2020/AB XXII. GP

Eingelangt am 08.09.2004
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

 

BMJ-Pr7000/0037-Pr 1/2004

 

An den

Herrn Präsidenten des Nationalrates

Wien

zur Zahl 2029/J-NR/2004

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend die Vollziehung des § 207b StGB (Ersatzbestimmung für den menschenrechtswidrigen § 209 StGB) gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage unter Zugrundelegung der von den Staatsanwaltschaften eingeholten Berichte wie folgt:

Zu 1 bis 5:

Beim Bezirksgericht Salzburg wurde im ersten Halbjahr 2004 ein Verfahren wegen § 207b Abs. 1 StGB eingeleitet. Das Verfahren betraf einen 55 Jahre alten unbescholtenen männlichen Verdächtigen. Sein männlicher Partner war 15 Jahre alt. Laut einem eingeholten Sachverständigengutachten handelte es sich um eine dependent entwickelte Täter-Opfer-Beziehung mit deutlicher Unterwerfungsbereitschaft. Der Verdächtige wurde zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

 

Zu 6 und 7:

Seit 30. März 2004 befindet sich in der Justizanstalt Wien-Simmering ein Insasse wegen § 207b Abs. 1 StGB als führendes Delikt in Strafhaft. Davor befand sich diese Person vom 11. Jänner 2004 bis 30. März 2004 zu diesem Verfahren in Untersuchungshaft. Das errechnete Strafende fällt auf den 10. September 2004.

 

Zu 8 bis 12:

Beim Landesgericht Salzburg wurde im ersten Halbjahr 2004 ein Strafverfahren gegen einen 41 Jahre alten unbescholtenen männlichen Verdächtigen, der die wirtschaftliche Abhängigkeit und fehlende soziale Integration einer 15-jährigen rumänischen Staatsangehörigen ausgenützt hat, unter anderem wegen § 207 b Abs. 2 StGB eingeleitet. Er wurde ausschließlich wegen § 207b Abs. 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.

 

Zu 13 und 14:

Weder im ersten Halbjahr 2004 noch mit Stichtag 19. Juli 2004 wurden Personen wegen § 207b Abs. 2 StGB als alleiniges oder im Sinne der Verurteilungsstatistik führendes Delikt in Untersuchungshaft, Strafhaft oder im Maßnahmenvollzug angehalten.

 

Zu 15 bis 19:

Beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Leoben wurde im ersten Halbjahr 2004 ein Verfahren wegen § 207b StGB eingeleitet. Es betraf einen 61-jährigen vorbestraften männlichen Verdächtigen. Sein männlicher Partner war 15 Jahre alt. Die "bestimmten Tatsachen" waren der Anzeige nicht zu entnehmen und wurden Gegenstand gerichtlicher Vorerhebungen. Die Frage der Ausnutzung einer allenfalls mangelnden Reife des Jugendlichen bzw. der Ausnutzung einer altersbedingten Überlegenheit soll durch die anhängigen gerichtlichen Vorerhebungen geklärt werden. Unter welchen Tatbestand des § 207b StGB das Verhalten des Beschuldigten allenfalls zu subsumieren ist, kann erst nach Abschluss der Vorerhebungen beurteilt werden.

 

Ein beim Landesgericht Salzburg wegen § 207b Abs. 1, 2 und 3 StGB geführtes Verfahren betraf einen 59-jährigen unbescholtenen männlichen Verdächtigen, der im außereuropäischen Ausland mit nicht näher ausgeforschten männlichen Jugendlichen sexuelle Kontakte gepflogen haben soll. Das Alter der Jugendlichen, Art und Höhe des Entgelts sowie die Modalitäten des unmittelbaren Verleitens zu geschlechtlichen Handlungen sind nicht bekannt. Das Verfahren endete im Jahr 2004 mit einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer gänzlich bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten.

 

Beim Landesgericht Leoben wurde im ersten Halbjahr 2004 ein Verfahren wegen § 207b Abs. 3 StGB eingeleitet. Das Verfahren betrifft einen 61-jährigen vorbestraften männlichen Verdächtigen. Seine mutmaßlichen männlichen Partner sollen 14, 15 und 16 Jahre alt gewesen sein. Das Entgelt soll in der Übergabe von Bargeldbeträgen zwischen 50 und 200 Euro, das "Verleiten" in der Aufforderung, in die Wohnung des Verdächtigen mitzukommen, und die "Unmittelbarkeit" des "Verleitens" in der persönlichen Aufforderung an die jugendlichen Partner, gegen Übergabe von Geld in seiner Wohnung an seinem Glied zu masturbieren, bestanden haben. Dieses Verfahren ist noch anhängig.

 

Beim Landesgericht Linz wurde im ersten Halbjahr 2004 ein Verfahren wegen § 207b Abs. 3 StGB eingeleitet. Das Verfahren betrifft einen 44 Jahre alten unbescholtenen männlichen Verdächtigen, der mit einem männlichen Partner im Alter von 16 Jahren sexuelle Kontakte gehabt haben soll. Als Entgelt sollen 200 Euro bezahlt worden sein. Die gerichtlichen Vorerhebungen sind noch nicht abgeschlossen.

