2014/AB XXII. GP
Eingelangt am 08.09.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Gesundheit und Frauen
Anfragebeantwortung
Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche
parlamentarische
Anfrage Nr. 2063/J der Abgeordneten
Öllinger, Freundinnen und
Freunde auf Grund einer eingeholten Stellungnahme der AUVA wie
folgt:
Sowohl international als auch in Österreich ist nach einem Ausstieg aus
der industriellen Verwendung von Asbest mit asbestassoziierten
Erkrankungen zu rechnen, das liegt in dem Phänomen der Latenzzeit
begründet. Latenzzeit beschreibt den Zeitraum vom Beginn der Exposition
bis zum Auftreten einer Erkrankung.
Das Auftreten dieser Erkrankungen ist daher abhängig vom Zeitpunkt des
Beginnes der industriellen Verwendung von Asbest und dem Verbot der
Verwendung von Asbest, der 1990 erlassenen Asbestverordnung in
Österreich.
Die Größenordnung der auftretenden asbestassoziierten Erkrankungen ist
von der in der Industrie verwendeten Asbestmenge abhängig bzw. wie
viele ArbeitnehmerInnen einer Exposition gegenüber Asbest ausgesetzt
waren.1
So genannte gutartige asbestassoziierte
Erkrankungen wie die Pleura -
und Lungenasbestose haben eine deutlich
kürzere Latenzzeit als
asbestassoziierte bösartige Erkrankungen,
die mit einer bis zu 50
jährigen Latenzzeit auftreten können.
Trotz des Asbestverbotes in Österreich seit 1990 ist
mit einem Anstieg
asbestassoziierter bösartiger Erkrankungen zu rechnen, wie in anderen
Ländern, mit einem prognostizierten
Gipfel 2010-2020.
Asbestose ist eine Erkrankung des Lungengewebes
(Lungenfibrose), die
durch hohe und langjährige
Asbestfaserexposition verursacht wird, unter
Pleuraasbestose versteht man eine
Bindegewebsvermehrung im Bereich
des Brustfells und ist ein Marker für eine Asbestexposition, in den
meisten
Fällen haben Pleuraplaques keinen direkten Krankheitswert.
Aufgrund der kürzeren Latenzzeit der
Asbestose (=
Asbeststaublungenerkrankung, Ziffer 27a der Liste Berufskrankheiten)
und den staubärmeren Arbeitsplatzbedingungen seit Anfang der 80er
Jahre ist nicht mit einem Anstieg der
Erkrankungen zu rechnen, dieser
Umstand spiegelt sich in relativ konstanten
Zahlen wider, in einem
Zeitraum von 9 Jahren von 1987 bis 1995
wurden 112 Fälle entschädigt,
in dem Zeitraum von 8 Jahren von 1996 - 2003
wurden 119 Fälle
entschädigt, das sind in beiden
Zeiträumen im Durchschnitt 11 bzw.12
entschädigte Fälle pro Jahr.
Anhand der AUVA Statistik lässt sich ein Anstieg der
entschädigten
bösartigen asbestassoziierten Berufskrankheiten nachweisen, in einem
Zeitraum von 9 Jahren von 1987 bis 1995
wurden 89 Fälle als BK 27b
entschädigt, das sind im Durchschnitt 10
Fälle pro Jahr, in dem Zeitraum
von 8 Jahren von 1996 - 2003 wurden 194
Fälle entschädigt, das sind
im Durchschnitt 21 Fälle
pro Jahr.
Anhand der AUVA Statistik lässt sich auch ein Anstieg
der Meldungen
nachweisen, eines der Ziele, die von Seiten
der AUVA durch Maßnahmen
zur Verbesserung des Meldeverhaltens
intendiert wurde, da ein
wesentlicher Grund für niedrige
Anerkennungsraten in der Vergangenheit
in niedrigen Melderaten gelegen ist.
1999 gab es 4 nicht anerkannte und 12 anerkannte, 2000
gab es 3 nicht
anerkannte und 25 anerkannte, 2001 gab es 4
nicht anerkannte und 27
anerkannte, 2002 gab es 3 nicht anerkannte und 42 anerkannte, 2003
gab es 6 nicht anerkannte und 33 anerkannte
BK 27b.
