1945/AB XXII. GP

Eingelangt am 27.08.2004
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BM für Finanzen

 

Anfragebeantwortung

GZ 040502/170-I/4/04

Herrn Präsidenten

des Nationalrates

Dr. Andreas Khol

 

Parlament

1017 Wien

 

Wien, 27. August 2004

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1935/J vom 28. Juni 2004 der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser und Kollegen, betreffend Verkaufs­abschluss der bundeseigenen Wohnbaugesellschaften, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Diese Anfrage bietet mir nochmals die Gelegenheit eine Darstellung über den Ablauf des Verkaufes der Wohnbaugesellschaften des Bundes zu geben.

 

Den Zielsetzungen der Bundesregierung entsprechend und den Trends am Wohnungsmarkt folgend wurde im Jahr 2000 erstmals den Mietern die Möglichkeit eröffnet, ihre eigenen Mietwohnungen zu erwerben und damit Eigentümer zu werden.

 

Im Dezember 2000 wurden die Gesellschaften angewiesen, einen Verkauf der Wohnungen an die Mieter in die Wege zu leiten.

Mit dem Ziel „Eigentum schaffen, Miete sichern“, wurden den Mietern die Wohnungen zum Kauf angeboten. Gleichzeitig wurde sichergestellt, dass im Falle des Nichterwerbes keine Nachteile auf die Mieter zukommen. In diesem Zusammenhang sind auch zahlreiche Informationen durch die Gesellschaften an die Mieter ergangen, in welchen die Vorteilhaftigkeit eines Kaufs der Wohnung im Vergleich zu einem weiterbestehenden Mietverhältnis dargelegt worden ist.

 

Der Mietverkaufsprozess hätte vielen Mietern die Chance auf Wohnungseigentum gegeben.

 

Obwohl die angebotenen Verkaufspreise durchwegs unter dem Marktwert einer vergleichbaren Wohnung gelegen sind, ist die Nachfrage der Mieter hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Das verhaltene Interesse der Mieter am Erwerb der eigenen Wohnung ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass das Mietniveau bei diesen Gesellschaften gegenüber den marktüblichen Mieten verhältnismäßig niedrig ist. Hinzu kamen Aussendungen und Veröffentlichungen in den Medien sowie direkte Informationsschreiben an die Mieter, die durch einseitige Information eine kontraproduktive Stimmung erzeugten.

 

Tatsache ist leider, dass aus den angeführten Gründen, nur eine geringe Zahl von Mietern von dem Angebot zum Erwerb ihrer Wohnung Gebrauch machten. Da das Regierungsprogramm der XXII. Gesetzgebungsperiode die Fortführung der Privatisierung der Bundeswohnbaugesellschaften vorsieht, musste daher noch ein effizienterer Weg zum Verkauf der Wohnungen beschritten werden, nämlich der Verkauf an einen Großinvestor.

 

Auch andere Staaten haben diesen Weg der Privatisierung von im Staatsbesitz befindliche Wohnungsbestände beschritten. Als Beispiel seien in diesem Zusammenhang angeführt die Veräußerung großer Wohnungsportfolios in Deutschland. Vergleichbare Deals waren zuletzt die 66.000 Wohnungen der Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft Berlin mbH und die 81.000 Wohnungen der Gemeinnützige Aktien-Gesellschaft für Angestellten-Heimstätten, deren Transaktionserlöse jedoch das österreichische Ergebnis von rd. € 40.000,-- pro Wohnung im Durchschnitt nicht erreichten. Davor wurden in den Jahren 1999 und 2000 bereits etwa 114.000 Eisenbahner-Wohnungen von der Deutschen Bahn AG verkauft. Auch der umfangreiche Immobilienbesitz der Telecom Italia, der Ferrovie dello Stato (Italienische nationale Eisenbahngesellschaft) und von sieben italienischen Sozialversicherungsbehörden wurde bereits privatisiert.

 

Bei allen unseren Überlegungen war u.a. oberste Priorität, dass die Mieter durch einen Verkauf der Gesellschaften nicht schlechter gestellt werden als bisher. Dies ist uns durch folgende Maßnahmen gelungen:

 

Die Wohnbauten der Gesellschaften unterliegen nach deren Ausscheiden aus der Gemeinnützigkeit weiterhin dem Wohnungs-Gemeinnützigkeits-Gesetz (WGG). Jeder zukünftige Erwerber bleibt somit an die gesetzlichen Regeln des WGG gebunden. Im Falle eines Verkaufes und damit Eigentümerwechsel ist gesetzlich garantiert, dass die Bestimmungen des WGG für die Berechnung der Miete weiter volle Gültigkeit haben.

Es gilt der gesetzliche Grundsatz: „Einmal WGG, immer WGG“.

