1975/AB XXII. GP
Eingelangt am 06.09.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Land- Und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Anfragebeantwortung
Auf die schriftliche
Anfrage der Abgeordneten Georg Oberhaidinger, Kolleginnen und Kollegen
vom 9. Juli 2004, Nr. 1998/J, betreffend die verstärkte Einführung der
Biokraftstoff-Richtlinie in
Österreich, beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:
Zu Frage 1:
Die Richtlinie 2003/30/EG sieht vor, dass die
Mitgliedstaaten sicherstellen sollten, dass ein
Mindestanteil an Biokraftstoffen und anderen erneuerbaren Kraftstoffen auf
ihren Märkten in
Verkehr gebracht wird.
In der Richtlinie
sind Bezugswerte für nationale Substitutionsziele festgelegt. Eine Differenzie-
rung der nationalen Richtwerte gegenüber den genannten Bezugswerten ist
entsprechend zu
begründen.
Zu Frage 2:
Gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2003/30/EG
mussten alle Mitgliedstaaten jährlich einen Bericht
an die Europäische Kommission (EK)
verfassen, in dem
•
die Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die Verwendung von
Biokraftstoffen oder
anderen erneuerbaren Kraftstoffen als Ersatz für Otto- und Dieselkraftstoffe im
Ver-
kehrssektor
zu fördern,
•
die innerstaatlichen Ressourcen, die für die Erzeugung
von Biomasse für andere
Energieverwendungen
als im Verkehrssektor bereitgestellt werden sowie
•
der gesamte Kraftstoffabsatz und der Anteil der in
Verkehr gebrachten reinen oder
vermischten
Biokraftstoffe und andere erneuerbare Kraftstoffe des Vorjahres
dargestellt werden.
Im bereits mit Juli dieses Jahres fälligen
ersten Bericht hatten die Mitgliedstaaten auch ihre
nationalen Richtwerte
für die erste Phase anzugeben. Österreich ist dieser Berichtspflicht
nachgekommen. Der im Auftrag des Bundesministeriums für Land- und
Forstwirtschaft, Um-
welt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) vom Umweltbundesamt erstellte Bericht ist
unter
www.ubavie.at einsehbar. Die Berichte der anderen Mitgliedstaaten liegen noch nicht
voll-
zählig vor bzw. gibt
es noch keine Auswertung dieser Berichte seitens der Europäischen
Kommission. Die bereits vorliegenden
Berichte werden derzeit von meinem Ressort überprüft.
Zu Frage 3:
Der am 9. Juli 2004 ausgesandte
Begutachtungsvorschlag des Bundesministers für Land- und
Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft zur Novellierung der Kraftstoffverordnung sieht
vor, folgende Kraftstoffmengen durch
Biokraftstoffe oder erneuerbare Kraftstoffe zu substituie-
ren:
•
Ab
dem 1. April 2005: 2,5 %, bezogen auf den Energieinhalt, gemessen am
gesamten
im Bundesgebiet in Verkehr gebrachten Otto-
und Dieselkraftstoff im Verkehrssektor
pro Jahr.
•
Ab
dem 1. April 2007: 4,3 %, bezogen auf den Energieinhalt, gemessen am gesamten
im Bundesgebiet in Verkehr gebrachten Otto-
und Dieselkraftstoff im Verkehrssektor
pro Jahr.
• Ab dem 1.
April 2008: 5,75 %, bezogen auf den Energieinhalt, gemessen am gesamten
im
Bundesgebiet in Verkehr gebrachten Otto- und Dieselkraftstoff im Verkehrssektor
pro
Jahr.
Zu Frage 4:
Nachfolgende Tabelle
gibt einen geschätzten Bedarf an Biokraftstoffen für die Jahre 2005,
2007 und 2008 für die
in Beantwortung der Frage 3 angeführten Mindestraten der in Verkehr
gebrachten Biotreibstoffe wieder. Da
derzeit der Biodieselmarkt in Europa am weitesten entwi-
ckelt scheint, wird der Bedarf für 2005 nur für Biodiesel dargestellt.