 

Ein weiteres beim Landesgericht Linz im ersten Halbjahr 2004 eingeleitetes Strafverfahren unter anderem wegen § 207b Abs. 3 StGB betraf einen 34-jährigen, mehrfach wegen § 209 StGB vorbestraften männlichen Verdächtigen. Er stand im Verdacht, seinen 15, 16 und 17 Jahre alten männlichen Partnern Bargeld, Mobiltelefone, Zigaretten und Getränke angeboten bzw. übergeben zu haben. Über den Verdächtigen wurde nach vorangegangener sicherheitsbehördlicher Verwahrungshaft die Untersuchungshaft verhängt. Zum  Vorwurf nach § 207b Abs. 3 StGB kam es später allerdings zur Einstellung des Strafverfahrens. 

 

Beim Landesgericht für Strafsachen Wien wurden im ersten Halbjahr 2004 gegen zwei Personen Strafverfahren wegen § 207b Abs. 3 StGB (jeweils neben anderen Delikten als "führendes Delikt") eingeleitet. Im ersten Verfahren wurde ein 59-jähriger unbescholtener männlicher Verdächtiger von seinem mittlerweile 20-jährigen Partner belastet, ihn durch Übergabe von Bargeld zu sexuellen Handlungen verleitet zu haben. Diese Angaben stellten sich im gerichtlichen Vorverfahren als falsch heraus, weshalb die Anklagebehörde die Anzeige gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurücklegte.

 

Das zweite Strafverfahren des Landesgerichtes für Strafsachen Wien im ersten Halbjahr 2004 wurde gegen einen 32-jährigen vorbestraften männlichen Verdächtigen unter anderem wegen § 207b Abs. 3 StGB eingeleitet. Dieser soll mit einer 14 Jahre alten weiblichen Geheimprostituierten gegen Zahlung von Bargeld sexuell verkehrt haben. Der anfragerelevante Tatvorwurf wurde aus diesem Strafverfahren ausgeschieden und ist Gegenstand gesonderter, noch nicht abgeschlossener gerichtlicher Vorerhebungen.

 

Zu 20 und 21:

Bis zum 20. Februar 2004 befand sich eine Person ausschließlich wegen § 207b Abs. 3 StGB in der Justizanstalt Salzburg in Strafhaft. Eine weitere Person befindet sich wegen § 207b Abs. 3 StGB als führendes Delikt seit dem 22. Februar 2004 in der Justizanstalt Linz in Untersuchungshaft. Über die Dauer der Untersuchungshaft entscheiden die unabhängigen Gerichte.

 

Im Zeitraum von 3. Dezember 2003 bis 28. Mai 2004 befand sich eine Person in der Justizanstalt Korneuburg wegen § 207b Abs. 3 StGB in Untersuchungshaft. In diesem Verfahren wurde die genannte Person wegen § 207 Abs. 1 StGB, 207b Abs. 3 StGB, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, deren errechnetes Ende auf den 2. März 2005 fällt.

 

Zu 22:

Das Strafverfahren wurde beim Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Feldkirch (zunächst) gegen unbekannte Täter wegen §§ 15, 207b (ohne Absatzbezeichnung) StGB eingeleitet. Gegenstand dieses Verfahrens waren Kontaktanzeigen im Internet, mit denen minderjährige Knaben als potenzielle Geschlechtspartner zur Kontaktaufnahme mit dem Inserenten animiert werden sollten. Die Subsumtion unter eine bestimmte Variante des § 207b StGB war zunächst mangels hinreichender Klärung des Sachverhaltes nicht möglich. Nach Durchführung gerichtlicher Vorerhebungen legte die Anklagebehörde die Anzeige gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurück.

 

Zu 23:

Nach den mir nunmehr vorliegenden Informationen befand sich der verurteilte 58-jährige vorbestrafte Mann nicht wegen § 207b Abs. 1 StGB, sondern auf Grund seiner Verurteilung wegen § 287 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten in Strafhaft. Das Verfahren gegen ihn wegen §§ 15, 201 Abs. 2, 207b Abs. 1, 218 StGB (Verdacht der Vergewaltigung bzw. des sexuellen Missbrauchs an einer 15-jährigen weiblichen Partnerin in mehreren Tathandlungen) wurde aus Beweisgründen gemäß § 109 Abs. 1 StPO eingestellt.

 

Zu 24:

Nach den mir nun vorliegenden Informationen war der in der Justizanstalt Korneuburg inhaftiert gewesene unbescholtene männliche Verdächtige 59 Jahre alt. Seine drei männlichen Partner waren jeweils über 14 Jahre alt. Er hatte den Jugendlichen Geschenke wie Geld, alkoholische Getränke und Zigaretten übergeben, um sie zur Vornahme von Oralverkehr, Masturbation bzw. digitaler Analpenetration zu bewegen. Er wurde unter anderem wegen § 207b Abs. 3 StGB gerichtlich verurteilt.

 

Der in der Justizanstalt Linz noch in Untersuchungshaft befindliche 34-jährige mehrfach wegen § 209 StGB vorbestrafte männliche Verdächtige soll seinen 15, 16 und 17 Jahre alten männlichen Partnern Bargeld, Mobiltelefone, Zigaretten und Getränke angeboten bzw. übergeben haben.

 

Zu 25:

Diese Frage betrifft eine Angelegenheit der unabhängigen Rechtsprechung und nicht den gesetzlichen Vollziehungsbereich der Bundesministerin für Justiz. Ich ersuche daher um Verständnis, dass ich mich zur Entscheidung eines unabhängigen Gerichtes nicht äußere.

 

. September 2004

 

 

( Maga. Karin Miklautsch )