
wurde. Die Verurteilung der Republik Österreich erfolgte ausschließlich wegen der
überlangen Dauer des Gerichtsverfahrens, auf welches sowohl der Bundesminister
für Finanzen und der Bundesminister für Justiz von der verfassungsmäßig
vorgesehenen Trennung von Justiz und Verwaltung (Art. 94 B-VG) keinen Einfluß
nehmen konnten.

ad 6.) Wurde zwischen Ihrem Haus und dem Justizressort bereits die Frage der Zu-
ständigkeit für die Kostentragung geklärt?


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Nach Mitteilung des Bundesministeriums für Justiz wurden die aufgrund des oben
genannten Berufungsurteiles zu leistenden Zahlungen durch das Bundesministerium
für Justiz geleistet. Ob und durch wen die aufgrund des Erkenntnisses des
Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu leistenden Zahlungen bereits
geleistet wurden, ist dem Bundesminister für Finanzen nicht bekannt."