Ob ein absoluter Anstieg der bösartigen
asbestassoziierten Erkrankungen
in Österreich vorliegt, ist aus der AUVA
Statistik nicht ablesbar.
Im Zeitraum von 1999 bis 2003 wurden 20 Fälle nicht
als BK 27b
anerkannt und 139 Fälle als BK 27b
anerkannt, das sind 87%
Anerkennungen, 13% Nichtanerkennungen.
Diese Zahlen sind jedoch nicht derart interpretierbar, dass
asbestinduzierte Mesotheliome oder
Lungencarcinome nicht als
Berufskrankheit anerkannt wurden. Für
die Anerkennung ist neben den
geforderten Voraussetzungen zur Anerkennung
die Qualität der Meldungen
überaus entscheidend, unter
Qualität ist die Exaktheit und Genauigkeit
der gestellten und gemeldeten Diagnose zu
verstehen und ihre
prinzipielle Geeignetheit unter dieser BK Ziffer anerkannt werden zu
können.
Asbest ist ein Humankanzerogen, als A1 Stoff
international klassifiziert,
unterschiedliche Asbestarten haben aufgrund
der unterschiedlichen
Fasergeometrie, Biobeständigkeit und Oberflächenbeschaffenheit eine
unterschiedliche kanzerogene Potenz, für die Anerkennung der
asbestassoziierten Erkrankungen als Berufskrankheit ist eine
Differenzierung jedoch irrelevant, da alle Asbeste kanzerogen sind.
Darüber hinaus ist bekannt, dass ca. 90%
des nach Österreich
importierten und verarbeiteten Asbests in der
Vergangenheit Chrysotil
oder Weißasbest war, dieser Umstand
unterstreicht die
Bedeutungslosigkeit einer Differenzierung.
Mesotheliome treten, wie seit langem bekannt,
überwiegend
asbestinduziert auf, lediglich ein geringer Prozentsatz tritt als spontanes,
nicht asbestassoziiertes Malignom auf. Die Erkrankung steht in keinerlei
Zusammenhang mit der Noxe Zigarettenrauch,
kann durch alle
Asbestarten ausgelöst werden und ist
nicht dosisabhängig, das heißt auch
geringe Dosen können ein Mesotheliom
verursachen.
Die Situation stellt sich beim asbestassoziierten Lungencarcinom different
dar, das Risiko potenziert sich durch die Noxe Zigarettenrauch, es besteht
eine Dosisabhängigkeit, wie beim
Mesotheliom kann es ebenfalls durch
alle Asbestarten ausgelöst werden.
Die
wissenschaftlich belegte Tatsache der Risikopotenzierung hat für die
Aufklärung und Information der ehemals
asbestexponierten
ArbeitnehmerInnen große Bedeutung,
für die Anerkennung des
asbestbedingten Lungencarcinoms hat diese
Tatsache keine Relevanz, da
bei Vorliegen der Voraussetzungen zur
Anerkennung als Berufskrankheit
der Noxe Zigarettenrauch keine weitere
Bedeutung zukommt.
Frage 1:
Zwischen 1990 und 2000 sind 149 Personen als BK 27b
anerkannt
worden, in den letzten Jahren betrafen
annähernd 80% der
Anerkennungen Mesotheliome, 20%
asbestassoziierte Lungencarcinome.
Innerhalb dieses Zeitraumes sind 77 anerkannte
Fälle an dieser
Erkrankung verstorben. Nahezu alle anerkannten
Fälle waren aufgrund der
Latenzzeit dieser Erkrankungen zum Zeitpunkt
der Anerkennung in
Pension, weder die BK -Statistik noch die Todesfall -Statistik ist von dem
Umstand der Erwerbstätigkeit oder der
Pension abhängig. Kriterium für
die Registrierung in der Todesfall -Statistik ist der Tod infolge der
entschädigten Berufskrankheit.
Trotz medizinischem Fortschritt führen Mesotheliome
in der Mehrzahl
innerhalb weniger Jahre zum Tode. Für
Lungencarcinome, die frühzeitig
entdeckt werden, bestehen weitaus bessere
Überlebenschancen, im
Stadium I beträgt die 5 -
Jahres Überlebensrate 65-70%, das heißt 2/3
aller in einem frühen Stadium operierten
Patienten leben noch nach 5
Jahren.
