2019/AB XXII. GP

Eingelangt am 08.09.2004
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0036-Pr 1/2004

 

An den

                                      Herrn Präsidenten des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 2028/J-NR/2004

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „rechtliche Absicherung gleichgeschlechtlicher Paare durch die „Eingetragene Partnerschaft““ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1, 14 bis 16, 23 und 25:

Einleitend möchte ich betonen, dass mir daran gelegen ist, Diskriminierungen hintanzuhalten. Ich stehe auch der Frage einer registrierten Partnerschaft für Gleichgeschlechtliche offen gegenüber, doch handelt es sich hiebei nicht um eine justiz-, sondern um eine gesellschaftspolitische Frage. Es liegt daher nicht in der Hand der Justizministerin, allein zu entscheiden, ob ein solches Rechtsinstitut eingeführt werden soll, bevor die öffentliche Diskussion zu diesem Thema einen Stand erreicht hat, der einen solchen Schritt sinnvoll und für die Bevölkerung akzeptabel erscheinen lässt. In diesem Zusammenhang wird auch zu beobachten sein, welche Ergebnisse zu dieser Frage der Österreichkonvent, in dessen Rahmen auch dieser Problemkreis erörtert wird, erzielt. Was die Details, insbesondere die Wirkungen einer eingetragenen Partnerschaft betrifft, so muss ich darauf hinweisen, dass diese in weiten Bereichen auch Materien außerhalb meines Wirkungskreises betreffen, die vor legislativen Arbeiten des Justizressorts geklärt sein müssen. Mir sind die genannte Bürgerinitiative sowie die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs bekannt; es bestehen meiner Einschätzung nach keine völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs, ein Rechtsinstitut einer eingetragenen Partnerschaft zu schaffen.

Ich plane derzeit nicht, legislative Schritte in Richtung der Einführung einer registrierten Partnerschaft oder einer Ehe Gleichgeschlechtlicher in die Wege zu leiten.

Zu 2 und 17, 18, 20 bis 22 und 24:

Was die Gleichstellung faktischer Lebensgemeinschaften Gleichgeschlechtlicher mit vergleichbaren Lebensgemeinschaften verschiedengeschlechtlicher Personen betrifft, möchte ich darauf hinweisen, dass das Justizrecht durch jüngere Gesetzgebungsakte diese Gleichstellung bereits weitgehend verwirklicht hat:

Sowohl das Wohnungseigentumsgesetz 2002 als auch § 382b EO in der Fassung der EO-Novelle 2003 enthalten eine sprachliche Fassung des Begriffs der Lebensgemeinschaft, die auch die Lage Gleichgeschlechtlicher berücksichtigt. Dies trifft auch für § 152 Abs. 1 StPO zu, nach der durch das Strafrechts-Änderungsgesetz 1998 vorgenommenen Änderung des § 72 Abs. 2 StGB für verschieden- und gleichgeschlechtliche Lebensgefährten in gleicher Weise gilt. Auch § 250 EO ist einer neutralen Auslegung zugänglich.

Die Frage, ob der Begriff der Lebensgemeinschaft auch auf anderen Gebieten als dem des Justizrechts auf Gleichgeschlechtliche anwendbar ist, fällt nicht in meinen Wirkungsbereich, sondern geht sogar vielfach über das Bundesrecht hinaus.

Bei der Auslegung dieser Vorschriften wird aber die zu Frage 19 behandelte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Fall Karner und die daraus ableitbare völkerrechtliche Verpflichtung Österreichs zur weiten Auslegung zu berücksichtigen sein.

Zu 3 bis 13:

Das Bundesministerium für Justiz beobachtet die internationale Entwicklung mit Interesse und Aufmerksamkeit. Derzeit ist zu sagen, dass im Wesentlichen vier verschiedene Modelle bestehen:

·        Registrierte Partnerschaft von zwei gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten, die in der Regel mit den wesentlichen Ehewirkungen verbunden ist;

·        Registrierte Partnerschaft von zwei gleich- oder verschiedengeschlechtlichen Lebensgefährten, die als „Ehe minderen Grades“ in der Regel mit geringeren rechtlichen Wirkungen als eine Ehe ausgestattet ist;

·        Partnerschaft von zwei Menschen mit bestimmten Rechtswirkungen;

·        Durch Gesetzesakt eingeführte Ehe Gleichgeschlechtlicher.

Im Übrigen verweise ich zu den verschiedenen Ländermodellen auf die angeschlossene Beilage.