Die Novelle zur Kraftstoff-
verordnung stellt dem
Substitutionsverpflichteten die Auswahl der Biokraftstoffe bzw. der ande-
ren erneuerbaren Kraftstoffe aber frei. Der Bedarf für 2007 bzw. 2008
wird in der nachfolgen-
den Tabelle unter der Annahme einer Erfüllung der Substitutionspflicht über
Biodiesel im Die-
selsegment bzw. Ethanol (auch als
Grundstoff für ETBE) im Ottokraftstoffsegment dargestellt.
Der Begutachtungsentwurf zur Richtlinienumsetzung wird auf Grund der
Freiheit bei der Pro-
duktwahl jedenfalls aber auch bei den anderen möglichen Biokraftstoffen bzw.
erneuerbaren
Kraftstoffen zu Marktchancen führen.
Tabelle: Prognose der benötigten
Biokraftstoffmengen auf Basis einer Umsetzung der Ziele entspre-
chend Begutachtungsentwurf Kraftstoffverordnung (dargestellte Variante:
Zielerreichung nur
über Biodiesel und Ethanol)
|
Biodiesel |
Ethanol |
2005 |
220.900 Tonnen |
- |
2007 |
317.500 Tonnen |
120.200 Tonnen |
2008 |
481.900 Tonnen |
150.000 Tonnen |
Zu Frage 5:
Derzeit sind in Österreich 9 großtechnische
und 3 Pilot-Biodieselanlagen in Betrieb. Die Ge-
samtkapazität beläuft sich auf mehr als
100.000 Tonnen pro Jahr. Zusätzlich ist noch die Bio-
dieselanlage in Linz/Aschach mit einer Kapazität von 10.000 Tonnen pro
Jahr vorhanden, die
aber derzeit nicht in Betrieb ist. Im Jahr
2003 wurden in Österreich laut Auskunft der Produ-
zenten 55.000 Tonnen Biodiesel hergestellt.
(Wovon ca. 90% ins Ausland verkauft wurden).
Sofern Österreich den
gesamten benötigten Biodiesel selbst herstellt und die Substitution in
der ersten Phase nur über Biodiesel erfolgt, müssten bis 2005 rund 220.000
Tonnen an Bio-
diesel produziert
werden. Jedoch besteht für den Substitutionsverpflichteten die Möglichkeit,
entsprechend der Richtlinie 2003/30/EG auch alle anderen Biokraftstoffe zur
Erfüllung der
Substitutionspflicht heranzuziehen.
Zu Frage 6:
Wie in Beantwortung
der Frage 4 ausgeführt, wäre bei einer Erfüllung der Substitutionsver-
pflichtung
im Ottokraftstoffsegment nur über Ethanol in Österreich im Jahr 2008 ein Bedarf
von
rund 150.000 Tonnen
Ethanol vorhanden. Die Substitutionspflicht lässt allerdings die Art der
Erfüllung für den Verpflichteten offen.
Zu Frage 7:
Der Begutachtungsentwurf zur Novelle der
Kraftstoffverordnung sieht eine Substitutionsver-
pflichtung vor. Substitutionsverpflichteter
ist jener Steuerschuldner gemäß § 22 Mineralölsteu-
ergesetz, bei dem die Steuerlast für Otto- oder Dieselkraftstoffe gemäß
§ 2 Abs. 1 und 2 der
Kraftstoffverordnung anfällt.
Zu Frage 8:
Es sind entsprechend
dem Begutachtungsentwurf zur Novelle der Kraftstoffverordnung jene
zur
Substitution verpflichtet, die für fossile Kraftstoffe steuerpflichtig sind.
Kraftstoffimporte un-
terliegen ebenfalls
der Steuerpflicht, somit sind die Importeure verpflichtet, der Substitutions-
pflicht nachzukommen.
Zu den Fragen 9 und 14:
Gemäß § 4, Abs. 1, Punkt 7 des Mineralölsteuergesetzes sind
Kraftstoffe aus biogenen Stof-
fen derzeit von der Mineralölsteuer befreit. Zusätzlich ist eine Beimischung
von bis zu 2 %
Biodiesel zu Diesel steuerfrei. Darüber
hinaus wird bei einer Beimengung biogener Kraftstoffe
von maximal 5 % zu Ottokraftstoffen eine Steuerermäßigung gewährt. Seitens
des BMLFUW
werden derzeit Gespräche mit dem dafür
zuständigen Bundesministerium für Finanzen ge-
führt, um die
Mineralölsteuergesetzgebung im Hinblick auf die Umsetzung der Richtlinie
2003/30/EG anzupassen. Es wird eine
aufkommensneutrale Steuerregelung bei der Substitu-
tion mit Biokraftstoffen angestrebt.