Eine
Differenzierung zwischen den Erkrankungen, die unter der Ziffer 27b
anerkannt werden, wäre sinnvoll und sollte aus statistischen Gründen
und
Gründen der Transparenz vorgenommen
werden.
Frage 2:
In den Jahresberichten der AUVA von 1991 bis 1994 wurden
die Rohdaten
zugegebenermaßen sinnstörend dargestellt. Beispielsweise ergibt sich
für
das Jahr 1994 aus der Differenz von 42 und 27
die Anzahl der BK-Toten
mit 15, 1993 aus 39 minus 25 14 usw. Seit 1995 gab es diese Darstellung
so nicht mehr in den Jahresberichten. Bei der
Anzahl der BK-Toten sind
alle im Auswertungsjahr verstorbenen, egal
wann die BK erstmalig
anerkannt wurde, berücksichtigt.
Frage 3:
Im Jahr 1990, ein Jahr nach der Änderung des
Datenverarbeitungssystems gab es mit 1950 anerkannten
Berufskrankheiten wieder eine deutliche Erhöhung gegenüber dem Jahr
1989 mit 1424 anerkannten Berufskrankheiten,
mit einer kontinuierlichen
fallenden Tendenz in den folgenden Jahren.
Zahlen- und prozentmäßig
stehen 2 Berufskrankheiten, nämlich die
Lärmschwerhörigkeit und die
Hauterkrankungen, an der Spitze des Berufskrankheitengeschehens. Im
Jahr 1987 gab es 2251 anerkannte
Berufskrankheiten, davon entfielen
74% oder 1661 anerkannte Berufskrankheiten auf die BK 33 und BK 19,
Im Jahr 1993 gab es 1753 anerkannte Berufskrankheiten, davon entfielen
79% oder 1388 anerkannte Berufskrankheiten auf die BK 33 und BK 19,
ab dem Jahr 1994 kam es zu einer Reduktion
dieser beider
Berufskrankheiten, Im Jahr 2003 gab es 1178
anerkannte
Berufskrankheiten, davon entfielen 57 % oder 673 anerkannte
Berufskrankheiten auf die BK 33 und BK 19.
Der Rückgang in den Zahlen der anerkannten
Berufskrankheiten ist
nahezu ausschließlich Folge eines
Rückganges der Lärmschwerhörigkeit
und der Hauterkrankungen. Gleichbleibende
Zahlen in der
Berufskrankheitenstatistik wären eher
Anlass zur Besorgnis angesichts
einer nunmehr fast flächendeckenden arbeitsmedizinischen Betreuung der
Betriebe und des präventivmedizinischen
Auftrages der AUVA.
Frage 4:
Nicht anerkannte Berufskrankheiten wegen
Nichterfüllung besonderer
Bedingungen 1990 - 2003 (EDV-mäßig
erfasst seit 1990)
Jahr |
1990 |
1991 |
1992 |
1993 |
1994 |
1995 |
1996 |
Anzahl |
274 |
329 |
395 |
428 |
411 |
415 |
363 |
Jahr |
1997 |
1998 |
1999 |
2000 |
2001 |
2002 |
2003 |
Anzahl |
405 |
448 |
418 |
376 |
363 |
348 |
268 |
Sonstige nicht anerkannte Berufskrankheiten 1992 - 2003
(EDV-mäßig
erfasst seit 1992)
Jahr |
1992 |
1993 |
1994 |
1995 |
1996 |
1997 |
Anzahl |
1869 |
1774 |
1526 |
1672 |
1562 |
1313 |
Jahr |
1998 |
1999 |
2000 |
2001 |
2002 |
2003 |
Anzahl |
1297 |
1363 |
1396 |
1501 |
1475 |
1403 |
Anerkannte Berufskrankheiten 1988 bis 2003
Jahr |
1988 |
1989 |
1990 |
1991 |
1992 |
1993 |
1994 |
1995 |
Anzahl |
2619 |
1424 |
1950 |
1796 |
1834 |
1753 |
1279 |
1353 |
Jahr |
1996 |
1997 |
1998 |
1999 |
2000 |
2001 |
2002 |
2003 |
Anzahl |
1321 |
1175 |
1211 |
1259 |
1268 |
1395 |
1402 |
1178 |
Die Zahl der gemeldeten Berufskrankheiten lässt keine
zuverlässige
Aussage über das tatsächliche
Ausmaß des Berufskrankheitengeschehens
zu und wird von Faktoren beeinflusst, wie zum
Beispiel der
Arbeitsmarktsituation, den finanziellen
Mitteln anderer Institutionen für
Umschulungsmaßnahmen, dem Informations-
und Wissensstand über
Berufskrankheiten der Ärzteschaft und Qualität der Meldungen. Im Jahr
1999 betrafen 643 oder 47% der
Nichtanerkennungen die
Lärmschwerhörigkeit und Hauterkrankungen, 285 oder 20% der
Nichtanerkennungen betrafen
Atemwegserkrankungen.