Zu 19:

§ 14 Abs. 2 und 3 MRG regelt die Sonderrechtsnachfolge bei Mietverträgen über Wohnungen nach dem Tod des Hauptmieters. In dieser Gesetzesbestimmung wird dort angeführten nahen Angehörigen unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht zum Eintritt in den Mietvertrag eingeräumt. Eintrittsberechtigt sind nach § 14 Abs. 3 MRG der Ehegatte, der Lebensgefährte, Verwandte in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder und die Geschwister des bisherigen Mieters, sofern diese Personen ein dringendes Wohnbedürfnis haben und schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung gewohnt haben. Lebensgefährte im Sinne dieser Bestimmung ist nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut, „wer mit dem bisherigen Mieter bis zu dessen Tod durch mindestens drei Jahre hindurch in der Wohnung in einer in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichteten Haushaltsgemeinschaft gelebt hat; einem dreijährigen Aufenthalt des Lebensgefährten in der Wohnung ist es gleichzuhalten, wenn er die Wohnung seinerzeit mit dem bisherigen Mieter gemeinsam bezogen hat“.

Die Regelung des § 14 Abs. 3 MRG ist also völlig geschlechtsneutral formuliert; die Frage der Gleich- oder Verschiedengeschlechtlichkeit wird im Wortlaut dieser Bestimmung in keiner Weise angesprochen. Maßgebliches Kriterium ist demnach die in wirtschaftlicher Hinsicht gleich einer Ehe eingerichtete Haushaltsgemeinschaft. Darunter lässt sich eine homosexuelle Lebenspartnerschaft ohne weiteres subsumieren, zumal dem Wortlaut nach ja nur Eheähnlichkeit der Haushaltgemeinschaft in wirtschaftlicher Hinsicht (also nicht in bezug auf die Geschlechtsgemeinschaft) gefordert wird. Meiner Überzeugung nach kann daher dieses Kriterium bei Lebensgefährten des gleichen Geschlechts gleichermaßen erfüllt sein wie bei verschiedengeschlechtlichen Lebensgefährten. Diese meine Auffassung deckt sich auch mit rechtswissenschaftlichen Äußerungen zu dieser Frage (vgl. etwa Stabentheiner, Glosse zu wobl 1997/39; Ch. Schweighofer, wobl 1998, 262).

Der Oberste Gerichtshof war in seiner Rechtsprechung vor dem Urteil des EGMR im Fall „Karner“ jedoch davon ausgegangen, dass „Lebensgefährte“ im Sinne des § 14 Abs. 3 nur eine Person sein könne, die anderen Geschlechts ist als der verstorbene Hauptmieter. Deshalb kam es zur Verurteilung Österreichs durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der darin einen Verstoß gegen Artikel 8 in Verbindung mit Artikel 14 EMRK sah. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bemängelte ausdrücklich die enge Auslegung („narrow interpretation“) des § 14 Abs. 3 MRG durch den Obersten Gerichtshof.

Die Europäische Menschenrechtskonvention steht in Österreich im Verfassungsrang. Das Mietrechtsgesetz ist nur ein einfaches Gesetz. Es ist daher wie alle einfachen Gesetze verfassungskonform, also im Einklang mit der EMRK auszulegen. Da es die Europäische Menschenrechtskonvention im Licht des Urteils des EGMR im Fall „Karner“ gebietet, gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten unter den selben Voraussetzungen ein Eintrittsrecht in den Mietvertrag zuzugestehen wie verschiedengeschlechtlichen Lebensgefährten, ist § 14 Abs. 3 MRG in Zukunft meines Erachtens verfassungskonform so auszulegen, dass unter „Lebensgefährte“ auch ein gleichgeschlechtlicher Lebensgefährte zu verstehen ist. Der Wortlaut des § 14 Abs. 3 MRG lässt eine solche – verfassungskonforme – Auslegung – wie oben bereits ausgeführt - ohne weiteres zu.

Ich gehe daher davon aus, dass die unabhängigen Gerichte, deren Rechtsprechung ich freilich in keiner Weise vorgreifen kann und will, auf Grundlage des § 14 Abs. 2 und 3 MRG in Hinkunft auch gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten unter den selben Voraussetzungen wie verschiedengeschlechtlichen Lebensgefährten ein Eintrittsrecht in den Mietvertrag zubilligen werden. Eine Änderung des Gesetzes ist zur Erreichung dieses Ergebnisses nicht erforderlich.

 

. September 2004

 

(Maga. Karin Miklautsch)


Gleichgeschlechtliche Partnerschaft - Kurzvergleich

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Staat

DK

Grönl.

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Rechtseinrichtung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

registrierte Partnerschaft

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Bezeichnung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Rechtsfolgen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Partnerunterhalt

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Beistandspflicht

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beschränkt

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Angehörigeneigenschaft ges. Krankenversicherung

 

 

 

 

 

 

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Auflösung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Weg der Auflösung

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beschränkt

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Rechtsfolgen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Partnerunterhalt

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Beistandspflicht

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Gemeinsame Obsorge

 

 

 

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Voraussetzungen

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Vertragsmodell

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ja, PACS

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Eintragung

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Gericht

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Hetero u Homo

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Beendigung

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Haushaltsschulden

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Solidarsch

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Tragweite PACS

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