Zu den Fragen 10 und 16:
Infolge der erhöhten Nachfrage nach
biogenen Treibstoffen kann mit einer Zunahme der Her-
stellung von
Biokraftstoffen gerechnet werden. Positive Auswirkungen auf alle in der
Biokraft-
stoffherstellung miteingebundenen
Industriezweige sind zu erwarten.
Biokraftstoffe als zusätzliche alternative
Kraftstoffversorgung für den Verkehrssektor stellen
gegenwärtig das einzige im größeren Maßstab
technisch nutzbare Potenzial dar, mit dem sich
fossile Kraftstoffe durch erneuerbare
Energien ersetzen lassen. Biokraftstoffe bieten beson-
ders deutliche Vorteile bei der
Erhöhung der Versorgungssicherheit. Einige dieser Vorteile
ließen sich laut Europäischer Kommission auch durch Biokraftstoffimporte
erreichen, da Bio-
kraftstoffe aus anderen Regionen kommen als
Erdöl. Eine europäische bzw. heimische Pro-
duktion ist aber hinsichtlich Ökobilanzen, Wertschöpfung und
Beschäftigungswirkung zu be-
vorzugen.
Die positive Beschäftigungsbilanz bei
Biokraftstoffen wird von der Europäischen Kommission
mit rund 16 Arbeitsplätzen je 1000 t Rohöleinheit, großteils im ländlichen
Raum, angegeben.
Rechnet man diese Ergebnisse hoch, so würde
ein Biokraftstoffanteil von etwa 1 % des Ge-
samtverbrauches an fossilen Kraftstoffen in der Europäischen Union
45.000 bis 75.000 neue
Arbeitsplätze schaffen, der Großteil davon
in ländlichen Gebieten.
Weiters
können durch die Forcierung der Verwendung von Biokraftstoffen auch im Sinne
der
multifunktionellen Rolle der Landwirtschaft
zusätzliche Möglichkeiten für eine nachhaltige Ent-
wicklung des ländlichen Raums und ein neuer Markt für innovative
Agrarerzeugnisse in der
erweiterten Union geschaffen werden.
Zu Frage 11:
Für den Anbau von nachwachsenden Rohstoffen gibt es derzeit
für die Landwirte zwei „An-
reizsysteme“.
1.
Den
Anbau von nachwachsenden Rohstoffen auf Stilllegungsflächen (VO (EG)
Nr.
2461/1999). Dieser ist für die Produktion von Biokraftstoffen möglich.
2.
Die
Beihilfe für Energiepflanzen (VO (EG) Nr. 1782/2003). Diese Beihilfe wird im
Rah-
men der gekoppelten Beihilfen der GAP 2003 ab dem heurigen Jahr erstmals
gewährt.
Die Höhe der Beihilfe beträgt 45 €/ha für eine europäische Garantiefläche von
1,5 Mio
ha. Für den Anbau sind alle Kulturen mit
Ausnahme der Zuckerrübe möglich. Die zu
erzeugenden Endprodukte sind
Biokraftstoffe sowie elektrische und thermische Ener-
gie aus Biomasse. Beide Regelungen
sind sowohl für die Landwirte als auch für die
Verarbeiter mit strengen Auflagen
(Vertragspflichten, Meldepflichten, usw.) verbunden.
Das BMLFUW unterstützt die Zielsetzung,
den nationalen Rohstoffbeitrag möglichst groß zu
halten. Allerdings wird - neben den oben
angeführten Anreizsystemen - die Verfügbarkeit von
Rohstoffen aus der heimischen Landwirtschaft im Wesentlichen von den für
die Landwirte er-
zielbaren Erzeugerpreisen abhängen.