 

Es ist damit klargestellt, dass der Wegfall der Gemeinnützigkeit bei den Bundeswohnungsgesellschaften die gesetzlichen Grundlagen des WGG für die Mietpreisbildung und somit den Mieter unberührt lässt.

 

Es ist uns nunmehr gelungen  in einem professionellen und völlig transparenten Privati­sierungsprozess, der auch voll den beihilferechtlichen Vorgaben der EU entsprach, die Wohnbaugesellschaften des Bundes zum Nutzen des Steuer­zahlers und unter Wahrung der Interessen der Mieter zu einem Gesamt­transaktionspreis von 2,639 Mrd. € zu veräußern. Der letztlich erzielte Preis liegt damit deutlich über den vom seinerzeitigen Präsidenten des Rechnungshofes im Rechnungshofunterausschuss genannten Betrag von 600 Mio €, also jenem Betrag, ab welchem man laut Stellungnahme des Rechnungshofes von einer erfolgreichen Veräußerung sprechen muss.

 

Wie erfolgreich diese Veräußerung war, lässt sich wie folgt anschaulich darlegen:

 

Die Rendite des EBITDA (earnings before interest tax depreciation and amortisation - Ergebnis vor Zinsen Steuern und Abschreibungen) – also de-facto des Cash-Flows - bezogen auf den gesamten Transaktionswert (EUR 1.016 Mio. + EUR 1.436 Mio. = EUR 2.452 Mio.) beträgt 4,1%.

Dies bedeutet, dass die Käufer auf das eingesetzte Kapital (also den Gesamtkaufpreis inkl. Schuldenübernahme) auf Basis des derzeitigen Cash-Flows eine Rendite von 4,1% erwirtschaften. Dieser Prozentsatz liegt bei vergleichbaren Veräußerungen in Europa in den letzten 10 Jahren  zwischen 5,6 % und 8 %.

 

Wäre die Rendite für die Käufer höher, würde dies bedeuten, dass ein weniger hoher Kaufpreis erzielt wurde.

 

Verglichen mit anderen Anlagemöglichkeiten handelt es sich dabei um eine relativ geringe Rendite für die Käufer, d.h. es wurde ein im internationalen Vergleich sehr attraktiver Verkaufspreis erzielt.

 

Nicht so professionell wurden in der Vergangenheit unter sozialdemokratischen Finanzministern Veräußerungen von Bundesvermögen geplant, was ich an folgendem Fall in Erinnerung rufen möchte.

 

Gemäß den Intentionen des Initiativantrages Nr. 413/A vom 19.3.1997 sollte im Einvernehmen mit dem seinerzeitigen sozialdemokratischen Finanzminister der Bund seine Geschäftsanteile an drei Eisenbahnsiedlungsgesellschaften zum Nominale von zusammen
180 Mio. ATS (13,1  Mio. €) veräußern.

Begründet wurde dieser Gesetzesantrag, dass damit eine von Synergieeffekten getragene Strukturlösung im Bereich der gemeinnützigen Wohnbauunternehmungen erreicht werden soll.

Der Buchwert des Anlagevermögens dieser 3 Gesellschaften, die zusammen über 20.000 Wohnungen besaßen, belief sich auf rund 9,7 Mrd. ATS
(= 705 Mio. €). Erwerber sollte eine Wohnbaugesellschaft, die dem ÖGB nahe stand, sein. Auf Grund massiver Interventionen seitens der Mieter vor allem der Kärntner Gesellschaft, aber auch seitens der Kärntner SPÖ, wurde letztlich dieser Initiativantrag nicht beschlossen.

 

Zu den in der Einleitung der Anfrage gemachten Überlegungen, ein Einzel­verkauf der Gesellschaften hätte einen höheren Erlös als ein Paketverkauf gebracht, möchte ich schon festhalten, dass am Beginn des Verwertungs­prozesses nicht vorhersehbar war, welche Investorengruppe letztlich den Zuschlag erhalten wird. Das Österreichkonsortium, welches von seiner Zusammensetzung her regionale Interessen im Auge hat, hat seinen Gesamtanbotspreis daher denklogisch aus der Summe der Preise für die einzelnen Gesellschaften gebildet. Die diesbezüglichen Überlegungen der Anfragesteller und die daraus gezogenen Schlüsse sind für mich daher nicht nachvollziehbar.

 

Was den Hinweis auf die Kosten des externen Investmentberaters anbelangt, so liegen diese im Verhältnis zum erzielten Erlös mit 0,3 % äußerst niedrig. Ein österreichischer Makler erhält bei der erfolgreichen Vermittlung einer Wohnung 3 %. Im internationalen Vergleich sind 1 bis 1,5 % üblich. Auch hier haben wir, wie man daraus sehen kann, im Interesse des österrei­chischen Steuerzahlers äußerst sparsam agiert. Entgegen der in der Einleitung aufgestellten Behauptung hat sich auch die BIG verantwortungs­vollerweise bei ihrer Transaktion rennomierter externer Berater bedient.