Im Jahr 2003 stellt sich eine ähnliche
Situation dar, 673 oder 48% der
Nichtanerkennungen betrafen die
Lärmschwerhörigkeit und
Hauterkrankungen, 321 oder 23% der Nichtanerkennungen betrafen
Atemwegserkrankungen.
Bei 167 der Nichtanerkennungen 1999, das sind 12% der
Nichtanerkennungen, bei 156 der Nichtanerkennungen 2003, das sind
11% der Nichtanerkennungen werden Erkrankungen gemeldet, die keiner
BK-Ziffer zuordenbar waren.
Frage 5:
In der AUVA existiert ein Asbestregister, eine
Auflistung der
Unternehmen, die Asbest verarbeitet haben,
Asbest auch schwach
gebundenen verwendet haben und asbesthältige Produkte bearbeitet oder
verwendet haben. Da gegenständliches
Asbestkataster personenbezogene
Daten beinhaltet, ist eine Übermittlung
dieser Auflistung der Anstalt aus
datenschutzrechtlichen Gründen nicht
möglich.
Fragen 6 bis 11:
In den genannten Unternehmen wurden in den
letzten Jahren alle
auftretenden Mesotheliome anerkannt.
Daher kann zu der Anfrage, um wie viele
abgelehnte Fälle es sich handelt,
und der Neuaufrollung nicht Stellung genommen
werden.
Frage 12:
Das BBRZ Österreich wurde von der AUVA mit der
österreichweiten
operativen Umsetzung des Projekts „Asbest-Nachsorgeaktion der AUVA"
beauftragt. Zielgruppe sind ehemals an Asbeststaub
exponierte
ArbeitnehmerInnen aus der Asbest verarbeitenden Industrie, chemischen
Industrie, Stahlindustrie, Papierindustrie, aus Schiffswerften, Kraftwerken
sowie aus den Berufen Gummiwerker,
Reifenbauer, Isolierer, Dachdecker,
Maler und Anstreicher, Installateure,
Elektriker, Schlosser,
Industrieofenbauer, Ofenmaurer,
Kraftfahrzeugmechaniker,
Bremsbelaghersteller u.a.
Alle Betroffenen, die mit dem
Beratungszentrum über die Servicenummer
070/6922 6969 Erstkontakt aufnehmen, werden zu
einer Screening-
Untersuchung in ihrer Wohnortnähe
eingeladen (die Dauer der
Asbestexposition ist für das Screening
unerheblich). Dazu koordiniert das
BBRZ die Untersuchungen bei nach § 49
ermächtigten Ärzten, die dazu
auch speziell durch die AUVA geschult wurden.
Ziele dieser Nachsorgeaktion sind primär die
Früherkennung des
asbestinduzierten Lungenkarzinoms und die
Verbesserung der Prognose
und Lebensqualität. Weitere Ziele sind
die Erkennung von gutartigen
asbestinduzierten Erkrankungen, die Verringerung der Dunkelziffer von
Asbestose sowie eine psychosoziale Betreuung
im Erkrankungsfall und das
Schnittstellenmanagement bei Verdacht auf
eine Erkrankung. Ebenso
erfolgt in den Beratungszentren des BBRZ eine Beratung und Information
über Raucherentwöhnung.
Diese Untersuchungen werden in vorgegebenen
Kontrollzeiträumen
regelmäßig wiederholt. Die
Wiedereinladung zu den Untersuchungen
erfolgt ebenso über die Beratungszentren
des BBRZ.
1Tossaavainen 2003, Asbestos Consumption and Mesothelioma Incidence in Industrialized Countries