Frage 12:
In Österreich wurden im Jahr 2003 ca. 14.000 ha
nachwachsende Rohstoffe auf Stilllegungs-
flächen angebaut, davon 8.500 ha Raps und
2.500 ha Sonnenblumen. An Energiepflanzen
wurden heuer ca. 4.500 ha beantragt. Ein Teil dieser Flächen wurde bzw.
wird für die Biodie-
selproduktion verwendet. Der zukünftige Beitrag der österreichischen
Landwirtschaft für die
Biotreibstoffproduktion ist schwer
abschätzbar und auch von den zukünftigen Rahmenbedin-
gungen abhängig. Allerdings ist davon
auszugehen, dass die heurige gute Rapsernte die
Landwirte ermutigen
wird, in Zukunft wieder mehr Ölsaaten anzubauen. Ein Teil dieser erwar-
teten Flächenzuwächse wird demnach der Biotreibstoffproduktion zur Verfügung
stehen.
Zu Frage 13:
Die Einführung des Agrardiesels wurde vom
Nationalrat im Zuge der Steuerreform beschlos-
sen, um eine Wettbewerbsgleichheit bei den Betriebsmittelpreisen für die
Landwirtschaft im
Binnenmarkt zu erreichen und hat somit
andere Ziele als die Biotreibstoff-Richtlinie. Zur urgier-
ten Vorbildwirkung der Landwirtschaft wird festgestellt, dass auch der
Agrarsektor, wie andere
Sektoren, unternehmerische, wirtschaftliche Betriebsführung die
Kostenrelation der stark
schwankenden Treibstoffpreise
(fossil/biogen) zu berücksichtigen hat. Auf Länderebene be-
steht die Möglichkeit, Regelungen betreffend die Verwendung von
Biotreib- und Schmierstof-
fen in besonders umweltsensiblen Gebieten
vorzuschreiben (vgl. Kettensägen im Forstbe-
reich).
Zu Frage 15:
Mit dem Inkrafttreten der vorgeschlagenen Novelle der
Kraftstoffverordnung wird durch die
Regelung mehrjähriger Substitutionsziele ein Anreiz für Investoren von
Biokraftstoffprodukti-
onsanlagen gesetzt.
Zu Frage 17:
Durch die Novellierung der
Kraftstoffverordnung 1999 und der damit vorgeschlagenen Substi-
tutionspflicht durch Biotreibstoffe oder andere erneuerbare Kraftstoffe wird
laut der Studie von
Jungmeier G., Hausberger S., Canella L., Joanneum Research, TU Graz,
„Treibhausgasemis-
sionen und Kosten von
Transportsystemen, Vergleich von biogenen mit fossilen Treibstoffen“
ein Reduktionsbeitrag zur Erreichung des
Kyotozieles von bis zu 1,0 Mio t CO2-Äquivalent pro
Jahr erreicht. Dies entspricht etwa 5 % der gegenwärtigen
Treibhausgas-Emissionen aus dem
Verkehrssektor.
Die zitierte Studie des Deutschen
Umweltbundesamtes bestätigt ebenfalls die positive Treib-
hausgasbilanz von Biodiesel. Seitens der Bundesanstalt für Landtechnik
Wieselburg wurden
verschiedene internationale Studien zum Thema
evaluiert und bewertet. Diese Arbeit steht
unter www.blt.bmlfuw.gv.at zur Verfügung.
Derzeit werden in einem EU-Projekt ca. 70 europäische
Studien über Biokraftstoffe evaluiert,
wobei das Arbeitspaket „Ökobilanzen“ von Joanneum Research geleitet wird. Die
bisherigen
Ergebnisse bestätigen die obigen Resultate.
Zu Frage 18:
Dass Investoren in einem geeinten Europa ausschließlich auf
österreichische Rohstoffe zu-
rückgreifen werden, ist nicht zu erwarten.
Wie bereits erwähnt, lassen sich Vorteile hinsichtlich
der Versorgungssicherheit laut Europäischer Kommission auch durch
Biokraftstoffimporte er-
reichen, da Biokraftstoffe aus anderen Regionen kommen als Erdöl und damit die
Abhängig-
keit von Krisengebieten reduziert werden
kann.
Zu Frage 19:
Weiterführende volkswirtschaftliche
Studien auf Basis der bereits vorliegenden Untersu-
chungsergebnisse erscheinen sind hinsichtlich zusätzlicher Maßnahmen zur
Forcierung von
Biokraftstoffen bzw. zur Evaluierung der
nun vorgesehenen Regelung in den kommenden Jah-
ren sinnvoll.