Der sehr gute Kaufpreis beweist hinreichend, dass der Einsatz international erfahrener Berater überaus profitabel war.

 

Dies gibt mir nochmals die Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass sich selbstverständlich auch die sozialdemokratisch geführte Koalition in Berlin beim Verkauf der Eisenbahnwohnungs­gesellschaften externer Berater bedient hat. Wie einer schriftlichen Anfrage­beantwortung im Deutschen Bundestag zu entnehmen ist, betrugen die Kosten für diese externe Beratung 38 Mio €.

 

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass diese Veräußerung an ein österreichisches Konsortium für die Mieter keine Verschlechterungen bringt und für den österreichischen Steuerzahler einen großartigen Erfolg darstellt.

 

 

Nun zu den konkreten Fragen:

 

Zu 1.:

Entgegen der Behauptung der Anfragesteller wurden meine ursprünglichen Erlöserwartungen von 30 Mrd. ATS (rd. 2,18 Mrd. €) erfreulicherweise sogar weit übertroffen. Wie ich bereits mehrfach berichtet habe, belief sich der Gesamttransaktionserlös auf 2,639 Mrd. €. Es liegt auf der Hand, dass bei einer Größenordnung von 30 Mrd. ATS nur der Gesamtkaufpreis und nicht der Barkaufpreis gemeint sein konnte. Im Übrigen verweise ich dazu auch auf meine einleitenden Ausführungen.

 


Zu 2.:

Der nach EU-rechtlichen Normen abgewickelte Privatisierungsprozess musste für alle Bieter dieselben klar definierten Vorgaben enthalten. Ziel des Verwertungsprozesses war es, einerseits sämtliche Bundeswohnbau­gesellschaften in einem zu verwerten und andererseits den bestmöglichen Preis zu erzielen. Außer im Falle der WBG Wien gab es im Verkaufsprozess keinen Hinweis, dass ein en-bloc-Verkauf den Markt überfordert oder zu anderen Problemen führen könnte.

 

Zu 3.:

Es gab in der Umsetzungsphase keine weiteren Bieter , die ein Interesse bloß an einer einzelnen Gesellschaft bekundet hätten.

 

Zu 4. und 5.:

Zumal es den Bietern ohnedies offen stand, sich in einem Bieterkonsortium zusammen zu finden, und sich betreffend die interne Aufteilung zu arrangieren, war der Kaufpreis des Gesamtpaketes letztlich die Summe der Einzelpakete.

 

Die interne Aufteilung der Kaufpreisaufbringung musste von den einzelnen Bietern in ihren Anboten nicht offen gelegt werden, weshalb ich die Frage nach den gebotenen Preisen für die einzelnen Gesellschaften nicht beantworten kann.

 

Zu 6.:

Der Quadratmeterpreisvergleich, der in dieser Frage angestellt wird, ist aus zweierlei Gründen nicht zutreffend. Einerseits haben die Investoren einen durchschnittlichen Kaufpreis von über 550,-- € pro Quadratmeter bezahlt. Andererseits ist dies ein Durchschnittspreis bezogen auf das ganze Bundes­gebiet und für die unterschiedlichsten Gebäudealter, welcher nicht mit dem höchsten Quadratmeterpreis in Wiener Bestlage verglichen werden kann.

Zu 7.:

Die Begründung dafür ist, dass nicht einzelne Wohnungen, sondern Unternehmen veräußert wurden. Die BIG war noch nie in Unternehmens­verwertungen eingebunden.

 

Zu 8. und 9.:

Es ist unschwer nachvollziehbar, dass es nicht leicht war für die Investoren eine Vertragsklausel zu akzeptieren, wonach sich der Kaufpreis während eines Beobachtungszeitraumes von 10 Jahren in unlimitiertem Ausmaß erhöhen kann. Wenn überhaupt, wird eine Kaufpreissteigerungsmöglichkeit nur für relativ kurze Zeiträume festgelegt, um an geplanten Weiter­ver­wertungen noch zu partizipieren. Im Falle der Bundeswohnbau­gesellschaften kommt es jedoch ohne Zutun der neuen Gesellschafter zu Kaufpreiserhöhungen, was ein erhebliches Finanzierungsproblem darstellen kann. Ein 10 Jahre über­steigender Nachbesserungszeitraum wäre daher nicht durchsetzbar gewesen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass

der Bund zu 50 % an künftigen Wertsteigerungen beteiligt ist. Eine Minderung des Kaufpreises ist aber ausgeschlossen.

 

 

Mit freundlichen Grüßen